TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/19 2003/08/0175

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Veröffentlicht am 19.10.2005
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
50/01 Gewerbeordnung;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §1091;
ABGB §1175;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §175 Abs3 Z2;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
BSVG §1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
GewO 1994 §2 Abs1 Z2;
GewO 1994 §2 Abs4;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2003/08/0176

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerden 1. des C in

H (Zl. 2003/08/0175) und 2. des W in A (Zl. 2003/08/0176), beide vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner, Rechtsanwalt in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 10. Juli 2003, Zl. 126.907/5-6/02, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77; 2. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65;

4. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Oberösterreich, 4021 Linz, Europaplatz 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Mehrbegehren werden abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse stellte mit Bescheid vom 27. März 2001 fest, der Beschwerdeführer zur Zl. 2003/08/0175 (im Folgenden: Erstbeschwerdeführer) unterliege auf Grund seiner Tätigkeit als Landarbeiter beim Beschwerdeführer zur Zl. 2003/08/0176 (im Folgenden: Zweitbeschwerdeführer) vom 1. April bis zum 23. Oktober 1998, vom 22. März bis zum 22. Oktober 1999, vom 24. April bis zum 31. August 2000 und vom

1. bis zum 31. Oktober 2000 der Pflichtversicherung in der Kranken- , Unfall- und Pensionsversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung.

Nach der Begründung sei der Erstbeschwerdeführer "im Hauptberuf in der elterlichen Landwirtschaft tätig". Außerdem verrichte er seit dem Jahr 1996 für den Betrieb des Zweitbeschwerdeführers ("Erdbeerland") Tätigkeiten wie hacken, fräsen, Zäune auf- und abbauen, bewässern, Zelte aufstellen und Leergebinde nachfüllen. Die Arbeitseinteilung erfolge durch den Zweitbeschwerdeführer, der auch die Betriebsmittel zur Verfügung stelle. Schriftliche Vereinbarungen seien nicht getroffen worden. Bis 1999 habe der Erstbeschwerdeführer in "Lieferscheine" die Arbeitszeit, den Arbeitsort sowie die Art der Tätigkeit eingetragen. Aus diesen "Lieferscheinen" sei ersichtlich, dass um 7.00 Uhr Dienstbeginn gewesen sei und der Dienst zwischen 16.00 und 21.00 Uhr geendet habe. Die tägliche Mittagspause (eine halbe Stunde) sei bei der Stundenaufzeichnung in Abzug gebracht und nicht vergütet worden. Die Entlohnung sei nach Stunden erfolgt. Seit dem Jahr 2000 seien die geleisteten Arbeitsstunden auf dem "Maschinenring-Abrechnungsblock" eingesetzt worden. Hätten vereinbarte Tätigkeiten nicht verrichtet werden können, sei der Plantagenleiter des Zweitbeschwerdeführers verständigt worden, der sich dann um einen Ersatz gekümmert habe. Der Plantagenleiter habe mitgeteilt, "wann was genau zu machen ist", habe die Maschineneinsatzpläne erstellt und kontrolliert, ob die Arbeiten richtig und vollständig erledigt worden seien.

Auf Grund dieses Sachverhaltes nahm die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Erstbeschwerdeführers bei den für den Zweitbeschwerdeführer verrichteten Tätigkeiten an.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen gemeinsamen Einspruch brachten die Beschwerdeführer unter anderem vor, der Erstbeschwerdeführer sei im Auftrag der Eltern und im Interesse des elterlichen Betriebes im Rahmen zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit beim Zweitbeschwerdeführer tätig gewesen. Zwischen den Beschwerdeführern habe kein Vertragsverhältnis bestanden. Vereinbarungen über die Zusammenarbeit seien ausschließlich mit dem "elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb" getroffen worden. Der Erstbeschwerdeführer sei vom elterlichen Betrieb, in dem er hauptberuflich beschäftigt sei, in den Betrieb des Zweitbeschwerdeführers entsendet worden. Zahlungen seien ausschließlich an den elterlichen Betrieb erfolgt.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat dem Einspruch keine Folge gegeben. In der Begründung geht er im Wesentlichen von jenem Sachverhalt aus, den auch die erstinstanzliche Behörde festgestellt hat, und schließt daraus auf eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Erstbeschwerdeführers. Er verneint die Ausübung der Tätigkeit für den Zweitbeschwerdeführer im Rahmen einer Entsendung durch den "elterlichen Betrieb", weil das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz die Überlassung von land- und forstwirtschaftlichen Arbeitskräften ausdrücklich ausnehme. Im Übrigen liege eine Entsendung schon deswegen nicht vor, weil das Vertragsverhältnis zwischen dem Betrieb des Zweitbeschwerdeführers und dem "tatsächlich Beschäftigten nicht zustande gekommen ist."

In der gegen diesen Bescheid erhobenen gemeinsamen Berufung wiederholten die Beschwerdeführer ihre im Einspruch vorgetragenen Argumente.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben.

In der Begründung gab sie das Verwaltungsgeschehen wieder und traf nach Darstellung der einschlägigen Rechtslage folgende Feststellungen:

"(Der Erstbeschwerdeführer) ist hauptberuflich in der elterlichen Landwirtschaft tätig. Darüber hinaus verrichtete er für den Betrieb (des Zweitbeschwerdeführers), welcher sich mit der Erdbeerproduktion beschäftigt, Tätigkeiten wie Hacken, Fräsen, Zäune auf- und abbauen, bewässern, Zelte aufstellen, usw. Die Auftragsannahme erfolgt nach dem jeweiligen Anfall im elterlichen Betrieb. Die Betriebsmittel werden seitens des Betriebes (des Zweitbeschwerdeführers) zur Verfügung gestellt. Bis zum Jahre 1999 füllte (der Erstbeschwerdeführer) die Lieferscheine aus, welche die Arbeitstage, die Arbeitszeit, Arbeitsort und die Art der Tätigkeit beinhalten. (Der Erstbeschwerdeführer) war im Zeitraum vom 01.04.1998 bis 23.10.1998, vom 22.03.1999 bis 22.10.1999, vom 24.04.2000 bis 31.08.2000 und vom 01.10.2000 bis 31.10.2000 für die Firma (des Zweitbeschwerdeführers) tätig. Die Abrechnung erfolgte auf das Betriebskonto der elterlichen Landwirtschaft. Dienstbeginn war grundsätzlich 7.00 Uhr. Das Dienstende schwankte zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr. Mittagspausen (1/2 Stunde täglich) wurden bei der Stundenaufzeichnung in Abzug gebracht und auch nicht vergütet. Seit dem Jahr 2000 werden die geleisteten Arbeitsstunden auf den Maschinenringabrechnungsblock eingesetzt."

In der Folge gab die belangte Behörde den Inhalt eines Fragenkatalogs wieder, in dem der Erstbeschwerdeführer Fragen der belangten Behörde beantwortet hat, sowie dazu eingeholte Stellungnahmen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern.

Weiters hat die belangte Behörde folgende Feststellungen getroffen:

"Die Einsatzpläne der Maschinen wurden vom Plantagenleiter erstellt. Die Maschinen selbst wurden vom Betrieb (des Zweitbeschwerdeführers) zur Verfügung gestellt und von den Stammarbeitern auf das zu bearbeitende Feld gebracht. (Der Plantagenleiter) ruft die Landwirte selbst an, teilt ihnen mit, wann die Maschine auf dem Feld ist und vereinbart mit den Landwirten die zu erbringende Tätigkeit. Auf Grund der Erfahrungswerte des (Plantagenleiters) wird mit den Landwirten auch vereinbart, wann ca. die Arbeiten zu beenden sind. Zu 80 % bis 90 % werden die Arbeiten von den Personen verrichtet, die er anruft. Die Erteilung von Absagen ist der Ausnahmefall.

Für das Aufstellen der Zäune sind zwischen 2 und 3 Personen erforderlich, wobei (der Plantagenleiter) in erster Linie jene Personen heranzieht, welche mit dieser Tätigkeit am Besten vertraut sind. Zu 90 % fährt ein Stammarbeiter entweder mit der Pfahlsetzmaschine oder mit der Zaunwickelmaschine. Mit der anderen Maschine fährt der Mann vom Maschinenring.

Wenn jemand, der bereits eine Arbeit zugesichert hat, krank wird oder aus sonstigen Gründen die Arbeit nicht verrichten kann, schickt derjenige entweder eine Ersatzkraft (nur ganz selten) - im allgemeinen sorgt (der Plantagenleiter) selbst für den Ersatz."

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, es möge im Ausnahmefall vorgekommen sein, dass Arbeiten seitens der Landwirte abgelehnt worden seien, daraus lasse sich jedoch - auch in Ansehung der objektiven Anforderungen der konkreten Unternehmensorganisation - kein generelles Ablehnungsrecht ableiten.

In rechtlicher Hinsicht wies die belangte Behörde "betreffend der in der Berufung wiederholten Einwendungen bezüglich des Nichtbestehens eines Vertragsverhältnisses, der Anwendung des § 5 Abs. 1 Z 1 ASVG, der Entgeltlichkeit und der Frage nach dem Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit" auf ihre Beweiswürdigung und "die sehr ausführlichen Begründungen der Einspruchsbehörde" hin. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass bei den festgestellten Tätigkeiten die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit vorlägen, zumal diese Tätigkeiten nach den zeitlichen (gemeinsamer morgendlicher Arbeitsbeginn und gemeinsames Arbeitsende) und örtlichen Vorgaben (zu bearbeitendes Feld) des Dienstgebers zu erbringen seien und nur durch eine Einordnung in den Betriebsorganismus wirtschaftlich sinnvoll zu erledigen seien. Der Maschinenring komme als Dienstgeber nicht in Frage. Sei ein Dienstverhältnis festgestellt worden, könne auch keine Nachbarschaftshilfe vorliegen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer im Wesentlichen gleichlautende Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat zu beiden Beschwerden eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt. Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt und die belangte Behörde haben von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich Abstand genommen. Die mitbeteiligte Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat einen als Gegenschrift bezeichneten Schriftsatz eingebracht, in dem sie auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verweist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbundenen Beschwerden erwogen:

Zunächst wenden die Beschwerdeführer ein, die amtswegige Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Versicherungspflicht sei unzulässig. Es wäre ein Leistungsbescheid über die Bezahlung von Beiträgen zu erlassen gewesen, die Erlassung von Feststellungsbescheiden sei nur subsidiär zulässig.

Die Beschwerdeführer sind darauf zu verweisen, dass gemäß § 410 Abs. 1 erster Satz ASVG der Versicherungsträger in Verwaltungssachen, wozu auch die Feststellung der Versicherungspflicht zählt (§ 409 ASVG), einen Bescheid zu erlassen hat, wenn er die sich aus diesem Bundesgesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten von Versicherten und von deren Dienstgebern oder die gesetzliche Haftung Dritter für Sozialversicherungsbeiträge feststellt und das Bescheidrecht der Versicherungsträger in diesem Bundesgesetz nicht ausgeschlossen ist. Da Letzteres nicht der Fall ist, war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde einen Bescheid über die Feststellung des Beginnes und des Endes der Versicherungspflicht erlassen hat.

In der Sache ist unstrittig, dass die Eltern des Erstbeschwerdeführers in der fraglichen Zeit auf ihre Rechnung und Gefahr einen landwirtschaftlichen Betrieb führten, in dem der Erstbeschwerdeführer hauptberuflich beschäftigt war. Auf Grund dieser Tätigkeiten waren der Erstbeschwerdeführer und seine Eltern gemäß § 2 BSVG pflichtversichert. Unstrittig ist zudem, dass der Erstbeschwerdeführer während der festgestellten Zeiträume auch im Betrieb des Zweitbeschwerdeführers tätig gewesen ist.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob die vom Erstbeschwerdeführer im Betrieb des Zweitbeschwerdeführers ("Erdbeerland") ausgeübte Tätigkeit der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht nach ASVG und AlVG unterlegen ist.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird.

Die Beschwerdeführer rügen als Verfahrensmangel, im angefochtenen Bescheid fehle eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen, dass zwischen ihnen kein Vertragsverhältnis bestanden habe.

Die Beschwerdeführer haben in ihrem Einspruch sowie in ihrer Berufung vorgebracht, zwischen ihnen habe kein Vertragsverhältnis bestanden, Vereinbarungen seien ausschließlich mit dem "elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb" getroffen worden und Zahlungen seien ausschließlich an den elterlichen Betrieb erfolgt. Mit diesem Vorbringen rügen die Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde.

§ 60 AVG gebietet, dass in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse eines nach den Bestimmungen des § 39 Abs. 2 AVG unter Bedachtnahme auf § 52 Abs. 1 AVG sowie nach Maßgabe des § 37 AVG geführten Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst sind. Die gesetzmäßige Begründung eines Bescheides erfordert somit in einem ersten Schritt die Feststellung jenes in einem nach Maßgabe der Verfahrensgesetze amtswegig geführten Ermittlungsverfahren erhobenen Sachverhaltes, welchen die Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde legt, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche sie im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 2003, Zl. 2000/08/0061). Die Beweiswürdigung unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in der Richtung, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 20. April 2005, Zl. 2002/08/0222, mwN).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde weder den Sachverhalt ausreichend erhoben noch kann von einer schlüssigen Beweiswürdigung die Rede sein:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid "betreffend der in der Berufung wiederholten Einwendungen bezüglich des Nichtbestehens eines Beschäftigungsverhältnisses" auf die Begründung der Einspruchsbehörde verwiesen. Diese wiederum hat das Vorliegen eines Vertragsverhältnisses zwischen den Beschwerdeführern deshalb bejaht, weil der Plantagenleiter ausgesagt habe, dass er den Erstbeschwerdeführer selbst verständigt und mit ihm vereinbart habe, "wann was genau zu machen ist".

Selbst wenn man diese Ausführungen als - von der belangten Behörde übernommene - Feststellungen wertet, kann daraus nicht auf das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen den Beschwerdeführern geschlossen werden. Es ergibt sich aus dem Wiedergegebenen nämlich weder der Inhalt der getroffenen Vereinbarung, noch lässt sich anhand dieser Angaben ausschließen, dass mit den Eltern des Zweitbeschwerdeführers eine hier maßgebliche Vereinbarung getroffen worden ist. Die Feststellungen deuten vielmehr darauf hin, dass die vom Plantagenleiter an den Erstbeschwerdeführer gerichteten "Verständigungen" Anweisungen waren, die die praktische Durchführung der Tätigkeit betroffen haben und nicht das dieser Tätigkeit zu Grunde liegende rechtliche Verhältnis.

Mit den Behauptungen der Beschwerdeführer, die der Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers zu Grunde liegende Vereinbarung sei mit dessen Eltern abgeschlossen worden, hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt. Dies wäre aber insofern von wesentlicher Bedeutung gewesen, als zu einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG eine beiderseitige Willensübereinstimmung darüber gehört, dass auf der einen Seite abhängige Dienste entgeltlich geleistet und auf der anderen Seite diese Dienste entgegengenommen werden (vgl. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1989, Slg. Nr. 12.848/A).

War der Erstbeschwerdeführer zur Arbeit im Betrieb des Zweitbeschwerdeführers nicht verpflichtet, sondern bestand diese Verpflichtung nur für seine Eltern ("elterlicher Betrieb"), kann nach dem Gesagten auch kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zwischen den Beschwerdeführern zustande gekommen sein. Da nach dem Vorbringen beider Beschwerdeführer der Beschäftigung jedenfalls eine ausdrückliche Vereinbarung zu Grunde gelegen ist, konnte allein auf Grund der Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers im Betrieb des Zweitbeschwerdeführers ein entsprechendes Vertragsverhältnis auch nicht schlüssig begründet worden sein.

Die rechtliche Grundlage einer Beschäftigung ist aber auch insofern von Bedeutung, als für die Beantwortung der Frage, ob ein auf einem Vertrag beruhendes Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit besteht, zwar nicht primär der Vertrag maßgebend ist, auf Grund dessen die Beschäftigung ausgeübt wird, sondern es sind die "wahren Verhältnisse" entscheidend, d.h. ob bei der tatsächlichen und nicht bloß vereinbarten Art der Beschäftigung die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen. Dem Vertrag kommt allerdings zunächst die Vermutung seiner Richtigkeit zu, d.h. die Annahme, dass er den wahren Sachverhalt widerspiegelt. Soweit der Inhalt eines Vertrages von den tatsächlichen Gegebenheiten nicht abweicht, ist der Vertrag als Teilelement der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung (an Hand der in der Judikatur herausgearbeiteten Kriterien) in diese einzubeziehen, weil er die von den Parteien in Aussicht genommenen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar werden lässt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2001, Zl. 96/08/0200).

Kommt die belangte Behörde im weiteren Verfahren zu dem Schluss, dass ein Vertragsverhältnis mit den Eltern des Erstbeschwerdeführers bestand, wird sie zu beachten haben, dass gerade bei der Gestaltung von Rechtsverhältnissen, die land(forst)wirtschaftliche Tätigkeiten zum Gegenstand haben, den Vertragsparteien verschiedene Möglichkeiten offen stehen:

Land(forst)wirtschaftliche Tätigkeiten bzw. Tätigkeiten in einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb können auch auf Grund von Rechtsverhältnissen ausgeübt werden, die keine versicherungspflichtige Beschäftigung nach ASVG und AlVG begründen. Vorstellbar sind nicht nur die üblichen Vereinbarungen von Pacht oder Fruchtgenuss, eine land(forst)wirtschaftliche Tätigkeit kann etwa auch auf Grund einer "Dienstlandvereinbarung" verrichtet werden (vgl. das Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 93/08/0031); ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb kann - ungeachtet der Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der land(forst)wirtschaftlichen Flächen - auch von Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes auf gemeinsame Rechnung und Gefahr geführt werden (zur "Drittelpacht" vgl. das Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 90/08/0197); abhängig von der vertraglichen Gestaltung kann die Tätigkeit eines "Holzakkordanten" (Gewinnung, Schlägerung und Bringung von Holz in fremden Wäldern) auch als Führung des Betriebes einer Waldwirtschaft angesehen werden (vgl. das Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0140).

Diese Beispiele zeigen die Vielfalt der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten, die den Parteien eines Vertrages über die Verrichtung land(forst)wirtschaftlicher Tätigkeiten offen steht. Eine alle Aspekte berücksichtigende rechtliche Beurteilung setzt daher in erster Linie Feststellungen darüber voraus, ob zwischen den Parteien ausdrückliche - schriftliche oder mündliche -

vertragliche Vereinbarungen geschlossen wurden und welchen Inhalt diese hatten. Wenn feststeht, dass ausdrückliche Vereinbarungen über die zu erbringenden Leistungen nicht getroffen worden sind, sind präzise Feststellungen über den genauen Ablauf und die näheren Umstände der wechselseitigen Leistungserbringungen erforderlich, weil erst auf Grund dieser beurteilt werden kann, ob schlüssige Willenserklärungen im Sinne des § 863 ABGB vorliegen, die zumindest die Konturen des von den Parteien in Aussicht genommenen Rechtsverhältnisses erkennen lassen.

Die belangte Behörde hat keine Feststellungen zu der - nach dem Akteninhalt wohl mündlich getroffenen - Vereinbarung über die in Rede stehende Tätigkeit getroffen, weshalb die - von der belangten Behörde bejahte - Frage nach einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des Erstbeschwerdeführers noch nicht endgültig beantwortet werden kann.

Im weiteren Verfahren wird die belangte Behörde jedenfalls auf die unterschiedlichen Rechtslagen vor und ab dem 1. Jänner 1999 Bedacht zu nehmen haben. Das Bestehen oder Nichtbestehen der Sozialversicherungspflicht ist nämlich hinsichtlich der Sach- und der Rechtslage zeitraumbezogen zu beurteilen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9.315/A). Die maßgebende Rechtslage für die Zeit ab dem 1. Jänner 1999 ist im bereits zitierten Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0140, dargestellt. Danach sollen auch Nebengewerbe und Nebentätigkeiten, die (von Personen, auf deren Rechnung und Gefahr ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb geführt wird) für andere land(forst)wirtschaftliche Betriebe verrichtet werden, einschließlich der Tätigkeit als Betriebshelfer im Rahmen eines Maschinen- und Betriebshilferinges, beitragsrechtlich dem Einkommen aus land(forst)wirtschaftlicher Unternehmertätigkeit zugeordnet werden.

Die vertragliche Gestaltung ist daher im vorliegenden Fall in zweifacher Hinsicht von Bedeutung: Zunächst bedarf es zur Beantwortung der Frage, wer in Bezug auf die vom Erstbeschwerdeführer für den Zweitbeschwerdeführer verrichteten Tätigkeiten Vertragspartner des Zweitbeschwerdeführers gewesen ist, entsprechender konkreter Feststellungen; dann stellt sich nach dem Inhalt der Vereinbarung im Zusammenhalt mit der praktischen Durchführung der Tätigkeit die Frage, ob und nach welchen gesetzlichen Bestimmungen diese Tätigkeit der Pflichtversicherung unterliegt.

Da nach dem Gesagten der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) war das Mehrbegehren auf Ersatz der Stempelgebühren abzuweisen.

Wien, am 19. Oktober 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003080175.X00

Im RIS seit

25.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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