TE OGH 1987/10/20 4Ob584/87

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Veröffentlicht am 20.10.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate DE R***-H***, Private, Wien 2., Untere Donaustraße 23/5, vertreten durch Dr. Gerhard Munk, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Wien 2., Untere Donaustraße 25, vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz, Rechtsanwalt in Wien, wegen restl. S 118.947,38 (Revisionsstreitwert S 117.567,82 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 3. April 1987, GZ. 41 R 63/87-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 31. Oktober 1986, GZ. 41 C 320/85-13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Punkt 3. des angefochtenen Urteils wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist daher schuldig, der Klägerin einen Betrag von S 117.567,82 samt 4 % Zinsen aus S 116.899,91 seit 14.5.1982 sowie aus einem Betrag von S 1.379,56 vom 14.5.1982 bis 1.2.1985, aus einem Betrag von S 586,-- vom 2.2.1985 bis 28.2.1985, aus S 24.164,01 vom 2.12.1983 bis 19.6.1985 und aus S 16.839,42 vom 2.1.1985 bis 19.6.1985 zu bezahlen.

Das Zinsenmehrbegehren wird abgewiesen."

Die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils bleibt

unverändert.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist seit 1. November 1970 Mieterin der Wohnung top. Nr. 5 des Hauses Wien 2., Untere Donaustraße 23, das die beklagte Partei am 11. Februar 1972 erworben hat. Im Mietvertrag (mit dem Voreigentümer der beklagten Partei) war ein (wertgesicherter) Mietzins von S 700,-- monatlich vereinbart worden, so daß die Klägerin zuletzt S 1.237,33 monatlich zahlte. Da das Wohnhaus mit Hilfe von Mitteln aus dem Wohnhauswiederaufbaufonds hergestellt worden war, unterlag das Mietobjekt in bezug auf die Mietzinsbildung den Bestimmungen des Mietengesetzes; danach entfiel auf die Wohnung der Klägerin nur ein jährlicher Friedenskronenzins von S 640,--. Die Klägerin behauptet, sie habe seit Beginn des Mietverhältnisses in Unkenntnis der gesetzlichen Bestimmungen einen überhöhten Mietzins gezahlt. Sie begehrte mit der am 14. Mai 1985 eingebrachten Klage zuletzt die Rückzahlung der über das Ausmaß des gesetzlichen Zinses hinaus gezahlten Hauptmietzinsbeträge für die Zeit von März 1972 bis Mai 1982 in der außer Streit stehenden Höhe von S 118.947,38 samt Stufenzinsen seit dem Jahre 1972. Die beklagte Partei bestritt nicht, daß die Klägerin einen den gesetzlichen Mietzins übersteigenden Hauptmietzins gezahlt hat, wendete jedoch Verjährung ein. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei der Rückforderungsanspruch nach drei Jahren verjährt; eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gelte hier nicht. Ferner wendete die beklagte Partei eine Gegenforderung von S 1.379,56 (aus späteren Mietzinsfälligkeiten) ein, deren Bestand im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist.

Das Erstgericht stellte die Klageforderung und die Gegenforderung als zu Recht bestehend fest und sprach der Klägerin daher S 117.567,82 samt Stufenzinsen seit 1972 zu. Eine spruchmäßige Abweisung des Mehrbegehrens erfolgte nicht.

Die erste Instanz traf folgende weitere Feststellungen:

Die Klägerin zahlte in der Zeit von März 1972 bis Mai 1982 jene Mietzinsbeträge, die ihr jeweils vorgeschrieben worden waren. Sie wußte nicht, daß sie damit einen höheren Hauptmietzins zahlte, als sie auf Grund des Gesetzes verpflichtet gewesen wäre. Als die Klägerin dies erfuhr, brachte sie die Klage ein.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß auf den Rückforderungsanspruch der Klägerin nicht § 27 MRG, sondern - wegen der Übergangsbestimmung des § 43 Abs 2 MRG - die vorher in Geltung gestandenen Vorschriften weiterhin anzuwenden seien. Danach unterliege die Forderung der Klägerin wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld gemäß § 1431 ABGB der dreißigjährigen Verjährungsfrist. Die Ansprüche der Klägerin auf Rückzahlung zuviel geleisteter Mietzinse seien daher nicht verjährt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nur hinsichtlich eines Teiles des Zinsenbegehrens und der Kosten Folge, bestätigte jedoch im übrigen das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Rechtsgrundlage für die Rückforderung der eingeklagten Beträge seien gemäß § 43 Abs 2 MRG nicht die Verbotsnormen des Mietrechtsgesetzes, sondern jene des Mietengesetzes; für die Rechtsfolgen einer derartigen (teil-)nichtigen Vereinbarung sei daher die Weitergeltung des Mietengesetzes zu fingieren. Dies gelte auch für jene Leistungen, die die Klägerin nach dem 1. Jänner 1982 erbracht habe. Für die Klageforderung gelte infolge Nachweises der rechtsirrtümlichen Zahlung nicht die Verjährungsfrist des § 17 Abs 2 MG, sondern die allgemeine Verjährungsfrist des § 1431 ABGB. Die dreißigjährige Verjährungsfrist umfasse auch die zugesprochenen Zinsen, weil es sich bei diesen um einen Teil des Erstattungsanspruches selbst handle.

Die beklagte Partei erhebt Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Feststellungsmängel sind dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuzuordnen, liegen aber nicht vor.

Ist eine vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossene Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses nach den bisher in Geltung gestandenen Vorschriften rechtsunwirksam, so sind diesbezüglich die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften weiter anzuwenden (§ 43 Abs 2 MRG). Damit wird, wie der erkennende Senat in der Entscheidung MietSlg. 37.392 ausgesprochen hat, für die Rechtsfolgen nichtiger Vereinbarungen die Weitergeltung des alten Rechts fingiert, so daß auch die Neuregelung der Verjährung in § 27 Abs 3 MRG nicht anzuwenden ist. Die Klägerin fordert Leistungen zurück, die sie auf Grund einer vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossenen Vereinbarung erbracht hat; ihr Rückforderungsanspruch ist daher nach den bisherigen Bestimmungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu beurteilen. Da der Gesetzgeber die Anwendung der bisher in Geltung gestandenen Vorschriften auf die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossenen rechtsunwirksamen Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses ohne Einschränkung angeordnet hat, gelten auch für die Verjährung von Rückforderungsansprüchen, die aus solchen Vereinbarungen nach dem 1. Jänner 1982 entstanden sind, die bisherigen Vorschriften; sie sind weiter anzuwenden. Nach ständiger Rechtsprechung zur bisherigen Regelung galt die dreimonatige bzw. einjährige Verjährungsfrist des § 17 Abs 2 MG nicht, wenn die entgegen den Bestimmungen der §§ 2 bis 16 a MG oder auf Grund einer nach § 17 Abs 1 MG ungültigen oder verbotenen Vereinbarung erbrachte Leistung auf einem Irrtum beruhte, der den Mieter schon gemäß § 1431 ABGB zur Rückforderung berechtigt; die kurze Verjährungsfrist des § 17 Abs 2 MG wurde somit nur bei wissentlicher Zahlung einer Nichtschuld angewendet (Rummel in Rummel aaO Rz 12 zu § 1431; Würth in Rummel aaO Rz 8 zu § 27 MRG und Rz 6 zu § 43 MRG; SZ 20/56; EvBl 1975/60; MietSlg. 33.308, 37.392 ua.). Diese Abgrenzung beruht auf der Ansicht, daß durch die mietengesetzliche Sondervorschrift des § 17 Abs 2 MG der allgemeinen Bestimmung des § 1431 ABGB nicht derogiert wurde (MietSlg. 33.308, 34.402, 37.392).

Nach § 1431 ABGB zu beurteilende Rückforderungsansprüche wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld verjähren nach 30 Jahren (SZ 52/170; MietSlg. 34.402, 37.392 ua.). Von dieser Ansicht abzugehen, bieten die Revisionsausführungen keinen Anlaß. Die Ansicht von Wilburg in Klang2 VI 490, der für die analoge Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB eingetreten war, hat sich, wie schon in MietSlg. 34.402 hervorgehoben wurde, in der Rechtsprechung nicht durchsetzen können. Auch die jüngere Lehre ist ihr nicht gefolgt: Nach Rummel aaO Rz 12 zu § 1431 richtet sich die Verjährung von Ansprüchen aus rechtsirrtümlicher Leistung grundsätzlich nach § 1479 ABGB. Auch Schubert in Rummel (Rz 6 zu § 1478) referiert nur die Ansicht von Wilburg in Klang, verweist aber unmittelbar danach auf die Entscheidungen MietSlg. 23.214 und 25.180, in denen ebenfalls ausgesprochen wurde, daß die Rückforderung irrtümlich gezahlter Mietzinse in 30 Jahren verjährt. Würth in Rummel aaO Rz 8 zu § 27 MRG und Rz 6 zu § 43 MRG geht gleichfalls davon aus, daß die Verjährungsfrist für Ansprüche nach § 1431 ABGB 30 Jahre beträgt. Die Rückforderungsansprüche der Klägerin sind somit nicht verjährt.

Berechtigt ist aber die Revision, soweit sie Verjährung der mehr als drei Jahre rückständigen Zinsen gemäß § 1480 ABGB geltend macht. Nach dieser Bestimmung erlöschen Forderungen von rückständigen jährlichen Leistungen, insbesondere Zinsen, Renten, Unterhaltsbeiträgen, Ausgedingsleistungen, sowie zur Kapitalstilgung vereinbarten Annuitäten in drei Jahren. Die von der Klägerin geltend gemachten Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme sind sogenannte Vergütungszinsen. Diese Art gesetzlicher Zinsen ist als allgemeine Erscheinung dem ABGB fremd (Mayerhofer-Ehrenzweig, Schuldrecht3, 66). Für die Rechtsfolgen, die sich aus der Verzögerung der Zahlung ergeben, stellt aber das HfD JGS 1842/592 (abgedruckt bei Dittrich-Tades, ABGB32, 1491 zu § 1333) alle Arten von Zinsen gleich. Es ordnet nämlich an, daß die Vorschrift des § 1333 ABGB auf alle Forderungen in Geld, sie mögen aus einem Darlehen oder aus einem anderen Rechtstitel herrühren, nicht aber auf solche Forderungen Anwendung findet, welche keine Summe Geldes, sondern eine andere Sache oder Leistung, selbst wenn der Titel ein Darlehen ist, zum Gegenstand haben. Die Fälligkeitsbestimmung des § 4 ZinsenG 1868, wonach Zinsen im Zweifel jährlich abzuführen sind, gilt zwar nur für bedungene Zinsen, während die gesetzlichen Zinsen stets fällig sind und daher für beliebige Zeiträume nach ihrem Ablauf berechnet und gefordert werden können (Mayerhofer-Ehrenzweig aaO 66 f; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 999; Stanzl in Klang2 IV/1, 762); das HfD JGS 1836/151 stellt aber die gesetzlichen Zinsen hinsichtlich der Verjährung den jährlichen Zinsen gleich (Mayerhofer-Ehrenzweig aaO; Klang in seinem Komm2 VI 612). Da somit einerseits alle Arten von Zinsen aus einer fälligen, zu erstattenden Geldsumme ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund der Zahlungspflicht als Verzögerungszinsen iS des § 1333 ABGB gelten und andererseits gesetzliche Zinsen bezüglich der Verjährung den jährlichen Zinsen gleichgestellt wurden, ist § 1480 ABGB nach Ansicht des erkennenden Senates auch auf Vergütungszinsen anzuwenden.

Daß die zurückzuerstattende Hauptforderung im vorliegenden Fall in dreißig Jahren verjährt, spricht nicht gegen die Annahme einer dreijährigen Verjährungsfrist für die zu leistenden Vergütungszinsen; vielmehr sagt der zweite Halbsatz des § 1480 ABGB ausdrücklich, daß das Recht selbst (im Gegensatz zu den rückständigen periodischen Leistungen) "erst durch einen Nichtgebrauch von dreißig Jahren verjährt wird". Daher hat auch der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß die Verzugszinsen eines vom Strafgericht als Ersatz des durch ein Verbrechen entstandenen Schadens zugesprochenen Betrages in drei Jahren verjähren, obwohl der Hauptanspruch erst nach dreißig Jahren erlischt (SZ 40/47). Wer einen wegen Irrtums (auch eines Rechtsirrtums) ohne Rechtsgrund geleisteten Geldbetrag zurückfordert (§ 1431 ABGB), ist zwar bis zur Aufdeckung dieses Willensmangels gar nicht in der Lage, Zinsen von dem rechtsgrundlos gegebenen Kapital zu fordern; das hindert aber nicht den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1480 ABGB, ist doch der Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich - von Ausnahmebestimmungen, wie etwa § 1489 ABGB, abgesehen - an die objektive Möglichkeit der Rechtsausübung geknüpft. Subjektive, in der Person des Berechtigten liegende Hindernisse, wie ein Irrtum des Berechtigten oder überhaupt Unkenntnis des Anspruches, haben in der Regel auf den Beginn der Verjährungsfrist keinen Einfluß (Schubert in Rummel aaO Rz 2 und 4 zu § 1478 ABGB mwN; SZ 45/130; SZ 54/30; EvBl 1980/138; MietSlg. 33.249 f; Arb. 10.062 uva.). Die von der Klägerin geforderten, mehr als drei Jahre rückständigen Vergütungszinsen sind daher verjährt. Insoweit ist ihr Klagebegehren abzuweisen.

Auf die Kostenentscheidung ist dieser geringfügige Rechtsmittelerfolg der beklagten Partei ohne Einfluß (§§ 41, 43 Abs 2, § 50 ZPO).

Anmerkung

E12783

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00584.87.1020.000

Dokumentnummer

JJT_19871020_OGH0002_0040OB00584_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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