TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/29 90/04/0188

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Veröffentlicht am 29.01.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §366 Abs1 Z1 idF 1988/399;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §31 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 22. Mai 1990, Zl. 04-25 He 30-1988/4, betreffend Übertretung der GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 2. August 1988 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als Vorstandsdirektor der X-AG dafür verantwortlich zu sein, daß die Sulfatzellstoffanlage X in der Zeit vom 10. Oktober 1986 bis 14. Oktober 1986 ohne erforderliche Genehmigung betrieben worden sei, obwohl es sich hiebei um eine nach der Gewerbeordnung genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) gehandelt habe und hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 begangen zu haben. Hiefür wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe 14 Tage) verhängt.

Einer seitens des Beschwerdeführers dagegen erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 11. Juli 1989 keine Folge und bestätigte das erstbehördliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 mit der Maßgabe, daß die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung dem "§ 366 Abs. 1 Zif. 3 i.V.m.

§ 370 Abs. 2 der GewO 1973" unterstellt werde.

Auf Grund einer dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde ist dieser Bescheid mit Erkenntnis vom 6. Februar 1990, Zl. 89/04/0133, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden. Zur Begründung ist unter Bezugnahme auf die §§ 9 Abs. 1 VStG 1950 und 370 Abs. 2 GewO 1973 ausgeführt worden, gemäß § 44a lit. a VStG 1950 habe der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Zu den Elementen der entsprechenden Tatbezeichnung im Sinne dieser Gesetzesstelle gehöre auch der Umstand, daß ein Beschuldigter nicht als unmittelbarer Täter, sondern als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft werde, worunter - in dem in Betracht kommenden Geltungsbereich des § 370 Abs. 2 GewO 1973 - auch die eindeutige Anführung der Art der Organfunktion verstanden werden müsse. Im vorliegenden Fall sei laut Spruch des erstbehördlichen Straferkenntnisses der Beschwerdeführer als "Vorstandsdirektor" der in Rede stehenden Aktiengesellschaft als strafrechtlich Verantwortlicher bezeichnet worden. Diese spruchgemäße Anführung des erstbehördlichen Straferkenntnisses sei in diesem Umfang unverändert im angefochtenen Bescheid als Abspruch der belangten Behörde übernommen und eine Berichtigung des Spruches lediglich in der Richtung vorgenommen worden, daß die Verwaltungsübertretung dem § 366 Abs. 1 Z. 3 "i.V.m. § 370 Abs. 2" GewO 1973 unterstellt werde. Beim Vorstand einer Aktiengesellschaft handle es sich jedoch um ein zur Geschäftsführung und Vertretung der Aktiengesellschaft berufenes Organ. Im Hinblick darauf liege aber eine spruchgemäß eindeutige Anführung der Art der von der belangten Behörde ins Auge gefaßten Organfunktion des Beschwerdeführers für den in Rede stehenden Tatzeitraum nicht vor. Schon im Hinblick darauf habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung geführt habe, ohne daß es einer Erörterung des weiteren, hiemit nicht im Zusammenhang stehenden Beschwerdevorbringens bedurft hätte.

Mit dem daraufhin ergangenen Ersatzbescheid der belangten Behörde vom 22. Mai 1990 wurde über die Berufung des Beschwerdeführers über das erstbehördliche Straferkenntnis vom 2. August 1988 dahin entschieden, daß dieser keine Folge gegeben und das erstbehördliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 i.V.m. § 24 VStG 1950 bestätigt, jedoch dahin gehend abgeändert werde, daß die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung dem § 366 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 370 Abs. 2 GewO 1973 unterstellt werde. Gleichzeitig würden anstelle der Worte "als Vorstandsdirektor" die Worte "als gewerberechtlicher Geschäftsführer" gesetzt. Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf das erstbehördliche Straferkenntnis u. a. ausgeführt, mit insgesamt vier Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Judenburg sei die gewerbebehördliche Genehmigung für die X-AG sowie Teilbereiche erteilt worden. Auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1985, Zlen. 84/04/0155-13, 84/04/0157-14, 84/04/0161-15, seien die Bescheide des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie aufgehoben worden. Aus der Anzeige des Gewerbereferenten der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 9. Oktober 1986 sei zu entnehmen, daß zum fraglichen Zeitpunkt die gewerbebehördliche Genehmigung dieser Anlage noch nicht erteilt und auch ein Probebetrieb für die Anlage für diesen Zeitrum für nicht zulässig erklärt worden sei. Da jedoch gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet und betrieben werden dürften, eine solche Genehmigung für die im Spruch zur Last gelegte Tatzeit jedoch nicht vorhanden gewesen sei, sei der Berufung ein Erfolg zu versagen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, die belangte Behörde habe ungeachtet der dargestellten Neufassung des Spruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses auch im Ersatzbescheid über seine in der Berufung erhobenen Einwendungen nicht in ausreichender Weise abgesprochen. So sei bis jetzt kein Beweis erbracht, daß gerade zwischen 10. und 14. Oktober 1985 der Betrieb genehmigungslos betrieben worden sei. Des weiteren sei der angefochtene Bescheid auch deshalb inhaltlich rechtswidrig, da er nicht verantwortlich sei, wenn in Ansehung seiner Person ein Rechtfertigungsgrund, der sich, wie in der Folge dargestellt, aus den Erfordernissen der Art der Betriebsführung ergeben habe, vorgelegen sei.

Der Beschwerde kommt im Hinblick auf folgende Überlegungen Berechtigung zu:

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Aus dem Wesen einer Straftat als fortgesetztes Delikt - als das bei Zutreffen der hiefür maßgebenden weiteren Voraussetzungen insbesondere der Tatbestand des Betriebes einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage ohne Genehmigung in Betracht kommt - folgt, daß die Bestrafung für einen bestimmten Tatzeitraum auch die in diesem gelegenen, wenn auch allenfalls erst später bekannt gewordenen Einzeltathandlungen erfaßt, wobei sich der Zeitpunkt einer erfolgten Bestrafung aus dem Tag der Zustellung des damit im Zusammenhang stehenden (erstbehördlichen) Straferkenntnisses ergibt (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1981, Zl. 04/3695/80, und die weitere dort zitierte hg. Rechtsprechung).

Im Beschwerdefall ergibt sich aus den Verwaltungsakten, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis u.a. vorgebracht hatte, ähnliche Tatbestände wie der gegenständliche seien Gegenstand mehrerer Verwaltungsstraferkenntnisse derselben ersten Instanz gewesen, über welche der Landeshauptmann im Berufungsverfahren mit Bescheiden vom 13. April 1988, Zl. 4-15 He 22/1-87 und 4-25 He 24/1-87, aufhebend entschieden habe. Dort, wo der Landeshauptmann nicht aufhebend entschieden habe, nämlich mit Bescheid vom selben Tag, 4-15 He 23/1-87, sei die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden.

In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, daß, wie sich aus dem zum gleichfalls vom Beschwerdeführer anhängig gemachten Beschwerdeverfahren beim Verwaltungsgerichtshof zu

Zl. 90/04/0124 ergibt, das dem letztangeführten Berufungsbescheid zugrunde liegende Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 1. April 1987, mit dem der Beschwerdeführer wegen genehmigungslosen Betriebes der hier in Rede stehenden Betriebsanlage im Zeitraum vom 22. Oktober bis 12. November 1986 bestraft wurde, dem Beschwerdeführer zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters am 6. April 1987 und somit vor Fällung bzw. Erlassung des dem beschwerdegegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens zugrunde liegenden erstbehördlichen Straferkenntnisses zugestellt wurde.

Schon im Hinblick auf das dargestellte Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers wäre aber die belangte Behörde im Rahmen der Feststellung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen von Amts wegen verpflichtet gewesen, im gegebenen Zusammenhang die Frage des Vorliegens eines fortgesetzten Deliktes - unter gleichzeitiger Feststellung der nach der vordargestellten Gesetzeslage im gegebenen Zusammenhang in Betracht zu ziehenden entscheidungserheblichen Daten anderer Verwaltungsstrafverfahren - zu prüfen, da bei Bejahung dieser Frage jedenfalls die Erfassungswirkung durch das vorangeführte erstbehördliche Straferkenntnis in Ansehung des hier in Rede stehenden Strafzeitraumes gegeben wäre.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon in Hinsicht darauf mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren hierauf nicht bezughabenden Beschwerdevorbringens - so insbesondere der geltend gemachten Begründungs- und Feststellungsmängel - bedurfte.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft im Hinblick auf die gesetzliche Pauschalierung des Aufwandersatzes den für den weiteren Schriftsatz des Beschwerdeführers (Stellungnahme zur Gegenschrift der belangten Behörde) geltend gemachten Schriftsatzaufwand sowie die weiters geltend gemachten Beträge für "50 Prozent ES" und "20 Prozent Ust" und ferner den angesprochenen Kostenersatzbetrag für nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990040188.X00

Im RIS seit

29.01.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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