TE OGH 1985/4/18 12Os29/85

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Veröffentlicht am 18.04.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. April 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Hörburger (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Loidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Alois A und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 8. Jänner 1985, GZ 20 Vr 2161/84-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart, und des Verteidigers Dr. Eduard Wegrostek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Strafe auf 20 (zwanzig) Jahre erhöht.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Alois A des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 StGB und des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 4. Juli 1984 in Salzburg I. der Kreszentia B den (Geld-)Betrag von 4.500 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II. Kreszentia B dadurch, daß er der am Boden Liegenden mit beiden Daumen (im Wahrspruch: Händen) gegen die Halsschlagader drückte, ihre Mund- und Nasenöffnung mit einer Stoffdecke bedeckte und sie mit den Händen im obersten Halsbereich so lange würgte, bis bei ihr infolge Erstickung der Tod eintrat, getötet.

Die Geschwornen hatten die (anklagekonforme) Hauptfrage I nach schwerem Raub verneint, hingegen die (für diesen Fall gestellte) Eventualfrage 1 nach Diebstahl und die Hauptfrage II nach Mord bejaht sowie folgerichtig die (für den Fall der Verneinung der Hauptfrage II gestellten) Eventualfragen 2 und 3

nach Totschlag und nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Der auf Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu.

Die Fragestellung an die Geschwornen rügt der Angeklagte wegen des Unterbleibens 'einer oder zwei Eventualfragen in Richtung auf § 287 StGB (§ 75 bzw. § 11 StGB)', wodurch die Vorschrift des § 314 Abs 1 StPO verletzt worden sei.

Dem ist zu erwidern, daß sich aus der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung - dem Beschwerdevorbringen zuwider - kein Anhaltspunkt für einen seine Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt ausschließenden Rauschzustand ergab; ist doch der von ihm dort behauptete Genuß von drei (Flaschen oder Gläsern) Bier vor der Tat (Band II S 4 und 5) noch keineswegs geeignet, einen solchen Zustand herbeizuführen, auf dessen Vorliegen auch aus der Schilderung des Tathergangs durch den Angeklagten kein Hinweis zu gewinnen ist. Nach dem Vorbringen des Angeklagten in der Hauptverhandlung bestand daher für den Schwurgerichtshof kein Anlaß, ungeachtet des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen, wonach der Angeklagte (nur) 'unbedeutend' alkoholisiert gewesen sein kann (Band II S 14), die vom Beschwerdeführer vermißte(n) Eventualfrage(n) nach Tatbegehung im Zustand voller Berauschung (§ 287 StGB) zu stellen. Soweit sich der Beschwerdeführer für die Notwendigkeit der von ihm reklamierten Eventualfragestellung (§ 287 StGB) auf Verhandlungsergebnisse beruft, welche seiner Ansicht nach auf einen bei ihm vorgelegenen schweren Affektzustand hingewiesen hätten, verkennt er, daß § 287 StGB einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand erfordert, mithin einen Zustand, der ausschließlich oder überwiegend auf Alkohol oder andere berauschende Mittel zurückzuführen ist. Andere (Bewußtseins-)Zustände als Rauschzustand in der dargelegten Bedeutung kommen als Gegenstand einer Schuldfrage (hier: Eventualfrage gemäß § 314 Abs 1 StPO), nach der die Tat unter § 287 StGB fiele, nicht in Betracht (vgl. ÖJZ-LSK 1981/158 zu § 287 StGB).

Aber auch von einer Verletzung der Vorschrift des § 313 StPO durch das Unterbleiben einer Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) könnte vorliegend keine Rede sein. Wie die Generalprokuratur dazu zutreffend ausführt, sind entgegen dem Beschwerdevorbringen weder durch die Verantwortung des Angeklagten noch aus dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Umstände hervorgekommen, wonach der Angeklagte von einem derart heftigen Affekt erfaßt gewesen sei, daß eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung im Sinne des § 11 StGB bei ihm eintrat. Der Angeklagte hat zwar in der Hauptverhandlung vorgebracht, er habe Kreszentia B aus Wut darüber, daß sie ihn an die fällige Mietzins- und Darlehensrückzahlung mit dem Beifügen erinnerte, er müsse sonst ausziehen, mit einer (halbvollen) Mineralwasserflasche auf den Kopf geschlagen, dann bei ihr Blut gesehen und daraufhin so einen 'Schock' bekommen, daß er sie trotz ihres Appells, von ihr abzulassen, er bekomme dafür 'lebenslänglich', intensiv würgte, weil er sich dachte, daß er 'das jetzt fertig machen müsse' (Band II S 5, 6 und 13). Der psychiatrische Sachverständige schloß beim Angeklagten eine erhöhte Neigung zu Kurzschlußreaktionen nicht aus, bezeichnete eine Erregung zur Tatzeit als sicher und einen 'Schock' zumindest nach der Tat als wahrscheinlich, wie die unüberlegte Flucht des Angeklagten nach Paris zeige; zugleich betonte aber der Sachverständige, daß die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten nicht in Frage gestellt sei (Band II S 14, 15). Ein Affekt, wie ihn der Angeklagte in seiner Verantwortung darstellte, schließt die Zurechnungsfähigkeit für Mord nicht aus (vgl. ÖJZ-LSK 1976/361 zu § 75 StGB).

Der Vorwurf einer unrichtigen Rechtsbelehrung im Sinne der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO hinwieder geht deshalb fehl, weil der Beschwerdeführer bei seinem bezüglichen Einwand, den Geschwornen sei der Begriff der fahrlässigen Tötung (§ 80 StGB) nicht erläutert worden, übersieht, daß die Rechtsbelehrung eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale (nur) derjenigen strafbaren Handlung(en) enthalten muß, auf die eine Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist (§ 321 Abs 2 StPO). Eine Schuldfrage in der Richtung des Vergehens der fahrlässigen Tötung (§ 80 StGB) wurde jedoch den Geschwornen nicht gestellt; dies mit Recht, geht doch die Nichtigkeitsbeschwerde selbst davon aus, der Angeklagte habe wohl einen Tötungsvorsatz bestritten, jedoch mit Mißhandlungsvorsatz jene Handlungen gegen Kreszentia B gesetzt, die den Tod des Opfers zur Folge hatten. Darnach bleibt aber für die dem Beschwerdeführer vorschwebende Zerlegung des Tatgeschehens in vorsätzliche Körperverletzung (durch den Schlag mit der Mineralwasserflasche auf den Kopf) und nachfolgende fahrlässige Tötung im Sinne des § 80 StGB kein Raum. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alois A war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 75 StGB zu siebzehn Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, als mildernd hingegen das Geständnis, die bisherige Straflosigkeit und eine gewisse (vom Sachverständigen Univ.Prof.Dr. Werner C attestierte) Infantilität.

Mit ihren Berufungen streben der Angeklagte eine Strafermäßigung, die Anklagebehörde hingegen eine Straferhöhung an.

Lediglich die Berufung der Staatsanwaltschaft ist berechtigt. Der Angeklagte zeigt nichts auf, was eine Herabsetzung der Strafe rechtfertigen könnte. Wenn er auf seinen 'hohen Erregungszustand' zur Tatzeit verweist, weil das Opfer von ihm ungeachtet seiner schlechten finanziellen Verhältnisse die Bezahlung der Miete verlangt und ihn solcherart gereizt habe, so fehlt einem solchen Affekt von vornherein die allgemeine Begreiflichkeit i.S. des § 34 Z 8 StGB Den Milderungsgrund des § 34 Z 1 StGB hat das Erstgericht dem Berufungswerber durch die Annahme einer gewissen Infantilität ohnedies zugebilligt.

Hingegen macht die Staatsanwaltschaft zutreffend geltend, daß der Angeklagte eine gefühllose und unbarmherzige Gesinnung bei Begehung der Tat zeigte und damit grausam i.S. der Z 6 des § 33 StGB gehandelt hat, weil er sich auch durch das flehentliche Bitten der Kreszentia B unter Mißachtung jedes menschlichen Mitleides in seinem ungezügelten Aggressionstrieb von der Tat nicht hat abhalten lassen. Erst die aus dem Spruche ersichtliche Freiheitsstrafe trägt den im § 32 StGB normierten Grundsätzen für die Strafbemessung Rechnung und nimmt auf den Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat gebührend Bedacht. Der Angeklagte war mit seiner (sonach unbegründeten) Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E05547

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00029.85.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19850418_OGH0002_0120OS00029_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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