TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/15 88/18/0012

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Veröffentlicht am 15.02.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
VStG §24;
VStG §46 Abs1;
VStG §51;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Ing. Erhard N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. November 1987, Zl. MA 70-10/819/87/Str, betreffend Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung vom 23. Oktober 1986 legte die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer zur Last, er habe am 21. September 1986 um 02.45 Uhr im Stadtgebiet von Langenlois auf der Landeshauptstraße 55 (Gföhler Straße) einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt, obwohl er nicht im Besitz einer hiefür erforderlichen Lenkerberechtigung gewesen sei. Diese Strafverfügung ist infolge rechtzeitigen Einspruches des Beschwerdeführers außer Kraft getreten. Im Zuge des sodann eingeleiteten ordentlichen Ermittlungsverfahrens trat am 23. Februar 1987 für den Beschwerdeführer Herr Ronald P auf, welcher eine mit 9. Februar 1987 datierte (allgemeine) Vollmacht zur Vertretung des Beschwerdeführers "in allen Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren, insbesondere auch polizeilichen" vorlegte.

Mit Straferkenntnis vom 11. März 1987 erkannte die Bundespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer der ihm bereits in der eingangs genannten Strafverfügung zur Last gelegten Verwaltungsübertretung schuldig und verhängte über ihn eine Geld-(Ersatzfreiheits-)strafe. Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer persönlich am 13. März 1987 zugestellt.

Im Zuge des über die Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Straferkenntnis abgeführten Verfahrens teilte der Beschwerdeführer über entsprechende Anfrage der Berufungsbehörde mit, daß das erstbehördliche Straferkenntnis von ihm nicht an Herrn P weitergeleitet worden sei. Er habe Herrn P die Vollmacht gekündigt.

Mit Berufungsbescheid vom 16. November 1987 bestätigte der Landeshauptmann von Wien das erstbehördliche Straferkenntnis mit einer die Tatumschreibung betreffenden Maßgabe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz hat die Behörde, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist und sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 1. Dezember 1986, Zl. 85/15/0149, ausgesprochen hat, schließt eine an sich unbeschränkte Vollmacht stets die Ermächtigung zur Empfangnahme von Schriftstücken mit ein.

Da im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Zustellung des erstbehördlichen Straferkenntnisses der Beschwerdeführer der Behörde gegenüber durch einen Bevollmächtigten vertreten war, hätte zufolge § 9 Abs. 1 Zustellgesetz die Zustellung dieses erstbehördlichen Straferkenntnisses, um rechtswirksam zu sein, an diesen Bevollmächtigten geschehen müssen. Da in der Folge auch eine Heilung des unterlaufenen Zustellmangels durch Weiterleitung des erstbehördlichen Straferkenntnisses an den Bevollmächtigten nicht erfolgte, blieb die Zustellung des erstbehördlichen Straferkenntnisses rechtsunwirksam, sodaß es als noch nicht erlassen anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1948, Slg. N.F. Nr. 484/A).

War aber das erstbehördliche Straferkenntnis noch gar nicht erlassen, so mangelte es der belangten Behörde an der Zuständigkeit zur materiellen Erledigung der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben (vgl. die in Dolp, 3. Auflage, Seite 584 zitierte Judikatur).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Voraussetzungen des Berufungsrechtes Bescheidcharakter der bekämpften Erledigung Vorhandensein eines bekämpfbaren Bescheides Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1988180012.X00

Im RIS seit

15.02.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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