TE OGH 2006/1/19 2Ob176/05d

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Veröffentlicht am 19.01.2006
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei René J*****, vertreten durch den Sachwalter Josef Thaler, IFS-Sachwalterschaft, Marktplatz 10, 6800 Feldkirch, dieser vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. Manfred L*****, und 2. A***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Andreas Oberbichler, Dr. Michael Kramer, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen (restlich) EUR 91.797,02 sA und Rente (Streitwert: EUR 50.166), aus Anlass der außerordentlichen Revision der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Mai 2005, GZ 4 R 110/05s-54, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 17. Februar 2005, GZ 6 Cg 215/02h-48, teilweise bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, dem Sachwalter der klagenden Partei die Einholung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der den Pflegeaufwand betreffenden Ausdehnung des Klagebegehrens (Zahlung und Rente) in der mündlichen Streitverhandlung vom 9. 9. 2004 binnen einer zu setzenden und zu überwachenden Frist aufzutragen und die Akten nach Vorliegen der Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes dem Obersten Gerichtshof erneut vorzulegen.

Text

Begründung:

Der 1977 geborene Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall am 19. 8. 1999 so schwer verletzt, dass er seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus ständig gepflegt und betreut werden muss. Mit der am 7. 8. 2002 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger, vertreten durch den bestellten Sachwalter, zunächst Zahlung von insgesamt EUR 139.830,06 sA und einer monatlichen Rente von EUR 1.984,25 ab 1. 9. 2002 sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall im Ausmaß von 50 %. Das Leistungsbegehren umfasste auch die Kosten des Pflegeaufwandes, deren Ersatz der Kläger für den Zeitraum bis zum 30. 8. 2002 im Betrage von EUR 32.950,75 und ab 1. 9. 2002 als monatliche Rente von EUR 1.734,25 begehrte. Dazu brachte er vor, er sei vollständig pflegebedürftig und werde von seiner Mutter rund um die Uhr betreut. Er bezifferte die Kosten des monatlichen Pflegeaufwandes mit EUR 5.000, die er in einem ersten Rechenschritt um das monatliche Pflegegeld von EUR 1.531,50 und dann um die von ihm

zugestandene Mitverschuldensquote von 50 % kürzte (5.000 - 1.531,50 =

3.468,50 : 2 = 1.734,25).

Diese Klage wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 29. 7. 2002, 9 P 40/01d, pflegschaftsbehördlich genehmigt. Mit rechtskräftigem Teilzwischenurteil vom 15. 11. 2002 sprach das Erstgericht aus, dass das Leistungsbegehren (Zahlung und Rente) dem Grunde nach im Umfang von zwei Drittel zu Recht bestehe. Hiebei ging es von einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten des Klägers aus. Der Kläger schränkte daraufhin mit dem in der mündlichen Streitverhandlung vom 13. 5. 2004 vorgetragenen Schriftsatz vom 29. 4. 2004 das Klagebegehren um ein Drittel ein, dehnte es jedoch gleichzeitig hinsichtlich einzelner der geltend gemachten Teilansprüche (Schmerzengeld, Pflegesachaufwand, Umbaukosten, pauschale Unkosten) der Höhe nach aus, sodass er schließlich insgesamt EUR 118.085,56 sA, eine Rente von EUR 393,50 ab 1. 5. 2004 sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall im Ausmaß von einem Drittel begehrte. An Ersatz für den Pflegeaufwand forderte er nunmehr für den Zeitraum Jänner 2001 bis April 2004 noch EUR 5.406,80 sA und ab 1. 5. 2004 eine monatliche Rente von EUR 135,17, wobei er auch die (zunächst unrichtige) Berechnungsmethode korrigierte (nun: 5.000 : 3 = 1.666,67 - 1.531,50 = 135,17). Hiezu brachte er ergänzend vor, die Kosten des monatlichen Pflegeaufwandes von EUR 5.000 entsprächen jenen für zwei gelernte, zumindest aber angelernte Pflegekräfte. Mit den Teilanerkenntnisurteilen vom 13. 5. 2004 und vom 9. 9. 2004 wurden Teile des Leistungsbegehrens (Verunstaltungsentschädigung, pauschale Unkosten, Kosten eines Pflegebettes) und das Feststellungsbegehren endgültig erledigt. In der mündlichen Streitverhandlung vom 9. 9. 2004 dehnte der Kläger das nach einer weiteren (die Umbaukosten betreffenden) Klagseinschränkung verbliebene Zahlungsbegehren von EUR 45.975,29 sA um zusätzliche Pflegekosten von EUR 44.540,68 auf insgesamt EUR 91.797,02 (rechnerisch richtig: 90.515,97) sA und das Rentenbegehren auf EUR 1.393,50 ab 1. 9. 2004 aus. In Abänderung seines bisherigen Sachvorbringens zu den Kosten der Angehörigenpflege ging er davon aus, dass er Anspruch auf den Ersatz der Kosten für drei bis vier Pflegepersonen, dies seien monatlich zumindest EUR 8.000, abzüglich der Mitverschuldensquote und des Pflegegeldes habe. Daraus resultiere ein monatlicher Anspruch von EUR 1.135,17 (8.000 : 3 = 2.666,67 - 1.531,50 = 1.135,17), weshalb er aus dem Titel des Pflegeaufwandes für den Zeitraum Jänner 2001 bis August 2004 insgesamt EUR 49.947,48 sA und ab 1. September 2004 eine monatliche Rente von EUR 1.135,17 begehre.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand, dem Kläger EUR 90.515,97 sA und ab 1. 9. 2004 eine monatliche Rente von EUR 1.393,50 zu bezahlen, wobei es die Haftung der zweitbeklagten Partei mit der Höhe der Versicherungssumme für das am Unfall beteiligte Fahrzeug des Erstbeklagten beschränkte. Das Mehrbegehren von EUR 1.281,05 sA wies es unangefochten (und damit rechtskräftig) ab.

Das Berufungsgericht bestätigte den Zuspruch an den Kläger hinsichtlich eines Teilbetrages von EUR 80.182,64 sA und einer monatlichen Rente von EUR 1.135,17 ab 1. 9. 2004 als (weiteres) Teilurteil und hob das Ersturteil hinsichtlich des Zuspruches von EUR 10.333,33 sA und eines Rententeilbetrages von monatlich EUR 258,33 (jeweils betreffend den Pflegesachaufwand) zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Es sprach - wenn auch nur in den Entscheidungsgründen - ferner aus, dass die ordentliche Revision gegen das Teilurteil nicht zulässig sei.

Diese Berufungsentscheidung erwuchs im Umfang des Zuspruches von EUR 30.235,16 (restliches Schmerzengeld; restliche Kosten eines Pflegerollstuhls) sA unbekämpft in Rechtskraft.

Gegenstand der außerordentlichen Revision der beklagten Parteien sind die Kosten der Angehörigenpflege, die dem Kläger von den Vorinstanzen in der zuletzt begehrten Höhe zuerkannt worden sind. Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 21. 11. 2005 wurde dem Kläger die - mittlerweile eingelangte - Revisionsbeantwortung freigestellt.

Rechtliche Beurteilung

Bevor aber auf das Rechtsmittel inhaltlich eingegangen werden kann, ist folgender bisher unbeachtet gebliebener Umstand wahrzunehmen:

Gemäß § 4 Abs 2 ZPO muss die zu einer einzelnen Prozesshandlung erforderliche besondere Ermächtigung bei Vornahme dieser Prozesshandlung nachgewiesen werden. Das Fehlen der Genehmigung stellt ein Prozesshindernis dar, welches in jeder Lage des Rechtsstreites und daher auch noch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist (§ 6 Abs 1 ZPO) und zur Nichtigerklärung der betroffenen Verfahrensschritte führt, wobei jedoch vorher zwingend ein Sanierungsversuch vorzunehmen ist (Fucik in Rechberger, ZPO² § 6 Rz 2 und 3).Gemäß Paragraph 4, Absatz 2, ZPO muss die zu einer einzelnen Prozesshandlung erforderliche besondere Ermächtigung bei Vornahme dieser Prozesshandlung nachgewiesen werden. Das Fehlen der Genehmigung stellt ein Prozesshindernis dar, welches in jeder Lage des Rechtsstreites und daher auch noch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Paragraph 6, Absatz eins, ZPO) und zur Nichtigerklärung der betroffenen Verfahrensschritte führt, wobei jedoch vorher zwingend ein Sanierungsversuch vorzunehmen ist (Fucik in Rechberger, ZPO² Paragraph 6, Rz 2 und 3).

Der Oberste Gerichtshof hat in Fällen, in denen die Klageschrift der besonderen Ermächtigung des Pflegschaftsgerichtes iSd § 4 Abs 1 ZPO iVm § 154 Abs 3 ABGB bedurfte, bereits mehrfach ausgesprochen, dass auch die in der Folge vorgenommenen Änderungen des Klagebegehrens pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen sind (EvBl 1976/111; 1 Ob 544/86; 2 Ob 180/04s; RIS-Justiz RS0049197; vgl auch Schubert in Fasching/Konecny² II/1 § 4 ZPO Rz 22 sowie Danzl/Gutierrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 212 mwN). Die Genehmigungsbedürftigkeit nach § 154 Abs 3 ABGB gilt insoweit auch für Sachwalter (§ 282 Abs 1 ABGB; 2 Ob 180/04s; Schubert aaO § 4 Rz 3; Fucik aaO § 4 Rz 2).Der Oberste Gerichtshof hat in Fällen, in denen die Klageschrift der besonderen Ermächtigung des Pflegschaftsgerichtes iSd Paragraph 4, Absatz eins, ZPO in Verbindung mit Paragraph 154, Absatz 3, ABGB bedurfte, bereits mehrfach ausgesprochen, dass auch die in der Folge vorgenommenen Änderungen des Klagebegehrens pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen sind (EvBl 1976/111; 1 Ob 544/86; 2 Ob 180/04s; RIS-Justiz RS0049197; vergleiche auch Schubert in Fasching/Konecny² II/1 Paragraph 4, ZPO Rz 22 sowie Danzl/Gutierrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 212 mwN). Die Genehmigungsbedürftigkeit nach Paragraph 154, Absatz 3, ABGB gilt insoweit auch für Sachwalter (Paragraph 282, Absatz eins, ABGB; 2 Ob 180/04s; Schubert aaO Paragraph 4, Rz 3; Fucik aaO Paragraph 4, Rz 2).

Im vorliegenden Fall hätte daher die auf geändertes Sachvorbringen zur Höhe des Pflegeaufwandes gestützte Ausdehnung des Klagebegehrens in der mündlichen Streitverhandlung vom 9. 9. 2004, welche in der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung vom 29. 7. 2002 keine Deckung mehr fand, der Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht bedurft. Da eine solche bisher nicht urkundlich nachgewiesen worden ist (§ 4 Abs 2 ZPO), war der aus dem Spruch ersichtliche Rückleitungsauftrag zu erteilen.Im vorliegenden Fall hätte daher die auf geändertes Sachvorbringen zur Höhe des Pflegeaufwandes gestützte Ausdehnung des Klagebegehrens in der mündlichen Streitverhandlung vom 9. 9. 2004, welche in der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung vom 29. 7. 2002 keine Deckung mehr fand, der Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht bedurft. Da eine solche bisher nicht urkundlich nachgewiesen worden ist (Paragraph 4, Absatz 2, ZPO), war der aus dem Spruch ersichtliche Rückleitungsauftrag zu erteilen.

Anmerkung

E80670 2Ob176.05d-2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:0020OB00176.05D.0119.000

Dokumentnummer

JJT_20060119_OGH0002_0020OB00176_05D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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