TE Vfgh Erkenntnis 1989/3/1 KR2/87

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Veröffentlicht am 01.03.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/08 Volksanwaltschaft, Rechnungshof

Norm

B-VG Art121 Abs1
B-VG Art126 a
B-VG Art126 b Abs2
VfGG §36 a Abs2

Leitsatz

"Meinungsverschiedenheit" zwischen Rechnungshof und Bundesregierung gegeben; Prüfungszuständigkeit bei Unternehmungen weiterer Stufen im Fall der Beteiligung mit mindestens 50 vH einer Unternehmung, die ihrerseits der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegt

Spruch

In Stattgebung des Antrages wird festgestellt, daß der Rechnungshof gemäß Art121 Abs1 B-VG iVm Art126 b Abs2 B-VG und §12 Abs1 RHG zuständig ist, die Gebarung der Österreichischen Investitionskredit AG in den Jahren 1978 bis 1986 zu überprüfen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Rechnungshof verständigte mit Schreiben vom 28. Juli 1987 den Vorstand der Österreichischen Investitionskredit AG (kurz "Investkredit") in Wien, daß er in der zweiten Augustwoche 1987 die Gebarung dieses Unternehmens in den Jahren 1978 bis 1986 überprüfen werde.

Der Vorstand teilte dem Rechnungshof mit Zuschrift vom 31. Juli 1987 unter Berufung auf ein Rechtsgutachten mit, daß die Investkredit dieser Überprüfung nicht unterliege und ihr daher nicht zustimme.

Dennoch unternahm der Rechnungshof am 11. August 1987 den Versuch, die Gebarung der Investkredit an Ort und Stelle zu überprüfen, doch verweigerte der Vorstand eine solche Maßnahme unter Hinweis auf die im Schreiben vom 31. Juli 1987 angeführten Gründe neuerlich; hierüber wurde eine Niederschrift aufgenommen.

Mit Schreiben vom 13. August 1987 eröffnete der Rechnungshof der Bundesregierung, daß der Vorstand der Investkredit die beabsichtigte Gebarungsüberprüfung am 11. August 1987 verweigert habe, daß aber ein weiterer (zweiter) Prüfungsversuch am 22. September 1987 an Ort und Stelle unternommen werde. Diese beabsichtigte weitere Prüfungsmaßnahme wurde der Investkredit mit Schreiben vom 13. August 1987 angekündigt.

Der Bundeskanzler gab dem Rechnungshof mit Note vom 8. September 1987 bekannt, daß die Bundesregierung in ihrer Sitzung vom selben Tag die Mitteilung, es sei beabsichtigt, am 22. September 1987 die Gebarung der Investkredit zu überprüfen, zur Kenntnis genommen habe.

Auch am 22. September 1987 verweigerte der Vorstand der Investkredit eine Überprüfung; hierüber kam es wieder zur Aufnahme einer Niederschrift.

1.2.1.1. Auf Grund dieses Sachverhaltes stellte der Rechnungshof am 20. Oktober 1987 zur hg. Z K 2/87 gemäß Art126 a B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die Zuständigkeit des Rechnungshofs zur Überprüfung der Gebarung der Österreichischen Investitionskredit AG gemäß Art126 b Abs2 B-VG iVm §12 Abs1 RHG feststellen; zugleich begehrte der Rechnungshof die Entscheidung, daß er auf Grund der angeführten gesetzlichen Bestimmungen zuständig sei, die "Gebarung der Investkredit in den Jahren 1978 bis 1986 an Ort und Stelle zu überprüfen".

1.2.1.2. Der Rechnungshof führte zur Begründung seines Antrags ua. wörtlich aus:

    " . . . Die Beteiligungsverhältnisse an der Investkredit sind

folgende:

    Investkredit Holding GesmbH, Wien               50,70 vH

    Bank- und Industrieunternehmen

    Holding GesmbH, Wien                            30,00 vH

    Österreichische Volksbanken AG, Wien             4,25 vH

    Zentralsparkasse und Kommerzialbank, Wien        4,00 vH

    Die Erste Österreichische Spar-Casse-Bank, Wien  4,00 vH

    Schoeller & Co. Bankaktiengesellschaft, Wien     2,49 vH

    Österreichische Kontrollbank AG, Wien            2,05 vH

    Streubesitz                                      2,51 vH

    -------------------------------------------------------

    Summe:                                         100,00 vH

Der Rechnungshof ist aufgrund nachstehender Beteiligungsverhältnisse der Ansicht, daß er sowohl für die als Anteilseigner der Investkredit angeführte Investkredit Holding GesmbH als auch für die Österreichische Kontrollbank AG prüfungszuständig ist.

Die Beteiligungsverhältnisse an der Investkredit Holding GesmbH sind folgende:

    Creditanstalt Bankverein (CA-BV), Wien          39,5 vH

    Österreichische Länderbank AG, Wien             35,5 vH

    Österreichische Postsparkasse, Wien             25,0 vH

         -------------------------------------------------------

    Summe:                                         100,0 vH

An der CA-BV und an der Länderbank war der Bund aufgrund §1 Abs1 des 1. Verstaatlichungsgesetzes, BGBl. 168/1946, bzw. aufgrund des Bundesgesetzes betreffend den Verkauf von Aktien verstaatlichter Banken, BGBl. 274/1956, in den Jahren 1978 bis 1986 mit je 60 vH beteiligt (siehe auch Amtsbehelf zum Bundesfinanzgesetz 1986, II. Teil, Beilage N, S 488). Die Zuständigkeit des Rechnungshofes zur Überprüfung der Gebarung der beiden angeführten Banken ist somit gegeben. Die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes hinsichtlich der Gebarung der Österreichischen Postsparkasse leitet er aus den Bestimmungen der §§1, 4 und 7 des Postsparkassengesetzes 1969, BGBl. 458, ab.

Die Beteiligungsverhältnisse an der Österreichischen Kontrollbank AG sind folgende:

    Österreichische Länderbank AG, Wien             25,0 vH

    'KB' Beteiligungs- und VerwaltungsgesmbH, Wien  39,0 vH

    ÖKB Holding GesmbH                              35,5 vH

    Kathrein & Co.                                   0,5 vH

    -------------------------------------------------------

    Summe:                                         100,0 vH

Die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes für die Länderbank wurde bereits dargetan.

Die Beteiligungsverhältnisse an der 'KB' Beteiligungs- und VerwaltungsgesmbH, Wien, sind folgende:

    CA-BV                                              75 vH

    'KB' Beteiligungs- und VerwaltungsgesmbH, Linz     25 vH

    --------------------------------------------------------

    Summe:                                       100 vH

    Die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes für die CA-BV

wurde bereits . . . dargelegt. Aufgrund dieser

Prüfungszuständigkeit und der . . . ausgewiesenen Beteiligung ist

der Rechnungshof auch für die 'KB' Beteiligungs- und VerwaltungsgesmbH, Wien, prüfungszuständig.

Die Beteiligungsverhältnisse an der ÖKB Holding GesmbH sind folgende:

    ÖCI-GZB Beteiligungs-GesmbH                        56 vH

    ÖKB-Vermögensverwaltungs- und BeteiligungsgesmbH   44 vH

    --------------------------------------------------------

    Summe:                                            100 vH

Die Beteiligungsverhältnisse an der ÖCI-GZB Beteiligungs-GesmbH sind folgende:

    Österreichisches Credit-Institut AG              70,4 vH

    Genossenschaftliche Zentralbank AG               29,6 vH

    --------------------------------------------------------

    Summe:                                          100,0 vH

    Das ÖCI steht zu 100 vH im Eigentum der Länderbank (siehe

diesbezüglich den Amtsbehelf zum Bundesfinanzgesetz 1986, II. Teil,

Beilage N, Seiten 488 und 491). Da der Rechnungshof, wie . . .

dargelegt wurde, für die Länderbank prüfungszuständig ist, ist er aufgrund der Eigentumsverhältnisse auch beim ÖCI prüfungszuständig.

Aufgrund der finanziellen Beteiligung des ÖCI an der ÖCI-GZB Beteiligungs-GesmbH im Ausmaß von 70,4 vH ist der Rechnungshof für die zweitgenannte Unternehmung und aufgrund deren Beteiligung an der ÖKB Holding GesmbH im Ausmaß von 56 vH auch für die letztgenannte Unternehmung prüfungszuständig.

Durch die oben dargelegte Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes an der Länderbank, der 'KB' Beteiligungs- und VerwaltungsgesmbH und der ÖKB Holding GesmbH ist der Rechnungshof auch für die Österreichische Kontrollbank AG prüfungszuständig.

    Im . . . Gutachten vom 17. Oktober 1981 vertritt

Honorarprofessor Dr. L hinsichtlich des Rechtsträgerbegriffes die

Ansicht, es handle sich im Fünften Hauptstück B-VG um den von

Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1954, S 142,

geprägten Begriff, demzufolge darunter jene juristischen Personen

öffentlichen Rechts zu verstehen sind, die berufen sind,

Verwaltungsorgane einzurichten, zu erhalten und anzuweisen.

Hinsichtlich des dritten Satzes des Art126 b Abs2 B-VG . . . führt

der Obgenannte aus, daß es sich hiebei nur um solche Unternehmungen

handeln könne, an denen die Unternehmungen mit qualifizierter

Bundesbeteiligung ihrerseits beteiligt sind. Die Tochter- oder

Enkelgesellschaft muß unter qualifizierter Beteiligung der

Muttergesellschaft stehen. Eine gemeinsame qualifizierte

Beteiligung einer Holding und des Bundes zusammen an einer

solchen Unternehmung würde nicht genügen, wenn

jede der beiden, also Holding und Bund, nur ein Minderheitenpaket

besitzen. In einem solchem Fall wäre nicht die Voraussetzung

'dieses Absatzes' hergestellt. Ebensowenig würden Unternehmungen

einer Holding erfaßt werden können, wenn an dieser letzteren

Holding Unternehmungen (mit qualifizierter Bundesbeteiligung, etwa

CA-BV, Länderbank oder Postsparkasse) jeweils für sich unter 50 vH,

zusammen aber zu 100 vH beteiligt sind, und zwar auch dann nicht,

wenn diese Holding ihrerseits mit mindestens 50 vH an dem

Unternehmen beteiligt wäre. . . Der Gutachter kommt letztendlich

zum Schluß, daß aus den angeführten Gründen die Voraussetzungen der

Prüfung der Gebarung der Investkredit durch den Rechnungshof nicht

vorliegen. . .

    Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, daß die

finanziellen Beteiligungsverhältnisse ab 1. Juli 1987 dergestalt

geändert wurden, daß der dem Bund gemäß dem letzten Satz des

Art126 b Abs2 B-VG zurechenbare Anteil weniger als 50 vH, und

zwar 48,97 vH, beträgt. Dies hat jedoch keinen Einfluß auf die

Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes für die Jahre 1978 bis

1986, weil . . . bis 30. Juni 1987 seine Zuständigkeit zur

Überprüfung der Gebarung der Investkredit jedenfalls aufgrund des Beteiligungstatbestandes gegeben war und die Tatsache des nach dem zu überprüfenden Zeitraum in Wegfall geratenen Beteiligungstatbestandes auf die für die Vergangenheit maßgebliche Prüfungszuständigkeit ohne Einfluß ist, zumal nicht einmal der - einen gegenüber der Änderung der Beteiligungsverhältnisse einschneidenderen gesellschaftsrechtlichen Vorgang bildende - Verlust der Rechtspersönlichkeit der zu überprüfenden Unternehmung in Ansehung der für die Vergangenheit in Anspruch genommenen Prüfungszuständigkeit von Belang ist (Erk. vom 7. Oktober 1985, K 2/82). . .

Der Rechnungshof vertritt die Meinung, daß sich seine Prüfungszuständigkeit bei der Investkredit hinsichtlich deren Gebarung in den Jahren 1978 bis 1986 auf Art126 b Abs2 B-VG iVm §12 Abs1 RHG 1948 gründet:

Die Investkredit als Aktiengesellschaft entspricht dem vom Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 3296/1957) geprägten Unternehmungsbegriff (siehe bspw. auch Hengstschläger, Der Rechnungshof, Berlin 1982, S 203 ff, oder Korinek, Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte, Wien 1981, S 132, FN 139).

Der Begriff Rechtsträger im Fünften Hauptstück B-VG ist nicht eng auszulegen, wie dies etwa Antoniolli (Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1954) oder Walter (Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Wien 1972) tun, sondern darunter sind Träger von Rechten und Pflichten im weiteren Sinn zu verstehen (siehe bspw. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Feber 1985, K 1/83-15; Hengstschläger, Der Rechnungshof, S 243 ff, und Hengstschläger, Rechtsfragen der Kontrolle kommunaler Unternehmungen, Schriftenreihe des Instituts für Kommunalwissenschaften und Umweltschutz Nr. 49, S 44, FN 109).

Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, daß bei einer Zuständigkeit des Rechnungshofes nach dem letzten Satz der Art126 b Abs2, Art127 Abs3 und Art127 a Abs3 B-VG Unternehmungen jeder weiteren Stufe vom Rechnungshof nur dann überprüft werden dürfen, wenn auch der Bund und/oder ein Land und/oder eine Gemeinde mit mindestens 20.000 Einwohnern allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals an dieser Unternehmung beteiligt ist (sind) oder sie beherrschen (bspw. Fadinger, Die Prüfung von Unternehmungen durch den Rechnungshof, ÖZW 1980/2, S 51/52).

Würde man dem obigen Gedankengang beitreten, so würde man ohne den letzten Satz der zitierten Bestimmungen auskommen. Überdies ergibt diese Auffassung keinen Sinn bzw. wäre der letzte Satz der angeführten Bestimmungen ohne normativen Gehalt (siehe bspw. Walter, Die Kompetenz des Rechnungshofes zur Prüfung von Tochterunternehmungen, in: Festschrift für Karl Wenger, Wien 1983, S 316/317). Der Rechnungshof vertritt aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes

('ohne sichtbaren Grund kann dem Gesetzgeber nicht zugemutet werden, daß er überflüssige Worte gebraucht' (VfSlg. 2546/1953) und 'bringt die Auslegung des bloßen Gesetzeswortlautes allein kein befriedigendes Ergebnis, so ist auch der Zweck der Regelung in Betracht zu ziehen, um zu ermitteln, welchen Inhalt ein im Gesetz aufscheinender Begriff hat' (VfSlg. 4440/1963))

die Auffassung, der letzte Satz der oben zitierten Verfassungsbestimmungen sei so zu verstehen, daß eine Tochterunternehmung dann der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegt, wenn die Mutterunternehmung allein oder gemeinsam mit anderen der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegenden Rechtsträgern zu mindestens 50 vH an ihr beteiligt ist oder sie beherrscht (siehe bspw. Korinek, Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte, S 133, oder Hengstschläger,

Der Rechnungshof, S 230/231). Diese Auffassung wird durch die Ausführungen unter Ziffer 4 und 5 des Berichtes des Verfassungsausschusses, 623 BlgNR XIV. GP, zur B-VG-Novelle 1977 untermauert, denen zufolge gerade solche Unternehmungen jeder weiteren Stufe der Kontrolle des Rechnungshofes unterworfen werden sollten.

    Aufgrund der Ausführungen . . . , in denen der Rechnungshof

darlegte, daß der dem Bund zurechenbare finanzielle Anteil an der Investkredit im Wege der

    Investkredit Holding GesmbH, Wien, von         50,70 vH

    Österreichische Kontrollbank AG, Wien, von      2,05 vH

    --------------------------------------------------------

    zusammen daher                             52,75 vH

beträgt, ist nach Ansicht des Rechnungshofes seine Zuständigkeit

gemäß Art126 b Abs2 B-VG iVm §12 Abs1 RHG 1948 gegeben. . ."

1.2.2.1. Die Bundesregierung gab eine schriftliche Äußerung ab; darin wurde begehrt, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, daß eine Prüfungskompetenz des Rechnungshofs für die Gebarung der Österreichischen Investitionskredit AG (in den Jahren 1978 bis 1986) gemäß Art126 b Abs2 B-VG iVm §12 Abs1 RHG nicht bestehe.

1.2.2.2. Im einzelnen wurde begründend dargelegt:

" . . . Der Rechnungshof vertritt . . . die Auffassung, daß der dem Bund zurechenbare finanzielle Anteil an der Österreichischen Investitionskredit AG (Investkredit) im Weg der Investkredit Holding GesmbH 50,70% und im Weg der Österreichischen Kontrollbank AG 2,05%, zusammen daher 52,75% betrage und sonach die Zuständigkeit des Rechnungshofes gemäß Art126 b Abs2 B-VG iVm §12 Abs1 RHG gegeben sei.

Der Rechnungshof kommt zu dieser Auffassung offenbar unter der Annahme, daß die Beteiligungen der Investkredit Holding GesmbH und der Österreichischen Kontrollbank AG an der Investkredit voll dem Bund zuzurechnen seien. . .

An der Investkredit besteht keine direkte Beteiligung des Bundes. Es besteht aber eine indirekte Beteiligung des Bundes, sodaß der Art126 b Abs2 letzter Satz B-VG anzuwenden ist.

Bei den 'Unternehmungen jeder weiteren Stufe' iS der zitierten Bestimmung liegen die 'Voraussetzungen gemäß diesem Absatz' dann vor, wenn die Beteiligung des Bundes allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mindestens 50% des Kapitals erreicht. Dabei geht die Bundesregierung davon aus, daß die Höhe der Kapitalbeteiligung eines (gemeint wohl: an einem) Tochterunternehmen(s) sich nach dem Anteil berechnet, den der Bund am Mutterunternehmen besitzt.

Auf die Investkredit angewandt bedeutet dies folgendes:

An der Investkredit besitzt die Investkredit Holding GesmbH einen Anteil von 50,70%.

Die Beteiligungsverhältnisse an der Investkredit Holding GesmbH sind nach Angaben im Antrag des Rechnungshofes folgende:

    Creditanstalt-Bankverein                  39,5%

    Österreichische Länderbank AG             35,5%

    Österreichische Postsparkasse             25,0%

Die Beteiligung des Bundes an der Creditanstalt-Bankverein und der Österreichischen Länderbank AG beträgt für den beabsichtigten Prüfungszeitraum je 60%. Hinsichtlich der Österreichischen Postsparkasse kann davon ausgegangen werden, daß diese vollständig im Eigentum des Bundes steht.

Ausgehend von diesen Beteiligungsverhältnissen ergibt sich, daß der Bund an der Investkredit Holding GesmbH wie folgt beteiligt ist:

Über die Creditanstalt-Bankverein mit 60% von 39,5%, das ist mit 23,7%, über die Österreichische Länderbank AG mit 60% von 35,5%, das ist 21,3%, und über die Österreichische Postsparkasse mit 100% von 25,0%, das ist mit 25%. Der Bund ist somit mittelbar zu 70% an der Investkredit Holding GesmbH beteiligt.

An der Investkredit ist die Investkredit Holding GesmbH zu 50,7% beteiligt. Die mittelbare Beteiligung des Bundes über die Investkredit Holding GesmbH an der Investkredit beträgt somit 70% von 50,7%, das sind 35,49%.

Es zeigt sich, daß der dem Bund zurechenbare finanziellle Anteil an der Investkredit über die Investkredit Holding GesmbH nicht 50,7%, sondern 35,49% beträgt, und somit nicht die Grenze von mindestens 50% erreicht.

Der Umfang der Bundesbeteiligung im Weg der Österreichischen Kontrollbank AG, die mit 2,05% an der Investkredit beteiligt ist, kann in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben, weil selbst wenn dieser volle Beteiligungsbetrag von 2,05% der Bundesbeteiligung über die Investkredit Holding GesmbH hinzugerechnet würde, eine Mindestbeteiligung von 50% nicht erreicht wäre.

Aus den dargelegten Gründen kommt die Bundesregierung zu der Rechtsauffassung, daß eine Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes iS des Art126 b Abs2 B-VG gegenüber der Investkredit nicht besteht. . . "

2. Über den Antrag des Rechnungshofs wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art126 a B-VG iVm §36 a Abs1 VerfGG 1953 ist der Verfassungsgerichtshof ua. berufen, bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechnungshof und der Bundesregierung über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, welche die Zuständigkeiten des Rechnungshofs regeln, auf Antrag des Rechnungshofs oder der Bundesregierung zu entscheiden.

2.1.2. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines derartigen Antrags des Rechnungshofs ist 1. eine endgültige ablehnende Stellungnahme der Bundesregierung oder 2. die mit Kenntnis der Bundesregierung geschehene Behinderung an dem Vollzug der strittigen Amtshandlung. Nach Ablauf des Tages, an dem eine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt ist, beginnt für den Rechnungshof gemäß §36 a Abs2 (letzter Halbsatz) VerfGG 1953 die vierwöchige Antragsfrist zu laufen.

2.1.3. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Beschlüssen VfSlg. 8851/1980, 9405/1982 und vom 12. Juni 1982, K 1/82, darlegte (s. auch VfSlg. 10.371/1985), kommt in einem Fall wie dem vorliegenden als Antragsvoraussetzung und Beginn des Fristenlaufs nur der Zeitpunkt der - mit Kenntnis der Bundesregierung stattgefundenen - Behinderung am Prüfungsvollzug in Betracht; denn eine Stellungnahme der Bundesregierung, welche die Rechnungshof-Prüfung ablehnt, erging hier nicht: Dessen ungeachtet ist aber die für die Entscheidungskompetenz des Verfassungsgerichtshofes unerläßliche "Meinungsverschiedenheit" (zwischen dem Rechnungshof und der Bundesregierung) iS des Art126 a B-VG iVm §36 a VerfGG 1953 - wie der Rechnungshof der Sache nach richtig dartut - unbeschadet des Fehlens dieser ablehnenden Stellungnahme der Regierung zu der vom Rechnungshof in Aussicht genommenen Prüfung gegeben, weil die nach dem bereits Gesagten feststehende Behinderung (der Prüfungsarbeit des Rechnungshofs) mit Kenntnis der Bundesregierung einer endgültigen ablehnenden Stellungnahme (der Regierung) letztlich gleichgehalten werden muß (s. VfSlg. 8851/1980, 9405/1982, 10.371/1985 und 10.609/1985):

Davon ausgehend, daß die Investkredit - nach der gegebenen Sachlage - eine Prüfung ausdrücklich verweigerte, ist zusammenfassend festzuhalten, daß der (zweite) Prüfungsversuch des Rechnungshofs vom 22. September 1987, und zwar mit voller Kenntnis der Bundesregierung (siehe Punkt 1.1.), iS des §36 a Abs2 (letzter Halbsatz) VerfGG 1953 "behindert" wurde.

2.1.4. Folglich ist der beim Verfassungsgerichtshof rechtzeitig gestellte Antrag, da auch alle sonstigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, in vollem Umfang zulässig.

2.2.1. Gemäß Art121 Abs1 B-VG ist der Rechnungshof zur Überprüfung der Gebarung a) des Bundes, b) der Länder, c) der Gemeindeverbände, d) der Gemeinden und e) "anderer durch Gesetz bestimmter Rechtsträger" berufen. Soweit es um die Gebarung des Bundes geht, bestimmt Art126 b Abs1 B-VG im einzelnen, daß "der Rechnungshof . . . die gesamte Staatswirtschaft des Bundes, ferner die Gebarung von Stiftungen, Fonds und Anstalten zu überprüfen (hat), die von Organen des Bundes oder von Personen (Personengemeinschaften) verwaltet werden, die hiezu von Organen des Bundes bestellt sind".

Art126 b Abs2 B-VG lautet:

"Der Rechnungshof überprüft weiter die Gebarung von Unternehmungen, an denen der Bund allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 v. H. des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die der Bund allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt. Einer solchen finanziellen Beteiligung ist die Beherrschung von Unternehmungen durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen gleichzuhalten. Die Zuständigkeit des Rechnungshofes erstreckt sich auch auf Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen die Voraussetzungen gemäß diesem Absatz vorliegen."

2.2.2. Nach Art126 b Abs2 Satz 1 B-VG also "überprüft (der Rechnungshof) . . . die Gebarung von Unternehmungen, an denen der Bund allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 v. H. des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die der Bund allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt". Dabei umfaßt der in Art121 Abs1 B-VG geprägte und sich in Art126 b Abs2 B-VG wiederfindende "Rechtsträger"-Begriff, wie der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis VfSlg. 10.371/1985 aussprach, vom Wortlaut und Sinngehalt der Norm (des Art121 Abs1 B-VG) her alle Träger von Rechten und Pflichten (vgl. Hengstschläger, Der Rechnungshof, 1982, S 238, S 243 ff; Ostheim, Gedanken zur Zulässigkeit erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand und zur Prüfungskompetenz des Rechnungshofes bei wirtschaftlichen Unternehmungen, in: Korinek (Hrsg.), Die Kontrolle wirtschaftlicher Unternehmungen durch den Rechnungshof, Wien 1986, S 97 ff). Art126 b Abs2 Satz 3 B-VG erstreckt nun die Kompetenz des Rechnungshofes auch auf "Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen die Voraussetzungen gemäß diesem Absatz", di. Art126 b Abs2 B-VG, "vorliegen". Mit dieser Vorschrift sollten gewisse Tochterunternehmungen oder solche weiterer Stufe in die Rechnungshofkontrolle einbezogen werden, dh. Unternehmungen, die eine bestimmte Beziehung zu einem derartiger Kontrolle unterliegenden Unternehmen haben (vgl. Walter, Die Kompetenz des Rechnungshofes zur Prüfung von Tochterunternehmungen, in: Korinek (Hrsg.), Beiträge zum Wirtschaftsrecht, Festschrift für Karl Wenger, Wien 1983, S 316). Keinesfalls lassen sich unter Unternehmungen "jeder weiteren Stufe" iS der Art126 b Abs2 Satz 3 B-VG Gebilde verstehen, die bereits nach anderen Vorschriften unter die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes fallen. Der Verfassungsgerichtshof tritt hier Walter, aaO, S 317, bei, der jene Voraussetzungen, deren es bedarf, um ein Unternehmen (weiterer Stufe) kontrollieren zu dürfen, schon in der mindestens 50 vH betragenden Beteiligung einer Unternehmung erblickt, die ihrerseits der Rechnungshofprüfung unterworfen ist. Dabei werden die Beteiligungen der öffentlichen Hand nicht durchgerechnet; vielmehr genügt es, wenn von Stufe zu Stufe die (von der Prüfungskompetenz des Rechnungshofes erfaßte) Gesellschaft allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern an der nachgeordneten Unternehmung mit zumindest 50 vH des Grund-, Stamm- oder Eigenkapitals beteiligt ist (s. Hengstschläger, Der Rechnungshof, S 229 ff; derselbe, Zuständigkeitsprobleme im Bereich der Rechnungshofkontrolle bei zyklisch vernetzten Unternehmungen, ZfV 1988, S 122 ff; derselbe,

Die Kontrolle des Rechnungshofes über öffentliche Unternehmungen, in: Korinek (Hrsg.), Die Kontrolle wirtschaftlicher Unternehmungen durch den Rechnungshof, Wien 1986, S 23; s. auch Beran, Die Kontrolle der österreichischen Bundesländer und Großgemeinden durch den Rechnungshof, ÖGZ 1978, S 92; Korinek, Kontrollprobleme, in:

Funk (Hrsg.), Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte, Wien 1981, S 133). So gesehen ist nach geltendem Recht - wie Hengstschläger (Der Rechnungshof, S 233) zutreffend herausstellt - die Unternehmenskette, auf die sich die Prüfungskompetenz des Rechnungshofes erstreckt, bei Subbeteiligungen unbegrenzt.

Die von der Bundesregierung verfochtene restriktive Verfassungsinterpretation findet in den Materialien zur maßgebenden B-VG-Novelle 1977, BGBl. 539/1977, keine zureichende Stütze: Danach diente die damalige Neufassung des Art126 b Abs2 B-VG vornehmlich dem Ziel, die Ausschaltung der Rechnungshofkontrolle mit Hilfe entsprechender Beteiligungskonstruktionen möglichst hintanzuhalten. Folgerichtig wird denn auch im Bericht des Verfassungsausschusses hervorgehoben, daß es (nach der neuen Rechtslage) auf den "nominellen" Geschäftsanteil ankommen solle (623 BlgNR XIV. GP, S 2), womit ein "Durchrechnungsgebot", wie es die Bundesregierung vor Augen zu haben scheint, offensichtlich unvereinbar ist. Demgemäß spricht gegen das von dieser Regierung gesehene Durchrechnungssystem nicht zuletzt auch die Teleologie der geltenden Regelung, nämlich jene Unternehmen in die Rechnungshofkontrolle einzubinden, bei denen die öffentliche Hand - angesichts ihrer Kapitalbeteiligung - eine rechtlich grundgelegte Möglichkeit zur Einflußnahme überhaupt hat.

Die denkbare Rechtsauffassung, der 3. Satz des Art126 b Abs2 B-VG treffe auf (Tochter-, Enkel-)Unternehmen nur dann zu, wenn der Bund an der Muttergesellschaft und dieses Unternehmen wieder an den Unternehmungen weiterer Stufe qualifiziert beteiligt sei, muß nach Meinung des Verfassungsgerichtshofs am Verfassungswortlaut scheitern: Denn Art126 b Abs2 Satz 1 B-VG, an den der 3. Satz des Abs2 dieses Verfassungsartikels (mit-)anknüpft, gedenkt nicht bloß jener Unternehmungen, an denen der Bund allein mit mindestens 50 vH beteiligt ist; er erstreckt sich vielmehr expressis verbis auch auf eine Fallkonstellation, in welcher der Bund diese Beteiligungsvoraussetzung (mindestens 50 vH) gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern erfüllt.

Daraus folgt aber, daß der Rechnungshof die Befugnis zur Prüfung der Investkredit - ein Unternehmen, an dem von der Kompetenz des Rechnungshofes umfaßte Rechtsträger mit mehr als 50 vH beteiligt sind - aus den von ihm dargelegten Überlegungen zu Recht in Anspruch nahm.

2.3. Aus diesen Gründen mußte spruchgemäß entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Rechnungshofzuständigkeit, Rechnungshof / Bund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:KR2.1987

Dokumentnummer

JFT_10109699_87KR0002_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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