TE OGH 1985/5/14 10Os220/84

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Veröffentlicht am 14.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Köhl als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter Rudolf W*** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Peter Rudolf W*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 23.Oktober 1984, GZ 19 Vr 2302/80-78, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten W*** und des Verteidigers Dr. Kopp, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das Urteil im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der Taten als Verbrechen des (zur Gänze vollendeten) gewerbsmäßigen schweren Betruges und demgemäß im Strafausspruch - jedoch unter Aufrechterhaltung des Vorhaftanrechnungsausspruches - aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Peter Rudolf W*** hat das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall sowie 15 StGB begangen und wird hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB zu zwanzig Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit seiner Berufung wird er auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter Rudolf W*** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen (richtig: des gewerbsmäßigen schweren) Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in der Zeit vom August 1979 bis zum 22. August 1980 in Rom und an anderen Orten des Auslands mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der "A***" und anderer Fluggesellschaften (durch Täuschung über Tatsachen, und zwar) teils persönlich unter dem Schein eines redlichen Vertragspartners und teils durch Veranlassung Dritter zu diesem Verhalten, auch unter Benützung falscher Urkunden, nämlich von durch unbefugte Personen ausgestellten Flugtickets, die bei Einbrüchen in Reisebüros entwendet worden waren, zum Flugtransport von insgesamt zumindest neunzehn namentlich bezeichneten Personen in sieben Fällen verleitet und in zwei weiteren Fällen zu verleiten versucht, der die "A***" um mehr als 100.000 S am Vermögen schädigte, wobei er den jeweils schweren Betrug gewerbsmäßig beging.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 4, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu.

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) remostriert der Beschwerdeführer gegen die Abweisung seines Antrages auf Beischaffung von Ablichtungen des Strafaktes gegen Gian Luigi T*** des Tribunale di Milano zum Beweis dafür, daß sich jener ihm gegenüber anläßlich eines Zusammentreffens im Air-Terminal in Mailand als A***-Angestellter ausgegeben, dabei die für solche Angestellte übliche Kleidung getragen und ihm glaubhaft versichert habe, er könne über Tickets der A*** zu besonders günstigen Konditionen auf legale Weise verfügen (S 225 f/II).

Von der Richtigkeit dieses Vorbringens ist jedoch das Schöffengericht ohnedies ausgegangen (US 15 f), als es seiner darauf gestützten Verantwortung, er sei gutgläubig gewesen, mit eingehender Begründung (US 9 f, 12-15, 18-20) aus anderen Erwägungen den Glauben versagte; durch die Ablehnung der beantragten Beweisaufnahme zu jenem Thema (S 226/II) sind daher Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt worden.

Zum Nachweis für die Höhe des Preises aber, den er T*** für die Tickets bezahlte, hat er den in Rede stehenden Antrag gar nicht gestellt; insoweit fehlt ihm demnach schon die erforderliche Beschwerdelegitimation.

In Ausführung der Rechtsrügen hinwieder werden Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite reklamiert, und zwar in bezug auf den Täuschungsvorsatz überhaupt sowie in Ansehung des Bereicherungs- und Schädigungsvorsatzes, über das Willenselement (Z 9 lit a), hinsichtlich der tatgegenständlichen Tickets zu deren Qualität als falsche Urkunden, bezüglich des Schadens zu dessen Höhe von mehr als 100.000 S und betreffend die Gewerbsmäßigkeit zur Frage, ob die qualifizierende Absicht des Angeklagten bei jeder Tat vorgelegen sowie auf die wiederkehrende Begehung von jeweils schon für sich allein schwerem Betrug gerichtet gewesen sei (Z 10). Auch damit ist die Beschwerde indessen nicht im Recht. Den für die Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB maßgebenden Vorsatz des Angeklagten, durch unbefugte Personen ausgestellte, also unechte Tickets (US 2, 20) zu benützen, nahm das Erstgericht in Form der Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB) als erwiesen an (US 7, 12, 15), bei der dem voluntativen Vorsatzelement im Hinblick darauf keine spezielle Bedeutung zukommt, daß der Täter das Vorliegen des dabei aktuellen tatbestands- oder qualifikationsrelevanten Umstands oder das Eintreten eines derartigen Erfolgs jedenfalls für gewiß hält; im übrigen aber stellte es - dementsprechend überflüssigerweise - außerdem fest, daß er die in diesem Sinn "unreelle Herkunft" (US 15) der "illegalen Tickets" (US 7/8, 12, 20) "zumindestens in Kauf nahm" (US 8), "auch billigend in Kauf nahm" (US 12), "zumindest in Kauf nahm und sich damit billigend abfand (US 15) sowie "zumindestens billigend in Kauf nahm" und sich damit "billigend abfand" (US 20).

Die Beschwerdebehauptungen, im Urteil finde sich kein Hinweis darauf, daß der Angeklagte von der Qualität der Tickets als falsche Urkunden "auch nur" gewußt und sich "noch in diesem Bewußtsein" innerlich damit abgefunden und zur Tat entschlossen habe, sowie ferner, in der Entscheidung werde lediglich darauf hingewiesen, daß er sich mit der Verwendung illegaler Tickets als Tatsache abgefunden habe, treffen daher zum einen nicht zu und beruhen zum anderen auf der nach dem Gesagten verfehlten Ansicht, daß es bei der Wissentlichkeit als Vorsatzform in bezug auf das Willenselement noch weitergehender spezieller Feststellungen bedürfe.

Mit der Annahme, daß der Beschwerdeführer die Flugtransporte und die damit zusammenhängenden Bordleistungen entweder für sich selbst oder für Dritte durch die wissentliche Benützung falscher Urkunden teils erwirkte und teils zu erwirken versuchte (US 2/3, 7-12), hat das Schöffengericht aber auch unmißverständlich seinen tatbestandsmäßigen Täuschungsvorsatz dahin festgestellt, daß er durch dieses Verhalten beim zuständigen Personal der Fluggesellschaften mit wenigstens bedingtem Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) den falschen Anschein teils erweckte und teils zu erwecken trachtete, die Tickets seien von dazu befugten Personen ausgestellt worden und ihre Inhaber seien demgemäß zu der jeweils mit ihrem Vorweisen verbundenen Inanspruchnahme der in Rede stehenden Leistungen berechtigt (US 20).

Davon, daß der Täuschungsvorsatz des Angeklagten in den Entscheidungsgründen "überhaupt nicht behandelt" werde, kann daher gleichfalls keine Rede sein; der Umstand aber, daß jener die inkriminierten Täuschungshandlungen gegenüber den Angestellten der Fluggesellschaften im Rahmen des (damit in jedem Fall zumindest bis ins Versuchsstadium gediehenen) Betruges überwiegend nicht persönlich vornahm, ist - wie der Vollständigkeit halber vermerkt sei - im Hinblick auf die rechtliche Gleichwertigkeit der in § 12 StGB normierten Täterschaftsformen nicht von Belang (JBl 1984, 267, EvBl 1983/13 uva).

In Ansehung eines seinen Taten zugrunde gelegenen Bereicherungsvorsatzes des Beschwerdeführers nahm das Erstgericht Wissentlichkeit und im Hinblick auf die Gewerbsmäßigkeit seines Verhaltens sogar Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) als erwiesen an (US 17 f, 19, 20); zu einer Feststellung dahin, daß er sich mit seiner unrechtmäßigen Bereicherung auch oder bloß abgefunden hätte, war dementsprechend zum einen kein Anlaß und zum anderen gar kein Raum. Zielte jedoch der Tatplan des Beschwerdeführers nach den Urteilskonstatierungen solcherart auf seine unrechtmäßige Bereicherung geradezu ab, dann ist daraus im gegebenen Fall, der Beschwerdeauffassung zuwider, doch wohl mit zureichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die weiteren Annahmen des Schöffengerichts, er habe es "zumindestens in Kauf genommen", der A*** durch den Vertrieb und die Benützung der Tickets einen Schaden zuzufügen (US 8), und er habe "entweder gewußt, zumindestens aber mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen", durch den Vertrieb der illegalen Tickets bei der A*** einen Schaden hervorzurufen (US 12), in bezug auf die täuschungsbedingte Schädigung der Fluggesellschaft ebenfalls auch die Willenskomponente des Vorsatzes miterfassen.

Daß sich dieser nach den Urteilsfeststellungen jedenfalls auf einen 100.000 S übersteigenden Gesamtbetrag erstreckte, kann entgegen der von der Generalprokuratur vertretenen Ansicht selbst dann nicht mit Fug bezweifelt werden, wenn seiner Vorstellung nach der bei der Weiterveräußerung der Tickets von ihm erzielte und nach Abzug seiner "Provision" an T*** abgeführte "verbilligte" Preis (nach allfälligem Abzug weiterer "Provisionen") jeweils der A*** zufließen sollte: muß ihm doch darnach - wie das Schöffengericht (mit für sich allein mißverständlicher Formulierung, vlg jedoch insbes US 13, 14, 19) beweiswürdigend erwog - bewußt gewesen sein, daß schon die Differenzen zum offiziellen Ticketpreis mehr als 100 % betrugen (US 20), woraus sich, von den vorerwähnten "Provisionen" ganz abgesehen, selbst für diesen Fall bei mindestens 19 Tickets zum Stückpreis von 50.000 S (US 10) eindeutig ergibt, daß der Vorsatz des Angeklagten auf einen 100.000 S um ein Vielfaches übersteigenden Schadensbetrag gerichtet war.

Ganz unmißverständlich schließlich hat das Erstgericht konstatiert, daß die sein Verhalten zur Gewerbsmäßigkeit qualifizierende Absicht des Beschwerdeführers bei jeder einzelnen Tat vorlag und dabei auf die wiederkehrende Begehung von jeweils schon für sich allein schweren Betrug gerichtet war (US 2, 18 f). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO war jedoch von Amts wegen wahrzunehmen, daß das angefochtene Urteil zum Nachteil des Angeklagten insofern mit einer von ihm nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeit (Z 10) behaftet ist, als ihm die Fakten 8 und 9 schon nach ihrer Beschreibung im Tenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), aber auch nach den Entscheidungsgründen zu Unrecht nicht als versuchtes (§ 15 StGB), sondern gleichfalls als vollendetes Delikt angelastet wurden (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO); in diesem Belang war demnach der Schuldspruch zu korrigieren.

Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe waren erschwerend die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, die mehrfache Betrugsqualifikation, ein verhältnismäßig rascher Rückfall nach einer Entlassung aus einer Strafhaft und die Wiederholung der deliktischen Angriffe, mildernd hingegen der Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb, die Tatsache, daß der Angeklagte durch seine Angaben vor den österreichischen Erhebungsorganen (Band I, S 165 ff) zum Teil zur Wahrheitsfindung beitrug und der Umstand, daß die Taten vor längerer Zeit begangen wurden und der Angeklagte sich seither wohlverhielt.

Eine "Selbststellung" vor den italienischen Strafverfolgungsbehörden (§ 34 Z 16 StGB), die der Angeklagte in seiner Rechtsmittelschrift für sich reklamiert, ist ihm allerdings nicht als mildernder Umstand zugute zu halten, denn dies geschah, wie aus der Aktenlage zu entnehmen ist, im Zug eines (wenngleich gescheiterten) Manövers des Angeklagten, sein strafbares Verhalten durch falsche Behauptungen vor Polizeiorganen in Rom zu verschleiern. Es trifft zwar zu, daß das Erstgericht einige der oben angeführten Milderungsgründe nicht ausdrücklich in Betracht zog. Andererseits nahm es unzutreffend auf das Urteil des Zivil- und Strafgerichtshofes Mailand vom 14.November 1980, Nr 4694/80, Bedacht, mit welchem der Angeklagte für die ihm nach den Punkten 8 und 9 des erstgerichtlichen Schuldspruches angelasteten Taten wegen Hehlerei zu einer bedingten Freiheitsstrafe und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde (vgl Band I S 203 ff, Band II S 61 ff). Denn gemäß § 31 StGB ist eine Zusatzstrafe nur dann zu verhängen, wenn jemand, der zu einer Strafe verurteilt wurde, wegen einer anderen Tat verurteilt wird. Bei Identität der zur Aburteilung gelangenden Tat mit jener, für die jemand bereits im Ausland bestraft wurde, ist aber § 65 Abs 4 Z 3 StGB anzuwenden und es muß somit mit der Anrechnung (gemäß § 38 StGB) der im Ausland in bezug auf diese Fakten verbüßten Untersuchungshaft auf die im Inland verhängte Strafe sein Bewenden haben (vgl Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , E 1 und 2 zu § 66; SSt 47/80; EvBl 1982/66). Auf der Grundlage der oben angeführten Strafzumessungsgründe und unter Beachtung der weiteren eben angeführten Erwägungen gelangt der Oberste Gerichtshof zur Ansicht, daß eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten (wie sie vom Erstgericht verhängt wurde) trotz der zum Teil verfehlten Erwägungen des Erstgerichtes im Ergebnis dem Verschulden des Täters und dem Unrechtsgehalt der Tat - von der zu beachten ist, daß der Schaden die Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 3 StGB jedenfalls um ein Vielfaches übersteigt - durchaus angemessen ist.

Es war daher eine Freiheitsstrafe in dieser Dauer auszumessen und der Angeklagte mit seiner Berufung, in der im

übrigen - abgesehen vom Vorgesagten - keine weiteren für die Strafzumessung relevanten Umstände vorgebracht werden, auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E08817

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00220.84.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19850514_OGH0002_0100OS00220_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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