TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/20 2007/16/0070

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Veröffentlicht am 20.12.2007
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Index

32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ErbStG §12 Abs1 Z1;
ErbStG §19 Abs1;
ErbStG §19 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 8. März 2007, Zl. RV/1056-W/06 betreffend Erbschaftssteuer (mitbeteiligte Partei: M L in W, vertreten durch die Leitner + Leitner GmbH & Co KG Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer-Straße 32), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Kaufvertrag auf den Todesfall vom 22. Jänner 2001 hatte Gudrun P. ihre Eigentumswohnung um einen wertgesicherten Kaufpreis von S 1.600.000,-- an Lieselotte K. verkauft. Laut Punkt I. dieses Vertrages sollte dieser seine Wirksamkeit erst mit dem Ableben der Verkäuferin erlangen.

Die Mitbeteiligte ist Alleinerbin nach der am 22. März 2005 verstorbenen Gudrun P. Den ihr angefallenen Nachlass trat sie mit einer unbedingten Erberklärung zu Gericht an.

In einem Übereinkommen vom 8. Juni 2005 wurde zwischen der Mitbeteiligten und der Käuferin der Eigentumswohnung einvernehmlich festgehalten, dass der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis auf Grund der bedungenen Wertbeständigkeit nun EUR 126.625,15 betrage. Weiters wurde festgestellt, dass ob den vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteilen ein Wohnhauswiederaufbaufond-Darlehen im Restbetrag von EUR 1.416,64, abgerechnet zum 1. Jänner 2005, aushaftend sei und dass dieses von der Mitbeteiligten als Erbin und Rechtsnachfolgerin der Verkäuferin zu tilgen sei. Als Übergabestichtag wurde der 5. Mai 2000 vereinbart.

Auf Grund des Kaufvertrages auf den Todesfall vom 22. Jänner 2001 und des Übereinkommens vom 8. Juni 2005 wurde am 27. Juni 2005 die Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten der Käuferin gerichtlich bewilligt.

Der Einheitswert für die gesamte Liegenschaft wurde mit S 1.040.000,-- festgestellt; der anteilige Einheitswert der gegenständlichen Eigentumswohnung (109/1200tel-Anteile) beträgt EUR 9.267,96.

Mit Bescheid vom 17. Jänner 2006 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien gegenüber der Mitbeteiligten Erbschaftssteuer gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG mit 28 % von EUR 117.089,-

- fest. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage wurde der Kaufpreis von EUR 126.625,15 unter den "sonstigen Forderungen" erfasst.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Mitbeteiligte vor, der unter den sonstigen Forderungen zu Grunde gelegte Betrag von EUR 126.625,15 betreffe Liegenschaftsanteile der Erblasserin. Diese seien inländisches Grundvermögen und gemäß § 19 Abs. 2 ErbStG mit dem Dreifachen des Einheitswertes zu bewerten. Der steuerpflichtige Erwerb betrage demnach EUR 18.258,97, weshalb die Erbschaftssteuer mit insgesamt EUR 3.163,91 festzusetzen sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 16. März 2006 wies die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung als unbegründet ab, woraufhin die Mitbeteiligte die Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und änderte den Erstbescheid dahingehend ab, dass die Erbschaftssteuer insgesamt mit einem Betrag von EUR 3.165,14 festgesetzt wird. Die belangte Behörde vertrat auch unter Hinweis auf Judikatur des (deutschen) Bundesfinanzhofes zusammengefasst die Ansicht, die mit dem erbrechtlichen Erwerb übernommene Last, die Eigentumswohnung an die Käuferin zu übergeben, leite sich zwar unmittelbar aus Grundbesitz ab. Gegenstand der Bewertung sei (bei Betrachtung der Last) dennoch nicht der Grundbesitz selber, sondern die schuldrechtliche Verpflichtung der Mitbeteiligten, den Grundbesitz an die Käuferin zu übertragen. Gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG iVm. § 10 Abs. 1 BewG sei der gemeine Wert der grundsätzliche Maßstab der Bewertung und stelle die Bewertung mit dem dreifachen Einheitswert gemäß § 19 Abs. 2 ErbStG die Ausnahme von diesem Grundsatz dar. Demnach sei der gemeine Wert der von der Mitbeteiligten als Erbin übernommenen schuldrechtlichen Verpflichtung gegenüber der Käuferin als Last in Abzug zu bringen. Durch die in Punkt III. des Kaufvertrages auf den Todesfall getroffene Vereinbarung, wonach die Bezahlung des Kaufpreises Zug um Zug mit der Räumung der Wohnung zu erfolgen habe, sei die tatsächliche Bereicherung der Mitbeteiligten um den Kaufpreis (abzüglich des aushaftenden Betrages des Wohnhauswiederaufbau-Darlehens) außerdem davon abhängig, dass der Käuferin die Wohnung auch naturaliter übergeben werde. Da kein Anhaltspunkt dafür vorliege, dass das zwischen der Erblasserin und der Käuferin vereinbarte Entgelt kein gleichwertiges Äquivalent für das Eigentumsrecht an der Eigentumswohnung darstelle, könne davon ausgegangen werden, dass der gemeine Wert der schuldrechtlichen Verpflichtung der Mitbeteiligten gegenüber der Käuferin wertmäßig mit der Höhe des wertgesicherten Kaufpreises von EUR 126.625,14 abzüglich des aushaftenden Betrages des Wohnhauswiederaufbau-Darlehens von EUR 1.416,64 ident sei. Es sei daher ein Betrag von EUR 125.208,51 als gemeiner Wert der Last vom positiven Erwerb der Mitbeteiligten in Abzug zu bringen. Daher sei der Berufung Folge zu geben und die Erbschaftssteuer für den Erwerb entsprechend der nachfolgenden Berechnung festzusetzen:

Steuerpflichtiger Erwerb laut Erstbescheid

117.089,12 EUR

Dreifacher Einheitswert der Eigentumswohnung

27.803,88 EUR

Wohnhauswiederaufbaudarlehen

- 1.416,64 EUR

Gemeiner Wert der schuldrechtlichen Verpflichtung gegenüber der Käuferin

- 125.208,51 EUR

Steuerpflichtiger Erwerb

18.267,85 EUR

Erbschaftssteuer gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG 12 % von EUR 18.267,--

2.192,04 EUR

Erbschaftssteuer gemäß § 8 Abs. 4 ErbStG 3,5 % von EUR 27.803,--

973,10 EUR

daher Erbschaftssteuer gesamt

3.165,14 EUR.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde der Abgabenbehörde erster Instanz.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Gleichfalls beantragt die Mitbeteiligte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Abgabenbehörde erster Instanz sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, auf Grund des mit dem Ableben der Verkäuferin wirksam gewordenen Kaufvertrages auf den Todesfall sei im Zeitpunkt deren Ablebens die Wohnung nicht mehr nachlassgegenständlich. Vielmehr sei der Anfall des Kaufpreises durch Vertrag zugunsten eines Dritten der Erbschaftsteuer zu unterziehen. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung nicht das erblasserische Grundstück, das im Zeitpunkt des Erbfalles bereits verkauft, aber noch nicht übergeben worden sei, als erworben betrachtet, sondern den Kaufpreis.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom 7. März 2007, G 54/06 u.a., § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Juli 2008 in Kraft trete und dass diese Bestimmung in bestimmten anderen, im Erkenntnis genannten, beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden sei. Beim vorliegenden Beschwerdeverfahren handelt es sich nicht um eines jener im zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes genannten Verfahren, sodass (u.a.) § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG anwendbar ist.

Gemäß § 20 Abs. 1 erster Satz ErbStG gilt als Erwerb, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gesamte Vermögensanfall an den Erwerber. Die Erbschaftssteuerschuld entsteht grundsätzlich schon durch den mit dem Tode des Erblassers eintretenden Anfall an den Bedachten, sofern er vom Anfall durch Abgabe der Erbserklärung Gebrauch macht. Bei der Besteuerung der Erbschaft ist daher von den Verhältnissen am Todestag des Erblassers auszugehen. Änderungen in der Zusammensetzung des Nachlassvermögens, die nach dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers eintreten, sind für die Erbschaftsbesteuerung grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1992, Zl. 91/16/0137, sowie vom 25. September 1997, Zl. 96/16/0280, mwN).

Bei einem Kaufvertrag, der im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch von keinem der Vertragspartner zur Gänze erfüllt war, ist eine im Vermögen des Erblassers vorhandene Kaufpreis(Rest-)Forderung als Vermögensanfall der Erbschaftssteuer zu unterziehen. Der Besitz und das (bücherliche) Eigentum an Liegenschaften sind nicht zu berücksichtigen, weil diesen die Verpflichtung zur Übereignung des Kaufgegenstandes gegenübersteht. Auf den Einheitswert der Liegenschaft kommt es daher nicht an (vgl. das Erkenntnis vom 1. Dezember 1987, Zl. 86/16/0013, mwN; vgl. auch das Erkenntnis sowie vom 27. September 1990, Zl. 89/16/0225, betreffend den Fall einer Enteignungsentschädigung).

Nach der wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der abzugehen auch im vorliegenden Beschwerdefall kein Anlass besteht, ist im Falle eines beiderseits noch nicht erfüllten Kaufvertrages über eine Liegenschaft die Kaufpreisforderung als Vermögensanfall der Erbschaftssteuer zu unterziehen, der bloße Besitz und das Eigentum an der Liegenschaft einerseits und die dem gegenüberstehende Verpflichtung zur Übereignung andererseits - in der Terminologie des Bundesfinanzhofes auch "Sachleistungsverpflichtung" - jedoch als einander gegenüberstehend nicht zu berücksichtigen.

Hat aber nach dem bisher Gesagten die Verpflichtung zur Übereignung der Liegenschaft - aufgewogen durch Besitz und bücherliches Eigentum an der Liegenschaft - als Vermögensanfall außer Betracht zu bleiben, so stellt sich die Frage einer unsachlichen Differenzierung der Bewertung von Liegenschaftsvermögen einerseits und der Verpflichtung zur Übereignung der Liegenschaft andererseits nicht, wie sie vom Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 6. Dezember 1989, II R 103/86, zum Anlass genommen wurde, fortan bei beiderseits noch nicht erfüllten entgeltlichen Verträgen die Sachleistungsverpflichtung des Erben mit dem Wert der Gegenleistung gleichzusetzen (vgl. auch das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 15. Oktober 1997, II R 68/95).

Da die belangte Behörde dem entgegen bei der Festsetzung der Erbschaftssteuer dem dreifachen Einheitswert der Eigentumswohnung - offenbar in Ansehung des Besitzes der Eigentumswohnung - einerseits den gemeinen Wert der schuldrechtlichen Verpflichtung gegenüber der Käuferin andererseits mit dem Betrag von EUR - 125.208,51 gegenüberstellte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 20. Dezember 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007160070.X00

Im RIS seit

07.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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