TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/15 91/16/0079

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Veröffentlicht am 15.04.1993
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Index

20/05 Wohnrecht Mietrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

GrEStG 1955 §4 Abs1 Z3 litb idF 1985/557;
GrEStG 1955 §4 Abs2 idF 1985/557;
WEG 1975 §2 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde X-reg.Gen.m.b.H. in X, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 8. Mai 1991, Zl. 60.234-6/91, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine gemeinnützige Bauträgerin, ist Veräußerin einer Wohnungseigentumsanlage in X, Y-Gasse. Mit 20 Wohnungseigentumsbewerbern schloß sie im Jahr 1980 schriftliche Vereinbarungen, die sich auf konkrete, planlich dargestellte und flächenmäßig bestimmte Wohnungseinheiten bezogen und einen Kaufpreis enthalten haben. Die zeitlich letzte Unterschrift datiert mit 15. Dezember 1980. In den aufgrund dieser Vereinbarungen erstatteten Abgabenerklärungen wurde die Grunderwerbsteuerbefreiung beantragt wegen "§ 4 Abs. 1 lit. 2a + b + lit. 3a GrEwStG." Unbestritten ist, daß die letzte Wohnungseigentumseinheit am 18. November 1983 fertiggestellt wurde und daß der von Wohnungseigentümern unterschriebene Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 28. Dezember 1988 stammt. Mit den Abgabenerklärungen vom 21. März 1989 wurde die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß "§ 4 Abs. 1 Zl. 3b GrEStG" geltend gemacht.

Hinsichtlich jener 20 Wohnungseigentumsbewerber, deren Kaufvereinbarungen bis zum 15. Dezember 1980 abgeschlossen worden waren, setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Innsbruck am 9. November 1990 in 20 Bescheiden, gerichtet an die Beschwerdeführerin, die Grunderwerbsteuer fest. In der Begründung wurde ausgeführt, daß die einzelnen Wohneinheiten "großteils bereits im Jahr 1980 mittels noch nicht grundbuchfähiger "Vereinbarungen" veräußert" worden seien. Durch die Begründung von Wohnungseigentum mit Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 28. Dezember 1988 sei die Achtjahresfrist des § 4 Abs. 2 Grunderwerbsteuergesetz 1955 überschritten worden.

Die gegen diese 20 Bescheide erhobene, in der Folge ergänzte Berufung wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidungen, vom 27. Februar 1991 als unbegründet ab.

Nach dem Vorlageantrag wies die belangte Behörde die Berufungen (richtig: die Berufung) gegen die 20 Grunderwerbsteuerbescheide vom 9. November 1990 als unbegründet ab. Der Zeitraum von acht Jahren beginne in dem Zeitpunkt, in dem der Erwerbsvorgang verwirklicht wurde, d.h. mit dem Abschluß des Rechtsgeschäftes, mit dem der Übereignungsanspruch begründet wurde. Die Auffassung des Berufungswerbers, die Acht-Jahresfrist beginne erst im Zeitpunkt der Baufertigstellung, finde weder im Gesetzeswortlaut noch in der Rechtsprechung Deckung. Bei einem nach § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG begünstigten Erwerbsvorgang müsse neben der Schaffung des Wohnhauses auch Wohnungseigentum fristgerecht begründet werden. Unerheblich sei es, aus welchen Gründen die Frist nicht eingehalten werden konnte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde beantragte in ihrer Gegenschrift die

kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß zwar die Berufungsergänzung vom 5. Februar 1991 und der Vorlageantrag vom 11. März 1991 im Rubrum den Beisatz enthält: "in Vertretung der belangten Wohnungseigentümer". Hingegen enthalten weder die Berufung noch die Beschwerde einen derartigen Zusatz; die Beschwerdeführerin war auch stets Bescheidadressatin. Der genannte Zusatz kann daher, zumal keine Vollmacht gemäß § 83 Abs. 1 BAO vorgelegt wurde, nur als Erklärung dahingehend verstanden werden, daß die (wirtschaftlichen) Interessen der Wohnungseigentümer "vertreten" werden.

Gemäß § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987 sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden. Die durch das Abgabenänderungsgesetz 1985, BGBl. Nr. 557/1985, geänderte Fassung des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG 1955 ist nach dessen Art. II Z. 1 des Abschnittes VIII auf alle Vorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1979 verwirklicht wurden. Es kommt sohin das GrEStG 1955 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1985 (im folgenden: GrEStG) zur Anwendung.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG ist von der Besteuerung beim Wohnungseigentum der erste Erwerb eines Anteiles eines Grundstückes, auf dem eine in lit. a genannte Vereinigung oder gemeinnütziger Bauträger ein Wohnhaus geschaffen oder zu schaffen hat, durch eine Person, die den Grundstücksanteil zur Begründung von Wohnungseigentum erwirbt, ausgenommen.

Gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG unterliegt u.a. der im § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b bezeichnete Erwerbsvorgang mit dem Ablauf von acht Jahren der Steuer, wenn das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb dieses Zeitraumes zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist. Nach dem dritten Satz dieser Bestimmung unterliegen die im Abs. 1 Z. 1 bis 4 und Z. 7 bezeichneten Erwerbsvorgänge der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wird.

Die Beschwerdeführerin räumt ein, daß die Acht-Jahresfrist in der Regel mit dem rechtswirksamen Abschluß des den Übereignungsanspruch begründenden Rechtsgeschäftes beginnt. Die Beschwerdeführerin gibt auch richtig die im Erkenntnis vom 15. Dezember 1983, Slg. 5.845/F, vertretene Auffassung wieder, wonach zur Begründung eines Übereignungsanspruches die zwischen den Vertragsparteien erzielte Willensübereinstimmung, einen bestimmten oder doch durch behördliche Entscheidung objektiv bestimmbaren Anteil an einer Liegenschaft, die wenigstens durch ihre Adresse bezeichnet wird, um einen betragsmäßig festgesetzten Kaufpreis zu erwerben, genüge. Sie räumt auch ein, daß jene Vereinbarungen, die die Beschwerdeführerin mit den Wohnungseigentumswerbern ab 1980 geschlossen habe, einen Übereignungsanspruch begründeten. Soweit sie allerdings auf Abschlußdaten bis November 1986 (Seite 11 der Beschwerde) bzw. sogar bis November 1988 (Seite 13 der Beschwerde) verweist, entfernt sie sich von dem von der Behörde hinsichtlich der 20 Wohnungseigentumsbewerber, für deren Rechtsvorgänge Grunderwerbsteuer vorgeschrieben wurde, festgestellten Sachverhalt. Sie bezieht offenbar die Abschlußdaten mit den

(17) später aufgetretenen Wohnungseigentumsbewerbern mit ein.

Schon der Wortlaut des § 4 Abs. 2 erster Satz GrEStG, ERWERBSVORGÄNGE unterlägen mit dem Ablauf von acht Jahren der Steuer, schließt es aus, den Fristbeginn mit der Bauvollendung eintreten zu lassen. Gerade weil der Gesetzgeber des Abgabenänderungsgesetzes 1985 trotz Ausweitung der hier gegenständlichen Ausnahmebestimmung auf "zu schaffende" Wohnhäuser die Acht-Jahresfrist unverändert ließ, hat er deutlich zum Ausdruck gebracht, daß nach wie vor der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren ab dem Erwerbsvorgang erfüllt werden muß.

Die tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG ist eine zweifache: Der Erwerb des Grundstücksanteiles muß zur Schaffung des Wohnhauses und zur Begründung von Wohnungseigentum dienen (Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, Stand nach dem

15. Nachtrag Juli 1987, Tz 106b zu § 4). Die Beschwerdeführerin wehrt sich nun dagegen, daß erst der Abschluß des Wohnungseigentumsvertrages, den sie als bloßen Formalakt ansieht, den Befreiungstatbestand erfülle. Dabei verkennt sie aber, daß das Gesetz "die Begründung von Wohnungseigentum" ausdrücklich vorsieht; keiner der von der Beschwerdeführerin genannten Sachverhalte (Bezug der errichteten Wohneinheiten, Aufbringung der Grundkosten, Herstellung des Nutzwertschlüssels, Konstituierung einer "Wohnungseigentumsversammlung") vermag den Tatbestand zu erfüllen, weil gemäß § 2 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz 1975 das Wohnungseigentum nur durch schriftliche Vereinbarung aller Miteigentümer neu eingeräumt werden kann. Die belangte Behörde hat daher zu Recht (siehe die bei Czurda a.a.O. Rz. 106d wiedergegebene hg. Judikatur) allein den Abschluß des Wohnungseigentumsvertrages als Tatbestandserfüllung, im vorliegenden Fall aber verspätet, angesehen.

Nur am Rande sei erwähnt, daß der im Verwaltungsakt erliegende Wohnungseigentumsvertrag nicht die Unterschrift von ALLEN Wohnungseigentümern trägt.

Keines der unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemachten Beweismittel wäre geeignet gewesen, im Hinblick auf die Überschreitung der Frist zwischen Erwerbsvorgang und Wohnungseigentumsvertrag ein anderes Ergebnis herbeizuführen. Die vorliegende Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991160079.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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