TE OGH 1990/6/27 3Ob550/90

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Veröffentlicht am 27.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H***, Masseur, Monheimerstraße 7, 2700 Wiener Neustadt, vertreten durch durch Dr. August Wippel und Dr. Andreas Wippel, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die beklagte Partei Christine H***, im Haushalt tätig, Rügersiedlung 5, 2630 Ternitz, vertreten durch Dr. Thomas Zimmert und Dr. Elisabeth Zimmert, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wegen der Feststellung des Erlöschens der Unterhaltsverpflichtung (Streitwert S 88.200,-) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 21.Feber 1990, GZ R 24/90-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 8. Dezember 1989, GZ 2 C 251/89v-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

In dem über die Klage der Frau auf Scheidung ihrer am 9.April 1966 mit dem Beklagten geschlossenen Ehe eingeleiteten Rechtsstreit zu AZ 2 Cg 520/83 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt begehrten beide Teile am 1.Feber 1984 gemeinsam die Scheidung nach § 55a Abs 1 EheG.

Sie schlossen vor Gericht einen Vergleich über die Scheidungsfolgen:

Der Mann verpflichtete sich ua. unter Zugrundelegung eines Monatseinkommens von durchschnittlich S 11.600,- zur Leistung des monatlichen Unterhaltsbetrages von S 3.500,- an die Frau sowie nach Wegfall der Sorgepflicht für die Tochter zur Leistung des Unterhalts an die Frau von 50 % seines Nettoeinkommens. Die Ehe wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 1.Feber 1984 geschieden.

Am 22.November 1984 kam es vor dem Bezirksgericht Neunkirchen zum Abschluß eines weiteren Vergleiches der geschiedenen Ehegatten:

Es wurde zusätzlich vereinbart, daß der Anspruch der Frau auf den monatlichen Unterhalt von S 3.500,- von einem eigenen Einkommen bis netto S 8.000,- im Monat unberührt bleibt. Über diesen wertgesicherten Betrag hinaus erzielte Einkünfte sollten auf die Unterhaltsverpflichtung des Mannes angerechnet werden. Am 25.Oktober 1988 kam vor dem Bezirksgericht Neunkirchen zu AZ 2 C 2511/88 erneut ein Vergleich zwischen den geschiedenen Ehegatten zustande: Wegen einer Verringerung des Einkommens des Mannes wurde eine Herabsetzung seiner Unterhaltsleistung für die Frau auf S 2.450,- vereinbart.

Der Kläger hat daher auf Grund dieses Titels monatlich S 2.450,-

Unterhalt für die Beklagte zu leisten.

Am 25.Jänner 1989 erhob der Kläger die vorliegende Klage auf Feststellung, daß seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Frau ab diesem Tag erloschen sei. Er brachte vor, daß er seit dem 1. Jänner 1989 ohne Einkommen sei. Grundlage des Unterhaltsvergleiches sei gewesen, daß beide Kinder weiter von der Beklagten in der Ehewohnung betreut werden, doch habe die Beklagte beide Kinder aus der Wohnung gedrängt. Es sei der 43-jährigen Beklagten zumutbar, sich selbst zu erhalten. Die Unterhaltspflicht besethe auch nicht, weil die Beklagte eine Lebensgemeinschaft eingegangen sei. Im Verfahren trug der Kläger ergänzend vor, er verdiene seit dem 1.Feber 1989 als Masseur monatlich nur netto S 5.000,-. Die gerichtlichen Vergleiche vom 1.Feber 1984 und vom 22. November 1984 seien wegen Sittenwidrigkeit und Wuchers nichtig, weil Leistung und Gegenleistung in einem auch der Beklagten auffallenden Mißverhältnis stünden. Der Kläger habe sich zu der Unterhaltsvereinbarung in Unkenntnis der Unverhältnismäßigkeit nur verstanden, weil er seinen Kindern das Elternhaus sichern wollte. Am 6.März 1989 wurde auf Antrag der Beklagten zur Hereinbringung der rückständigen Unterhaltsbeträge für Feber und März 1989 sowie der weiteren ab 1.April 1989 jeweils am Monatsersten im voraus fällig werdenden Unterhaltsbeträge von S 2.450,- zu E 2994/89 des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt die Exekution durch Pfändung und Überweisung der Lohnbezüge des Klägers bewilligt.

Am 15.März 1989 erhob der Kläger mittels Protokollarklage zu 3 C 8/89 des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt seine Einwendungen gegen diesen Anspruch.

Das Bezirksgericht Wiener Neustadt verfügte im Oppositionsprozeß auf Antrag des Klägers die Unterbrechung bis zur rechtskräftigen Beendigung des früher angefallenen und schon weiter fortgechrittenen Rechtsstreites über das auf die selben Gründe gestützte Begehren auf Feststellung, daß der Unterhaltsanspruch der Beklagten von monatlich S 2.450,- ab dem 25.Jänner 1989 erloschen ist. Der Unterbrechungsbeschluß ist rechtskräftig.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt. Es meinte rechtlich, sowohl der Vergleichsabschluß vor dem Kreisgericht Wiener Neustadt am 1.Feber 1984 als auch vor dem Bezirksgericht Neunkirchen am 22.November 1984 sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig, weil der Mann Verpflichtungen eingegangen sei, die seine wirtschaftliche Existenz bedrohen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über die Berufung der Beklagten nach Beweisergänzung in die Abweisung des vom Mann erhobenen Feststellungsbegehrens ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Auf Feststellung des Erlöschens der Unterhaltsverpflichtung könne nur geklagt werden, wenn bei Schluß der Verhandlung in erster Instanz das rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung noch bestehe. Das Fehlen des rechtlichen Interesses führe zur Abweisung des Feststellungsbegehrens. Der Unterhaltspflichtige könne zwar vor Einleitung einer Exekution auf Feststellung des Erlöschens des Unterhaltsanspruches klagen, doch stehe ihm, sobald zur Hereinbringung der Unterhaltsbeträge Exekution bewilligt sei, nur mehr die Oppositionsklage zu, mit der er alles erreichen könne, worauf das Feststellungsbegehren gerichtet sei, und sogar noch die Exekutionseinstellung erwirke. Die Anfechtung des bekämpften Unterhaltsanspruches könne nach Bewilligung der Exekution nur noch im Wege des § 35 EO erfolgen. Das heute herrschende Verständnis über das Wesen der Oppositionsklage habe die früher vertretene Auffassung überholt, der bei Exekutionsbewilligung anhängige Feststellungsprozeß gehe weiter (SZ 19/43). Der Kläger hätte daher, sobald die Exekution bewilligt war, sein Feststellungsbegehren auf Kostenersatz einzuschränken und die Einwendung der anspruchsvernichtenden Tatsachen im Oppositionsprozeß vorzutragen gehabt, was er durch Erhebung der Klage nach § 35 EO ohnedies tat. Da er nicht einschränkte, sei sein Feststellungsbegehren abzuweisen. Dies gelte allerdings nicht für die Anfechtung der Titel wegen Sittenwidrigkeit und Wuchers. Diese könne aber nicht mit einer Klage auf Feststellung des Erlöschens der Unterhaltsverpflichtung, sondern nur mit einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der beiden Vergleiche geltend gemacht werden. Daher sei auch insoweit mit Abweisung vorzugehen, abgesehen davon, daß keine Rede davon sein könne, daß bei Abschluß der beiden Gerichtsvergleiche die Voraussetzungen nach § 879 ABGB vorlagen. Der Mann habe damals S 11.600,- netto im Monat verdient und habe sich nur verpflichtet, die Hälfte dieses Einkommens an Unterhalt erst für Frau und Tochter, dann für die Frau allein zur Verfügung zu stellen. Letzteres sei ungewöhnlich aber keine Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz. Das Zugeständnis, daß die Beklagte eigenes Einkommen bis zu (wertgesichert) S 8.000,- im Monat verdienen dürfe, ohne daß sich ihr Unterhaltsanspruch mindert, habe derzeit keine Bedeutung, weil die Beklagte keiner Beschäftigung nachgehe und kein Einkommen beziehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt. Beizupflichten ist dem Berufungsgericht, daß die Anfechtung der beiden vor Gericht geschlossenen Vergleiche wegen Sittenwidrigkeit und Wuchers jedenfalls scheitert.

Der Kläger hat auch kein Klagebegehren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der beiden am 1.Feber 1984 und am 22.November 1984 geschlossenen Vergleiche erhoben, so daß darüber als Hauptsache nicht zu entscheiden ist. Einer Nichtigkeit dieser Vergleiche kommt daher nur insoweit Bedeutung zu, daß die Grundlage der Unterhaltsansprüche der Beklagten fehlte, wenn die sie regelnden Vergleiche nach Prüfung der Vorfrage ihrer Wirksamkeit wegfielen, was allerdings wieder die Rückkehr zur gesetzlichen Regelung

bedeuten müßte (vgl EFSlg 48.882 = JBl 1986, 777; und gegenteilig

EFSlg 48.883 = SZ 58/192 = JBl 1986, 778). Derzeit besteht eine

titulierte und auch der Bewilligung der Gehaltsexekution zugrunde liegende Verpflichtung des Klägers zur Leistung des monatlichen Unterhaltsbetrages von S 2.450,- ab dem 1.Jänner 1988. Alle vom Erstgericht angestellten Überlegungen, daß sich der Kläger im Scheidungsvergleich zu einer höheren Unterhaltsleistung verstand, als dies üblich ist, und daß er ein eigenes Einkommen der Beklagten bis zu einem bestimmten Monatsbetrag zugestand, ohne daß sich dadurch seine Unterhaltspflicht für die geschiedene Ehefrau vermindert, gehen ins Leere. Bei der Scheidung im Einvernehmen regeln die Ehegatten die Scheidungsfolgen autonom und ohne starre Richtlinien. Daß der Kläger damals nicht geschäftsfähig gewesen wäre, hat er nicht behauptet. Die Regelung der Scheidungsfolgen ist als im Rahmen der Vertragsfreiheit zustande gekommener Vertrag einer Überprüfung auf ein Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung nur im Rahmen des § 879 ABGB zugänglich. Auch eine Verpflichtung zur überdurchschnittlichen Alimentation der früheren Ehegatten ist kein Verstoß gegen die guten Sitten, wenn die Existenz des Leistungspflichtigen noch gesichert ist. Eine Nichtigkeit des Vergleiches vom 1.Feber 1984 wegen Sittenwidrigkeit oder Wuchers liegt nicht vor, mag er auch noch Restwirkungen zeitigen. Der Vergleich vom 22.November 1984 kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, derzeit wegen der Einkommenslosigkeit der Beklagten gar nicht zum Tragen, und der Vergleich vom 25.Oktober 1988, aus dem sich der zur Zeit bestehende Unterhaltsanspruch der Beklagten ergibt, wurde vom Kläger nicht angefochten. Dem Berufungsgericht kann aber nicht gefolgt werden, wenn es meint, sich mit den übrigen Gründen, die der Kläger für das Erlöschen der Unterhaltsverpflichtung geltend gemacht hat, nicht befassen zu können, weil diese Einwendungen im Oppositionsprozeß zu erheben seien, sobald zur Hereinbringung des Anspruchs Exekution bewilligt wurde. Die Rechtsansicht, daß das Begehren auf Erlöschen der Unterhaltsverpflichtung auf Kostenersatz einzuschränken sei, wenn während des Prozesses Exekution bewilligt wird und damit erst die Möglichkeit entsteht, Einwendungen mit Klage nach § 35 EO geltend zu machen, führt zu einem unhaltbaren Ergebnis: Abgesehen davon, daß damit der Prozeßaufwand verloren ginge, ohne daß es im allenfalls schon fortgeschrittenen Feststellungsprozeß zu einer Sachentscheidung käme, die auf den Oppositionsprozeß verlagert würde, müßte schon für die Kostenentscheidung dennoch die Berechtigung des erhobenen Feststellungsbegehrens beurteilt werden. Der Gläubiger hätte es in der Hand, den Verpflichteten zur Einschränkung auf Prozeßkostenersatz zu zwingen, indem er zu einem ihm gegeben erscheinenden Zeitpunkt die Exekutionsbewilligung erwirkt. Hier decken sich die betriebenen Unterhaltsansprüche nahezu mit dem vom Feststellungsbegehren betroffenen Anspruch (bis auf den Zeitraum vom 25. bis 31.Jänner 1989). An sich aber sind die Unterhaltsansprüche als eine Aneinanderreihung monatlich wiederkehrender Unterhaltsforderungen anzusehen, deren Schicksal unterschiedlich sein kann. Im Oppositionsprozeß kann der Kläger jeweils nur die mit Exekution betriebenen Ansprüche bekämpfen; auch hier hätte es der Titelgläubiger in der Hand, durch seinen Exekutionsantrag den Umfang der zulässigen Einwendungen nach § 35 EO zu bestimmen.

War der Feststellungsprozeß zunächst der einzige Weg, weil der behauptete Anspruch (noch) nicht in Exekution gezogen war, so ist das Verfahren auch weiterzuführen, wenn später die Exekution beantragt und bewilligt wird. Die bloße Möglichkeit, die Einwendungen mit Klage nach § 35 EO geltend zu machen, führt noch nicht zum Wegfall des rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung.

Da das Berufungsgericht infolge der nicht gebilligten Rechtsansicht eine Überprüfung der wegen geänderter Verhältnisse gegen den ab 25.Jänner 1989 von der Beklagten behaupteten und titulierten Unterhaltsanspruch von monatlich S 2.450,- erhobenen Einwände unterlassen hat, es aber zur abschließenden Sachentscheidung der Beurteilung der Tatsachengrundlagen und der Berechtigung dieser Einwendungen bedarf, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Berufungsgericht die neue Entscheidung aufzutragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

Anmerkung

E21140

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00550.9.0627.000

Dokumentnummer

JJT_19900627_OGH0002_0030OB00550_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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