TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/29 94/03/0118

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Veröffentlicht am 29.09.1994
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

BetriebsO 1986 §32 Abs1 Z3;
BetriebsO 1994 §13 Abs1;
BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3;
GelVerkG §10;
KFG 1967 §66;
StGB §80;
StGB §83 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. März 1994, Zl. MA 63 - B 16/94, betreffend Zurücknahme des Taxilenkerausweises, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund des Beschwerdevorbringens im Zusammenhalt mit der vom Beschwerdeführer vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. März 1994 wurde der Taxilenkerausweis des Beschwerdeführers gemäß § 13 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 Z. 3 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr, BGBl. Nr. 951/1993 (BO 1994), auf die Dauer von 18 Monaten zurückgenommen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei bereits neunmal gerichtlich verurteilt worden. Zuletzt sei er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. Februar 1991, Zl. 77c Vr n1/91, Hv n2/91, des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt worden, weil er am 21. Dezember 1990 in Wien als Lenker eines Taxis wegen überhöhter Fahrgeschwindigkeit den Kreuzungsbereich Linke Wienzeile - Joanelligasse nicht ausreichend beobachtet und seinen Bremsentschluß zu spät gefaßt habe, sodaß er eine die Straße überquerende Fußgängerin mit dem Pkw erfaßt, aufgeschaufelt und wieder abgeschleudert habe und dadurch deren Tod herbeiführt habe. Dieser strafgerichtlichen Verurteilung liege weder geringer Unrechtsgehalt noch geringes Verschulden zugrunde. Weiters sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 5. Dezember 1989, Zl. 9Unn1/89, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt worden, weil er einer Person durch einen Faustschlag gegen die Nase vorsätzlich eine Körperverletzung mit einer Berufsunfähigkeit von mehr als drei aber nicht mehr als vierzehn-tägiger Dauer zugefügt habe. Aufgrund des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers gelange die belangte Behörde zur Auffassung, daß er das Kriterium der Vertrauenswürdigkeit nicht mehr erfülle. Die Zurücknahmedauer sei aufgrund der Schwere der letzten strafgerichtlichen Verurteilung, insbesondere wegen der überhöhten Fahrgeschwindigkeit und des ursächlichen Zusammenhanges mit der fahrlässigen Tötung der Fußgängerin angemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch die Zurücknahme des Taxilenkerausweises in seinen Rechten verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 1 BO 1994 ist der Taxilenkerausweis von Amts wegen für einen der Schwere des Einzelfalles angemessenen ... Zeitraum zurückzunehmen, wenn eine der in § 6 bezeichneten Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist.

§ 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 nennt als eine dieser Voraussetzungen die Vertrauenswürdigkeit.

Die BO 1994 enthält keine nähere Begriffsbestimmung der Vertrauenswürdigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 32 Abs. 1 Z. 3 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr - BO 1986, BGBl. Nr. 163/1986, welcher wörtlich der Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 entspricht, ist unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauches davon auszugehen, daß dem Begriff der Vertrauenswürdigkeit inhaltlich die Bedeutung von "Sich verlassen können" zukommt. Durch das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit soll das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften bei den im Fahrdienst verwendeten Personen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit gewährleistet werden. Die Frage, ob eine Person vertrauenswürdig ist, ist aufgrund eines im Ermittlungsverfahren festzustellenden Gesamtverhaltens des Taxilenkers zu beurteilen. Entscheidend ist, ob das bisherige Verhalten auf ein Persönlichkeitsbild schließen läßt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf § 10 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes, BGBl. Nr. 85/1952, obliegt. Liegen gegen einen Ausweisinhaber strafgerichtliche Verurteilungen vor, so kommt es für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit darauf an, auf welche charakterlichen Eigenschaften diese Verurteilungen schließen lassen (vgl. hg. Erkenntnisse vom 17. Mai 1989, Zl. 89/03/0086, und vom 3. November 1986, Zl. 86/15/0081).

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bringt der Beschwerdeführer vor, er habe die fahrlässige Tötung dadurch verursacht, daß er im Ortsgebiet mit einer Geschwindigkeit von 64 km pro Stunde (anstatt der erlaubten 50 km pro Stunde) gefahren sei. Eine derartige Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer breit ausgebauten Hauptdurchzugs- und Vorrangstraße sei aber dem Beschwerdeführer nicht als grobes Verschulden anzulasten, zumal er im Kolonnenverkehr mit der Geschwindigkeit aller anderen Fahrzeuge gefahren sei und die Fußgängerin plötzlich die Fahrbahn überquert habe. Die belangte Behörde hätte auch berücksichtigen müssen, daß sich der Beschwerdeführer im Strafverfahren einsichtig und reumütig gezeigt habe. Auch hätte die belangte Behörde darauf Bedacht nehmen müssen, daß seit dem der Verurteilung zugrundeliegenden Vorfall (im Dezember 1990) bis zu Erlassung des angefochtenen Bescheides ein Zeitraum von dreieinhalb Jahren vergangen sei, in dem sich der Beschwerdeführer wohl verhalten habe. Auch die Anführung des noch länger zurückliegenden Fehlverhaltens betreffend die vorsätzliche Körperverletzung könne die aktuelle Zuverlässigkeit des Beschwerdeführers nicht in Frage stellen. Zumindest wäre aber die Zurücknahme des Taxilenkerausweises nur für einen wesentlich kürzeren Zeitraum auszusprechen gewesen. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergebe sich im übrigen auch aus der analog anzuwendenden Bestimmung des § 66 Abs. 3 lit. a KFG 1967, wonach für die Beurteilung der Verkehrsunzuverlässigkeit strafbare Handlungen dann nicht herangezogen werden könnten, wenn seit der Vollstreckung der zuletzt verhängten Strafe mehr als ein Jahr vergangen sei und nach der Vollstreckung auch nicht gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Vorschriften über die Verkehrssicherheit verstoßen worden sei.

Das einer strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegende Verhalten kann derart schwer wiegen, daß es allein die Annahme des Fehlens der Vertrauenswürdigkeit rechtfertigt. Der Schutzzweck der Betriebsordnung ist nicht auf den Straßenverkehr beschränkt, sondern darauf gerichtet, jedermann vor der Verletzung jedes durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsgutes zu bewahren. So hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, daß das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB die Vertrauenswürdigkeit im Sinne der angegebenen Verordnungsstelle zu erschüttern vermag (vgl. hg. Erkenntnis vom 13. April 1988, Zl. 87/03/0255). Die vorsätzliche Körperverletzung deutet in der Regel auf einen erheblichen Mangel an Selbstbeherrschung und Respekt vor der Integrität der Mitmenschen hin, Charaktereigenschaften, die bei einem Taxilenker in Hinsicht auf die Ausübung seines Berufes und auf die von ihm zu befördernden Personen zu verlangen sind.

Auch Geschwindigkeitsübertretungen im Straßenverkehr sprechen gegen die Vertrauenswürdigkeit des Lenkers (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. September 1992, Zl. 92/03/0175), wobei unter dem Gesichtspunkt der Vertrauenswürdigkeit erschwerend hinzukommt, wenn diese Verwaltungsübertretung als Lenker eines Taxis begangen wird. Unter dem Gesichtspunkt der durch § 10 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes geschützten Interessen wiegt das Delikt der fahrlässigen Tötung gemäß § 80 StGB, insbesondere wenn es durch Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr verursacht wird, besonders schwer.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Beschwerdeführer im Hinblick auf die beiden Delikte gegen Leib und Leben (fahrlässige Tötung und vorsätzliche Körperverletzung) nicht mehr als vertrauenswürdig erachtete. Die fahrlässige Tötung läßt erkennen, daß der Beschwerdeführer derzeit nicht Gewähr für die Erfüllung der im Interesse der Sicherheit der Straßenverkehrsteilnehmer bestehenden Pflichten bietet. Dem steht auch nicht entgegen, daß sich der Beschwerdeführer durch eine gut ausgebaute und breite Straße oder durch das Verhalten anderer Straßenverkehrsteilnehmer zum Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verleiten ließ. Der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer während der Verhandlung "einsichtig und reumütig" gezeigt habe, mag zwar einen besonderen Milderungsgrund im Rahmen der Strafbemessung sein (vgl. § 34 Z. 17 StGB), läßt aber nicht erkennen, ob künftighin die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften gewährleistet ist.

Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht mit seinen Einwendungen betreffend den zeitlichen Abstand zwischen den strafbaren Handlungen und der Zurücknahme des Taxilenkerausweises. Im Rahmen dieser zeitlichen Betrachtung kommt wesentlich dem Zeitpunkt der Verurteilung Bedeutung zu (vgl. hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1989, 89/03/0086). Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. Februar 1991 erging nur ca. zweieinhalb Jahre vor der durch die Bundespolizeidirektion Wien verfügten Zurücknahme des Taxilenkerausweises und ca. drei Jahre vor deren Bestätigung durch den angefochtenen Bescheid. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 einen fünfjährigen "Beobachtungszeitraum" normiert, handelte die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie auf ca. drei Jahre zurückliegendes Geschehen Rücksicht nahm. Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung erfolgte zwar bereits mit Urteil vom Dezember 1989, konnte aber deshalb in die Betrachtung einbezogen werden, weil die Delikte nach § 83 und § 80 StGB dasselbe Rechtsgut (Leib und Leben) schützen, somit eine fortgesetzte negative Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber diesem Rechtsgut festzustellen war.

Die Wertungskriterien der "Vertrauenswürdigkeit" im Sinne des § 6 Z. 3 BO 1994 einerseits und der "Verkehrszuverlässigkeit" im Sinne des § 66 KFG 1967 andererseits können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1994, Zl. 92/03/0223) nicht gleichgesetzt werden. Für den Beschwerdeführer ist daher aus dem Hinweis auf § 66 Abs. 3 lit. a KFG 1967 - die BO 1994 enthält eine vergleichbare Bestimmung nicht - nichts zu gewinnen.

Was schließlich die Zurücknahmedauer anlangt, so kann der belangten Behörde ebenfalls nicht entgegengetreten werden, wenn sie feststellte, daß insbesondere im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen fahrlässiger Tötung eine derart schwere Verfehlung vorliege, daß eine Zurücknahmedauer von 18 Monaten gerechtfertigt sei.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe Einblick in Strafgerichtsakten genommen, ohne ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschwerdeführer zeigt aber nicht die Relevanz eines allfälligen Verfahrensfehlers auf, weil er in der Beschwerde nicht ausführt, was er, wäre er zur Stellungnahme aufgefordert worden, vorgebracht hätte. Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, er habe die Vernehmung als Partei beantragt, damit sich die belangte Behörde ein Bild von seiner Persönlichkeit machen könne, die belangte Behörde habe diese Vernehmung aber nicht durchgeführt. Dieses Vorbringen vermag aber keine Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuzeigen, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Vertrauenswürdigkeit aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers zu beurteilen war.

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs.1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Im Hinblick auf diese das Verfahren abschließende Erledigung erübrigt sich ein Abspruch über den zu AW 94/03/0016 protokollierten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994030118.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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