TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/24 91/11/0031

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Veröffentlicht am 24.09.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §109 Abs1;
KFG 1967 §113 Abs2;
KFG 1967 §115 Abs2 litc;
KFG 1967 §115 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Dr Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der Eva Maria K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 15. Februar 1991, Zl. 414.877/2-IV-1/91, betreffend Entziehung der Fahrschulbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. August 1990 wurde der Beschwerdeführerin die Fahrschulbewilligung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B mit der Bezeichnung "XY" im Standort Wien, N-Gasse nn, gemäß § 115 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 109 Abs. 1 lit. c KFG 1967 entzogen. In der Begründung nahm die Erstbehörde auf ein Schreiben der Wiener Gebietskrankenkasse vom 21. August 1990 Bezug, in dem der Erstbehörde mitgeteilt wurde, daß ein die Beschwerdeführerin betreffender Antrag auf Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und die in Rede stehende Fahrschulbewilligung gemäß § 115 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 entzogen.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 115 Abs. 2 lit. a KFG 1967 ist die Fahrschulbewilligung zu entziehen, wenn ihr Besitzer die im § 109 angeführten persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrschulbewilligung nicht mehr erfüllt. Nach § 115 Abs. 2 lit. c KFG 1967 ist die Fahrschulbewilligung zu entziehen, wenn die Fahrschule seit mehr als sechs Wochen ohne verantwortliche Leitung ist. Gemäß § 109 Abs. 1 lit. b darf eine Fahrschulbewilligung nur Personen erteilt werden, die vertrauenswürdig sind. Nach der lit. c dieser Gesetzesstelle darf die Fahrschulbewilligung ferner nur an eine Person erteilt werden, die die Leistungsfähigkeit der Fahrschule gewährleisten kann.

Die belangte Behörde hat als Berufungsbehörde den Grund für die Entziehung der Fahrschulbewilligung der Beschwerdeführerin insoferne ausgetauscht, als sie nicht mehr die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin und damit die fehlende Leistungsfähigkeit ihrer Fahrschule im Sinne des § 109 Abs. 1 lit. c KFG 1967 zum Anlaß für die Entziehung nahm. Dies ergibt sich aus dem Spruch (in dem als angewendete Gesetzesbestimmung nicht mehr die lit. c, sondern die lit. b des § 109 Abs. 1 in Verbindung mit § 115 Abs. 2 lit. a KFG 1967 genannt wird) und der Begründung (in der davon die Rede ist, daß es dahingestellt bleiben könne, ob vom Wegfall der Leistungsfähigkeit der Fahrschule der Beschwerdeführerin ausgegangen werden könne) des angefochtenen Bescheides. Damit hat sie ihre Entscheidungsbefugnis als Berufungsbehörde nicht überschritten. Sache der Berufungsentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG ist die Entziehung der Fahrschulbewilligung. Welche der Erteilungsvoraussetzungen nach § 109 Abs. 1 KFG 1967 nach Auffassung der Behörde weggefallen ist und zum Anlaß für eine Entziehung genommen wird, ist lediglich eine Frage der Begründung. Es erübrigt sich daher, auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen einzugehen.

Den Wegfall der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 begründet die belangte Behörde zum einen damit, daß die Beschwerdeführerin in den letzten Jahren wiederholt nicht gewillt gewesen sei, den mit der Führung ihres Fahrschulbetriebes laufend verbundenen Zahlungsverpflichtungen, insbesondere gegenüber den Sozialversicherungsträgern und der "Fiskalbehörde", in einer ordnungsgemäßen, den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen im vollen Umfang gerecht werdenden Weise zu entsprechen.

Damit verkennt sie die Rechtslage. Unter der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des Gesetzes ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verstehen, daß sich die Behörde im Hinblick auf die - aus dem Gesamtverhalten der betreffenden Person hervorleuchtende - Persönlichkeit verlassen können muß, sie werde ihren gesetzlichen Verpflichtungen als Fahrschulleiter nachkommen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 1972, Zl. 1751/70, vom 5. März 1986, Zl. 85/11/0185, sowie vom 5. November 1986, Zl. 86/11/0066). Es steht somit die den Fahrschulen übertragene, im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe, die Ausbildung künftiger Kraftfahrzeuglenker und die Weiterbildung von Besitzern einer Lenkerberechtigung durchzuführen (§ 108 Abs. 1 KFG 1967), im Vordergrund. Daß den Leiter einer Fahrschule - als Unternehmer - auch andere Verpflichtungen treffen, ist bei der Beurteilung der Persönlichkeit unter dem Gesichtspunkt seiner kraftfahrrechtlichen Vertrauenswürdigkeit von untergeordneter Bedeutung. Mangelhafte Zahlungsmoral gegenüber Finanzbehörden und Sozialversicherungsträgern berühren daher für sich allein die Vertrauenswürdigkeit noch nicht. Ein solcher Sachverhalt lag auch den zitierten Beschwerdefällen nicht zugrunde.

Die belangte Behörde zieht aber zur Verneinung der Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin noch einen konkreten Vorfall heran. Die Beschwerdeführerin hat zum Betrieb ihrer Fahrschule einen verantwortlichen Fahrschulleiter (§ 113 Abs. 2 lit. b KFG 1967) zu bestellen. Der behördlich genehmigte Fahrschulleiter sei mit 30. September 1990 aus der Fahrschule der Beschwerdeführerin ausgeschieden, ein Nachfolger sei erst Ende Jänner 1991 bestellt worden. Dieses Faktum stelle einen groben Verstoß gegen kraftfahrrechtliche Vorschriften dar, dessen Schwere im Entziehungstatbestand nach § 115 Abs. 2 lit. c KFG 1967 seinen Ausdruck finde.

Nach dem Zweck der zuletzt genannten Bestimmung, nämlich zu verhindern, daß eine Fahrschule längere Zeit ohne verantwortliche und entsprechend qualifizierte Leitung geführt wird und damit ihre Aufgabenerfüllung nicht mehr gewährleistet erscheint, entspricht es nicht dem Gesetz, die Fahrschulbewilligung auch dann zu entziehen, wenn ein verantwortlicher Fahrschulleiter - wenn auch erst zu einem späteren Zeitpunkt - bestellt, der Behörde gegenüber namhaft gemacht und von dieser in der Folge genehmigt worden ist. Wenn auch Vorfälle im Zusammenhang mit der (Unterlassung der) Bestellung von Fahrschulleitern an sich geeignet sein können, auch die Vertrauenswürdigkeit des Inhabers der Fahrschule zu erschüttern, so handelt es sich im vorliegenden Fall nach der Begründung des angefochtenen Bescheides um einen einzigen derartigen Vorfall. Davon, daß die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der erforderlichen Fahrschulleiterbestellung durch ihr gesamtes Verhalten erkennen ließe, daß sie nicht gewillt sei, ihren Verpflichtungen nachzukommen, kann keine Rede sein. Die Behörden wären zwar berechtigt gewesen, nach Ablauf von sechs Wochen vom Aussscheiden des früheren Fahrschulleiters an die Fahrschulbewilligung der Beschwerdeführerin nach § 115 Abs. 2 lit. c KFG 1967 zu entziehen. Die Unterlassung dieser Vorgangsweise berechtigte die belangte Behörde aber nicht, im nachhinein, also nach Bestellung eines neuen Fahrschulleiters, diesen einzigen derartigen Vorfall zur Begründung des Wegfalles der Vertrauenswürdigkeit des Fahrschulinhabers heranzuziehen.

Die beiden zur Begründung der Vertrauensunwürdigkeit der Beschwerdeführerin herangezogenen Umstände erweisen sich - selbst bei einer Gesamtbetrachtung - als nicht tragfähig. Auf der Gegenschrift und weiteren vorgelegten Unterlagen entnehmbare Umstände war bei der Prüfung der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht einzugehen. Sie können allenfalls im fortgesetzten Entziehungsverfahren verwertet werden.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebührenersatz nur in der Höhe von S 420,-- (S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen, S 120,-- für die Vollmachtsurkunde und S 60,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden konnte.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991110031.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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