TE Lvwg Erkenntnis 2023/2/6 VGW-151/062/14860/2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.02.2023
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Entscheidungsdatum

06.02.2023

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
19/05 Menschenrechte
E1E
59/04 EU – EWR

Norm

NAG 2005 §11 Abs2 Z2
NAG 2005 §11 Abs2 Z3
NAG 2005 §11 Abs2 Z4
NAG 2005 §11 Abs3
NAG 2005 §29 Abs1
NAG 2005 §47 Abs3 Z1
EMRK Art. 8
12010E020 AEUV Art20

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Holl, LL.M. über die Beschwerde der Frau A. B. (geb. 1957, serbische Staatsangehörige), vertreten durch Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 14.10.2022 zur GZ: ..., betreffend eine Angelegenheit nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung am 18.1.2023

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Erstantrag vom 16.2.2022 gemäß § 47 Abs. 3 Z 1 NAG und § 11 Abs. 2 Z 1 und Z 4 NAG abgewiesen wird.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 16.2.2022 einen Erstantrag auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ gemäß § 47 Abs. 3 Z 1 NAG bei der österreichischen Botschaft Belgrad. Sie berief sich dabei auf ihren österreichischen Sohn C. B. als Zusammenführenden.

Am 5.7.2022 fragte die belangte Behörde ENIC NARIC betreffend das vorgelegte Diplom über die höhere Ausbildung an, woraufhin am 7.7.2022 keine Gleichwertigkeitsbestätigung ausgestellt werden konnte.

Am 6.9.2022 erhob die rechtsvertretene Beschwerdeführerin Säumnisbeschwerde und beantragte die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs. 3 Z 1 NAG (Vergreifung in der Begrifflichkeit und Klarstellung in der Verhandlung am 18.1.2023).

Mit Schreiben vom 9.9.2022 erging eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme an die Beschwerdeführerin.

Mit Schreiben vom 26.9.2022 ersuchte die Beschwerdeführerin um Akteneinsicht und beantragte eine Fristerstreckung zwecks Verfassung einer Stellungnahme.

Es wurde ein Termin für eine Akteneinsicht am 13.10.2022 vereinbart, der vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin auch wahrgenommen wurde.

Mit Schreiben vom 27.10.2022 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab.

Mit Bescheid vom 14.10.2022, zugestellt am 2.11.2022, wurde der Antrag vom 16.2.2022 auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ gemäß §°47 Abs. 3 iVm § 21 Abs. 1 und § 29 Abs. 1 und § 11 Abs. 2 Z 2 und Z 4 und §°21a NAG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Sohn dargelegt werden konnte. Mangels Vorlage des Reisepasses werde nunmehr von einem illegalen Aufenthalt ausgegangen. Zudem habe keine Gleichwertigkeitsbestätigung von ENIC NARIC gemäß § 9 Abs. 4 Z 3 IntG ausgestellt werden können. Weiters wurden auch § 11 Abs. 2 Z 2 und Z 4 NAG mangels Vorlage einer Wohnrechtsvereinbarung bzw. eines Grundrissplanes des Eigentumshauses des Zusammenführenden sowie aller Einkommensunterlagen verneint. Dem Antrag auf Fristerstreckung für die Erstattung einer Stellungnahme wurde hingegen nicht nachgekommen. Anhaltspunkte für die Bejahung des Art 20 AEUV lägen keine vor. Aufgrund des Fehlens der besonderen Erteilungsvoraussetzung sei keine Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG vorzunehmen.

Mit Schriftsatz vom 29.11.2022 wurde rechtzeitig Beschwerde gegen diesen Bescheid erhoben. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin von ihren beiden Söhnen (Zusammenführenden in Österreich und vom zweiten Sohn in Deutschland) Unterhaltszahlungen erhalte, da ihre serbische Pension nicht ausreiche (neben Betriebskosten und einem Kredit in Serbien). Hierzu wurden Einkommensunterlagen des Zusammenführenden und seiner Ehegattin vorgelegt. Weiters wurde eine Bestätigung von ENIC NARIC vom 18.10.2022 beigelegt, wonach die Gleichwertigkeit mit einer allgemeine Universitätsreife bestätigt werden könne. Zudem wurde eine Wohnrechtsvereinbarung und der Reisepass der Beschwerdeführerin in Kopie vorgelegt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

Die belangte Behörde erließ keine Beschwerdevorentscheidung und legte den Behördenakt samt Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien vor (ha. eingelangt am 2.12.2022).

Aufgrund der Anfrage des Verwaltungsgerichtes Wien vom 7.12.2022 teilte die österreichische Botschaft Belgrad am 16.12.2022 den Mindest-Netto-Monatslohn für 02/2022 für Serbien (incl. Umrechnung laut Kassenwert) mit.

Mit Schreiben vom 11.1.2023 und 17.1.2023 wurden teilweise Unterlagen vorgelegt, die mit der Ladung vom 7.12.2022 bzw. E-Mail vom 13.1.2023 vom Verwaltungsgericht verlangt worden waren.

Am 18.1.2023 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, in der die Beschwerdeführerin (mit Dolmetscherin) und der zusammenführende österreichische Sohn einvernommen wurden. Im Zuge dessen wurden ergänzend Unterlagen vorgelegt. Das Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 3 AVG geschlossen. Im Anschluss daran wurde die abweisende Entscheidung mündlich verkündet.

Mit E-Mail vom 1.2.2023 wurde rechtzeitig ein Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses gestellt.

II. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin A. B. (geb. 1957, serbische Staatsangehörige, geschieden) stellte am 16.2.2022 persönlich einen Erstantrag auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ bei der österreichischen Botschaft Belgrad.

Sie berief sich dabei auf ihren Sohn C. B. (geb. 1982, österreichischer Staatsbürger) als Zusammenführenden. Dieser lebt seit 10/2005 in Österreich und ist seit 25.2.2011 mit D. E.-B. (geb. 1981, serbische Staatsangehörige) verheiratet; sie haben ein mj. Kind F. B. (geb. 2020, österreichische Staatsbürgerin).

Die Beschwerdeführerin ist Pensionistin und erhielt eine serbische Pension von umgerechnet rund 360,25 Euro im 02/2022, mit aliquoter Sonderzahlung umgerechnet rund 374,37 Euro im 02/2022. Sie hatte Betriebskosten (Strom, Wasser, Müll, Grundbesitzabgabe) für ein Eigentumshaus iHv umgerechnet 216,- Euro im 10/2022 und einen Kredit von umgerechnet 111,84 Euro im 02/2022 in Serbien.

Das Existenzminimum in Serbien betrug für 02/2022 umgerechnet 272,84 Euro und für 01/2023 umgerechnet 345,98 Euro für eine vj. Einzelperson.

Die Beschwerdeführerin wird primär von ihrem zweiten Sohn G. B., der in Deutschland lebt, seit 2019 finanziell unterstützt. Der Zusammenführende gibt der Beschwerdeführerin auch fallweise Geld (zwischen 100,- Euro und 300,- Euro), wobei ein Geldtransfer ab 2021 nur für 04/2021 nachgewiesen wurde. Im 05/2021, 08/2021, 12/2021 und 07/2022 ist es möglich, dass Barübergaben vom Zusammenführenden an die Beschwerdeführerin stattfanden. Im 02/2022 erfolgte jedenfalls keine finanzielle Unterstützung der Beschwerdeführerin von ihren Söhnen für ihr Leben in Serbien.

C. B. hat eine Haftungserklärung zugunsten der Beschwerdeführerin am 10.2.2022 vor dem Bezirksgericht H. abgegeben.

Die Beschwerdeführerin verfügt über einen serbischen Schulabschluss, der der allgemeinen Universitätsreife entspricht.

Die Beschwerdeführerin hat sich wie folgt im Schengenraum aufgehalten:

-    21.5.2021 – 31.5.2021

-    18.8.2021 – 1.9.2021

-    14.12.2021 – 15.2.2022

-    17.2.2022 – 12.3.2022

-    14.6.2022 – 8.9.2022

-    11.12.2022 – 18.1.2023

Die Beschwerdeführerin wird mit dem Zusammenführenden, dessen Ehefrau und ihrem Enkel in einem Eigentumshaus des Zusammenführenden bzw. der Ehegattin unentgeltlich wohnen (223,98 m2, acht Wohnräume). Dort hat sie auch bereits bisher, wenn sie in Österreich auf Besuch war, gewohnt.

Die Beschwerdeführerin ist aktuell nicht mehr bei der I.-Versicherung im Tarif XCA621 versichert. Sie hat einen Antrag auf Mitversicherung beim Zusammenführenden gestellt.

Ihr Sohn C. B. arbeitet bei der J. (angemeldet als Angestellter nach ASVG) und ihre Schwiegertochter ist Allgemeinärztin in einem Pflegeheim bzw. nebenbei als Vertretungsärztin auf Honorarbasis tätig. Die beiden verdienen insgesamt mindestens 7.966,38 Euro netto pro Monat (incl. Sonderzahlungen). Der Kinderabsetzbetrag beträgt 58,40 Euro pro Monat.

Die aktuellen regelmäßigen Aufwendungen des Ehepaares konnten nicht abschließend festgestellt werden, insbesondere, ob mehr als drei Kredite (zumindest insgesamt 2.512,01 Euro pro Monat an Kreditraten) bestehen. Die Grundbesitzabgabe und Abfallgebühr für 2023 wurden ebenfalls nicht belegt. Für den Kindergarten der Tochter des Zusammenführenden werden 179,- Euro pro Monat gezahlt; Strom kostet 123,20 Euro pro Monat und die Wassergebühr beläuft sich auf 26,75 Euro pro Monat. Pfändungen haben der Zusammenführende und seine Ehegattin nicht vorzuweisen.

Es konnte nicht festgestellt werden, ob die Beschwerdeführerin in Serbien im Entscheidungszeitpunkt unbescholten ist.

In Serbien leben Freunde und ein Onkel der Beschwerdeführerin; in Österreich leben noch zwei Cousins mit ihren Familien.

III. Beweiswürdigung

Das Verwaltungsgericht hat Einsicht genommen in den Behördenakt, die Eingaben vom 11.1.2023 und 17.1.2023 samt Unterlagen berücksichtigt sowie das Beschwerdevorbringen und die Angaben der Beschwerdeführerin bzw. ihres österreichischen Sohns C. B. in der mündlichen Verhandlung (incl. die darin vorgelegten Unterlagen) am 18.1.2023 gewürdigt.

Die Feststellungen zur Antragstellung und zu den familiären Verhältnissen der Beschwerdeführerin („geschieden“ laut Antragsformular, wobei das serbische Scheidungsurteil trotz Aufforderung nicht vorgelegt wurde) bzw. ihres zusammenführenden Sohnes und dessen Familie in Österreich ergeben sich aus dem Behördenakt, insbesondere dem Staatsbürgerschaftsnachweis von C. B., dessen Heiratsurkunde und der Geburtsurkunde von F. B..

Der festgestellte Pensionsbezug (incl. aliquoter Sonderzahlung) der Beschwerdeführerin für 02/2022 gründet sich auf ihren serbischen Kontoauszug (Beilage D in Zusammenhalt mit dem Bescheid vom 26.12.2019), der mit Hilfe der Dolmetscherin in der Verhandlung auch durchgesehen und auszugsweise übersetzt wurde (siehe dazu auch die Beilage 1, die in der Verhandlung vorgelegt wurde); die Umrechnung erfolgte mit dem damaligen Kassenwert 118. Dasselbe gilt sinngemäß für die festgestellte Kreditrate im 02/2022. Die festgestellten Betriebskosten in Serbien wurden durch die Beilagen 2 bis 4, die in der Verhandlung vorgelegt wurden, für 10/2022 belegt und anhand des Kassenwertes 117 umgerechnet; die Grundbesitzabgabe wurde hilfsweise aus der tabellarischen Übersicht laut Beilage F entnommen.

Die Feststellungen zum Existenzminimum in Serbien in 02/2022 beruhen auf der Auskunft der österreichischen Botschaft Belgrad vom 16.12.2022 (incl. Verweis auf die Umrechnung mit dem Kassenwert), wobei der Mindest-Netto-Monatslohn herangezogen wurde.

Es konnten hier keine hinreichenden Zahlungen durch den Zusammenführenden an die Beschwerdeführerin ab 12/2021 nachgewiesen werden; selbst davor ist lediglich eine Western Union Transaktion per 04/2021 iHv 300,- Euro belegt worden (Beilage G, wobei diese in der Liste laut Beilage H fehlt). Alle anderen zehn Überweisungen von 05/2019 bis 08/2020 – abgesehen von zwei Überweisungen der Ehegattin des Zusammenführenden – stammen vom zweiten Sohn G. aus Deutschland, sodass das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass G. die Beschwerdeführerin primär finanziell unterstützt hat. Dies steht auch im Einklang mit dem Umstand, dass der Zusammenführende für seine Familie (mj. F. wurde im Jahr 2020 geboren) ein Haus gebaut hat und mindestens drei Kredite hat, wohingegen G. keine Familie hat (siehe die Aussagen von der Beschwerdeführerin und C. in der Verhandlung dazu) und offenkundig einen größeren finanziellen Spielraum hatte, die Beschwerdeführerin regelmäßig zu unterstützen. Die Aussage des Zusammenführenden in der Verhandlung, wonach er Probleme bei Überweisungen mit Western Union gehabt habe und Geld auch seinem Bruder nach Deutschland überwiesen habe, welches dieser wiederum weiter an die Beschwerdeführerin mit Western Union geschickt habe, ist für das Verwaltungsgericht nicht glaubhaft und wird als Schutzbehauptung gewertet. Denn diese Rechtfertigung gab der Zusammenführende erst auf Vorhalt der Beilage G (mit nur einer Überweisung von ihm) an, wobei er noch zuvor erklärt hatte, dass er Geld an seine Mutter meistens mit Western Union schicke, ohne irgendwelche Probleme damit zu erwähnen.

Im Übrigen ist die Beilage H nicht schlüssig, da die dortigen Angaben nicht mit den Western Union Transaktionen (Beilage G) vollständig übereinstimmen (insb. für 2020/21), sodass die Angaben laut Beilage H – vor allem betreffend den Zusammenführenden – insgesamt als unsubstantiiert gewertet werden. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin dazu, dass sie das Geld bar vom Zusammenführenden erhalten habe, wenn sie sich gesehen haben, ist nicht hinreichend nachvollziehbar, zumal diese behaupteten Übergaben nicht vollständig mit den Reisepassstempeln der Beschwerdeführerin bzw. des Zusammenführenden in Einklang zu bringen sind. Barübergaben könnten anhand der Reisepassstempel höchstens für 05/2021, 08/2021, 12/2021 und 07/2022 angenommen werden, wobei die Beschwerdeführerin in allen vier genannten Monaten in Österreich zu Besuch beim Zusammenführenden gewesen ist (siehe ihre Reisepassstempel bzw. Zeiten im Schengenraum und die Reisepasstempel und Aussage des Zusammenführenden in der Verhandlung) und die überwiegende (im Juli 2022 die ausschließliche) Zeit in Österreich verbracht hat. Laut ihrer eigenen Aussage in der Verhandlung am 18.1.2023 brauche sie bei einem Aufenthalt bei ihrem Sohn in Österreich „unten nichts“ (gemeint damit in Serbien).

Dies gilt auch für den Antragszeitpunkt am 16.2.2022, wo die Beschwerdeführerin extra nur für diesen einen Tag im 02/2022 nach Serbien reiste, um bei der Botschaft den Antrag zu stellen. Ansonsten hielt sie sich im 02/2022 in Österreich beim Zusammenführenden auf (siehe ihre Reisepassstempel bzw. Zeiten im Schengenraum), wobei sie zu diesem Zeitpunkt von keinem Sohn eine finanzielle Unterstützung für ihre Ausgaben in Serbien erhielt (siehe Beilagen G und H sowie die Aussage der Beschwerdeführerin in der Verhandlung).

Aus der Haftungserklärung des Zusammenführenden vom 10.2.2022 vor dem Bezirksgericht H. ergibt sich die Haftung zugunsten der Beschwerdeführerin.

Mit Email von ENIC NARIC vom 18.10.2022 wurde die Gleichwertigkeit des ausländischen Schulabschlusses der Beschwerdeführerin mit einer allgemeinen Universitätsreife bestätigt.

Die festgestellten Zeiten der Beschwerdeführerin im Schengenraum ergeben sich eindeutig aus den Reisepassstempeln ihres serbischen Reisepasses Nr. ....

Die Feststellungen zur Unterkunft bzw. dem Eigentumshaus des Zusammenführenden und seiner Ehegattin gründen sich auf die Wohnrechtsvereinbarung mit der Beschwerdeführerin vom 22.9.2022, dem Grundbuchsauszug und der Baubeschreibung (siehe auch Auszüge aus dem Zentralen Melderegister).

Dass die Beschwerdeführerin im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr bei der I.-Versicherung krankversichert gewesen ist, ergibt sich aus der Angabe des Zusammenführenden in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht. Dieser erklärte auch, dass ein Antrag auf Mitversicherung für die Beschwerdeführerin in der K.-versicherung mit ihm gestellt worden sei.

Die Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen des Zusammenführenden und seiner Ehegattin beruhen auf ihren vorgelegten Kontoauszügen in Zusammenhalt mit den Lohnzetteln (excl. Teuerungsprämie für 01/2023) bzw. Honorarnoten und den Versicherungsdatenauszügen. Anhand des Brutto-Netto-Rechners wurden die Nettoeinkünfte des Ehepaares ermittelt. Mangels Vorlage von aktuellen KSV-Auszügen des Ehepaares (laut Behördenakt sind drei Kredite aktenkundig gewesen) sowie aktuellen Nachweisen über die Höhe der Grundbesitzabgabe und der Abfallgebühr für 2023 konnten keine vollständigen Feststellungen zu den regelmäßigen Aufwendungen gemacht werden. Die fehlenden Pfändungen wurden durch entsprechende Exekutionsregisterauszüge belegt.

Die Beschwerdeführerin hat trotz Aufforderung durch das Verwaltungsgericht (siehe erstmals laut Ladung vom 7.12.2022) kein aktuelles Führungszeugnis aus Serbien vorgelegt. Es ist lediglich eines vom 5.11.2021 laut Behördenakt aktenkundig. Dabei wird angemerkt, dass aus vergleichbaren Parallelverfahren dem Verwaltungsgericht bekannt ist, dass serbische Führungszeugnisse problemlos innerhalb der vorgegebenen Frist besorgt werden können.

Die Feststellungen zu den Verwandten der Beschwerdeführerin in Serbien bzw. Österreich beruhen auf den Aussagen des Zusammenführenden in der Verhandlung am 18.1.2023.

IV. Rechtsvorschriften

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, lauten auszugsweise wie folgt:

„4. Hauptstück

Allgemeine Voraussetzungen

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

         1.       gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

         2.       gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

         3.       gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

         4.       eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

         5.       eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

         6.       er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

         1.       der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

         2.       der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

         3.       der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

         4.       der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

         5.       durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

         6.       der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

         7.       in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

         1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

         2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

         3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

         4.       der Grad der Integration;

         5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

         6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

         7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

         8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

         9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

         1.       sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

         2.       der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein. (…)

Nachweis von Deutschkenntnissen

§ 21a.

(1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

(2) Abs. 1 gilt auch für Drittstaatsangehörige, die einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 im Zuge eines Verfahrens gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 stellen.

(3) Der Nachweis gilt überdies als erbracht, wenn

1. die Voraussetzungen zur Erfüllung des Moduls 1 oder 2 der Integrationsvereinbarung (§§ 9 und 10 IntG) vorliegen oder

2. der Drittstaatsangehörige die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a für die Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte anstrebt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen. (…)

Mitwirkung des Fremden

§ 29.

(1) Der Fremde hat am Verfahren mitzuwirken. (…)

2. Hauptstück

Familienangehörige und andere Angehörige von dauernd in Österreich wohnhaften Zusammenführenden

Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ und „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“

§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ist ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

(3) Angehörigen von Zusammenführenden kann auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

         1.       Verwandte des Zusammenführenden, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird,

         2.       Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird oder

         3.       sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

         a)       die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben,

         b)       die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder

         c)       bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben. (…)“

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz – IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idF BGBl. I Nr. 42/2020, lauten auszugsweise wie folgt:

„Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 9. (1) Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 1 Z 6 NAG) sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 14.

(2a) Fällt das Ende der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 in die Zeit von 22. März 2020 bis 30. Juni 2020, verlängert sich der Zeitraum der Erfüllungspflicht nach Abs. 2 bis zum 31. Oktober 2020; diese Verlängerung hemmt den Lauf der Fristen nach § 14.

(3) Für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG werden bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 2 angerechnet.

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

         1.       einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 15, BGBl. I Nr. 41/2019)

         3.       über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

         4.       einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

         5.       als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1. (…)“

V. Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdeführerin stellte am 16.2.2022 einen Erstantrag auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger“ gemäß § 47 Abs. 3 Z 1 NAG und berief sich dabei auf ihren Sohn C. B. mit österreichischer Staatsbürgerschaft, der auch eine Haftungserklärung iSd § 2 Abs. 1 Z 15 NAG abgab.

Der Antrag wurde gemäß § 21 Abs. 1 NAG vom Ausland ausgestellt. Die serbische Beschwerdeführerin reiste während ihrer sichtvermerksfreien Zeit immer wieder in das Bundesgebiet ein, ohne diese zu überschreiten.

§ 21a Abs. 3 Z 1 NAG iVm § 9 Abs. 4 Z 3 IntG wurde hier erfüllt.

Zur besonderen Erteilungsvoraussetzung nach § 47 Abs. 3 Z 1 NAG wird Folgendes ausgeführt:

Zunächst wird festgehalten, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes § 47 Abs.°3 Z 1 NAG verfassungskonform auszulegen ist, um eine Diskriminierung unter Fremden (Ableitung vom Österreicher iSd § 47 Abs. 3 Z 1 NAG v. Ableitung vom Unionsbürger iSd § 52 Abs. 1 Z 3 NAG, zum Gebot der Gleichbehandlung siehe VwGH 5.11.1999, 99/21/0156; auch Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG) zu vermeiden, zumal der EuGH den zugrundeliegenden Art. 2 Z 2 lit. c und lit. d RL 2004/38/EG so ausgelegt hat, dass ein Unterhaltsbedarf im Herkunftsstaat im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen muss (vgl. EuGH 16.1.2014, C-423/12, Rz 20-22 mit Verweis auf EuGH 9.1.2007, C-1/05, Rz 37 bzgl. aufsteigender Linie, wobei die RL 73/148/EWG durch die RL 2004/38/EG aufgehoben wurde; siehe im Übrigen auch VwGH 23.3.2021, Ro 2019/22/0007).

Da § 47 Abs. 3 Z 1 NAG (Vorgängerbestimmung § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z 3 FrG 1997) an die Begrifflichkeit bzw. das Verständnis der RL 2004/38/EG anschließt (EB zur RV 952 BlgNR 22. GP 140; zu § 47 Abs. 3 Z 3 FrG 1997 siehe auch VwGH 21.12.2001, 2001/19/0070, wobei Art 10 VO 1612/68 durch Art 38 Abs. 1 RL 2004/38/EG aufgehoben wurde; VwGH 31.5.2000, 99/18/0399, Pkt. 2.1.1.), ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes § 47 Abs. 3 Z 1 NAG – im Lichte der zitierten EuGH Judikatur – verfassungskonform auszulegen.

Daher erscheint die Rechtsprechung des VwGH 13.9.2011, 2009/22/0176 vor allem in Anbetracht von EuGH 16.1.2014, C-423/12 überholt zu sein. Darin hat der EuGH ausgeführt, dass, um zu ermitteln, ob ein Abhängigkeitsverhältnis vorliegt, der Aufnahmemitgliedstaat prüfen muss, ob der Familienangehörige des Unionsbürgers in Anbetracht seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage nicht selbst für die Deckung seiner Grundbedürfnisse aufkommt. Der Unterhaltsbedarf muss im Herkunfts- oder Heimatland eines solchen Verwandten zumindest in dem Zeitpunkt bestehen, in dem er beantragt, dem Unionsbürger nachzuziehen, auch wenn zwischenzeitig eine Einreise in den Mitgliedstaat des Zusammenführenden erfolgte (siehe auch EuGH 5.9.2012, C-83/11, wonach unter „Herkunftsland“ der Staat gemeint ist, in dem sich der Drittstaatsangehörige aufgehalten hat, als er beantragt hat, dem Unionsbürger nachziehen zu dürfen). Dagegen ist es nicht erforderlich, die Gründe für diese Abhängigkeit und damit für die Inanspruchnahme der entsprechenden Unterstützung zu ermitteln. Die Tatsache, dass ein Unionsbürger dem Verwandten (in absteigender Linie) regelmäßig während eines beachtlichen Zeitraums einen Geldbetrag zahlt, den Letzterer zur Deckung seiner Grundbedürfnisse im Herkunftsland benötigt, ist geeignet, ein tatsächliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Verwandten in absteigender Linie und dem Unionsbürger nachzuweisen (vgl. EuGH 16.1.2014, C-423/12).

Für die Unterhaltsleistung sind die tatsächlichen Gegebenheiten ausschlaggebend; das Bestehen einer Rechtspflicht zur Leistung von Unterhaltszahlungen wird nicht vorausgesetzt. Hinsichtlich der Leistungserbringung sind Unterhaltsleistungen von freiwilligen Zuwendungen abzugrenzen (vgl. VwGH 23.3.2021, Ro 2019/22/0007 mit Verweis auf VwGH 17.11.2015, Ro 2015/22/0005; VwGH 12.12.2017, Ra 2015/22/0149).

Allein der Umstand, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig Einkommen erzielt hat, steht der Annahme, dass sie (auf Grund der geringen Höhe dieses Einkommens) zur Bestreitung ihres Unterhalts auf die Zahlungen durch ihren Sohn angewiesen bzw. von diesen abhängig ist, für sich genommen nicht entgegen. Dabei ist das Existenzminimum in Relation zu den erzielten Einkünften zu stellen (vgl. VwGH 17.11.2015, Ro 2015/22/0005).

Aus der Rechtsprechung des EuGH zur RL 2004/38/EG ergibt sich auch, dass es unbeachtlich ist, ob das Abhängigkeitsverhältnis vom Unionsbürger nach der Einreise des Familienangehörigen in den Mitgliedstaat fortbesteht oder nicht (vgl. EuGH 5.9.2012, C-83/11, Rz 44-45).

Umgelegt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Beschwerdeführerin im 02/2022 in Serbien umgerechnet 262,53 Euro (Pension incl. aliquote Sonderzahlung abzüglich Kredit) verblieben sind. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes sind die Betriebskosten oder Ausgaben für Lebensmittel/Holz hier nicht extra von der Pension abzuziehen, da diese als üblicherweise notwendige Kosten der allgemeinen Lebensführung zu werten sind, die bereits im Existenzminimum eingepreist sind. Setzt man den genannten Betrag zum Existenzminimum in Serbien im 02/2022 mit umgerechnet 272,84 Euro in Relation, so ergibt sich ein Unterhaltsbedarf iHv lediglich 10,31 Euro pro Monat.

Die Beschwerdeführerin hat allenfalls zuletzt im 12/2021 vom Zusammenführenden finanzielle Unterstützung in bar erhalten, bevor sie am 16.2.2022 den hg. Antrag in Serbien stellte. Unmittelbar davor und danach hat sie sich in Österreich beim Zusammenführenden aufgehalten und bei ihm gewohnt (vgl. VwGH 7.4.2011, 2008/22/0308, wonach Österreich nicht als „Herkunftsstaat“ gewertet werden kann; siehe dazu auch die Mitteilung der Kommission vom 2.7.2009 bzgl. RL 2004/38/EG, KOM(2009) 313 final, Seiten 5-6). Im Antragszeitpunkt (02/2022) hat die Beschwerdeführerin unstrittig keine Zahlungen vom Zusammenführenden erhalten, um die Fixkosten in Serbien zu decken, sodass ein Abhängigkeitsverhältnis nicht gegeben war.

Selbst unter der Annahme der Berücksichtigung der Angaben laut Beilage H hätte der Zusammenführende der Beschwerdeführerin ab 12/2021 umgelegt rund 73,85 Euro pro Monat gegeben (12/2021, 05/2022, 07/2022 und 11/2022), wobei sich die Beschwerdeführerin im 12/2021 und 07/2022 ebenfalls überwiegend oder ausschließlich in Österreich aufgehalten hat. Von ihrem Sohn G. aus Deutschland hätte sie ab 12/2021 umgelegt rund 80,77 Euro pro Monat bekommen (03/2022, 07/2022, 09/2022 und 11/2022). Daraus ist insgesamt ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin nicht auf die Zahlungen des Zusammenführenden für die Deckung ihres Unterhaltsbedarfs iHv 10,31 Euro pro Monat zwingend angewiesen gewesen wäre, zumal sie auch (mehr) Geld von G. erhalten hätte. Damit hätte es sich allenfalls um freiwillige Zuwendungen des Zusammenführenden an die Beschwerdeführerin gehandelt.

Daher ist insgesamt die besondere Erteilungsvoraussetzung des § 47 Abs. 3 Z 1 NAG nicht erfüllt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Fehlen einer für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels notwendigen besonderen Erteilungsvoraussetzung (hier: § 47 Abs. 3 Z 1 NAG) weder das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen noch eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG durchzuführen (vgl. VwGH 17.10.2016, Ra 2016/22/0065 mit Verweis auf VwGH 13.11.2012, 2012/22/0168).

Daher ist die Beschwerde bereits aus diesem Grund abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird zu den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen wie folgt ausgeführt:

§ 11 Abs. 1 NAG liegt nicht vor.

Mangels Vorlage eines aktuellen serbischen Führungszeugnisses kann § 11 Abs.°2 Z 1 NAG nicht bejaht werden (zur fehlenden Mitwirkung gemäß § 29 Abs.°1 NAG und den Folgen siehe sogleich unten).

§ 11 Abs. 2 Z 2 NAG ist durch die Vorlage der Wohnrechtsvereinbarung erfüllt.

Zu § 11 Abs. 2 Z 3 NAG ist festzuhalten, dass der Versicherungsschutz grundsätzlich – soweit nicht das Eingreifen etwa nationaler Versicherungssysteme als möglich erscheint – für den gesamten beabsichtigten Aufenthaltszeitraum, jedenfalls jedoch für die Dauer der Gültigkeit des begehrten Aufenthaltstitels nachzuweisen ist (vgl. VwGH 6.8.2009, 2008/22/0391). Eine Prognoseentscheidung ist bei § 11 Abs. 2 Z 3 NAG unzulässig (vgl. VwGH 9.9.2014, Ro 2014/22/0032).

Im Entscheidungszeitpunkt wurde kein Versicherungsschutz mehr bei der I.-Versicherung nachgewiesen, da dieser im Jahr 2022 gekündigt wurde. Es wird jedoch eine Mitversicherung beim Zusammenführenden in der K. behauptet. Dazu ist auszuführen, dass sich aus § 56 Abs. 8 und Abs. 10 B-KUVG bzw. sonst aus § 123 Abs. 10 ASVG ergibt, dass die Beschwerdeführerin wohl nicht als Angehörige für eine Mitversicherung beim Zusammenführenden in Frage kommt, da sie eine ausländische Pension aufgrund einer früheren Erwerbstätigkeit bezieht, die nach inländischen Kriterien eine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung begründen würde. Daher erscheint auch das Eingreifen einer gesetzlichen Pflichtversicherung (hier Mitversicherung, vgl. § 7 Abs. 1 Z 6 NAG-DV) nicht möglich zu sein, sodass kein Krankenversicherungsschutz im Entscheidungszeitpunkt bestand.

Zu § 11 Abs. 2 Z 4 NAG wird festgehalten (vgl. VwGH 20.1.2011, 2008/22/0866, wonach es sich bei der Prüfung der Tragfähigkeit einer Haftungserklärung um die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG handelt):

Für die Frage der Existenzsicherung eines Zusammenführenden, der eine Haftungserklärung nach § 47 Abs. 3 NAG abgibt, ist bei einer gemeinsamen Haushaltsführung von Ehegatten zu prüfen, ob das Haushaltsnettoeinkommen den „Haushaltsrichtsatz“ nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht; auf das Existenzminimum des § 291a EO ist in einer solchen Konstellation nicht Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.4.2010, 2008/22/0399; VwGH 9.9.2010, 2008/22/0470). Die Existenz des zusammenführenden Ehegatten ist dabei gesichert, wenn dem im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepaar der Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG zur Verfügung steht und das restliche Haushaltseinkommen zur Unterhaltsleistung an den Nachziehenden – dem der Einzelrichtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG zur Verfügung stehen muss – verwendet wird (vgl. VwGH 15.4.2010, 2008/22/0094; VwGH 18.3.2010, 2008/22/0637). Dem steht auch nicht entgegen, dass als Zusammenführender ein Ehegatte allein fungiert und nur dieser nach § 47 Abs. 3 letzter Satz NAG eine Haftungserklärung abzugeben hatte, sofern es keine Anhaltspunkte gibt, dass kein Konsens zwischen den Ehegatten bestehen könnte, mit dem den „Haushaltsrichtsatz“ übersteigenden Einkommen den Nachziehenden zu unterstützen (vgl. VwGH 31.5.2011, 2008/22/0210).

Dem Zusammenführenden und seiner Ehegatten stehen insgesamt zumindest 8.024,78 Euro pro Monat netto (incl. Sonderzahlungen, Kinderabsetzbetrag) zur Verfügung.

Aktuelle Nachweise betreffend alle regelmäßige Aufwendungen wurden dem Verwaltungsgericht bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht vorgelegt, zumal die KSV-Auszüge des Zusammenführenden und seiner Ehegattin fehlten, Nachweise über die Abfallgebühr bzw. die Grundbesitzabgabe für 2023 des Zusammenführenden nicht vorgelegt wurden und die Höhe der Krankenversicherungsprämie der Beschwerdeführerin unklar blieb. Auch das serbische Scheidungsurteil der Beschwerdeführerin wurde nicht vorgelegt (ggf. relevant für Unterhaltszahlungen).

Damit wurde die Mitwirkungspflicht gemäß § 29 Abs. 1 NAG verletzt, obwohl bereits in der Ladung vom 7.12.2022 auf die erforderlichen Unterlagen – incl. serbisches Führungszeugnis (siehe oben) – und die Mitwirkungspflicht hingewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht ist jedoch auf diese Informationen der Partei angewiesen und kann diese nicht von Amts wegen einholen. In solchen Fällen wird es nicht als rechtswidrig angesehen, wenn keine weiteren Ermittlungen durchführt werden, sondern diese Unterlassung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezogen werden. Aufgrund der fehlenden Mitwirkung wirkt sich dies hier zulasten der Beschwerdeführerin aus (vgl. VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0021 mit Verweis auf VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092), da keine abschließende Prüfung der Tragfähigkeit der Haftungserklärung erfolgen kann und auch § 11 Abs. 2 Z 1 NAG nicht abschließend geprüft werden kann (siehe oben). Daher ist § 11 Abs. 2 Z 4 NAG zu verneinen (vgl. VwGH 30.1.2007, 2006/18/0448, wonach der Versagungsgrund nach § 11 Abs. 2 Z 1 NAG auch erfüllt wird, wenn § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nicht vorliegt).

Aufgrund des Fehlens von allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen ist eine Interessensabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG durchzuführen:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Judikatur zu Art 8 EMRK wiederholt ausgeführt, dass der Staat unter dem Blickwinkel des Art 8 EMRK im Zusammenhang mit positiven wie auch negativen Verpflichtungen einen fairen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen des Einzelnen und jenen der Gemeinschaft als Ganzes schaffen muss und hiebei den Vertragsstaaten jedoch ein gewisser Ermessenspielraum zukommt. In Fällen, die sowohl das Familienleben als auch die Thematik der Zuwanderung betreffen, wird das Maß an Verpflichtung, Verwandte von rechtmäßig aufhältigen Personen auf seinem Staatsgebiet zuzulassen, je nach den Umständen des Einzelfalls der betroffenen Personen und des Allgemeininteresses variieren. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß das Familienleben tatsächlich gestört wird, wie stark die Bande mit dem Vertragsstaat ist, ob es für die Familie unüberwindbare Hindernisse gibt, im Herkunftsland eines oder mehrerer Familienmitglieder zu leben, ob konkrete Umstände im Hinblick auf die Einreisekontrolle (z.B. Verstöße gegen die Einreisebestimmungen) oder Überlegungen im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit eher für eine Ausweisung sprechen und auch ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, als sich die betroffenen Personen bewusst gewesen sind, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart gewesen ist, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher gewesen sei. Dazu hat der Gerichtshof auch wiederholt festgehalten, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitglieds in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art 8 EMRK bewirkt (vgl. VwGH 19.2.2009, 2008/18/0721, mwN).

Bei der vorzunehmenden Beurteilung nach Art. 8 EMRK ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Versagung eines Aufenthaltstitels mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im §°11 Abs. 3 NAG genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 21.1.2016, Ra 2015/22/0119). Bei dieser Abwägung sind – unter anderem – das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007) wie auch die rechtmäßige Aufenthaltsdauer und die Integration im Inland. Eine Aufenthaltsdauer des Fremden im Inland von weniger als fünf Jahren kommt in der Regel keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0070; VwGH 18.6.2021, Ra 2021/22/0077). Bei der Beurteilung, ob ein Eingriff nach Art. 8 EMRK zulässig ist, ist auch zu beachten, ob eine Fortsetzung des gemeinsamen Familienlebens außerhalb Österreichs möglich ist (vgl. VwGH 11.6.2014, 2013/22/0166, mwN). Im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK kommt dem Bestehen einer Ehe mit einem dauerhaft niedergelassenen Partner oder einem österreichischen Staatsbürger große Bedeutung zu (VwGH 11.11.2013, 2013/22/0224; VwGH 31.3.2021, Ra 2020/22/0030).

Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdeführerin in Serbien geboren, hat dort ihre Ausbildung gemacht, gearbeitet bzw. bezieht eine serbische Pension und wurde dort sozialisiert. Sie lebt bis dato in Serbien in einem Eigentumshaus. In Serbien leben auch ihre Freunde und ein Onkel (vgl. VwGH 23.11.2017, Ra 2015/22/0162 mit Verweis auf VwGH 26.1.2012, 2010/21/0124); schon aus diesen Gründen sind die sozialen Anknüpfungen und Bindungen zum Herkunftsstaat erheblich und noch intensiver als zu Österreich. Sie lebt seit 10/2005 von ihrem vj. Sohn in Österreich getrennt.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin noch nie über einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet verfügt hat (§ 11 Abs. 3 Z 1 NAG; vgl. VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0055) und sich nur während der sichtvermerksfreien Zeit im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Die Beschwerdeführerin verfügt über keine Deutschkenntnisse. Es ist auch mit Blick auf die durchgeführte öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine Verständigung mit der Beschwerdeführerin auf Deutsch nicht möglich gewesen und war die Beiziehung einer Dolmetscherin erforderlich.

Der Beschwerdeführerin ist es auch bis zu einer neuen Antragstellung möglich und zumutbar, sich zur Aufrechterhaltung des persönlichen Kontakts und einer emotionalen Beziehung zu ihrem vj. österreichischen Sohn elektronischer Kommunikationsformen zu bedienen (VwGH 12.12.2017, Ra 2015/22/0149) bzw. durch wechselseitige Besuche während der sichtvermerksfreien Zeit Kontakt zu ihrer mj. Enkelin zu halten (vgl. VwGH 5.8.2020, Ra 2020/22/0139).

Daher liegen insgesamt keine ausreichenden Gründe gemäß Art 8 EMRK vor.

Zu Art 20 AEUV wird Folgendes ausgeführt:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in Anlehnung an die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union mehrfach ausgesprochen hat, steht Art. 20 AEUV nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass Unionsbürgern – wie hier einer die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehegattin und eines Kindes eines Drittstaatsangehörigen – der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen dieser Status verleiht, verwehrt wird. Das Kriterium der Verwehrung des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, bezieht sich auf Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaats, dem er angehört, sondern das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen. Sollten derartige Gründe bestehen, würde die gegenüber einem Fremden ausgesprochene Anordnung, das Bundesgebiet wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts zu verlassen, dem Unionsrecht widersprechen und daher nicht zulässig sein (vgl. hiezu etwa VwGH 19.12.2012, 2012/22/02

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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