TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/3 92/18/0246

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Veröffentlicht am 03.11.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §90 Abs1;
AAV §90 Abs2;
AAV §90 Abs3;
AAV §90;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. April 1992, Zl. 5-212 Fe 17/1-92, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung und der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Beschwerdeführer der Übertretung des § 90 Abs. 1, 2 und 3 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung schuldig erkannt und deshalb bestraft wurde und soweit ihm diesbezüglich ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auferlegt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (der belangten Behörde) vom 21. April 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen Berufener einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Graz zu verantworten, 1. daß am 7. Juni 1990 namentlich genannte Arbeitnehmer der Gesellschaft bei einer näher bezeichneten Baustelle nicht angeseilt gewesen seien, obwohl es sich um eine besonders gefährliche Arbeitsstelle gehandelt habe (Neueindeckung eines Daches mit ca. 45 Grad und einer Traufenhöhe von ca. 3,50 bis 4 m), 2. daß die beiden vorhandenen Sicherheitsgürtel ohne die erforderlichen Prüfvermerke verwendet worden seien, obwohl die Schutzausrüstung und sonstige Einrichtungen oder Gegenstände für den Schutz der Arbeitnehmer in regelmäßigen Zeitabständen, ihrer Eigenart entsprechend, durch geeignete fachkundige Personen auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen seien, und 3. daß am 6. September 1990 an einer anderen näher bezeichneten Baustelle beim Verlegen von ca. 12 m langen Trapezblechen in einer Höhe von ca. 4 m keine Schutzmaßnahmen gegen Absturz getroffen worden seien, obwohl die betroffenen Arbeitnehmer nur die Möglichkeit gehabt hätten, über 20 cm breite Stahlbetonträger zu gehen. Der Beschwerdeführer habe dadurch jeweils in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG Verwaltungsübertretungen, und zwar zu 1. nach § 7 Abs. 1 zweiter Satz der Bauarbeiterschutzverordnung (BArbSchVO), zu

2. nach § 90 Abs. 1, 2 und 3 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) und zu 3. nach § 7 Abs. 1 erster Satz BArbSchVO begangen. Über den Beschwerdeführer wurden wegen dieser Übertretungen Geldstrafen in der Höhe von

S 5.000,-- (zu 1.), S 2.000,-- (zu 2.) und S 25.000,-- (zu 3.) verhängt. Ersatzfreiheitsstrafen wurden festgesetzt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der in der Berufung erhobene Einwand der Unzuständigkeit der Erstbehörde sei unbegründet, weil der Sitz des Unternehmens im Zuständigkeitsbereich dieser Behörde gelegen sei. Bei den dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Übertretungen handle es sich um Ungehorsamsdelikte. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden treffe, zumal er nicht einmal behauptet habe, ein entsprechendes Maßnahmen- und Kontrollsystem eingerichtet zu haben. Die vom Beschwerdeführer genannten Bauleiter seien nicht verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG 1950, weil entsprechende Nachweise für die Zustimmung zu ihrer Bestellung nicht vorlägen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers erfülle der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sämtliche Erfordernisse des § 44a VStG 1950.

Bei der Strafbemessung sei davon auszugehen gewesen, daß die anzuwendenden Strafbestimmungen für die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Übertretungen Geldstrafen bis zu S 50.000,-- vorsähen. Für die Strafbemessung sei von Bedeutung gewesen, wie es auf den verschiedenen Baustellen im Juni und September 1990 zu einschlägigen Verwaltungsübertretungen gekommen sei. Der Beschwerdeführer zeige ferner mangelnde Einsicht betreffend seine Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen. Auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Vernehmung vom 29. November 1990 seien ein monatliches Nettoeinkommen von S 30.000,-- und Sorgepflichten für drei Kinder anzunehmen gewesen. Die verhängten Strafen seien angemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die belangte Behörde die Unzuständigkeit der Erstbehörde nicht beachtet habe. Die Zuständigkeit der Behörde richte sich gemäß § 27 VStG 1950 nach dem Tatort. Eine Übertragung der Zuständigkeit sei nicht erfolgt. Der Hinweis der belangten Behörde auf den Sitz des Unternehmens sei völlig ohne Belang.

1.2. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften als Ort, an dem die Übertretung begangen wurde, jener Ort anzusehen ist, an dem die gesetzlich gebotene Vorsorgehandlung unterlassen wurde; dies ist der Sitz der Unternehmensführung (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die hg. Erkenntnisse vom 24. Juli 1991, Zl. 901/19/0118, vom 8. Oktober 1992, Zl. 91/19/0130, und vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0212). Daß der Sitz der Unternehmensführung im Falle des Beschwerdeführers im Sprengel der Erstbehörde gelegen ist, blieb im Verwaltungsstrafverfahren (und auch in der Beschwerde) unbestritten. Die belangte Behörde hat demnach zu Recht die Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde bejaht.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde die von ihm namhaft gemachten verantwortlichen Beauftragten nicht vernommen habe. Aus den Angaben dieser Personen - die ohnedies als Beschuldigte vernommen worden seien - hätte sich der von der belangten Behörde vermißte Zustimmungsnachweis ebenso ergeben wie aus den vorgelegten Urkunden.

2.2. Der Beschwerdeführer vermag auch mit diesem Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sich der als Beschuldigter verfolgte, zur Vertretung nach außen Berufene nur dann auf einen an seiner Stelle verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beauftragten berufen, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der angelasteten Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis des verantwortlichen Beauftragten eingelangt ist. Von einem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammenden Zustimmungsnachweis kann aber nur dann gesprochen werden, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc.). Da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zustandegekommenes Beweisergebnis nicht zutrifft, genügt es zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht, wenn sich der - diesbezüglich beweispflichtige - Beschuldigte auf die erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten beruft, mit der dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (siehe dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 29. Juni 1992, Zlen. 92/18/0234 und 0235, und vom 9. Juli 1992, Zl. 92/18/0145, mwN).

Die im Verwaltungsstrafverfahren abgelegten bzw. nach Vorstellung des Beschwerdeführers neuerlich abzulegenden Aussagen der von ihm als verantwortliche Beauftragte namhaft gemachten Personen waren nach dem Gesagten nicht geeignet, den Zustimmungsnachweis im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG 1950 zu erbringen. Aus welcher der vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden sich die Zustimmung zur Übernahme der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit ergeben soll, wird in der Beschwerde nicht dargetan und ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar. Die belangte Behörde durfte demnach mit Recht davon ausgehen, daß die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers nicht auf verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG 1950 übergegangen ist, sodaß weiterhin von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 auszugehen war.

3.1. Die Behauptung des Beschwerdeführers "daß der inkriminierte Sachverhalt in den angezogenen Gesetzesstellen, die vom Beschuldigten angeblich verletzt worden seien, keine umfassende Deckung finden", ist - soweit sie sich auf die unter

1. und 3. angeführten Übertretungen bezieht - mangels näherer Begründung nicht nachvollziehbar. Hingegen ist der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen betreffend die unter

2. genannte Übertretung aus folgenden Erwägungen im Ergebnis im Recht:

3.2. Die belangte Behörde, die durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dessen Spruch übernommen hat, hat als erwiesen angenommen, daß "die beiden vorhandenen Sicherheitsgürtel ohne die erforderlichen Prüfvormerke verwendet wurden, obwohl die Schutzausrüstung und sonstige Einrichtungen oder Gegenstände für den Schutz der Arbeitnehmer in regelmäßigen Zeitabständen, ihrer Eigenart entsprechend, durch geeignete fachkundige Personen auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen sind", und darin eine Verletzung des § 90 Abs. 1, 2 und 3 AAV erblickt.

Welche Überlegungen der Annahme der belangten Behörde zugrunde lagen, daß die beiden Sicherheitsgürtel verwendet worden seien, - dies trotz des Schuldspruches zu Punkt 1. - ist mangels jeglichen Anhaltspunktes in der Begründung des angefochtenen Bescheides, aber auch in den Verwaltungsakten nicht erkennbar. Zu diesem die als erwiesen angenommene Tat betreffenden Begründungsmangel kommt, daß die belangte Behörde als verletzte Verwaltungsvorschrift § 90 Abs. 1, 2 und 3 AAV angeführt hat, obwohl in diesen Verordnungsstellen verschiedene Gebotsnormen enthalten sind. Welche dieser Gebotsnormen der Beschwerdeführer verletzt haben soll, ist nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde hat daher § 44a lit. b VStG 1950 verletzt und damit ihren Bescheid, soweit er die unter Spruchpunkt 2. umschriebene Übertretung zum Gegenstand hat, mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 1991, Zl. 91/19/0118). Insofern war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Hinsichtlich der Strafbemessung ist der belangten Behörde kein vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmender Ermessensfehler unterlaufen. Daß "die Tat keinen wie immer gearteten Auffälligkeitswert in der Öffentlichkeit erreicht hat", stellt im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers keinen Milderungsgrund dar. Das Ausmaß des Verschuldens ist nicht schon deshalb gering, weil der Beschwerdeführer Baustellenleiter bestellt hat, zumal er im Verwaltungsstrafverfahren (und auch in der Beschwerde) nicht dargelegt hat, in welcher Weise in dem von ihm geleiteten Unternehmen die Einhaltung der für die Sicherheit der Arbeitnehmer bestehenden Vorschriften gewährleistet sei. Daß keiner der betroffenen Arbeitnehmer zu Schaden gekommen ist, stellt im Hinblick darauf, daß es sich bei den vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Übertretungen um Ungehorsamsdelikte handelt, schon nach dem Zweck der Strafdrohung (§ 19 Abs. 2 VStG 1950) keinen Milderungsgrund dar (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zlen. 90/19/0054, 0055, 0083, 0086).

Entscheidend für die mangelnde Rechtswidrigkeit der Strafbemessung war das große Ausmaß der mit den Taten verbundenen Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient. Dieses Ausmaß ist gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 stets die Grundlage für die Bemessung der Strafe. Berücksichtigt man, daß die im Punkt 1. und 3. des Spruches des angefochtenen Bescheides umschriebenen Übertretungen Leben und Gesundheit der betroffenen Arbeitnehmer in hohem Ausmaß gefährdet haben, kann die Strafbemessung - auch unter Berücksichtigung der von der belangten Behörde auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers angenommen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse - nicht als rechtswidrig erkannt werden.

5. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde, soweit ihr nicht aus den im Punkt 3.2. genannten Erwägungen Folge gegeben wurde, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens für Stempelgebührenersatz beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Vorlage nur einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides notwendig war.

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände Allgemein Mängel im Spruch unvollständige Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992180246.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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