TE OGH 1991/9/5 6Ob594/90

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Veröffentlicht am 05.09.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Kodek, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** SPARKASSE, ***** vertreten durch Dr. Helmut Renner und Dr. Nikolaus Topic-Matutin, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei G***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 24. Januar 1990, AZ R 950/89 (ON 41), womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mondsee vom 25. Juli 1989, GZ C 399/89-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird stattgegeben.

Das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz rückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung:

Die Klägerin erwarb durch Zuschlag in einem Liegenschaftszwangsversteigerungsverfahren das Eigentum an einer Liegenschaft, auf der ein Gebäude steht, das im wesentlichen den Zwecken eines gastgewerblichen Betriebes gewidmet war. Betriebsinhaber war vorerst die Liegenschaftseigentümerin und spätere Verpflichtete selbst. Das im Ortszentrum einer Fremdenverkehrsseegemeinde befindliche Haus wurde nach dem Aus- und Umbau des Jahres 1976 mit seinen ebenerdig gelegenen Räumlichkeiten als Kaffeehaus und Diskothek genutzt, während in den Obergeschoßen die spätere Verpflichtete und deren Ehemann wohnten. Die spätere Verpflichtete überließ die Geschäftsführung des eingesessenen gastgewerblichen Unternehmens weitgehend ihrem Ehemann. Vor allem dessen aufwendige Lebensführung brachte die spätere Verpflichtete in Geldschwierigkeiten. In den Jahren 1984 und 1985 häuften sich die gegen die Verpflichtete anhängig gemachten Fahrnisexekutionen, die aber doch alle zur Einstellung gebracht werden konnten. Im Jahre 1986 war dies, selbst bei niedrigen Beträgen der betriebenen Forderungen, nicht mehr der Fall.

Der Ehemann der Verpflichteten besorgte, daß die Betriebsliegenschaft in Zwangsversteigerung gezogen werden könnte. Auf den Hinweis eines Kaufmanns, der den von der Verpflichteten geführten Betrieb aus seiner Tätigkeit als Automatenaufsteller kannte, wandte sich der Ehemann der Verpflichteten an einen vom Prozeßrichter aus seiner amtlichen Erfahrung als "Multifunktionär" bezeichneten Gastwirt, durch den der Ehemann der Verpflichteten an eine Betriebsberatungsgesellschaft und deren rechtlichen Berater gelangte. Auf dessen Anregung schloß die Verpflichtete am 18. Februar 1986 mit einer Handelsgesellschaft über die Verpachtung des Gastgewerbebetriebes, als dessen Anlagevermögen einerseits die Betriebsliegenschaft samt Haus sowie andererseits die gesamte Geschäfts-, Büro- und Wohnungseinrichtung angeführt wurde, einen Pachtvertrag. Der in Monatsraten zahlbare Jahrespachtschillung wurde unter Vereinbarung einer Wertsicherung mit 120.000 S zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart; die ordentliche Aufkündigung sollte erstmals zum 10.Februar 2085 unter Einhaltung einer zehnjährigen Kündigungsfrist zulässig sein.

Am selben Tag schloß die Pächtergesellschaft mit einer weiteren Gesellschaft, deren Firma mit dem Namen des Ehemannes der Verpflichteten gebildet war, einen Unterpachtvertrag. Der in Monatsraten zahlbare Jahresunterpachtschilling war unter Vereinbarung einer Wertsicherung mit 144.000 S zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart; das auf unbestimmte Zeit eingegangene Unterpachtverhältnis sollte zum Ende eines jeden Kalenderjahres unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist kündbar sein.

Sowohl für die Pächtergesellschaft als auch für die Unterpächtergesellschaft unterfertigte jeweils der vom Prozeßrichter als Multifunktionär bezeichnete Gastwirt in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer sowohl die Privaturkunden als auch tags darauf die sie ummantelnden Notariatsakte.

Als Stichtag für die Übernahme des Pachtbetriebes sowohl durch die Pächterin als auch die Unterpächterin war in den Vertragsurkunden jeweils der 10.Februar 1986 festgehalten. Nach außen hin trat keine sichtbare Änderung in der Betriebsführung ein. Die Verpflichtete führte ihren Betrieb weiter unter Mithilfe ihres Ehemannes.

Bald nach dem Abschluß der erwähnten Verträge machte die Pächtergesellschaft in einem gegen die Verpflichtete geführten Fahrnisexekutionsverfahren ihre Gewahrsame als Pächterin geltend.

Über einen am 17.Juni 1986 gestellten Antrag wurde schließlich die Betriebsliegenschaft in ein Zwangsversteigerungsverfahren verstrickt. Bei der Beschreibung und Schätzung der Liegenschaft wurde das Pachtverhältnis berücksichtigt. Der Jahrespachtschilling wurde dabei als weit unter der ortsüblich erzielbaren Pacht erkannt und der Liegenschaftsertragswert für den Fall der Pachtfreiheit um mehr als das Doppelte höher angenommen als für den Fall des aufrechten Pachtverhältnisses. Dementsprechend niedrig wurde auch der Schätzwert festgestellt und entsprechend niedrig war auch das Gebot der Klägerin.

Während des anhängigen Zwangsversteigerungsverfahrens war durch den rechtlichen Berater der Betriebsberatungsgesellschaft aufgrund von Bevollmächtigungen, die sich dieser sowohl von der Verpflichteten als auch von der Pächtergesellschaft, von der Unterpächtergesellschaft und von der kurz zuvor gegründeten beklagten Partei erteilen hatte lassen, am 11.Mai 1987 ein Vertragseintritt der beklagten Partei anstelle der Pächtergesellschaft in die Unternehmenspacht und zugleich die Aufhebung des Unterpachtverhältnisses erfolgt. Als Geschäftsführer der beklagten Partei als neuer Unternehmenspächterin schritten der ehemals mit der Automatenaufstellung befaßte Kaufmann und ein Gastwirt ein.

Die Verpflichtete und ihr Ehegatte verließen die Betriebsliegenschaft. Der Betrieb wurde vor allem durch eine langjährige Angestellte aufrechterhalten. Die beiden Geschäftsführer der neuen Pächterin bewohnten die Wohnetagen.

Die neue Pächtergesellschaft suchte durch Anträge im Versteigerungsverfahren sowie durch ihr tatsächliches Verhalten den Fortgang der Zwangsversteigerung hintanzuhalten.

Die Klägerin begehrt als Ersteherin von der Beklagten als Bestandnehmerin die Räumung der ersteigerten Liegenschaft und die Übergabe des Pachtbetriebes. Sie stützte sich in ihrer Klage auf eine Aufhebung des Bestandverhältnisses gemäß § 1118 ABGB zufolge erheblich nachteiligen Gebrauches und qualifizierten Zinsrückstandes sowie wegen Anfechtung des Bestandvertrages aus dem Grund des § 934 ABGB. Schließlich machte sie im Zuge des Verfahrens absolute Nichtigkeit des nur zur Exekutionsvereitelung begründeten Bestandverhältnisses geltend.

Überdies kündigte die Klägerin das Bestandverhältnis zum Jahresende 1988 gerichtlich auf. Die Aufkündigung wurde urteilsmäßig aufgehoben. Diese Entscheidung erwuchs in Rechskraft.

Die in der gerichtlichen Kündigung gelegene Auflösungserklärung, das Vorliegen der Aufhebungsgründe nach § 1118 ABGB und die Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes blieben bisher im Verfahren unerörtert. Beide Vorinstanzen erachteten nämlich den Bestandvertrag wegen des mit ihm verfolgten Zweckes der Exekutionsbehinderung als absolut nichtig und die Beklagte deshalb ohne tauglichen Rechtstitel zur Benützung des Bestandgegenstandes.

Dabei ging das Prozeßgericht erster Instanz nach seiner ausführlich dargelegten Kenntnis der als Gesellschaftsorgane, Berater, Parteienvertreter und Urkundspersonen aufgetretenen Personen davon aus, daß sie alle mit Ausnahme der Verpflichteten selbst - die alles zur Überwindung ihrer angespanntn finanziellen Lage in den Händen ihres Ehemannes belassen habe - in der Absicht gehandelt hätten, Zwangsvollstreckungen gegen die Verpflichtete, insbesondere die Liegenschaftsversteigerung, zu hintertreiben oder zumindest zu behindern. Daraus folgerte das Prozeßgericht erster Instanz, daß der Unternehmenspachtvertrag wegen Verstoßes gegen das Hofkanzleidekret von 6.Juni 1838, JGS Nr. 277 ungültig wäre; der Vertrag sei sittenwidrig und als reiner Scheinvertrag ausschließlich zu dem Zwecke abgeschlossen worden, anhängige Fahrnisexekutionen und die zu erwartende Liegenschaftszwangsversteigerung zu vereiteln oder zumindest zu erschweren.

Das Berufungsgericht sah zwar die Voraussetzungen für die Annahme eines Scheingeschäftes als nicht erfüllt an, wertete den Unternehmenspachtvertrag auch nicht als einen vom genannten Hofkanzleidekret erfaßten Vorgang und hob auch ausdrücklich hervor, daß die Klägerin kein Anfechtungsbegehren nach der Anfechtungsordnung verfolge (was ihr als Ersteherin auch nicht hätte offenstehen können, sondern nur als Gläubigerin der Verpflichteten). Das Berufungsgericht wertete aber den Abschluß des Unternehmenspachtvertrages unter Vereinbarung eines weit unter dem Üblichen liegenden Pachtschillings und eines über die Dauer eines Menschenlebens währenden Kündigungsausschlusses als eine gegen die Verwertbarkeit der Betriebsliegenschaft gerichtete Maßnahme, durch die zumindest der objektive Tatbestand des § 156 StGB erfüllt worden sei. Der darin gelegene Angriff auf die Befriedigungsinteressen der Gläubiger, deren Schutz die Strafmaßnahme diene, bedinge die Annahme einer (absoluten) Nichtigkeit der gegen die Zwecke des Verbotes verstoßenden Rechtshandlungen. Selbst wenn der Unternehmenspachtvertrag daher nicht gesetzwidrig wäre, haftete ihm doch wegen der festgestellten Begleitumstände und der Absicht der Vertragsschließenden eine absolute Nichtigkeit begründende Sittenwidrigkeit an.

Obwohl der Klägerin die Betriebsliegenschaft auf der Grundlage eines das Bestandrecht berücksichtigenden Schätzwertes zu einem entsprechend günstigen Gebot zugeschlagen worden sei, hätte sie doch - als Pfandgläubigerin, deren Forderung im Meistbot keine volle Deckung gefunden habe - durch die Begründung des Pachtverhältnisses einen Schaden erlitten. Als Pfandgläubigerin wäre der Klägerin im übrigen auch gegen rechtsgeschäftliche Verminderungen des Wertes der Pfandsache ein sich auch gegen die Pächterin richtender dinglicher, auf § 458 ABGB beruhender Unterlassungsanspruch (sogenannte Devastationsklage) zugestanden. Aus diesen Gründen erachtete das Berufungsgericht, daß sich die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht wirksam auf ein Nutzungsrecht des Bestandnehmers berufen könne. Das auf das Eigentumsrecht gestützte Räumungsbegehren der Klägerin sei vielmehr gerechtfertigt.

Die Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil, mit dem das Berufungsgericht ausgesprochen hat, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und daß die (ordentliche) Revision zulässig sei, aus den Revisionsgründen nach § 503 Z 2 und 4 ZPO mit einem auf Abweisung des Räumungsbegehrens zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Klägerin erachtet die für die Entscheidung des Rechtsstreites erheblichen Rechtsfragen durch die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung zur Absichtsanfechtung (7 Ob 616/89 und 7 Ob 715/88) als gelöst und die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO daher als nicht gegeben. Im übrigen strebt die Klägerin die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den darzulegenden Gründen zulässig. Sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrages berechtigt.

Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren keinerlei Behauptungen darüber aufgestellt, daß und in welchem Rang zu ihren Gunsten etwa ein Pfandrecht auf der später von ihr ersteigerten Liegenschaft einverleibt gewesen wäre und daß ihre pfandrechtlich besicherte Forderung im Meistbot auch nur teilweise keine Deckung gefunden hätte. Sie hat ihren Räumungsanspruch ausschließlich auf ihre Rechtsstellung als Liegenschaftseigentümerin kraft Zuschlages im Zwangsversteigerungsverfahren gegründet. Die vom Berufungsgericht angestellten (zusätzlichen) Erwägungen zur Rechtsstellung der Klägerin als (ehemaliger) Hypothekargläubigerin bewegen sich daher außerhalb des durch die Parteienerklärungen abgesteckten Prozeßrahmens; sie betreffen nicht den Prozeßgegenstand. Anzumerken bleibt lediglich, daß ein Hypothekargläubiger, der aus dem Meistbot befriedigt oder sichergestellt worden oder nach dem Ergebnis der Meistbotsverteilung einen Ausfall erlitten haben sollte, keinesfalls mehr Hypothekargläubiger sein und deshalb auch in Ansehung der Liegenschaft keine dingliche Rechtsstellung (§ 458 ABGB) innehalten könnte. Einem solchen Gläubiger könnte lediglich ein Schadenersatzanspruch wegen Verlustes seiner - ohne Eingriffshandlung aufrechten - Sicherung seiner Forderung zustehen, der auf Ersatz für die verlorene Sicherstellung gerichtet sein könnte, nicht aber auf Aufhebung einer die Pfandwertverminderung bewirkenden Maßnahmen.

Einem mit einem Exekutionstitel für seine Forderung ausgestatteten Gläubiger, der also bereits einen unbedingten oder auch nur einen bedingten oder befristeten Anspruch auf zwangsweise Befriedigung seines Anspruches gegen den Schuldner besitzt und dessen Befriedigung auch Schutzzweck des § 162 StGB ist, räumt das Gesetz gegen Rechtshandlungen des Schuldners, die dieser in der dem anderen Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, vornimmt, unter den näher umschriebenen Voraussetzungen des § 2 AnfO einen Anfechtungsanspruch ein. Zu solchen Rechtshandlungen zählen zweifellos auch die zur Erschwerung der Verwertung einer Pfandsache durch rechtsgeschäftliche Beschränkung der Verfügungsgewalt des Eigentümers (etwa durch Bestandrechte) eingegangenen Rechtsgeschäfte. Gerade die gesetzlich normierte Anfechtungsmöglichkeit schließt aber die Annahme einer absoluten Nichtigkeit der Rechtshandlung aus, weil eine absolut unwirksame Rechtshandlung zur Beseitigung ihrer Rechtswirkungen eben keines darauf gerichteten behördlichen Aktes mehr bedürfte. Was gegenüber dem in seinen Befriedigungsrechten geschädigten Gläubiger nur für ihn anfechtbar ist, kann für einen Dritten wie den Ersteher der Pfandsache nicht absolut nichtig sein. Reidinger, WoBl 1990, 122 ff, übersieht den Unterschied zwischen der je nach dem Schutzzweck der verletzten Norm anzunehmenden Rechtsfolge der absoluten Nichtigkeit einerseits und der bloß relativen, Anfechtbarkeit begründenden Nichtigkeit anderseits. Wegan, Österr. Insolvenzrecht 58 f (1.6.6.1.1.3), den Reidinger in diesem Zusammenhang zitiert, kann nach seiner Ausführung, daß sich eine Anfechtung erübrige, wenn Rechtshandlungen von vornherein unwirksam seien, bei seiner Ausführung über ein Anfechtungsbedürfnis auch bei solchen Rechtshandlungen, die nach Zivilrecht nichtig seien (zB aus einem der Gründe des § 879 ABGB), nur die Fälle der relativen, Anfechtbarkeit begründenden Nichtigkeit, nicht aber Fälle absoluter Nichtigkeit vor Augen gehabt haben.

Besondere Umstände, die entgegen dem dargestellten Regelfall dennoch eine absolute Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes zur Folge haben könnten, wurden von der Klägerin nicht behauptet und sind auch nicht festgestellt worden.

Die Ansicht der beiden Vorinstanzen, der Beklagten gebreche es wegen absoluter Nichtigkeit des Unternehmenspachtvertrages an einem tauglichen Rechtstitel zur Benützung der ersteigerten Liegenschaft, ist nicht zu teilen.

Es bedarf daher einer Prüfung der von der Klägerin zur Stützung ihres Räumungsbegehrens geltend gemachten Vertragsaufhebung (Kündigungserklärung in der gerichtlichen Aufkündigung;

Vertragsaufhebung wegen qualifizierten Pachtschillingrückstandes;

Vertragsaufhebung wegen erheblich nachteiligen Gebrauches;

Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes). Dazu ist eine Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz erforderlich. Vertragsgegenstand des Bestandvertrages war und blieb das Unternehmen als Gesamtsache. Eine Rechtsnachfolge im Eigentum trat lediglich an einem wesentlichen Unternehmensteil, der Betriebsliegenschaft, ein. Das Unternehmen als solches war nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung und vor allem nicht des Zuschlages. Eine rechtsgeschäftliche oder kraft Zuschlages erfolgte Änderung der Rechtszuständigkeit in Ansehung eines Teiles eines verpachteten Unternehmens vermag weder den Vertragsgegenstand noch den Vertragscharakter zu ändern. Sie bewirkt lediglich eine Veränderung auf der Bestandgeberseite, die nunmehr von einer Personenmehrheit in Form einer Rechtsgemeinschaft gebildet wird. Diese ist näher zu erfassen und zu bestimmen, um die für die Wirksamkeit der dem Räumungsbegehren zugrundegelegten Rechtsgestaltungserklärungen (in Ansehung der Unternehmenspacht!) wesentliche Frage nach der Legitimation hiezu zu klären. Es wird deshalb zu erörtern und festzustellen sein, ob und welche Teile des verpachteten Unternehmens etwa in der Rechtszuständigkeit der Verpflichteten verblieben, welche Mehrheitsverhältnisse (wertmäßig) an einer etwa zustandegekommenen Verpächtergemeinschaft anzunehmen wären und gegebenenfalls, welche Haltung eine etwa noch als Mit-Bestandgeberin der Liegenschaftsersteherin anzusehende Verpflichtete zu den von der Klägerin behaupteten Rechtsgestaltungserklärungen eingenommen hat. Der von Hoyer, WoBl 1991, 152 ff verfochtenen These, die Aufkündigung eines Bestandverhältnisses könne niemals wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB sein, kann in ihrer Allgemeinheit nicht gefolgt werden, daher auch nicht der auf dieser These fußenden Ableitung, der Erwerb einer Anteilsmehrheit reiche für die Rechtsfolgen des § 1120 ABGB (hier iZm § 1121) aus.

Unter Aufhebung beider vorinstanzlicher Urteile war die Rechtssache daher zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz rückzuverweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E26611

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00594.9.0905.000

Dokumentnummer

JJT_19910905_OGH0002_0060OB00594_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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