TE OGH 1988/10/4 15Os101/88

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Veröffentlicht am 04.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhard P*** wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22.Juni 1988, GZ 26 Vr 933/88-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Dr. Schäfer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird der Ausspruch über die Anstaltsunterbringung aus dem sonst unberührt bleibenden angefochtenen Urteil ausgeschaltet; mit seiner Berufung gegen diesen Ausspruch wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Reinhard P*** der Verbrechen (I) der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und (IV) der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB sowie der Vergehen (II) der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB und (III) der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Innsbruck

- am 21.März 1988 Helene S***

(zu I) mit Gewalt gegen ihre Person und durch gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, und zwar dadurch, daß er ihr Schläge versetzte, sie an den Haaren riß sowie ihr androhte, er werde ihr das Gesicht und den Hals zerschneiden, wenn sie einen "Mucks" mache, wobei er ihr einen spitzen Gegenstand an die rechte Wange setzte, daß er ihr auf dem Weg über eine Brücke ankündigte, er werde sie über das Geländer hinunterwerfen, und daß er sie schließlich in einen am Gelände des Hauptbahnhofes Innsbruck abgestellten Waggon brachte, widerstandsunfähig gemacht sowie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht, wobei er (als begleitende Unzuchtshandlung) auch einen Afterverkehr versuchte; (zu II) außer den Fällen der §§ 201 bis 203 StGB mit Gewalt oder (gemeint: und) durch gefährliche Drohung zur Unzucht genötigt, indem er sie (vor dem zu I beschriebenen Tatverhalten) brutal an sich riß, an den Haaren erfaßte, in die Knie drückte und zur Durchführung eines Mundverkehrs nötigte; und

(zu III) nach den zu II und I geschilderten Tathandlungen durch die Erklärung, er schlafe jetzt etwas, dann gehe es wieder weiter, und das Verbot, das Zugabteil zu verlassen, wobei er einen Fuß gegen dessen Tür stemmte, am Verlassen des Tatorts gehindert, also widerrechtlich gefangen gehalten; sowie

- am 20.März 1988 Silvia C***

(zu IV) außer dem Fall der Notzucht mit Gewalt oder (gemeint: und) durch gefährliche Drohung, und zwar dadurch, daß er ihr mehrere Schläge versetzte, sie an den Haaren riß und gegen eine Mauer stieß, ihr weitere Schläge androhte, sie an der Flucht hinderte sowie vom Haltegriff an einer Betonmauer losriß, sie in die Abfahrt einer Tiefgarage trug und ihr dort mehrere Kleidungsstücke auszog, zum außerehelichen Beischlaf genötigt.

Hiefür wurde er nach §§ 28, 201 Abs 1 StGB zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt; außerdem ordnete das Erstgericht gemäß § 23 Abs 1 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter an.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das bekämpfte Urteil kommt keine Berechtigung zu.

Zum Faktum I vertritt er mit der Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter höchst unvollständiger Wiedergabe der entscheidungswesentlichen Urteilsfeststellungen die Auffassung, "aus diesen sowie weiteren" Konstatierungen ergebe sich nicht mit der notwendigen Sicherheit, ob Helene S*** "zum Zeitpunkt der inkriminierten Tathandlungen" wirklich im Sinn des § 201 StGB "widerstandsunfähig" gewesen sei, weil nicht ausgeschlossen werden könne, daß sie mit seinem sexuellen Verhalten ihr gegenüber einverstanden gewesen sei, zumindest aber (insoweit sachlich Z 10 mit Bezug auf § 202 Abs 1 StGB) nicht mit Sicherheit feststehe, daß ein Widerstand ihrerseits dagegen unmöglich, unzumutbar oder aussichtslos gewesen wäre. Damit ist die Beschwerde indessen zum Großteil nicht gesetzmäßig ausgeführt und im übrigen verfehlt.

Denn zum einen hat das Erstgericht, dem primären Einwand des Beschwerdeführers zuwider, ausdrücklich als erwiesen angenommen, daß S*** seinen mehrfachen Geschlechtsverkehr mit ihr ausschließlich deswegen über sich ergehen zu lassen gezwungen war, weil ihr in ihrer Situation zur Zeit von dessen (für die Deliktsvollendung maßgebendem) Beginn im Hinblick auf sein äußerst brutales und gewalttätiges Vorgehen sowie auf die Art seiner Drohungen die Möglichkeit eines erfolgreichen Widerstands dagegen als aussichtslos erschien (US 13 f., 21 f.), sodaß die Rechtsrüge insoweit einen zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe erforderlichen Vergleich des gesamten wesentlichen Urteilssachverhalts mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vermissen läßt; und zum anderen ist dem in Rede stehenden Beschwerdevorbringen eine deutliche und bestimmte Bezeichnung von Tatumständen, auf Grund deren die vom Schöffengericht angenommene Lage extremer Hilflosigkeit des Tatopfers (vgl neuerlich US 13 f., 21 f.) nicht bestanden haben soll, nicht zu entnehmen (§ 285 Abs 1 StPO). Durch die in jenem Zusammenhang allein ins Treffen geführte Bekundung der Zeugin S***, sie habe im Zugabteil auch eine oder zwei Zigaretten geraucht (S 186), wird die bekämpfte Annahme jedenfalls nicht in Frage gestellt, sodaß dahingehende Feststellungen zur rechtlichen Beurteilung keineswegs erforderlich waren.

Auch zu den Fakten II und III erweist sich die - gegen deren gesonderte (zusätzliche) Aburteilung neben dem Schuldspruch laut Pkt I remonstrierende - Rechtsrüge des Angeklagten (der Sache nach abermals Z 10) als nicht zielführend.

Von einem (objektiv und subjektiv) im Rahmen der Notzucht gelegenen einheitlichen Tatgeschehen kann nämlich - anders als etwa bei dem im Verlauf des erzwungenen (mehrfachen) Beischlafs unternommenen (begleitenden) Versuch eines Analverkehrs (US 13, 24 f.) - bei der vorausgegangenen Nötigung der Helene S*** durch den Beschwerdeführer zum Mundverkehr mit ihm im Hinblick darauf, daß zwischen beiden Taten (trotz deren Begehung in einer bezüglich seiner Einwirkung auf das Tatopfer nicht unterbrochenen Aufeinanderfolge) doch sowohl örtlich als auch zeitlich ein beträchtlicher Abstand lag, während dessen er die Intensität seiner Gewalt und seiner Drohungen erst nach einem Fluchtversuch ihrerseits bis zur Herbeiführung ihrer psychischen Widerstandsunfähigkeit steigerte (US 11 bis 13, 19 bis 22), ebensowenig gesprochen werden wie bei der im Anschluß daran gleichfalls auf Grund eines neuen Tatentschlusses vorgenommenen Entziehung ihrer persönlichen Freiheit, die zur Vorbereitung eines erst für einen späteren Zeitpunkt geplanten, in der Folge jedoch nicht bis ins Versuchsstadium gediehenen nochmaligen geschlechtlichen Mißbrauchs seines Opfers dienen sollte (US 14, 23).

Dementsprechend wird im vorliegenden Fall das Tatunrecht der Nötigung zum Beischlaf gleichermaßen wie jenes der Freiheitsentziehung entgegen der Beschwerdeansicht vom Schuldspruch wegen Notzucht nicht erfaßt, sodaß insoweit von einer bloß scheinbaren Realkonkurrenz (in der Beschwerde irrig: "Idealkonkurrenz") keine Rede sein kann; bei seinem gegenteiligen Standpunkt geht der Angeklagte in bezug auf das Vergehen nach § 99 StGB mit der Prämisse, diesem und der Notzucht sei "ein und derselbe Entschlußwille und Tatvorsatz" zugrunde gelegen, sowie mit der Annahme, als Tatverhalten laut Pkt III werde ihm die Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit der Helene S*** (laut Pkt I) angelastet, erneut prozeßordnungswidrig von einem urteilsfremden Sachverhalt aus.

Gleiches gilt für seine Rechtsrüge zum Faktum IV, bei deren Ausführung er sich mit der Behauptung, er sei der Meinung gewesen, Silvia C*** wolle mit ihm geschlechtlichen Kontakt aufnehmen, und seine Tätlichkeiten gegen sie seien zwar Ausdruck eines "herben und konfliktreichen Verhaltens zueinander" gewesen, hätten aber nicht unmittelbar auf ihre Nötigung zum Beischlaf abgezielt, über die konträren Urteilsfeststellungen (US 7, 9, 16 bis 18) einfach hinwegsetzt.

Die Mängelrüge (Z 5) gegen die Anordnung seiner Anstaltsunterbringung schließlich, mit der er sich darüber beschwert, daß das Erstgericht nach Ausführungen zu Abs 1 Z 2 und 3 lediglich auf das Vorliegen auch der "übrigen" Voraussetzungen des § 23 StGB hinwies, ohne jene "weiteren Gründe" anzugeben, ist bereits deswegen nicht stichhältig, weil die bemängelte Wendung ganz augenscheinlich die nach den vorher angeführten Entscheidungsgründen allein unerwähnt gebliebenen Prämissen nach § 23 Abs 1 aA und Z 1 StGB betrifft, deren Tatsachensubstrat (Alter des Beschwerdeführers, Strafmaß, Art der seiner Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlungen) schon dem Kopf und dem Tenor des Urteils eindeutig zu entnehmen ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus diesem Anlaß jedoch hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Anstaltsunterbringung des Angeklagten zu dessen Nachteil insofern mit einer von ihm nicht geltend gemachten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 (erster Fall) StPO behaftet ist, als die Voraussetzungen des § 23 Abs 1 Z 2 StGB nicht vorliegen. Nach dem Inhalt der Vorstrafakten hat er nämlich wohl bereits mehrere Verurteilungen wegen Handlungen der in Z 1 jener Strafbestimmung genannten Art zu Freiheitsstrafen in der Dauer von jeweils mehr als sechs Monaten erlitten, doch hat er nicht schon auf Grund von zwei derartigen Vorverurteilungen insgesamt mindestens achtzehn Monate und zudem auch nicht auf Grund jeder einzelnen von zwei solcherart als Grundlage für eine Anstaltseinweisung in Betracht kommenden Urteilen jeweils mehr als sechs Monate in Strafhaft zugebracht (vgl RZ 1980/5, ÖJZ-LSK 1980/18, 1978/127, 1975/134 ua). Gemäß § 290 Abs 1 StPO war daher die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter in amtswegiger Wahrnehmung des aufgezeigten Nichtigkeitsgrundes aus dem bekämpften Urteil auszuschalten; mit seiner Berufung gegen diesen Ausspruch war er darauf zu verweisen. Sein auf eine Verkürzung der Strafdauer gerichtetes weiteres Berufungsbegehren hingegen erweist sich als unberechtigt. Bei der bekämpften Strafzumessung wertete das Erstgericht keinen Umstand als mildernd, die zahlreichen und den Voraussetzungen einer Strafschärfung bei Rückfall (§ 39 StGB) entsprechenden einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, seinen sehr raschen Rückfall und das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit zwei Vergehen hingegen als erschwerend.

Ins Gewicht fallende zusätzliche Milderungsgründe vermag der Berufungswerber nicht aufzuzeigen : seine dem untersten Normbereich zuzuordnende Intelligenzkapazität hat im Hinblick darauf, daß er nichtsdestoweniger sehr wohl in der Lage ist, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden sowie insbesondere auch den Unrechtsgehalt der ihm hier zur Last fallenden Unzuchtsverbrechen zu begreifen, insoweit überhaupt außer Betracht zu bleiben, und seiner verminderten Dispositionsfähigkeit kommt angesichts dessen, daß sie zu einem erheblichen Teil auf einer ihm als charakterliche Fehlentwicklung vorzuwerfenden Halt- und Willensschwäche beruht, jedenfalls nur ein geringer Milderungswert zu.

Alles in allem hat das Schöffengericht die Dauer der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe nach seiner - vor allem durch sein einschlägig schwer belastetes Vorleben und durch seinen überaus raschen mehrfachen Rückfall geprägten - tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) innerhalb des von einem bis zu zehn Jahren reichenden Rahmens mit vier Jahren durchaus nicht zu hoch ausgemessen.

In diese Richtung hin mußte daher seiner Berufung ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E15649

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00101.88.1004.000

Dokumentnummer

JJT_19881004_OGH0002_0150OS00101_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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