TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/16 93/01/0509

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Veröffentlicht am 16.03.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

ARHG §12;
StbG 1985 §10 Abs1 Z8;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 20. April 1993, Zl. MA 61/IV - H 129/92, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Wiener Landesregierung das Ansuchen des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "ehemaligen SFRJ", vom 3. Juni 1992 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestützt auf § 10 Abs. 1 Z. 8 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (im folgenden: StbG), abgewiesen. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß gegen den Beschwerdeführer seit März 1992 ein Verfahren wegen Auslieferung zur Strafverfolgung wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung (in der Höhe von ca. 7,464 Mio. DM) und Urkundenfälschung an die Bundesrepublik Deutschland anhängig sei. Der in Österreich gegen den Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vom Landesgericht für Strafsachen Wien erlassene Haftbefehl vom 4. Juni 1992 sei gegen Leistung eines Gelöbnisses und Erlag einer Kaution in Höhe von S 1 Million aufgehoben worden (Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. Oktober 1992) . Das Bayrische Staatsministerium der Justiz habe mitgeteilt, daß eine Rücknahme des Auslieferungsbegehrens nicht beabsichtigt sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 8 StbG könne einem Fremden die Staatsbürgerschaft nur dann verliehen werden, wenn er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen stehe, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik Österreich schädigen würde. Unter Beziehung im Sinne dieser Bestimmung seien auch Verbindungen des Beschwerdeführers mit einem anderen Staat zu verstehen, welche dadurch zustandegekommen seien, daß der Bewerber Handlungen oder Unterlassungen gegen diesen Staat gesetzt habe und unter Bedachtnahme darauf eine Einbürgerung entweder das Interesse der Republik Österreich - gesehen an der Aufrechterhaltung guter nachbarschaftlicher Beziehungen - schädigen oder das Ansehen der Republik durch eine nicht auszuschließende Kritik an Österreich in der Öffentlichkeit negativ beeinträchtigen würde. Die belangte Behörde treffe mit ihrer Entscheidung keine Schuldzuweisung und keine Verurteilung wegen der Tatverdächtigung im Rahmen des Auslieferungsverfahrens. Die abweisende Entscheidung liege darin begründet, daß eine Einbürgerung von Fremden, gegen die ein Auslieferungsverfahren im benachbarten Ausland anhängig sei, das Ansehen und die Interessen der Republik Österreich schädigen könnte und somit § 10 Abs. 1 Z. 8 StbG nicht erfüllt sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich im "Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlich normierten Tatbestandselemente eine Versagung nach § 10 StbG zu erhalten", im Recht, daß der maßgebende Sachverhalt festgestellt wird und in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefaßt werden (§ 60 AVG), verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

§ 10 Abs. 1 Z. 8 StbG sieht vor, daß die Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden kann, wenn "er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigen würde."

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß er aufgrund des von der Bundesrepublik Deutschland angestrengten Auslieferungsverfahrens mit diesem Staat in einer Beziehung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 8 leg. cit. stehe. Es könne sich bei dem Begriff "Beziehung" nur um vom Beschwerdeführer selbst angebahnte Tätigkeiten handeln, aufgrund derer er in unmittelbare Beziehung zu einem fremden Staat trete. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung hat die belangte Behörde zutreffend aus dem Umstand, daß ein fremder Staat wegen bestimmter Handlungen oder Unterlassungen des Beschwerdeführers in diesem Staat ein Auslieferungsverfahren angestrengt hat, das Vorliegen einer Beziehung zu diesem fremden Staat im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 8 leg. cit. abgeleitet. Unter dem Begriff der "Beziehung zu einem fremden Staat" ist jede gegen einen anderen Staat gerichtete Handlung oder Unterlassung anzusehen, aufgrund der der Bewerber mit diesem anderen Staat in Kontakt getreten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/01/0082, und Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, 1990, Band II, 189). Die Annahme der belangten Behörde, daß aufgrund der im Zusammenhang mit dem Auslieferungsverfahren stehenden Handlungen des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland eine Beziehung des Beschwerdeführers zu diesem Staat bestehe, enthält im übrigen keinerlei Abspruch über den von den deutschen Behörden erhobenen Verdacht strafbarer Handlungen.

Der Beschwerdeführer ist weiters auch nicht im Recht, wenn er meint, daß ein anhängiges Auslieferungsverfahren nicht die Interessen oder das Ansehen der Republik Österreich schädigen könnte. Die belangte Behörde war der Auffassung, daß das Interesse der Republik Österreich - gesehen an der Aufrechterhaltung guter nachbarschaftlicher Beziehungen - geschädigt oder das Ansehen der Republik durch eine nicht auszuschließende Kritik an Österreich in der Öffentlichkeit negativ beeinträchtigen könnte. Der belangten Behörde kann, indem sie bei der vorliegenden Sachlage die Verleihung der Staatsbürgerschaft als geeignet ansah, die Interessen und das Ansehen der Republik zu schädigen, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, weil einerseits mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft der Verhinderung einer Strafverfolgung Vorschub geleistet werden kann (vgl. § 12 Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, BGBl. Nr. 529/1979) und andererseits das Verhalten dem zur Last gelegte Beschwerdeführer allzusehr bagatellisiert würde, sodaß der Eindruck entstehen könnte, die Republik lege der Beachtung der Steuergesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland keinen besonderen Wert bei (vgl. dazu insbesondere das zitierte hg. Erkenntnis). Eine solche Schädigung der Interessen der Republik Österreich aus den genannten Gründen kann nicht erst dann angenommen werden, wenn sich der Verdacht einer strafbaren Handlung im Ausland als zu Recht bestehend erwiesen hat. Es kommt dabei auch nicht darauf an, daß - wie dies in dem dem zitierten Erkenntnis zugrundeliegenden Fall gegeben war - gegen den Bewerber um Verleihung einer österreichischen Staatsbürgerschaft in dem fremden Staat bereits Anklage erhoben wurde.

Aufgrund der dargestellten Rechtslage ist auch kein im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlicher Verfahrensmangel zu erkennen.

Wenn der Beschwerdeführer weiters ins Treffen führt, daß die Bundespolizeidirektion Wien gegen die Verleihung der Staatsbürgerschaft keinerlei Bedenken gehabt habe, so ist klarzustellen, daß die Bundespolizeidirektion Wien eine solche Aussage am 8. September 1992 aufgrund ihrer Evidenzen getroffen hat. In der Folge (am 9. Oktober 1992) wurden von der Bundespolizeidirektion Wien aber Bedenken erhoben, da ein Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer wegen Verdachtes des schweren Betruges (§ 147 StGB) bestünde, dem ein Auslieferungsantrag des Bayrischen Staatsministeriums der Justiz aufgrund eines Haftbefehles des Amtsgerichtes Nürnberg vom 22. August 1991 zugrundeläge.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993010509.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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