TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/3 VGW-031/055/16591/2021

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Veröffentlicht am 03.03.2022
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Entscheidungsdatum

03.03.2022

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung
90/02 Führerscheingesetz

Norm

StVO 1960 §58 Abs1
StVO 1960 §99 Abs3 lita
FSG-GV §6 Abs1 Z5
  1. StVO 1960 § 58 heute
  2. StVO 1960 § 58 gültig ab 01.10.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  3. StVO 1960 § 58 gültig von 01.07.1983 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 174/1983
  1. StVO 1960 § 99 heute
  2. StVO 1960 § 99 gültig ab 01.09.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 154/2021
  3. StVO 1960 § 99 gültig von 31.03.2013 bis 31.08.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/2013
  4. StVO 1960 § 99 gültig von 01.09.2012 bis 30.03.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012
  5. StVO 1960 § 99 gültig von 01.01.2012 bis 31.08.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 59/2011
  6. StVO 1960 § 99 gültig von 31.05.2011 bis 31.12.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 34/2011
  7. StVO 1960 § 99 gültig von 01.09.2009 bis 30.05.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009
  8. StVO 1960 § 99 gültig von 26.03.2009 bis 31.08.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2009
  9. StVO 1960 § 99 gültig von 02.04.2005 bis 25.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 15/2005
  10. StVO 1960 § 99 gültig von 25.05.2002 bis 01.04.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 80/2002
  11. StVO 1960 § 99 gültig von 01.01.2002 bis 24.05.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 32/2002
  12. StVO 1960 § 99 gültig von 24.07.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 134/1999
  13. StVO 1960 § 99 gültig von 22.07.1998 bis 23.07.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/1998
  14. StVO 1960 § 99 gültig von 06.01.1998 bis 21.07.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 3/1998
  15. StVO 1960 § 99 gültig von 28.01.1997 bis 05.01.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/1997
  16. StVO 1960 § 99 gültig von 01.10.1994 bis 27.01.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  17. StVO 1960 § 99 gültig von 01.05.1986 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 105/1986

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Dr. Forster über die Beschwerde des Herrn Mag. A. B. vom 28. Oktober 2021 gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Donaustadt, vom 28. September 2021, Zl. VStV/…/2021, betreffend eine Übertretung des § 58 Abs. 1 StVO, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12. Jänner 2022

zu Recht:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die Übertretungsnorm „§ 58 Abs. 1 StVO, BGBl. 1960/159 idF BGBl. 1994/518“ und die Strafsanktionsnorm „§ 99 Abs. 3 lit. a StVO, BGBl. 1960/159 idF BGBl. I 2013/39“ lauten.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 40,– (das sind 20 Prozent der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, sofern diese nicht bereits nach § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Verfahrensgang

1. Mit Straferkenntnis vom 28. September 2021, Zl. VStV/…/2021, zugestellt am 4. Oktober 2021, erkannte die Landespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer für schuldig, eine Übertretung des § 58 Abs. 1 StVO begangen zu haben. Die Behörde nahm es hierbei als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer am 28. Mai 2021, um 23:30 Uhr, in 1220 Wien, Am Kaisermühlendamm (nächst dem Parkplatz „Neue Donau Mitte“) den Personenkraftwagen mit dem behördlichen Kennzeichen KO-1 (A) gelenkt habe, obwohl sich sein rechter Fuß in einem Gips befunden habe und der Beschwerdeführer damit nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung gewesen sei, in der er es vermochte, das Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken des Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen.

Im Hinblick auf diese Übertretungen verhängte die Landespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer mit dem genannten Straferkenntnis gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe iHv EUR 200,– (Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen und 20 Stunden) und verpflichtete ihn gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Beitrages zu den Verfahrenskosten iHv EUR 20,–. Begründend verwies die Landespolizeidirektion Wien hierzu insbesondere auf die nach eigener dienstlicher Wahrnehmung des Meldungslegers erstattete Anzeige vom 4. Juni 2021. Im konkreten Fall sei die Fahrfähigkeit des Beschwerdeführers nicht vorgelegen, insbesondere habe es sich bei dem von ihm gelenkten Fahrzeug um ein Fahrzeug mit Gangschaltung gehandelt, weshalb eine besondere Geschicklichkeit und Bewegungsfreiheit des Fahrers notwendig sei. Auch bei einem Fahrzeug mit Automatikschaltung sei die einwandfreie Beweglichkeit des Fahrers vorausgesetzt, um auf plötzliche, für den Fahrer nicht vorhersehbare Gefahrensituationen bestmöglich reagieren zu können.

Im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigte die Landespolizeidirektion Wien den erheblichen Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung und das nicht als gering anzusehende Verschulden des Beschwerdeführers. Diesem komme der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute, sonstige Erschwerungs- oder Milderungsgründe seien nicht hervorgekommen.

2. In seiner gegen dieses Straferkenntnis gerichteten Beschwerde vom 28. Oktober 2021 führt der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass die Behörde in keiner Weise auf seine bisherigen Ausführungen eingegangen sei. Er sei ganz normal in der Lage gewesen, das Fahrzeug zu bedienen. Hierzu würde er Bilder und ein Video mitschicken.

3. Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde sowie den Akt des Verwaltungsverfahrens vor, wobei sie auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und für den Fall einer Durchführung auf eine Teilnahme daran verzichtete. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 24. November 2021 beim Verwaltungsgericht Wien ein.

4. Am 12. Jänner 2022 fand in Anwesenheit des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, in deren Rahmen der Zeuge Insp. C. einvernommen wurde. Am Ende dieser Verhandlung verzichtete der Beschwerdeführer auf eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses.

II. Sachverhalt

Für das Verwaltungsgericht Wien steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

1. Der Beschwerdeführer lenkte am 28. Mai 2021, um 23:30 Uhr, in 1220 Wien, Am Kaisermühlendamm (nächst dem Parkplatz „Neue Donau Mitte“), den Personenkraftwagen mit dem behördlichen Kennzeichen KO-1 (A), wobei er an seinem rechten Fuß einen Gips trug. Dieser Gips bestand außen aus einem blauen Kunststoffgerippe und war innen mit Verbandsmaterial ausgelegt. Er deckte ca. zwei Drittel des Fußes des Beschwerdeführers ab und reichte nach einem Knick am Fußgenlenk bis knapp unter das Knie. Die Zehen blieben dabei frei. Die Bewegungsmöglichkeit bzw. die Möglichkeit, das Fußgelenk abzuknicken, waren durch den Gips stark eingeschränkt.

Der Gips war auf einen Wadenbeinbruch des Beschwerdeführers zurückzuführen, welchen sich dieser bei einem Paragleitunfall am 23. April 2021 zugezogen hatte. Die ersten zwei Wochen nach Anlegen des Gipses musste der Beschwerdeführer mit Krücken gehen, anschließend war das Gehen über kurze Strecken auch ohne Krücken möglich – obgleich der Beschwerdeführer bis zur Abnahme des Gipses, und sohin auch zum Zeitpunkt der Beanstandung, diese weiterhin verwendete. Im Krankenhaus wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er das Bein erst nach Abnahme des Gipses wieder voll belasten solle. Der Gips wurde alle 14 Tage gewechselt, wobei es sich immer um dasselbe Modell handelte. Ein paar Tage nach der Beanstandung am 28. Mai 2021 wurde der Gips wieder entfernt.

Das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug verfügte über ein Automatikgetriebe.

2. Der am … geborene Beschwerdeführer bezieht derzeit ein Einkommen iHv EUR 470,– monatlich, verfügt über kein Vermögen und ist für zwei Kinder sorgepflichtig.

3. Der Beschwerdeführer wies zum Tatzeitpunkt eine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung auf, welche nach wie vor nicht getilgt ist.

III. Beweiswürdigung

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, Würdigung des Beschwerdevorbringens und Einvernahme des Zeugen Insp. C. in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

1. Tatort, Tatzeit und die Eigenschaft des Beschwerdeführers als Lenker des o.a. Fahrzeuges blieben im Verfahrensverlauf unstrittig. Die Feststellungen zum Gips fußen auf einer Begutachtung desselben in der mündlichen Verhandlung am 12. Jänner 2022, zu welcher der Beschwerdeführer diesen Gips mitbrachte. Der Gips war zu diesem Zeitpunkt zwar an der Vorderseite über die gesamte Länge aufgeschnitten, allerdings konnten seine wesentlichen Eigenschaften nach wie vor untersucht werden. Insbesondere ergab sich beim Versuch, den Gips abzubiegen, dass dies (trotz der zwischenzeitlichen Öffnung an der Vorderseite) kaum möglich war (vgl. Seite 2 des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellungen zum Unfall des Beschwerdeführers, der Anbringung und Abnahme des Gipses, dem Gipswechsel, der Auskunft im Krankenhaus und der zusätzlichen Verwendung von Krücken stützen sich auf die Ausführungen des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 12. Jänner 2022, an denen kein Grund zu zweifeln hervorgekommen ist (vgl. Seite 2 f. des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellung, wonach das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug über ein Automatikgetriebe verfügte, stützt sich auf die Aussage des Beschwerdeführers im Verfahren vor der Behörde und im Rahmen des Beschwerdeverfahrens. Die Behörde ging zwar zunächst im Hinblick auf die Angabe in der Anzeige davon aus, dass das Fahrzeug mit einer Gangschaltung ausgestattet war. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung konnte sich der Zeuge Insp. C. hingegen nicht mehr daran erinnern, ob dies tatsächlich der Fall war (vgl. Seite 4 des Verhandlungsprotokolls).

2. Die Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen Angaben im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung, an denen kein Grund zu zweifeln hervorgekommen ist.

3. Die Vormerkung des Beschwerdeführers ist dem Akt zu entnehmen.

IV. Rechtsgrundlagen

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO. 1960), BGBl. 1960/159 idF BGBl. I 2013/39, lauten:

„V. ABSCHNITT

Allgemeine Vorschriften über den Fahrzeugverkehr.

§ 58. Lenker von Fahrzeugen.

(1) Unbeschadet der Bestimmungen des § 5 Abs. 1 darf ein Fahrzeug nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag. Sind diese Voraussetzungen offenbar nicht gegeben, so sind die Bestimmungen des § 5b sinngemäß anzuwenden.

(2) […]

[…]

§ 99. Strafbestimmungen.

(1) […]

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,

b) […]“

V. Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 58 Abs. 1 StVO darf – unbeschadet der Bestimmungen des § 5 Abs. 1 StVO – ein Fahrzeug nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag. Sind diese Voraussetzungen offenbar nicht gegeben, so sind die Bestimmungen des § 5b StVO sinngemäß anzuwenden. Übertretungen dieser Bestimmung bilden gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Verwaltungsübertretung und werden mit einer Geldstrafe bis zu EUR 726,–, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, geahndet.

2. Im Lichte der obigen Beweisergebnisse steht für das Verwaltungsgericht Wien fest, dass der Beschwerdeführer das Tatbild dieser Verwaltungsübertretung verwirklicht hat, indem er zum angelasteten Tatzeitpunkt und am angelasteten Tatort ein Fahrzeug gelenkt hat, obwohl er dabei durch einen Gips an seinem rechten Bein erheblich in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Mag es auch sein, dass der Beschwerdeführer – wie er im Verfahren mehrfach vorbrachte – subjektiv des Gefühl hatte, sicher über das von ihm gelenkte Fahrzeug zu verfügen, kann bei einer objektiven Betrachtung keinesfalls davon gesprochen werden, dass er sich mit einem vom Knie bis zu den Zehen reichenden steifen Gips am rechten Bein in einer körperlichen Verfassung befand, in der er das Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermochte. Im vorliegenden Fall war nicht bloß die Bewegungsfreiheit und damit auch die Reaktionsmöglichkeit des Beschwerdeführers aufgrund des Gipses stark eingeschränkt – womit nicht davon ausgegangen werden kann, dass er das Fahrzeug in einem ausreichendem, für die Verkehrssicherheit notwendigen Ausmaß „beherrschen“ konnte. Darüber hinaus wären die Einschränkungen auch dann relevant geworden, wenn der Beschwerdeführer aufgrund eines Unfalles oder eines sonstigen Ereignisses gezwungen gewesen wäre, das Fahrzeug schnellstmöglich zu verlassen oder sich außerhalb des Fahrzeuges rasch fortzubewegen (vgl. u.a. die Hilfeleistungspflicht gemäß § 4 Abs. 2 und 3 StVO). Hierbei macht es keinen (relevanten) Unterschied, ob das Fahrzeug mit einer Gangschaltung oder einer Automatikschaltung ausgestattet ist (vgl. zur Beeinträchtigung durch einen Gipsverband auch Pürstl, StVO-ON15.00 [2019] § 58, Anm 1).

In diesem Zusammenhang kann auch auf die Vorgaben der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung – FSG-GV), BGBl. II 1997/322, verwiesen werden: Gemäß § 6 Abs. 1 Z 5 dieser Verordnung gilt eine Person nur dann als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend frei von Behinderungen, wenn (unter anderem) keine eingeschränkte Beweglichkeit der Gelenke, Muskulatur und Gliedmaßen, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges beeinträchtigen kann, vorliegt.

Im Übrigen ist auch davon auszugehen, dass den zur Überwachung des öffentlichen Verkehrs bestellten und besonders geschulten Organen zugebilligt werden kann, dass sie in der Lage sind, die für die Frage, ob eine Verletzung des § 58 Abs. 1 StVO anzunehmen ist, relevanten Umstände richtig zu erfassen (vgl. VwGH 4.7.1980, 1949/78; 28.11.1990, 90/03/0172). Insofern wird die oben wiedergegebene Annahme auch durch die Aussage des Zeugen Insp. C. gestützt, welcher aufgrund seiner eigenen Wahrnehmungen im Zeitpunkt der Anhaltung davon ausging, dass sich der Beschwerdeführer damals nicht in jener körperlichen Verfassung befunden hat, die nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung für das Lenken eines Fahrzeuges vorausgesetzt sind.

Wenn der Beschwerdeführer durch Bilder und Videos beweisen möchte, dass er sehr wohl in der Lage ist, das Fahrzeug mit jenem Gips zu lenken, den er auch am Tag der Beanstandung getragen hat, vermögen die damit dokumentierten (in sicherer Umgebung und unter kontrollierten Umständen durchgeführten) Fahrten keine andere Beurteilung des vorliegenden Falles aufzuzeigen. Ob und inwiefern der Beschwerdeführer hierdurch weitere Verwaltungsübertretungen verwirklicht hat, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

3. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine verwaltungsstrafrechtliche Vorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang das Außerachtlassen der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt, welche dem Täter allerdings nur dann zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn es ihm unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls auch zuzumuten war, sie tatsächlich aufzuwenden. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass hierbei ein objektiv-normativer Maßstab zur Anwendung gelangt, wobei ein einsichtiger und besonnener Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat, als Maßfigur heranzuziehen ist. Vor diesem Hintergrund handelt der Täter dann objektiv sorgfaltswidrig, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. In Ermangelung einschlägiger ausdrücklicher Vorschriften richtet sich das Maß der einzuhaltenden objektiven Sorgfalt insbesondere nach dem, was von einem sich seiner Pflichten gegen die Mitwelt bewussten, dem Verkehrskreis des Täters angehörenden Menschen billigerweise verlangt werden kann – mithin aus der Verkehrssitte (VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092).

Da sich die tatbildmäßige Handlung in einem bestimmten Verhalten erschöpft, ist die angelastete Verwaltungsübertretung als Ungehorsamsdelikt zu qualifizieren. Im Fall, dass die Tat nicht mit einer Geldstrafe von über EUR 50.000,– bedroht ist und das tatbildmäßige Verhalten festgestellt wurde, gilt bei derartigen Delikten gemäß § 5 Abs. 1 und 1a VStG die gesetzliche Vermutung einer fahrlässigen Tatbegehung. Es obliegt insofern dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft und jeden für seine Entlastung sprechenden Umstand initiativ darzulegen (vgl. VwGH 11.11.2019, Ra 2018/08/0195).

Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich kein substantiiertes Vorbringen erstattet, weshalb nicht glaubhaft gemacht werden konnte, dass ihm die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschrift ohne sein Verschulden nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre.

4. Der Beschwerdeführer hat die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung damit sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht.

5. Zur Strafbemessung:

Gemäß § 10 VStG richten sich die Strafart und der Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit im Verwaltungsstrafgesetz nichts anderes bestimmt ist.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG bilden die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat die Grundlage für die Bemessung der Strafe. Im ordentlichen Verfahren sind gemäß § 19 Abs. 2 VStG überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Gemäß § 16 Abs. 1 und 2 VStG ist zugleich mit der Geldstrafe für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen, welche (ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG) nach den Regeln der Strafbemessung bestimmt wird und das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe bzw., wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen darf; eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Im Hinblick auf die Strafbemessungsvorgaben des § 19 VStG ist im ordentlichen Strafverfahren und somit auch bei der Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe besonders auf das Ausmaß des Verschuldens Bedacht zu nehmen. Hingegen sind die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters nur bei der Bemessung der Geldstrafe, nicht aber der Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend (VwGH 28.05.2013, 2012/17/0567).

Die Strafbemessung setzt entsprechende Erhebungen dieser Umstände durch das Verwaltungsgericht voraus, wobei allerdings in der Regel mit den Angaben des Beschuldigten das Auslangen zu finden sein wird (vgl. zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 VwGH 22.12.2008, 2004/03/0029 mwN).

Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat schädigte in nicht unerheblichem Ausmaß das öffentliche Interesse an der Wahrung der Verkehrssicherheit. In diesem Sinn kann der objektive Unrechtsgehalt keinesfalls als gering erachtet werden.

In Anbetracht der objektiv gebotenen und dem Beschwerdeführer zumutbaren Sorgfalt ist auch das Ausmaß des Verschuldens im vorliegenden Fall keinesfalls als geringfügig einzuschätzen. Es ist nicht anzunehmen, dass die Einhaltung der verletzten Rechtsvorschrift durch den Beschwerdeführer eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung des Straftatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Der Beschwerdeführer ist entgegen der Annahme im angefochtenen Straferkenntnis nicht unbescholten, weshalb ihm der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht zugute kommt. Sonstige Erschwerungs- oder Milderungsgründe sind nicht hervorgekommen.

Der Beschwerdeführer weist ungünstige Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf und ist für zwei Kinder sorgepflichtig.

Bei der Bemessung der Strafe sind auch generalpräventive Überlegungen zu berücksichtigen, weil auch sonstigen Personen das besondere Gewicht der betreffenden Verwaltungsvorschriften aufzuzeigen ist (zur Zulässigkeit der Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen vgl. u.a. VwGH 15.5.1990, 89/02/0116; 25.4.1996, 92/06/0038).

Angesichts der dargelegten Strafzumessungsgründe – insbesondere im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Tat und die Tatsache, dass der Beschwerdeführer entgegen der Annahme im angefochtenen Straferkenntnis nicht unbescholten ist – erweist sich die verhängte Geldstrafe im Ausmaß von rund 28 Prozent des Strafrahmens, ungeachtet der ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers und seiner Sorgepflichten, nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien als tat- und schuldangemessen. Ebenso ist die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe im Verhältnis zur verhängten Geldstrafe und dem gesetzlichen Strafrahmen als gesetzeskonform und angemessen anzusehen.

6. Dem Gebot des § 44a Z 2 VStG zur Bezeichnung jener Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, wird nicht entsprochen, wenn diese Vorschrift nicht unter Zitierung der entsprechenden Norm im Spruch angeführt wird. Hierzu zählt auch die Angabe der – richtigen – Fundstelle, wobei dem Gebot der ausreichend deutlichen Angabe der Fundstelle der verletzten Verwaltungsvorschrift nur dann Rechnung getragen wird, wenn die Fundstelle jener Novelle angegeben wird, durch welche die als verletzt betrachtete Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten hat. Ein diesbezüglich unrichtiger oder unvollständiger Ausspruch im Spruch kann durch Ausführungen in der Begründung des Straferkenntnisses nicht ersetzt werden (VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0013).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes waren hinsichtlich der im angefochtenen Straferkenntnis genannten Übertretungs- und Strafsanktionsnormen jeweils deren genaue Fundstellen zu ergänzen.

7. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

8. Da es sich um eine Verwaltungsstrafsache handelt, bei der eine Geldstrafe von weniger als EUR 750,– verhängt werden durfte und lediglich eine Geldstrafe von EUR 200,– verhängt wurde, ist eine Revision des Beschwerdeführers wegen Verletzung in Rechten gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG im vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG nicht zulässig. Im Übrigen ist die ordentliche Revision unzulässig, weil im Beschwerdefall keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die vorliegende Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder ist diese als uneinheitlich anzusehen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Lenken eines Fahrzeuges; Gips; fehlende Bewegungsfreiheit; gesundheitliche Eignung; Verkehrssicherheit; Automatikschaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.055.16591.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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