Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Evelyne G*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Christoph Edmund E*****, vertreten durch Dr. Johann Werth, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 14. März 1991, GZ 48 R 833/91-19, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 8. Juni 1990, GZ 6 C 365/89p-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Mutter der Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft in Wien-Hietzing mit getrennten Straßen- und Gartentrakten. Die Klägerin wohnte mit ihren Eltern zunächst in deren 120 m2 großen Wohnung im ersten Stock des Gartentrakts. In der klagsgegenständlichen ebenerdigen Wohnung top.Nr. 1 im Straßentrakt wohnte zunächst die Großmutter der Klägerin, die keinen Zins, sondern nur Betriebskosten bezahlte. Die Wohnung im
1. Stock des Straßentraktes ist an das Ehepaar Dr. B*****, die neben der Wohnung top.Nr. 1 gelegene Wohnung an die Familie F***** vermietet. Etwa 1975 zog die Klägerin, die damals studierte, zu ihrer pflegebedürftig gewordenen Großmutter, pflegte sie, führte die anfallenden Haushaltsarbeiten durch und erledigte die Einkäufe; gekocht wurde teilweise von ihr, teilweise von ihrer Mutter. Die Klägerin blieb nach dem Tod ihrer Großmutter Mitte 1976 noch für etwa drei bis vier Monate in der Wohnung top.Nr 1, dann ergab sich für sie die Möglichkeit einer Arbeit in Deutschland. Seither wohnt die Klägerin in Stuttgart. Kam sie nach Österreich, wohnte sie teils in der Wohnung top.Nr. 1, teils bei ihren Eltern. Die Klägerin zahlte für das Wohnen in der Wohnung top.Nr. 1 ihrer Mutter die Betriebskosten, aber keinen Zins. In weiterer Folge ersuchte die Klägerin ihre Eltern, die Wohnung top.Nr. 1 unterzuvermieten, weil sie sich selbst in Deutschland aufhalte, und überließ ihnen die Ausgestaltung des Inhalts des Mietvertrages; sie wollte eine monatliche Untermiete erhalten. Mit dem auf Bestandgeberseite von der Mutter der Klägerin unterfertigten so bezeichneten Untermietvertrag vom 1. Juli 1977 wurde die Wohnung top.Nr. 1 auf unbestimmte Zeit zu einem mündlich vereinbarten Mietzins von 2.500 S an den Beklagten vermietet.
Im Vorverfahren 6 Msch 28/85 des Bezirksgerichtes Hietzing wurde der Antrag des nunmehrigen Beklagten gegenüber der Mutter der nunmehrigen Klägerin auf Feststellung seiner Hauptmietrechte nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG rechtskräftig im wesentlichen deshalb abgewiesen, weil beide Instanzen das Vorliegen eines Scheingeschäftes verneinten und eine Anwendung der materiellrechtlichen Bestimmung des § 2 Abs 3 MRG nur für ab 1. Jänner 1982 abgeschlossene Mietverträge in Frage komme.
Die Klägerin kündigte den mit dem Beklagten bestehenden Bestandvertrag in Ansehung der aus zwei Zimmern samt Nebenräumen bestehenden Wohnung top.Nr. 1 mit der Begründung auf, daß a) der Beklagte die Wohnung nicht zur Befriedigung eines regelmäßigen Wohnbedürfnisses benütze, b) die Klägerin mangels einer anderen Wohnmöglichkeit einen dringenden Eigenbedarf an dieser Wohnung habe, weil ihre Ehe zerrüttet und sie deshalb genötigt sei, wieder nach Österreich zu kommen, und c) der Beklagte und seine Familienangehörigen trotz Abmahnung vom Mietgegenstand infolge dessen grober Vernachlässigung einen nachteiligen Gebrauch machten. Die Klägerin sei in die Mietrechte ihrer Großmutter eingetreten; als sich die Klägerin im Ausland aufgehalten habe, sei die Wohnung untervermietet worden, der Untermietzins habe der Abdeckung des Hauptmietzinses gedient.
Der Beklagte wendete ein, daß die Wohnung von ihm und seiner Familie regelmäßig zu Wohnzwecken benützt werde, er auf Grund seines Berufes - Künstler - öfters ortsabwesend sei und verschiedene Symposien im In- und Ausland besuche. Die Klägerin beabsichtige keinesfalls, nach Österreich zurückzukehren, weil sie in Deutschland in aufrechter Lebensgemeinschaft lebe; die Wohnung werde vielmehr für das im gleichen Haus wohnende Ehepaar Dr. B***** benötigt. Die Klägerin habe die Wohnung nicht auf Grund eines Miet-, sondern auf Grund eines Nutzungsrechtes benützt. Zwischen der Vorbenützerin der Wohnung, der Großmutter der Klägerin, und der Hauseigentümerin habe es kein Hauptmietverhältnis gegeben, in das die Klägerin hätte eintreten können.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verhielt den Beklagten zur Räumung dieser Wohnung. Nach den Feststellungen habe die Klägerin Schwierigkeiten in ihrer 1983 geschlossenen Ehe. Im August 1989 habe sie zwei in Stuttgart ansäßige Rechtsanwälte aufgesucht, um sich über die Scheidungsvoraussetzungen, insbesondere über die Mindesttrennungsdauer, zu informieren. Diese Mindesttrennungsdauer von einem Jahr habe die Klägerin im September 1989 festgesetzt; nach diesem Jahr beabsichtigten die Klägerin und ihr Gatte, sich scheiden zu lassen. Im September 1990 - vorher habe sie pflegschaftsbehördliche Schwierigkeiten wegen ihres 1987 geborenen Sohnes befürchtet - habe die Klägerin gemeinsam mit ihrem Sohn nach Wien zurückkehren wollen. Sie habe nur Nutzungsrechte an der Wohnung top.Nr. 1, sonst verfüge sie über keinerlei Rechte in diesem Haus und habe in Wien keine andere Wohnmöglichkeit. Ihre Mutter sei an Arthrose erkrankt, ihr Vater habe einen Gehirntumor. Das Ehepaar Dr. B***** habe den Vorschlag der Hauseigentümerin, auch die Wohnung top.Nr. 1 zu mieten, abgelehnt, weil es die Wohnung nicht benötige.
In rechtlicher Hinsicht ging die Erstrichterin davon aus, daß dem Beklagten lediglich die Stellung eines Untermieters zukomme, weil die Klägerin ihrerseits nur ein Nutzungsrecht an der aufgekündigten Wohnung, nicht aber am ganzen Haus habe und nach § 2 MRG Hauptmietrechte nur derjenige einräumen könne, der über Rechte am ganzen Haus verfüge. Davon ausgehend bejahte das Erstgericht den dringenden Eigenbedarf der Klägerin iS des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 12 MRG und führte darüber hinaus aus, eine regelmäßige Benützung der Wohnung zur Befriedigung des dringenden - von ihm nicht einmal behaupteten - Wohnbedürfnisses des Beklagten habe nicht festgestellt werden können; der Beklagte halte sich vermehrt bei seiner Mutter und bei seiner ehemaligen Lebensgefährtin auf, wo er sichtlich sein dringendes Wohnbedürfnis befriedige.
Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes auf, weil das aufgekündigte Bestandverhältnis vor Inkrafttreten des MRG begründet worden und daher auf die Rechtslage vor dem 1. Jänner 1982 und die darauf gründende Judikatur Bedacht zu nehmen sei. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem Willen des Gesetzgebers, daß die Definition des § 2 MRG über die Haupt- und Untermiete dem bisherigen Recht und der hiezu ergangenen Judikatur entsprechen solle, und dem Text der Bestimmung müsse durch berichtigende Auslegung beseitigt werden. Zur Vermeidung der vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Mutationen (Änderungen von Haupt- in Untermieten und umgekehrt) sei die Bestimmung des § 43 Abs 1 MRG durch teleologische Reduktion dahin einzuschränken, daß § 2 Abs 1 und 2 MRG auf Altverträge nicht Anwendung finde bzw. die Aufzählung der Hauptmietfälle in § 2 Abs 1 MRG nicht bindend sei, sondern durch teleologische Reduktion einschränkbar, aber auch durch Analogie erweiterbar, wenn es der Schutzzweck des MRG oder einzelner seiner Normen erfordere. Speziell der Schutzzweck der Normen des Kündigungsschutzes gebiete es daher, den Beklagten gleich einem Hauptmieter zu behandeln. Nach der zum Mietengesetz entwickelten Rechtsprechung genieße auch der Kündigungsschutz gleich einem Hauptmieter, der vom Fruchtnießer oder vom Mieter oder Pächter eines ganzen Hauses gemietet habe; a uch für den Wohnungsfruchtgenuß sei die Anwendbarkeit der Regeln der Untermiete bei der Kündigung ausdrücklich verneint worden; zum bloßen Wohnungsgebrauchsrecht fehle dagegen eine vergleichbare Entscheidung. Möge auch das Benützungsrecht der Großmutter der Klägerin möglicherweise auf den eigenen Gebrauch beschränkt gewesen sein, gelte dies jedenfalls nicht mehr für die Klägerin, der von ihrer Mutter, der Hauseigentümerin, das Recht eingeräumt worden sei, die Wohnung weiterzuvermieten und daraus einen Gewinn zu erzielen. Das Nutzungsrecht der Klägerin erweise sich daher als ein dem Fruchtgenuß ähnliches, allerdings bloß obligatorisches Recht. Deshalb komme dem Beklagten im zeitlichen Geltungsbereich des Mietengesetzes Kündigungsschutz gleich einem Hauptmieter zu. Im fortgesetzten Verfahren wären vom Erstgericht zum gleichfalls geltend gemachten Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG konkrete Feststellungen darüber zu treffen, wie oft und zu welchem Zweck der Beklagte die aufgekündigte Wohnung noch benütze.
Rechtliche Beurteilung
Der von der zweiten Instanz zugelassene Rekurs der Klägerin ist nicht berechtigt.
Ob die auf § 30 Abs 2 Z 12 MRG gestützte Aufkündigung der Klägerin berechtigt ist, hängt davon ab (§ 2 MRG), ob der Beklagte Haupt- oder Untermieter der aufgekündigten Wohnung ist. Obwohl in den EB zum MRG (RV 425 BlgNR 15. GP, 36) die Ansicht vertreten wurde, die neue Definition der Haupt- und Untermiete entspreche dem früheren Recht und der Judikatur, wurden in Wahrheit neue Rechtsbegriffe geschaffen (SZ 56/109 = JBl. 1985, 43 = MietSlg. 35/18). So liegt nun Hauptmiete nur vor, wenn der Mietvertrag mit dem "Eigentümer oder Fruchtnießer der Liegenschaft" - bei Wohnungseigentum mit dem Wohnungseigentümer - geschlossen wird (§ 2 Abs 1 MRG). Wird der Mietvertrag mit Personen geschlossen, die ihrerseits nur ein vertragsmäßig eingeräumtes Benützungsrecht haben, liegt nun Untermiete vor (§ 2 Abs 2 MRG). Der erkennende Senat teilt die überwiegende Auffassung, daß unter § 2 Abs 1 MRG iS einer möglichst wortgetreuen Auslegung nur der (auch obligatorische) Fruchtnießer oder Verfügungsberechtigte der ganzen Liegenschaft - und nicht nur eines Teiles, etwa räumlich begrenzter Gebäudeteile - (WoBL 1991/60 mit Anm von Würth;
JBl 1989, 526 = RZ 1989/97; EvBl 1988/58 = MietSlg 39/45
= WoBl 1988/15 mit zust. Anm von Würth in WoBl 1988, 45;
5 Ob 79/91 = NRSp 1991/269 ua; Würth-Zingher, Miet- und
Wohnrecht19 Rz 2 zu § 2 MRG; Würth in Rummel, Rz 4 zu § 2 MRG;
Iro in RdW 1985, 308; SZ 61/13 = MietSlg 40/4 = EvBl 1989/4 zum "Generalmieter") Hauptmietrechte einräumen kann.
Der Mietvertrag der Streitteile wurde jedoch am 1. Juli 1977, somit vor Inkrafttreten des MRG (1. Jänner 1982) abgeschlossen.
Aus § 43 Abs 1 MRG ergibt sich, daß auf Mietverträge als
Dauersachverhalte ab Inkrafttreten dieses Gesetzes dessen
Bestimmungen auch dann anzuwenden sind, wenn derartige Verträge
vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossen wurden. Darin
kommt der schon in § 5 ABGB verankerte Grundsatz zum Ausdruck,
daß das neue Recht auf bestehende Mietverhältnisse als
Dauerschuldverhältnisse im Rahmen seines zeitlichen
Geltungsbereiches ohne weiteres anzuwenden ist (Würth in Rummel,
Rz 1 zu § 43 MRG). Eine ausdrückliche Rückwirkungsanordnung in
dem Sinn, daß vor Inkrafttreten des MRG endgültig und
abschließend verwirklichte Sachverhalte nach den Vorschriften
dieses Gesetzes zu beurteilen sind, ist dieser Gesetzesstelle
aber nicht zu entnehmen (JBl. 1988, 525 = MietSlg 40/3;
MietSlg 39/19; JBl 1986, 390 = RdW 1986, 175 mit Anm von Iro
= MietSlg 38/5 ua). Nach dem Inkrafttreten des MRG verwirklichte
Sachverhalte sind nach den Vorschriften des MRG zu beurteilen (6 Ob 546/91). Daher ist im vorliegenden Fall nach neuer Rechtslage (MRG) zu beurteilen, ob ein Kündigungsgrund vorliegt und nach alter Rechtslage (MG), ob der Bestandvertrag der Streitteile ein Haupt- oder Untermietvertrag ist, weil der Vertragsabschluß als endgültig und abschließend verwirklichter Sachverhalt zu beurteilen ist (vgl. dazu Würth-Zingher aaO, Rz 1 zu § 43 MRG). Auf die vom Berufungsgericht gebilligte Ansicht von Fenyves in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 275 ff), die Aufzählung der Hauptmietfälle in § 2 Abs 1 MRG sei nicht völlig bindend; sie könne durch teleologische Reduktion eingeschränkt, aber auch durch Analogie erweitert werden, wenn es der Schutzzweck des MRG oder einzelner seiner Normen erfordere (zustimmend SZ 60/210, ablehnend SZ 61/13) kommt es daher hier nicht an.
Das MG kannte keine Definition der Begriffe der Haupt- und der Untermiete. Aus § 1098 ABGB wurde vorerst abgeleitet, daß ein Untermietverhältnis immer dann gegeben sei, wenn der Bestandgegenstand vom Hauptmieter vermietet wird (vgl. SZ 56/109;
MietSlg 18/14). Nach der Rechtsprechung zur alten
Rechtslage - anders als jetzt - setzte ein Unterbestandvertrag ein Hauptbestandverhältnis voraus (MietSlg 24/5; EvBl 1958/201;
SZ 21/111; Würth in Rummel, Rz 3 zu § 2 MRG; Binder in Schwimann, Rz 86 zu § 1098 ABGB). Es entwickelte sich aber in Lehre und Rechtsprechung der Grundsatz, daß bei Vermietung einer Sache durch den - wenngleich bloß obligatorisch berechtigten (SZ 57/155 = MietSlg 36/35 mwN u.a.) - Fruchtnießer (infolge dessen einem Eigentümer gleichenden Stellung) der Bestandnehmer Hauptmieter
wird (SZ 61/13; SZ 57/155; EvBl 1980/36 = MietSlg 31.160;
JBl 1959, 411 = EvBl 1959/173; SZ 19/131). Dieser Grundsatz wurde
in der Folge auch auf jene Mietverträge angewendet, die der Pächter oder Mieter eines ganzen Hauses oder selbständiger Teile davon begründete, wobei allerdings auch im Fall des Mieters der Vertragszweck darauf gerichtet sein mußte, diesem die gewinnbringende Verwertung der Bestandobjekte durch Weitergabe zu ermöglichen (SZ 61/13; SZ 57/155; EvBl 1980/36, alle mwN; vgl auch MietSlg 18.235 - dort allerdings Gleichsetzung mit einem Pächter), weil eben dies den typischen Befugnissen eines Fruchtnießers wesentlich ähnlicher sei als jenen des Mieters. Raumüberlassung durch nicht als Mieter zu beurteilende Benützungsberechtigte wie Fruchtnießer oder obligatorisch Nutzungsberechtigte mit fruchtnießerähnlicher Stellung (auch an einer Wohnung) führte zur Begründung eines Haupt- und keines Untermietverhältnisses. Für den Wohnungsfruchtgenuß wurde in der Rechtsprechung die Anwendbarkeit der Regeln der Untermiete bei der Kündigung ausdrücklich verneint (SZ 8/24).
Maßgeblich ist somit hier für die Beurteilung der Frage, ob der Beklagte Haupt- oder Untermieter ist, ob das von der Mutter der Klägerin und der Klägerin in Ansehung der Wohnung top.Nr. 1 geschlossene und gewollte Rechtsgeschäft ein Mietvertrag iS der §§ 1090 und 1091 ABGB und damit auch des § 1 MG war, oder ob dieses Rechtsgeschäft einem anderen Vertragstyp zu unterstellen ist. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung und rechtliche Qualifikation durch die Parteien, sondern auf die von ihnen beabsichtigten Wirkungen des Vertrages, somit darauf an, welchen Zweck die Parteien bei Abschluß des Vertrages verfolgten (WoBl 1991/60; MietSlg 37/46; SZ 57/155; 3 Ob 552/91 u.a.; Binder aaO, Rz 1 zu § 1090 ABGB). Das ABGB regelt das Wohnrecht nicht als eigene Dienstbarkeit, sondern als Gebrauch oder Fruchtgenuß an Wohnräumen, je nachdem, ob diese nur zum persönlichen Bedarf oder ohne diese Einschränkung benützt werden dürfen. Welche von beiden Formen des Wohnrechtes vorliegt, ist eine Auslegungsfrage (WoBl 1991/60; SZ 57/155; Petrasch in Rummel2 Rz 1 zu § 521; Pimmer in Schwimann, Rz 26 zu § 521 ABGB, Klang in Klang2 II 598). Das Wohnungsgebrauchsrecht ist das Recht, alle bewohnbaren Teile des Hauses für seine Bedürfnisse zu benützen, die Wohnungsfruchtnießung hingegen das Recht, alle bewohnbaren Teile des Hauses mit Schonung der Substanz ohne Einschränkung zu genießen (WoBl 1991/60 mwN; SZ 60/210 = MietSlg 39/44, SZ 57/155 ua), das heißt einschließlich der Überlassung an Dritte (Petrasch aaO, Rz 5; Binder in Schwimann, Rz 47 zu § 1090 ABGB), wogegen der Inhaber des Wohnungsgebrauchsrechtes die Wohnung nicht vermieten darf (WoBl 1991/60; Petrasch aaO, Rz 4; Klang aaO). Die Vereinbarung, Betriebskosten anteilig zu tragen, läßt keinen Schluß darauf zu, ob ein Wohnungs- oder Fruchtgenußrecht vorliegt (SZ 60/86 = MietSlg 39/24). Im Zweifel ist Gebrauch, Fruchtgenuß ua dann zu unterstellen, wenn nicht die Benützung durch den Berechtigten selbst, sondern dessen Weitergabebefugnis an Dritte zum Zwecke wirtschaftlicher Verwertung im Vordergrund steht (MietSlg 28.110; Binder aaO, Rz 47 zu § 1090 ABGB).
Im vorliegenden Fall mag die Klägerin nach dem Tod ihrer Großmutter die gegenständliche Wohnung top.Nr. 1 zwar zunächst in Ausübung eines familienrechtlichen Wohnverhältnisses (vgl. dazu MietSlg 40.032 ua; Würth in Rummel2, Rz 7 zu § 1090 ABGB; Binder in Schwimann, Rz 59 zu § 1090 ABGB, jeweils mwN) oder eines Wohnungsgebrauchsrechtes bewohnt haben; durch die von der Klägerin im Einverständnis mit ihrer Mutter als Hauseigentümerin vorgenommene unbefristete Vermietung der Wohnung an den Beklagten zu dem Zweck, um ihr ein Einkommen zu schaffen, somit in der Einräumnung eines Verwertungsrechtes, lag aber, wie die zweite Instanz zutreffend erkannte, das - zulässige (SZ 57/155; Petrasch aaO, Rz 3) - obligatorische Recht zum Fruchtgenuß an der Wohnung top.Nr. 1. Weder von Leihe noch von Prekarium kann bei Beurteilung dieses Rechtsverhältnisses die Rede sein. Ein Wohnungsleihvertrag setzt eine - hier fehlende - bestimmte Dauer voraus (MietSlg 31.010), die jederzeitige Widerruflichkeit eines Prekariums müßte - anders als hier - entweder ausdrücklich vereinbart sein oder sich wenigstens klar aus den Umständen ergeben (Würth in Rummel2; Rz 9 zu § 1090 ABGB). Die Klägerin ist als obligatorisch Fruchtgenußberechtigte an der Wohnung anzusehen und daher der Beklagte unter Bedachtnahme auf die Rechtslage des MG als Hauptmieter. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 12 liegt daher nicht vor.
Dem Rekurs ist demnach nicht Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E28781European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00613.91.0312.000Dokumentnummer
JJT_19920312_OGH0002_0060OB00613_9100000_000