TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/30 92/04/0277

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Veröffentlicht am 30.03.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §13 Abs4;
AVG §63 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 23. Oktober 1992, Zl. UVS-04/22/194/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien

- Magistratisches Bezirksamt für den n./m. Bezirk - vom 3. März 1992, gerichtet an den Beschwerdeführer "pA: P" - wurde dieser wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben am 29.10.1991 in W Ihre mit den Bescheiden vom 14.6.1985, MBA 1/8 - Ba 63959/1/84, und vom 13.7.1987, MBA 1/8 - Ba 63959/1/87, genehmigte Betriebsanlage "P" insoferne nach einer Änderung ohne die für diese erforderliche Genehmigung betrieben, als in dieser Betriebsanlage

1.

ein Mehlsilo mit einem Inhalt von 3 Tonnen und zwei Heißluftgeräte aufgestellt waren,

2.

zwei Fenster für den Gassenverkauf adaptiert waren."

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 i.V.m. den vorbezeichneten Genehmigungsbescheiden begangen und es wurde hiefür über ihn gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1973 eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) verhängt.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 1992 sprach der Unabhängige Verwaltungssenat Wien über die "von der P gegen das an Herrn A gerichtete" vorbezeichnete Straferkenntnis erhobene Berufung dahin ab, daß diese gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 13 Abs. 3 leg. cit. als unzulässig zurückgewiesen werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, gegen das vorbezeichnete Straferkenntnis sei von der "P, Inh. A, W, R-Straße 4," Berufung erhoben worden. Die Eingabe sei in "Wir-Form" abgefaßt, mit Firmenstempel "P, W, R-Straße 4, Tel. xxx, F 21, Tel. yyy, Inh. A", versehen und mit unleserlicher Unterschrift unterfertigt. Gemäß § 10 Abs. 1 AVG könnten sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert werde, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen hätten. Eine Eingabe, die von einer nicht eigenberechtigten Person als Vertreter eingebracht werde, sei nicht dieser Person, welche nicht vertretungslegitimiert sei, zuzurechnen, sondern vielmehr dem Machtgeber selbst, der als Einschreiter anzusehen sei. Die vorliegende Berufung sei als nicht unterschrieben anzusehen gewesen, da sie weder die Unterschrift des Machtgebers noch die einer zur Vertretung legitimierten Person trage. Da die gegenständliche Eingabe in "Wir-Form" abgefaßt sowie mit Firmenstempel und unleserlicher Unterschrift versehen sei und überdies im gegenständlichen Akt Eingaben mit unterschiedlichen Unterschriften, jeweils unter Hinweis auf den Namen des Beschwerdeführers aufschienen, sei der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 4. September 1992, zugestellt am 8. September 1992, gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert worden, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens die in Kopie beigeschlossene gegenständliche Eingabe eigenhändig zu unterfertigen und an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zurückzusenden, widrigenfalls die Berufung jedenfalls im Sinne der zitierten Bestimmung zurückgewiesen werden würde. Da der Beschwerdeführer der an ihn gemäß § 13 Abs. 3 AVG ergangenen Aufforderung nicht nachgekommen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Fällung einer meritorischen Entscheidung über die von ihm gegen das erstbehördliche Straferkenntnis eingebrachte Berufung verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, im Berufungsverfahren habe die belangte Behörde ihn mit Schreiben vom 4. September 1992, zugestellt am 8. September 1992, gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung die Berufung eigenhändig zu unterfertigen und an die belangte Behörde zurückzusenden, widrigenfalls die Berufung jedenfalls im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen würde. Den Behebungsauftrag habe die belangte Behörde damit begründet, daß die gegenständliche Eingabe in "Wir-Form" abgefaßt sowie mit Firmenstempel und unleserlicher Unterschrift versehen sei. Die Berufung wäre daher als nicht unterschrieben anzusehen, weil sie weder die Unterschrift des Machtgebers noch die einer zu seiner Vertretung legitimierten Person trage. Der Beschwerdeführer sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Unter dem Gesichtspunkt einer der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid unterlaufenen Aktenwidrigkeit wird zunächst vorgebracht, wenn die belangte Behörde ausführe, daß die Berufung in "Wir-Form" abgefaßt sei, so sei darauf hinzuweisen, daß die - als Einspruch bezeichnete - Berufung mit dem Satz beginne: "Ich erhebe Einspruch gegen oben genannte Strafverfügung mit folgender Begründung." Die Berufungserklärung sei daher sehr wohl in "Ich-Form" abgefaßt. Wenn die belangte Behörde weiters davon ausgehe, daß die Berufung als nicht unterschrieben anzusehen sei, so sei dem entgegenzuhalten, daß nicht einmal die protokollierte Firma eines Einzelkaufmannes ein eigenes Rechtssubjekt neben dem Kaufmann bezeichne. Dies gelte umsomehr für eine bloße Etablissementbezeichnung. Es sei daher rechtlich unzutreffend, daß die Berufung dem Beschwerdeführer nicht zugerechnet werden könne. Weiters führe die belangte Behörde in ihrer Begründung aus, daß die Berufung mit einer unleserlichen Unterschrift unterfertigt worden sei, und habe die Berufung offenbar aus diesem Grund als nicht unterschrieben angesehen. Nach ständiger Judikatur sei jedoch nicht zu verlangen, daß die Unterschrift lesbar sei. Es müsse lediglich ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug sein, der die entsprechenden charakteristischen Merkmale aufweise und sich als Unterschrift seines Namens darstelle. Die belangte Behörde sei daher zu Unrecht davon ausgegangen, daß ein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG vorliege. Ein Behebungsauftrag sei daher unzulässig gewesen, und es sei der angefochtene Bescheid daher auch aus diesem Grund rechtswidrig. Darüber hinaus wäre § 13 Abs. 3 AVG nicht einmal dann anwendbar, wenn die belangte Behörde tatsächlich Bedenken gegen die Zeichnungsbefugnis oder Echtheit der Unterschrift des Unterfertigenden gehabt haben sollte. Die Behörde hätte derartige Zweifel über die Zurechnung dieser Prozeßhandlung nicht im Wege eines Auftrages zur Behebung von Formgebrechen gemäß § 13 Abs. 3 AVG auszuräumen gehabt, sondern hätte sich im Sinne des § 37 AVG darüber Klarheit verschaffen müssen, wer Rechtsmittelwerber sei. Bei der Aufklärung von Zweifeln über die Identität des Rechtsmittelwerbers handle es sich nämlich nicht um die Nachholung einer befristeten Prozeßhandlung, sondern um die Klärung des Inhaltes einer zwar rechtzeitigen, aber undeutlichen Prozeßhandlung. Da die Voraussetzungen für die Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG nicht vorlägen, könnten bei Nichtbefolgung des "Behebungsauftrages" die Rechtsfolgen dieser Bestimmung nicht eintreten. Eine Berufung dürfe nur dann zurückgewiesen werden, wenn sich der Entscheidung in der Sache selbst formelle Hindernisse entgegenstellten. Die belangte Behörde hätte daher nach § 66 Abs. 4 AVG eine meritorische Entscheidung fällen müssen.

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu:

Nach der Anordnung des § 13 Abs. 3 AVG (§ 24 VStG) ermächtigen Formgebrechen schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen mit der Wirkung aufzutragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Nach Abs. 4 kann die Behörde, sofern ein schriftliches Anbringen keine eigenhändige und urschriftliche Unterschrift aufweist, wenn sie Zweifel darüber hat, ob das Anbringen von der darin genannten Person stammt, eine Bestätigung durch ein schriftliches Anbringen mit eigenhändiger und urschriftlicher Unterschrift auftragen, und zwar mit der Wirkung, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist nicht mehr behandelt wird.

Ausgehend von den angeführten Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid vermag der Verwaltungsgerichtshof einen Sachverhaltbezug zu den von der belangten Behörde sowohl im Spruch als auch in der Begründung herangezogenen Tatbestandsmerkmalen des § 13 Abs. 3 AVG nicht zu erkennen, ebensowenig wie auch zu denen des - von der belangten Behörde offensichtlich gar nicht in Betracht gezogenen - Abs. 4 dieses Paragraphen. Nach der behördlichen Annahme - wie dies im übrigen auch durch die Aktenlage gedeckt ist - ist der in Rede stehende Berufungsschriftsatz vom 20. März 1992 mit einer handschriftlichen Unterfertigung versehen. Die "Unleserlichkeit" einer Unterschrift auf einem Berufungsschriftsatz ermächtigt aber im Sinne der vordargestellten gesetzlichen Tatbestandsmerkmale die Behörde nicht zu einer Vorgangsweise im Sinne des § 13 Abs. 3 bzw. 4 AVG, sondern betrifft die Frage der Zurechnung einer Berufung im Sinne der Darlegungen im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. N. F. Nr. 11.625/A.

Da die belangte Behörde - die, wie bereits ausgeführt, den Abspruch ausschließlich auf § 13 Abs. 3 AVG stützte, wie dies inhaltlich insbesondere auch aus dem letzten Satz der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist - dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den unter "Barauslagen" angesprochenen Betrag, da solche im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nicht entstanden sind.

Schlagworte

Formgebrechen behebbare Unterschrift

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992040277.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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