TE OGH 1985/12/19 11Os165/85 (11Os166/85)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.12.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin, im Einziehungsverfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Graz zum AZ 3 b E Vr 4.128/83 über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichtes Graz vom 2.Juli 1984, GZ 3 b E Vr 4.128/83-46, und des Oberlandesgerichtes Graz vom 24. April 1985, AZ 8 Bs 350/84, bzw Teile der Begründung dieser beiden Urteile nach der am 17.12. und am 19.12.1985 durchgeführten öffentlichen Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwalts Dr. Preßlauer als Vertreters des Generalprokurators, des Einziehungsbeteiligten Werner T*** und des Verteidigers Dr. Pachernegg zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 2. Juli 1984, GZ 3 b E Vr 4.128/83-46, und des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24.April 1985, AZ 8 Bs 350/84, verletzen das Gesetz in den Aussprüchen über die Verpflichtung der Verleihfirma T***-F*** W*** zum Ersatz der Verfahrenskosten in der Bestimmung des § 33 Abs 5 MedienG.

Diese Aussprüche über die Kostenersatzpflicht werden aufgehoben. II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

1.1.1. Das Landesgericht für Strafsachen Graz erkannte mit Urteil vom 2.Juli 1984, GZ 3 b E Vr 4.128/83-46, über den von der Staatsanwaltschaft im selbständigen Verfahren gestellten Antrag auf Einziehung des gerichtlich beschlagnahmten Tonfilmes "Das Gespenst" von Herbert A*** gemäß § 33 Abs 2 MedienG zu Recht:

"Der am 15.November 1983 von der Firma T***-F***-V*** W*** importierte und durch Verleih an das Filmzentrum Graz weitergegebene ... Tonfilm 'Das Gespenst' von Herbert A*** hat durch die Darstellung des vom Kreuz herabgestiegenen Christus, der im Bett der Oberin eines Klosters gefunden wird, dadurch, daß er sich betrunken und torkelnd, rülpsend in der Klosterschenke bewegt, für Polizisten durch München geht und um Scheiße bettelt, Angst hat, seine Glaubwürdigkeit zu verlieren und dann wieder ans Kreuz muß, diese Schmerzen aber nicht tragen will, sich nicht an die von ihm eingesetzte Eucharistie erinnern kann und will und sich darüber auch abschätzig äußert und die Oberin sexuelle Beziehungen zu ihm preisgibt und (durch) weitere herabwürdigende Äußerungen über Christus Gegenstände der Verehrung der im Inland bestehenden christlichen Kirchen und deren Glaubenslehre herabgewürdigt und verspottet, wobei das Medienwerk geeignet war, berechtigtes Ärgernis zu erregen.

Es wurde dadurch der Tatbestand des Vergehens der Herabwürdigung religiöser Lehren nach dem § 188 StGB begangen.

Gemäß § 33 Abs 2 MedienG werden die zur Verbreitung bestimmten Kopien des Medienwerkes des Tonfilmes 'Das Gespenst' von Herbert A***, die ... gemäß § 36 Abs 1 MedienG beschlagnahmt worden sind, eingezogen.

Gemäß § 33 Abs 5 MedienG hat die Verleihfirma T***-F*** W*** die Kosten des Verfahrens zu tragen."

1.1.2. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24.April 1985, AZ 8 Bs 350/84, wurden die von den Einziehungsbeteiligten Dieter P*** und der Verleihfirma T***-F*** W*** bzw deren Vertretern Werner T*** und Helmut S*** gegen diese Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz ergriffenen Berufungen als unbegründet zurückgewiesen. Zugleich wurde ausgesprochen, daß die Verleihfirma T***-F*** W*** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen habe.

Rechtliche Beurteilung

1.2. Daraufhin brachte die Generalprokuratur in diesem Verfahren beim Obersten Gerichtshof eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gemäß dem § 33 Abs 2 StPO ein; darin wurde beantragt, nach einem gemäß § 292 StPO durchzuführenden Gerichtstag wie folgt zu erkennen:

"Die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 2. Juli 1984, GZ 3 b Vr 4.128/83-46, und des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24.April 1985, AZ 8 Bs 350/84, verletzen das Gesetz

a)

in ihren Begründungen in der Bestimmung des Art 17 a StGG,

b)

in den Aussprüchen über die Verpflichtung der 'Verleihfirma T***-F*** W***' zum Ersatz von Verfahrenskosten in der Bestimmung des § 33 Abs 5 MedienG.

Diese Aussprüche über die Kostenersatzpflicht werden aufgehoben".

              2.              Über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wurde erwogen:

2.1. Zur Beschwerde gegen den Kostenspruch

2.1.1. Gemäß dem § 33 Abs 5 MedienG treffen die Kosten eines selbständigen Verfahrens, in dem auf Einziehung erkannt wird, den Medieninhaber (Verleger). Als Medieninhaber (Verleger) kommt aber nur in Betracht, wer an der inhaltlichen Gestaltung und Herstellung des Medienwerkes Anteil hat, nicht also der bloße Importeur von Medienstücken (EvBl 1984/31 und 32).

2.1.2. Da die zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilte "Verleihfirma T***-F*** W***" den Feststellungen des Landesgerichtes für Strafsachen Graz zufolge nur eine Kopie des betroffenen (ausländischen) Films importierte, durfte ihr darum - wie die Generalprokuratur geltend macht - eine Kostenersatzverpflichtung kraft § 33 Abs 5 MedienG nicht auferlegt werden.

Insoweit war der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes stattzugeben.

2.2. Zur Beschwerde gegen die Urteilsbegründungen

2.2.1. Laut Inhalt der Beschwerdeschrift wird ausschließlich jener Teil der den beiden strafgerichtlichen Urteilen beigegebenen Begründung bekämpft, worin - nach Auffassung der Generalprokuratur - zum Ausdruck kommen soll, daß "ausnahmslos alle Verbotsnormen des StGB grundrechtsbeschränkende Wirkung haben."

2.2.2. Gemäß § 33 Abs 2 StPO kann der Generalprokurator beim Obersten Gerichtshof "gegen Urteile der Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen, sowie gegen jeden gesetzwidrigen Beschluß oder Vorgang eines Strafgerichtes, der zu seiner Kenntnis gelangt, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ... erheben ...". Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt aussprach, darf eine solche Beschwerde auch allein gegen die Begründung einer Entscheidung gerichtet werden (SSt III/32, XII/38, XVII/107, XXXVIII/72 = EvBl 1968/310 = RZ 1968 S 71; OGH 23.12.1983 13 Os 166,167/82).

2.2.3. Die Generalprokuratur vermeint, eine von mehreren Begründungslinien für den als richtig bezeichneten Spruch des Landesgerichtes bestehe darin, daß die Kunstfreiheit ihre Grenze finde, wenn gegen Bestimmungen des StGB, wie etwa gegen die Normen zum Schutz des religiösen Friedens, verstoßen werde (S 406). Sie zielt damit aber nicht auf eigenständige Begründungselemente ab, die einer gesonderten Wertung und Beurteilung zugänglich wären, sondern löst bloß ein unselbständiges Begründungsdetail - mit sinnverändernder Wirkung - aus dem Gesamtzusammenhang aller Erwägungen zur Rechtsfrage; denn das Landesgericht fügte seinen in der Beschwerde relevierten - sprachlich sicherlich nicht in jeder Hinsicht geglückten und teilweise sogar unpräzisen - Formulierungen die für das Verständnis des entscheidenden Aussageinhalts der Begründung wesentliche und unverzichtbare Feststellung hinzu, die Gewährleistung des Art 17 a StGG verbürge die Autonomie des künstlerischen Schaffensprozesses, könne aber die Setzung notwendiger Grenzen nicht hindern, wenn in außerkünstlerische Wirklichkeiten übergegriffen werde; es sei Sache der Rechtsprechung, den Schranken der Kunstfreiheit im Interpretationsweg gerecht zu werden. Dabei ist expressis verbis von Grenzen die Rede, die sich nach Willen des Verfassungsgesetzgebers aus anderen Grund- und Freiheitsrechten ergeben; ein Standpunkt, den der Sache nach auch die Generalprokuratur in ihrer Beschwerdeschrift einnimmt. Im Grunde Gleiches gilt für die zum Teil undeutlich und unsystematisch abgefaßte Begründung der Entscheidung des Oberlandesgerichtes, mit der das erstinstanzliche Urteil bestätigt wurde. Auch das Oberlandesgericht vertrat nämlich abschließend erkennbar die Auffassung, daß die Kunstfreiheit nicht schrankenlos sei und die Kunst innerhalb der gesetzten immanenten Schranken ihre Freiheit habe. Der von der Generalprokuratur ersichtlich relevierte Hinweis auf die Bestimmungen des StGB darf schon deswegen nicht isoliert gesehen werden, weil das Oberlandesgericht zugleich herausstellt, daß Grundrechte mit den Mitteln des StGB gegen Beeinträchtigungen zu schützen seien und hier von einem besonders krassen Verstoß gegen § 188 StGB gesprochen werden müsse; eine Überlegung, welche die Generalprokuratur - die das Tatbild nach § 188 StGB in "mehrfacher und nachhaltiger" Weise verwirklicht sieht - mit ähnlichen Worten anstellt, wodurch sie - gleich beiden Untergerichten - zur Annahme gelangt, daß für die Verbreitung des in Rede stehenden Werkes das Recht auf Freiheit der Kunst nicht in Anspruch genommen werden könne.

Daraus folgt, daß die Beschwerde den punktuell bekämpften, aber nicht isoliert deut- und auslegbaren Begründungspassagen einen den übrigen Urteilstext vernachlässigenden Sinn beilegt, der den Entscheidungsgründen, insgesamt gesehen, nicht gerecht wird. Die Beschwerdeführerin geht also nicht vom richtig verstandenen Inhalt der Urteilsgründe aus, die - ihren Einlassungen

zuwider - unmißverständlich darauf hinauslaufen, es sei nicht bloß § 188 StGB besonders krass verletzt, sodern auch gegen andere Grundrechte verstoßen worden. Auf dem Boden dieser Rechtsauffassung der beiden Gerichte argumentiert nach dem schon einleitend Gesagten aber auch die Generalprokuratur, deren Meinung sich in der Beschwerdeschrift - zusammengefaßt - folgendermaßen ausgedrückt findet:

"Die Strafbestimmungen zur Sicherung des religiösen Friedens (§ 188 f StGB) dienen der Erfüllung einer mittelbaren staatlichen Verpflichtung, die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art 14 StGG) gegebenenfalls auch mit Mitteln des Strafrechts zu schützen (Dokumentation, 184 f), und entsprechen einem im Freiheitsbegriff inkludierten Mißbrauchsverbot bei der Grundrechtswahrnehmung (Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und Menschenrechte, 366). Wenn mit der Verbreitung eines als Kunstwerk angesehenen Films in mehrfacher und nachhaltiger Weise das Tatbild einer Herabwürdigung religiöser Lehren nach § 188 StGB verwirklicht wird, liegt eine Überschreitung jener Grenze der Kunstfreiheit vor, die sich aus dem im Grundrechtskatalog geschützten Wertsystem (s hiezu Neisser ...) ergibt: Der für die Kunst geschaffene Freiheitsraum soll nämlich keineswegs den für die Ausübung des Grundrechtes der Glaubens- und Gewissensfreiheit durch andere vorgegebenen Bereich verkürzen. Eine solche Auswirkung wäre aber nach den (Urteils-)Feststellungen über den Inhalt des Films 'Das Gespenst' mit dessen Veröffentlichung verbunden, welche keinen zulässigen Gebrauch der Kunstfreiheit mehr, sondern als Verstoß gegen das auch diesem Freiheitsrecht innewohnende Mißbrauchsverbot einen jenseits seiner Schranken liegenden rechtswidrigen Exzeß darstellen würde. Aus diesen Erwägungen kann für die Verbreitung des in Rede stehenden Werkes nicht das Recht der Freiheit der Kunst in Anspruch genommen werden."

Vergleicht man also die der Beschwerde zugrundegelegte Rechtsauffassung mit Spruch und vollständig zu lesenden Gründen der angefochtenen Urteile wird die Übereinstimmung der tragenden rechtlichen Gedankengänge offenkundig. Demgemäß stellt die Generalprokuratur in Wahrheit gar nicht die prozessuale Behauptung auf, daß die beschwerdeverfangenen Begründungen auf einer "Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen", wie dies § 33 StPO für die zulässige Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zwingend verlangt.

2.2.4. Die Nichtigkeitsbeschwerde - soweit sie sich gegen die Urteilsbegründungen wendete - war darum aus dieser formalen Überlegung zu verwerfen.

Anmerkung

E07415

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00165.85.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19851219_OGH0002_0110OS00165_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten