TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/25 89/06/0029

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Veröffentlicht am 25.10.1990
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §364 Abs2;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §24 Abs1;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauRallg;
Bauvorschriften Tir 1981 §59 Abs1 idF 1988/012;
ROG Tir 1984 §15;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 21. Dezember 1988, Zl. Ve-550-1501/1, betreffend Einwendungen gegen die Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei:

1.

Gemeinde Oberperfuß, vertreten durch den Bürgermeister,

2.

R), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Zweitmitbeteiligte beantragte bei der erstmitbeteiligten Gemeinde am 24. Februar 1988 die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung einer Rinderstallanlage bestehend aus dem Rinderstall für 30 Rinder, einer Tenne und einer Düngestätte samt Güllebehälter auf einem in seinem Eigentum stehenden, nach dem Flächenwidmungsplan der erstmitbeteiligten Gemeinde im Freiland liegenden Grundstück. Bei der von der Baubehörde erster Instanz durchgeführten Bauverhandlung vom 10. März 1988, zu welcher er als Nachbar unter Hinweis auf die Säumnisfolgen des § 42 AVG 1950 geladen worden war, erhob der Beschwerdeführer gegen dieses Bauvorhaben Einwendungen: Er sprach sich darin gegen die (nach den Planunterlagen) auf der Ostseite des Rinderstalles und neben dem Gemeindeweg vorgesehene "Mistlege" aus und zwar "nicht nur gegen die Geruchsbelästigung", sondern auch "wegen der negativen Einwirkung auf den Fremdenverkehr".

Ein von der Baubehörde in der Folge eingeholtes Gutachten des Amtssachverständigen für Raumordnung kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, daß die Errichtung der Rinderstallanlage nach Art und Größe, wie sie im Einreichplan vorliege, aus betriebswirtschaftlichen Gründen und wegen beengter Hoflage notwendig sei.

Mit Bescheid vom 22. April 1988 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Zweitmitbeteiligten die Baubewilligung unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, worin er ausführte, dem Bauwerber sei es durchaus möglich, die Düngestätte auf der westlichen, dem Wohngebiet abgewandten Seite seines Bauvorhabens zu situieren. Bei einer Verwirklichung des Projektes im Sinne des Bescheides würde es zu Geruchsbelästigungen kommen, wobei zusätzlich zu der bereits in unmittelbarer Nähe des Hauses des Beschwerdeführers befindlichen (bisherigen) Mistlege des Zweitmitbeteiligten nunmehr eine zweite derartige Anlage entstehe, welche die Geruchsentwicklung verdopple. Eine solche Situation könne nicht als ortsüblich angesehen werden. Die vom Beschwerdeführer eingebauten Fremdenzimmer gingen in Richtung des Bauvorhabens. Baugenehmigungen der vorliegenden Art würden den sonstigen Bemühungen der Gemeinde um Hebung des Fremdenverkehrs entgegenwirken.

Die Berufungsbehörde holte zur Frage der Geruchsemissionen ein agrartechnisches Gutachten ein; danach liege die Geruchsemission im üblichen Ausmaß, zumal weder mehrere Schweine noch sonstige Tierarten mit stärkerer Geruchsbelästigung gehalten würden. Die Situierung der Düngestätte an der Westseite des Stallgebäudes sei wohl möglich, es ginge durch die (dann notwendige) Zufahrt jedoch wesentlich mehr Kulturgrund verloren. Die Miststätte eines anderen Nachbarn liege wesentlich näher zum Haus des Beschwerdeführers; eine noch stärkere Geruchsbelästigung für den Beschwerdeführer stelle die derzeitige Miststätte des Zweitmitbeteiligten dar, die 5 m neben dem Wohnhaus des Beschwerdeführers liege. Durch die Aussiedlung des Wirtschaftsgebäudes des Zweitmitbeteiligten würde dort künftig kein Mist mehr gelagert sein, wodurch sich die Geruchsbelästigung für den Beschwerdeführer vermindern werde. Die Auflassung der Tierhaltung und damit der Miststätte (ergänze: am bisherigen Ort) sei Voraussetzung für eine "Aussiedlung ins Freiland (Siedlungserfolg)". Die Situierung der Miststätte an der Westseite des Stallgebäudes könnte überdies infolge der damit verbundenen höheren Sonneneinstrahlung ein vermehrtes Maß an Geruchs- und Ungezieferbelästigung zur Folge haben.

In einer Stellungnahme zu diesem Gutachten bestreitet der Beschwerdeführer die eben angeführte Aussage des Sachverständigen. Er weist darauf hin, daß gerade die planmäßige Realisierung des Vorhabens (die zu einer südost gerichteten Lage der Düngerstätte führen würde) durch die längere und intensivere Sonneneinstrahlung eine erhöhte Ungeziefer- und Geruchsemission bewirke. Der Beschwerdeführer befürchte auch eine verstärkte Wanderung einer bestimmten Wurmart in Richtung seines Wohnhauses.

Nach einem von der Berufungsbehörde schließlich eingeholten hygienischen Gutachten stelle die geplante Düngestätte für die Anrainer keine Geruchsbelästigung dar, die das ortsübliche Ausmaß übersteige.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 1988 hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen, gleichzeitig aber den Spruch des Bescheides erster Instanz dahin ergänzt, daß "unter Bedachtnahme auf § 15 Abs. 3 TROG mit der Inbetriebnahme des beantragten Wirtschaftsgebäudes die Tierhaltung und damit auch die Miststätte im derzeit bestehenden Wirtschaftsgebäude" aufzulassen sei und "Mist in der beantragten Miststätte nur bis zu einer Stapelhöhe von 2 m" (d.h. bis zur Höhe der Umfassungsmauer) gelagert werden dürfe; der darüberhinaus anfallende Mist sei auf ein Zwischenlager in das Freiland zu verbringen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, in der er unter anderem rügte, daß er durch die Vorenthaltung des im Berufungsverfahren eingeholten hygienischen Gutachtens, welches Entscheidungsgrundlage für den Berufungsbescheid gewesen sei, in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt und daran gehindert worden sei, ein entsprechendes Gegengutachten einzubringen, wobei anhand eines Lokalaugenscheines die "beinahe tägliche Invasion von Jauche-Würmern" und die dadurch bedingte gesundheitliche Gefährdung der Hausbewohner (gemeint offenbar: im Haus des Beschwerdeführers) festzustellen gewesen wäre.

Die Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 43/1978, in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 10/1989 lautet:

"(4) Wird von einem Nachbarn die Verletzung eines Rechtes behauptet, das in einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung begründet ist, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendung), so hat die Behörde über diese Einwendung abzusprechen, indem sie die Einwendung als unbegründet abweist, die Baubewilligung unter Bedingungen oder mit Auflagen (§ 31 Abs. 8) erteilt oder die Baubewilligung überhaupt versagt. Subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf Vorschriften gestützt werden, die die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken vorschreiben oder die Festlegung über die Bauweise, die Bauhöhe, die Abstände von Gebäuden, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz zum Inhalt haben."

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten nachteiligen Auswirkungen der vom Zweitmitbeteiligten geplanten Mistablagerungsstätte auf sein (auch der Fremdenzimmervermietung dienendes, nach dem Inhalt der Verwaltungsakten von der künftigen Mistablagerung rund 30 m entfernten) Wohnhaus ist zunächst darauf hinzuweisen, daß § 30 Abs. 4 TBO dem Beschwerdeführer als Nachbarn keinen direkten, sondern nur insoweit einen Immissionsschutz einräumt, als sich ein solcher aus anderen Bestimmungen ergibt, wie dies insbesondere hinsichtlich der Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken zutrifft (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1980, Slg. Nr. 10171/A, vom 17. Jänner 1985, Zl. 83/06/0061, BauSlg. Nr. 370, vom 10. April 1986, Zl. 85/06/0183, BauSlg. Nr. 656, und vom 21. Dezember 1989, Zl. 88/06/0010). Dem Beschwerdeführer steht somit ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der (für die Liegenschaft des Zweitmitbeteiligten in Geltung stehenden) Widmung Freiland (§ 15 TROG) zu (Erkenntnis vom 29. Oktober 1987, Zl. 86/06/0126, BauSlg. 991).

Gemäß § 15 Abs. 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, LGBl. Nr. 4 (TROG), ist im Freiland die Errichtung von Bauten für land- und forstwirtschaftliche Betriebe nur zulässig, soweit diese nach Art und Größe für einen bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erforderlich sind. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn die bauliche Herstellung im Zuge einer Maßnahme zur Verbesserung der Agrarstruktur, insbesondere für die Auflösung materiell geteilten Hauseigentums, für die Verlegung von Betrieben aus wirtschaftlich ungünstigen Orts- oder Hoflagen, aus betriebswirtschaftlichen Gründen oder aus Gründen des Umweltschutzes notwendig ist. In den zu land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehörenden Wohngebäuden ist überdies die Errichtung von Wohnräumen für die Vermietung von höchstens zehn Fremdenbetten je land- und forstwirtschaftlichem Betrieb zulässig.

Nach dem von den Behörden auf Gemeindeebene eingeholten (und hinsichtlich seiner Richtigkeit vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen) Sachverständigengutachten ist die Errichtung des gegenständlichen Wirtschaftsgebäudes aus betriebswirtschaftlichen Gründen und wegen einer wirtschaftlich ungünstigen (weil beengten) Hoflage des Zweitbeschwerdeführers erforderlich. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher - insoweit offenbar in Übereinstimmung mit dem Beschwerdeführer - keine Bedenken gegen die Annahme, daß das Bauvorhaben des Zweitmitbeteiligten unter den widmungsrechtlichen Gesichtspunkten des § 15 Abs. 3 TROG zulässig ist.

Damit bleibt lediglich zu prüfen, ob die geplante Düngerstätte im Sinne des § 30 Abs. 4 TBO gegen eine aufgrund dieses Gesetzes erlassene Verordnung, insbesondere gegen die Technischen Bauvorschriften, LGBl. Nr. 20/1981 (TBV), zuletzt geändert durch die Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 9. Februar 1988, LGBl. Nr. 12, verstößt. Nach deren § 59 Abs. 1 (in der hier anzuwendenden, geänderten Fassung der Verordnung LGBl. Nr. 12/1988) müssen Düngerstätten so beschaffen und angelegt sein, daß ihre Geruchsemissionen das für solche Anlagen übliche Ausmaß nicht übersteigen. Dies ist nach den eingeholten Sachverständigengutachten, deren Richtigkeit vom Beschwerdeführer insoweit nicht bestritten wird, nicht der Fall. Auf den vom Beschwerdeführer behaupteten Mangel der Ortsüblichkeit der Geruchsbelästigung kommt es nach der Neufassung der genannten Verordnungsbestimmung nicht mehr an. Die Behauptung, daß eine bestimmte Geruchsemission das ortsübliche Ausmaß übersteige, ist daher seit der Neufassung der TBV eine im Baubewilligungsverfahren unbeachtliche privatrechtliche Einwendung im Sinne des § 364 Abs. 2 ABGB, wobei die Unterlassung einer ausdrücklichen Verweisung des Beschwerdeführers auf den Rechtsweg - wie hier - keine zu einer Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des Bescheides bedeutet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1990, Zl. 90/06/0007).

Weiterreichende (nach der Sachlage in Betracht kommende) subjektive Rechte räumt die Tiroler Bauordnung in Verbindung mit den erwähnten Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes dem Beschwerdeführer als Nachbar nicht ein. Bei den vom Beschwerdeführer hervorgehobenen "Interessen des Fremdenverkehrs" handelt es sich jedenfalls nicht um einen derartigen Bereich. Entgegen den Beschwerdeausführungen kommt auch dem Standort einer Düngerstätte innerhalb einer Liegenschaft keine Bedeutung für die Frage zu, ob die von der Düngerstätte ausgehende Geruchsemission das für derartige landwirtschaftliche Anlagen übliche Ausmaß übersteigt, da § 59 Abs. 1 TBV in der hier anzuwendenden Neufassung nunmehr ausschließlich auf die Üblichkeit einer Geruchsemission in bezug auf ihre Quelle abstellt, nicht aber auf ihre Richtung und (damit im Zusammenhang) Reichweite (im Sinne ihrer Wahrnehmbarkeit). Die Frage der anlagenbedingten Üblichkeit einer Geruchsemission ist aber - worauf die belangte Behörde mit Recht verweist - eine Frage der Agrartechnik und nicht eine solche der Medizin oder der Hygiene (weshalb insoweit den gegenteiligen Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1986, Zl. 84/06/0117, BauSlg. 610, durch die Novelle zu den TBV der Boden entzogen ist). Ungeachtet der Frage, ob der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vor dem Gemeindevorstand durch das Unterbleiben des Vorhalts des medizinisch-hygienischen Gutachtens in seinen Rechten verletzt worden ist bzw. ob das Vorstellungsverfahren dem Beschwerdeführer hinreichend Gelegenheit geboten hat, sich zu diesem Gutachten (welches keine Bedenken im Sinne der Beschwerdebehauptungen enthält) zu äußern, kommt daher der in der Beschwerde geltend gemachten Verletzung des § 37 AVG 1950 für das Ergebnis des Verfahrens aus den dargelegten Gründen keine Bedeutung zu.

Da die behaupteten Rechtsverletzungen somit nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989060029.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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