TE Lvwg Erkenntnis 2022/4/20 LVwG-S-1078/001-2021

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Veröffentlicht am 20.04.2022
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Entscheidungsdatum

20.04.2022

Norm

StVO 1960 §20 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Dr. Köchle als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 28. April 2021 Zl. ***, betreffend Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG insofern stattgegeben, als die von der Behörde festgesetzte Geldstrafe in der Höhe von 150,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 69 Stunden) auf 75,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 34 Stunden) herabgesetzt wird.

Im Übrigen wird das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt,

-    dass in der Tatbeschreibung der zweite Satz („165 km/h gefahrene Geschwindigkeit nach Abzug von der in Betracht kommenden Messtoleranz.“) zu entfallen hat,

-    dass es gemäß § 44a Z 2 VStG bei der verletzten Rechtsvorschrift

§ 20 Abs. 2 StVO, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 52/2005

-    und bei der Strafsanktionsnorm „§ 99 Abs. 3 lit. a StVO, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 154/2021“ zu heißen hat.

2.   Die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens werden gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG mit 10,-- Euro neu festgesetzt. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Zahlungshinweis:

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe idHv 75,-- Euro plus Kostenbeitrag zum verwaltungsstrafbehördlichen Verfahren idHv 10,-- Euro, kein Kostenbeitrag zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren) beträgt 85,-- Euro und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen an die Bezirkshauptmannschaft Melk einzuzahlen.

Entscheidungsgründe:

1.   Verfahrensgegenstand und Verfahrensgang:

1.1. Mit dem in Beschwerde gezogenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Melk (im Folgenden: belangte Behörde) vom 28. April 2021 Zl. *** wurde dem Beschwerdeführer folgende Verwaltungsübertretung angelastet:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung behangen:

Zeit:             12.08.2020, 07:34

Ort:              Gemeindegebiet *** auf der Autobahn *** zwischen Strkm. *** und Strkm. ***, Fahrtrichtung ***

Fahrzeug:   ***, Lastkraftwagen

Tatbeschreibung:

Auf der Autobahn schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren.
165 km/h gefahrene Geschwindigkeit nach Abzug von der in Betracht kommenden Messtoleranz.“

Dadurch habe der Beschwerdeführer „§ 20 Abs.2 StVO 1960, § 99 Abs.2d StVO 1960“ verletzt und wurde über ihn gestützt auf „§ 99 Abs.2d StVO 1960“ eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 150,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 69 Stunden) verhängt.

Begründend wird ausgeführt, das Straferkenntnis gründe sich auf das Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie auf die verfahrensauslösende Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion *** vom 21.08.2020.

Da der Sachverhalt durch ein im Dienst befindliches Organ der Straßenaufsicht wahrgenommen worden sei, könne die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auch entgegen dessen Rechtfertigungsangaben als erwiesen angenommen werden.

Hinsichtlich der subjektiven Tatseite wird im Straferkenntnis auf § 5 VStG verwiesen und ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei ein Entlastungsbeweis, wonach ihn entgegen der gesetzlichen Vermutung kein Verschulden treffe, nicht gelungen.

Bei der Strafbemessung ging die Behörde von einem monatlichen Einkommen des Beschwerdeführers in der Höhe von 1.500,-- Euro aus. Mildernd wurde nichts, erschwerend das Vorliegen einschlägiger, noch nicht getilgter Verwaltungsstrafvormerkungen gewertet.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerde fristgerecht eine mit „Einspruch“ bezeichnete Beschwerde.

Begründend bringt der Beschwerdeführer in dieser zusammengefasst vor, es sei einerseits aufgrund der damals gegebenen Verkehrsverhältnisse und andererseits aus technischer Sicht gar nicht möglich, dass er mit dem spruchgegenständlichen Fahrzeug, bei dem es sich um einen Kastenwagen, der 100 PS habe, handle, eine Geschwindigkeit von 165 km/h gefahren sei. Auch durch seinen „Kfz-Meister“ sei dem Beschwerdeführer gesagt worden, dass das spruchgegenständliche Fahrzeug nicht einmal dann, wenn es neu sei, geschweige denn dann, wenn es so alt sei, wie das konkrete, spruchgegenständliche Fahrzeug und einen Kilometerstand wie eben dieses aufweise, eine Geschwindigkeit von 165 km/h erreichen könne. Auch sei es völlig lebensfremd anzunehmen, dass der Beschwerdeführer einen so alten Firmenwagen teuer so modifiziert haben könnte, dass mit diesem eine so hohe Geschwindigkeit erreicht werden könnte. Vielleicht sei ja – so die Ausführungen in der Beschwerde – die Geschwindigkeit eines anderen Fahrzeuges gemessen oder geschätzt worden.

1.3. Diese Beschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich von der belangten Behörde samt Verwaltungsakt – ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung – zur Entscheidung vorgelegt.

1.4. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich richtete Anfragen an die ASFINAG und die ZAMG betreffend das Vorliegen eines Gefälles am in Frage stehenden Tatort und betreffend die Wind- und Wetterverhältnisse zur angelasteten Tatzeit am Tatort. Weiters nahm das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich Einsicht in den Verwaltungsakt und wurde am 19.04.2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher Beweis erhoben wurde durch Anhörung und Befragung des Beschwerdeführers, durch zeugenschaftliche Befragung des Meldungslegers, Herrn B, und durch Einholung einer fachlichen Stellungnahme des der mündlichen Verhandlung beigezogenen Amtssachverständigen, C.

2. Feststellungen:

2.1. Der Beschwerdeführer, Herr A, lenkte am 12.08.2020, gegen 07:34 Uhr das spruchgegenständliche Kraftfahrzeug auf der Autobahn ***, im Gemeindegebiet *** zwischen Straßenkilometer *** und Straßenkilometer *** in Fahrtrichtung ***.

2.2. Bei dem spruchgegenständlichen Kraftfahrzeug handelt es sich um einen weißen Kastenwagen, Ford Transit, mit dem Kennzeichen ***, Baujahr 2014, der zur Tatzeit einen Kilometerstand von jedenfalls mehr als 150.000 Kilometer aufwies. Die Bauartgeschwindigkeit des spruchgegenständlichen Kraftfahrzeuges, auf die dieses zugelassen ist, beträgt 150 km/h. Es kann nicht festgestellt werden, dass am spruchgegenständlichen Fahrzeug vor der angelasteten Tatzeit leistungserhöhende Veränderungen vorgenommen worden wären.

2.3. Der Beschwerdeführer fuhr mit dem spruchgegenständlichen Fahrzeug zur angelasteten Tatzeit auf der Autobahn *** zwischen Straßenkilometer *** und Straßenkilometer *** in Fahrtrichtung *** erheblich, also zumindest 10 km/h schneller als 130 km/h. Dass der Beschwerdeführer mit dem spruchgegenständlichen Fahrzeug 165 km/h oder jedenfalls schneller als 160 km/h gefahren wäre, kann nicht festgestellt werden.

2.4. Es scheint eine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung des Beschwerdeführers wegen einer Übertretung von § 20 Abs. 2 StVO auf, die zur angelasteten Tatzeit bereits rechtskräftig war und die zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht getilgt ist.

2.5. Der Beschwerdeführer ist selbstständig tätig und verfügt über ein monatliches Einkommen zwischen 1.500,-- Euro und 2.000,-- Euro und ist dieser sorgepflichtig für zwei minderjährige Kinder.

3.   Beweiswürdigung:

3.1. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere auf der verfahrensauslösenden Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 21.8.2020, auf den Stellungnahmen der Polizeiinspektion *** vom 25.10.2020 und vom 24.02.2021 und auf den Ergebnissen der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, im Zuge derer der Beschwerdeführer angehört und befragt sowie der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen und eine fachliche Stellungnahme eines Amtssachverständigen für kraftfahrzeugtechnische Angelegenheiten eingeholt wurde.

3.2. Dass der Beschwerdeführer das spruchgegenständliche Fahrzeug zur angelasteten Tatzeit am in Frage stehenden Tatort gelenkt hat, wurde von keiner der Verfahrensparteien zu irgendeinem Zeitpunkt bestritten und ergibt sich dies auch aus der verfahrenseinleitenden Anzeige.

3.3. Den Feststellungen zum spruchgegenständlichen Fahrzeug liegen die durch den Beschwerdeführer gemachten Angaben sowie die aus dem aktenkundigen Zulassungsschein ersichtlichen Informationen betreffend eben dieses Fahrzeug zugrunde. Die (Negativ-)Feststellung, dass keine leistungssteigernde Veränderungen festgestellt werden können, beruht zum einen darauf, dass durch den zeugenschaftlich einvernommen Meldungsleger angegeben wurde, dass eine Anhaltung und Besichtigung des Fahrzeuges zur angelasteten Tatzeit nicht stattgefunden habe und zum anderen darauf, dass die Vornahme solcher Veränderungen durch den Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens bestritten wurden und im Übrigen der Amtssachverständige angegeben hat, dass nicht mehr festgestellt werden könne, ob zur angelasteten Tatzeit leistungssteigernde Veränderungen am Fahrzeug vorlagen oder nicht.

3.4. Die Feststellung zur durch den Beschwerdeführer zur Tatzeit gefahrenen Geschwindigkeit beruhen zusammengefasst auf der glaubwürdigen und schlüssigen Zeugenaussage des Meldungslegers, dies in Zusammenschau mit der nach Ansicht des Verwaltungsgerichts schlüssigen und nachvollziehbaren fachlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen für kraftfahrzeugtechnische Angelegenheiten in der mündlichen Verhandlung, der der Beschwerdeführer auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist.

So hat der zeugenschaftlich befragte Meldungsleger unumwunden zugestanden, dass er sich an den konkreten Messvorgang nicht mehr genau erinnern könne, weil dies zu lange zurückliege. Er gab aber insgesamt glaubwürdig und schlüssig an, dass von ihm Geschwindigkeitsmessungen mittels Stopp-Uhr stets auf dieselbe Art vorgenommen würden, wobei er angab, dass dies in einer Schulung vor rund 4 bis 5 Jahren erläutert worden sei und er seither rund 1 bis 2 Mal im Monat auf diese Art und Weise Geschwindigkeiten messe. Dafür, dass er im konkreten Fall anders vorgegangen sein könnte, liegen keinerlei Hinweise vor und ist davon auszugehen, dass gerade ein geschultes Organ der öffentlichen Aufsicht es etwa in der Anzeige vermerken würde, wenn in einem Einzelfall anders als sonstig üblich bzw. als standardmäßig vorgegangen worden wäre. Der Zeuge schilderte weiters nachvollziehbar, dass er (nur) dann einem Fahrzeug nachfahre und durch Stoppen der durch das Fahrzeug für eine bestimmte, durch 2 Messpunkte (vorliegend die Kilometrierungen auf der Autobahn) abgegrenzte Strecke benötigten Zeit die gefahrene Geschwindigkeit ermittle, wenn ein Fahrzeug schon zuvor dahingehend aufgefallen sei, dass es den Eindruck erweckte, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wird.

Die durch den Zeugen geschilderte, standardmäßig angewandte Methodik wurde durch den Amtssachverständigen als aus technischer Sicht geeignet angesehen, um Geschwindigkeitsüberschreitungen feststellen zu können und kam der Amtssachverständige selbst unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von jeweils 1,5 Sekunden sowohl beim Auslösen als auch beim Anhalten n der Stopp-Uhr zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer rund 145 km/h gefahren ist, wobei der Amtssachverständige auch eindeutig zu dem Ergebnis kam, dass eine solche Geschwindigkeit durch das in Frage stehende Fahrzeug des Beschwerdeführers auch erreicht werden konnte. Vor diesem Hintergrund steht fest, dass der Beschwerdeführer schneller als die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren ist.

Dass der Beschwerdeführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mehr als 30 km/h überschritten hätte, kann demgegenüber nicht festgestellt werden, zumal nach den schlüssigen Ausführungen des Amtssachverständigen gerade dann, wenn die Geschwindigkeit mittel Nachfahren und Stopp-Uhr gemessen wird, gewisse Toleranzen hinsichtlich der Reaktionszeit und Unschärfen bei der Wahrnehmung zu miteinzukalkulieren sind, was bei der durch Meldungsleger vorgenommenen und und im Straferkenntnis übernommenen Berechnung nicht berücksichtigt wurde.

Vor dem Hintergrund der schlüssigen, die als glaubwürdig anzusehenden, zeugenschaftlich gemachten Ausführungen des Meldungslegers berücksichtigenden fachlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen für Kraftfahrzeugtechnik kann zwar somit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nicht nur bloß unerheblich schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren ist, nicht festgestellt werden kann jedoch, dass dieser schneller als 160 km/h gefahren ist, weshalb die entsprechenden Feststellungen zu treffen sind.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, wonach allenfalls die Geschwindigkeit eines anderen Fahrzeuges gemessen worden sein könnte, wird nicht gefolgt, zumal der zeugenschaftlich befragte Meldungsleger, bei dem es sich um ein besonders geschultes Exekutivorgan handelt, glaubwürdig und auch nachvollziehbar angegeben hat, dass er unmittelbar hinter dem Fahrzeug, dessen Geschwindigkeit gemessen werde, fahre und er sich bei nächster Gelegenheit insbesondere auch das Kennzeichen des Fahrzeuges auch schriftlich notiere. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer auch selbst nicht bestreitet, zur in Frage stehenden Zeit am Tatort das spruchgegenständliche Fahrzeug gelenkt zu haben und kein Grund für die Annahme besteht, dass der Meldungsleger ein falsches Kennzeichen notiert haben könnte, kann es als erwiesen angesehen werden, dass durch den Meldungsleger – so wie es dieser in der am Tag nach dem in Frage stehenden Vorfall erstatteten Anzeige festgehalten hat – die Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Beschwerdeführers und nicht etwa die eines anderen Fahrzeuges mittels Nachfahren und Stoppuhr gemessen hat.

3.5. Der Feststellung zu den allseitigen Verhältnissen des Beschwerdeführers liegen die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Grunde.

3.6. Hinsichtlich der verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkung des Beschwerdeführers wegen einer Übertretung von § 20 Abs. 2 StVO ist auf den Auszug betreffend die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des Beschwerdeführers bei der Landespolizeidirektion Wien vom 01.12.2020 zu verweisen. Darin scheint unter anderem eine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung wegen Übertretung von § 20 Abs. 2 StVO (Zl. ***) auf, hinsichtlich derer die Tilgungsfrist am 08.02.2020 zu laufen begonnen hat.

4.   Rechtslage:

§ 20 und § 99 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) in der hier maßgeblichen Fassung lauten auszugsweise wie folgt:

 

㤠20. Fahrgeschwindigkeit.

[…]

(2) Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

[…]

§ 99. Strafbestimmungen.

(2d) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 150 bis 5000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschreitet.

(2e) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 150 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.

[…]“

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

           

a)  wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,

b) […]

[…]“

5.   Erwägungen:

5.1. Dem Beschwerdeführer wird mit dem angefochten Straferkenntnis angelastet, er sei auf der Autobahn schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren, wobei die Behörde davon ausging, dass der Beschwerdeführer mit einer Geschwindigkeit von 165 km/h gefahren sei.

5.2. Soweit durch den Beschwerdeführer gerügt wurde, dass die Geschwindigkeitsmessung nicht mit einem geeichten Messgerät erfolgte, ist vorauszuschicken, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Verwendung einer Stoppuhr zur Ermittlung einer allfälligen Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer bestimmten, durch Messpunkte begrenzten Strecke grundsätzlich eine zuverlässige Methode darstellt, ohne dass es der Verwendung eines geeichten Gerätes bedarf (vgl. VwGH 29.01.1992, 91/02/0121; VwGH 12.03.1986, 85/03/0176 mwN).

5.3. Dass der Beschwerdeführer mit dem spruchgegenständlichen Fahrzeug zur angelasteten Tatzeit am angelasteten Tatort schneller als 130 km/h gefahren ist, konnte aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens, im Zuge dessen der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen wurde und durch den Amtssachverständigen für Kraftfahrzeugtechnik eine schlüssige Stellungnahme abgegeben wurde, der nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten wurde, getroffen werden und besteht daran, dass der Beschwerdeführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h zur Tatzeit am angelasteten Tatort überschritten hat, aus den oben dargelegten Gründen aus Sicht des erkennenden Verwaltungsgerichts kein Zweifel.

Dass der Beschwerdeführer nicht nur schneller als 130 km/h, sondern auch schneller als 160 km/h gefahren ist, womit der Beschwerdeführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschritten hätte, kann hingegen nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.

5.4. Gemäß § 20 Abs. 2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeugs auf der Autobahn nicht schneller als 130 km/h fahren. Die Höhe der für das Überschreiten dieser zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorgesehenen Strafen hängen insbesondere vom Ausmaß der feststellbaren Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ab:

So begeht, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschreitet, eine gem. § 99 Abs. 2d StVO zu ahnende Verwaltungsübertretung, für die die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von 150,-- bis 5.000,-- Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit einer Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis zu sechs Wochen, vorgesehen ist.

Wer die in § 20 Abs. 2 StVO vorgesehene Höchstgeschwindigkeit überschreitet, ohne dass besondere, den Strafsatz erhöhende Umstände, wie sie ua für eine Subsumption beispielsweise unter § 99 Abs. 2d StVO oder § 99 Abs. 2e StVO erforderlich sind, vorliegen, begeht eine nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 zu ahndende Verwaltungsübertretung, für die die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von bis zu 726,-- Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, vorgesehen ist.

5.5. Da der Beschwerdeführer wie festgestellt zur angelasteten Tatzeit am in Frage stehenden Tatort schneller als 130 km/h gefahren ist, hat er die in § 20 Abs. 2 StVO vorgesehene, für Autobahnen vorgesehene zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten und liegt somit eine Verletzung von § 20 Abs. 2 VStG vor.

Da mangels Feststellbarkeit nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Ausmaß der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mehr als 30 km/h betragen hat, kann demgegenüber nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer durch die in Frage stehende Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine nach § 99 Abs. 2d StVO zu bestrafende Verwaltungsübertretung begangenen hat, sondern ist die dem Beschwerdeführer anzulastende Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO zu ahnden.

5.6. Da das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung weder ein Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs. 2 StVO noch des § 52 Z 10a StVO jeweils i.V.m. § 99 Abs. 3 lit. a StVO darstellt, bedarf es der Angabe des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung im Spruch des Straferkenntnisses nicht, weshalb der zweite Satz der Tatbeschreibung entfallen kann.

5.7. Zur subjektiven Tatseite ist auszuführen, dass es sich bei einer Verwaltungsübertretung wie der dem Beschwerdeführer vorliegend angelasteten um ein Ungehorsamsdelikt handelt.

Im Zusammenhang mit Ungehorsamsdelikten iSd § 5 Abs. 1 VStG wie der vorliegenden Geschwindigkeitsübertretung besteht von vornherein die Vermutung des Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens). Es ist Sache des Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden traf und initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht (vgl. VwGH vom 11.01.2018, Ra 2017/11/0152). Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG nicht aus (VwGH 27.06.2017, Ra 2014/05/0050, mwN). Vorliegend ist nicht glaubhaft gemacht worden und auch sonst nicht hervorgekommen, dass den Beschwerdeführer kein Verschulden trifft.

Der Beschwerdeführer hat somit eine gem. § 99 Abs. 3 lit. a StVO zu ahndende Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen und – da an einem zumindest fahrlässigen Verhalten keine Zweifel aufgekommen sind – auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

5.8. In Bezug auf die Strafzumessung ist zunächst festzuhalten, dass für gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 zu ahndende Übertretungen (u.a.) des § 20 Abs. 2 StVO 1960 die Verhängung von Geldstrafen in der Höhe von bis zu 726,-- Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, vorgesehen ist.

Gemäß § 19 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die übertretene Rechtsnorm betreffend eine Geschwindigkeitsbeschränkung soll ua. die Verkehrssicherheit schützen und soll dadurch insbesondere ein erhöhtes Unfallrisiko vermieden werden. Gerade Geschwindigkeitsüberschreitungen sind immer wieder Ursache für schwere Verkehrsunfälle, weshalb die Bedeutung des durch die übertretene Rechtsnorm geschützten Rechtsgutes als hoch einzuschätzen ist.

Milderungsgründe sind nicht hervorgekommen. Erschwerend ist mit der belangten Behörde zu berücksichtigen, dass betreffend den Beschwerdeführer eine zum Tatzeitpunkt bereits rechtskräftige und zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht getilgte verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen wegen einer Übertretung von § 20 Abs. 2 StVO aktenkundig ist.

Von einem Überwiegen des Gewichts der (nichtvorhandenen) Milderungsgründe über das Gewicht des Erschwerungsgrundes kann vorliegend nicht ausgegangen werden, womit ein Vorgehen nach § 20 VStG ausscheidet.

Auch die Erteilung einer bloßen Ermahnung iSd § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG und auch ein Vorgehen nach §33a Abs. 1 VStG scheiden vorliegend schon deshalb aus, weil die genannten Bestimmungen (ua) voraussetzen, dass die Bedeutung des durch die übertretene Rechtsnorm geschützten Rechtsguts gering ist. Die Bedeutung des durch die vorliegend übertretene Norm geschützten Rechtsgutes, nämlich der Schutz der Verkehrssicherheit, ist als sehr hoch anzusehen, was auch durch den bis zu 726,-- Euro reichenden Strafrahmen zum Ausdruck kommt, womit eine Anwendung von § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG und auch ein Vorgehen nach § 33a Abs. 1 VStG vorliegend schon aus diesem Grund ausscheidet.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Strafbemessung, die vom Gedanken getragen ist, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften durch Verhängung einschneidender Strafen zu erzwingen, nicht als rechtswidrig zu erkennen (VwGH vom 25. Februar 2002, 2001/04/0203). Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass die Verhängung einer Geldstrafe selbst dann gerechtfertigt ist, wenn der Bestrafte kein Einkommen bezieht und sogar das Vorliegen ungünstiger Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht bedeutet, dass Anspruch auf Verhängung der Mindeststrafe besteht (VwGH vom 1. Oktober 2014, Ra 2014/09/0022).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände und des – im Vergleich zu dem im Straferkenntnis herangezogenen – geringeren Strafrahmens sowie der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ist – insbesondere aufgrund dessen, dass eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von mehr als 30 km/h entgegen der Annahme im Straferkenntnis nicht festgestellt werden kann – die von der belangten Behörde verhängte Strafe (sowie die Ersatzfreiheitsstrafe) spruchgemäß herabzusetzen, um eine tat-, täter und schuldangemessene Bestrafung zu erreichen.

Eine weitere Herabsetzung der Strafe kommt nicht in Betracht, weil nicht nur auf den Beschwerdeführer selbst spezialpräventiv eingewirkt werden soll, sondern durch Strafen auch andere Normadressaten von der Begehung gleich gelagerter strafbarer Handlungen abgehalten werden sollen („Generalprävention“; zur Zulässigkeit der Berücksichtigung spezial- und generalpräventiver Überlegungen bei der Strafzumessung zB VwGH 24.11.2008, 2006/05/0113).

5.9. Somit ist der Beschwerde im Ergebnis insofern teilweise Folge zu geben, als die gem. § 44a Z 2 VStG erforderlichen Präzisierungen hinsichtlich der Tatbeschreibung und der verletzten Verwaltungsvorschrift vorzunehmen sind und als, mangels Feststellbarkeit einer Überschreitung im Ausmaß von mehr als 30 km/h, die Strafsanktionsnorm (vgl. zB VwGH 14.05.2019, Ra 2018/16/0032 sowie vom 06.08.2020, Ra 2020/09/0013), nicht jedoch die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat zu ändern ist und die Höhe der festgesetzten Strafe spruchgemäß herabzusetzen ist.

Aufgrund der Herabsetzung der Strafhöhe ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG iVm § 38 VwGVG der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde neu festzusetzen und ist dem Beschwerdeführer kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorzuschreiben.

6.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da sich die Entscheidung auf die zitierte und einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage stützt (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage zB VwGH vom 15.05.2019, Ro 2019/01/0006). Nicht revisibel sind im Regelfall auch die hier sonst vorliegenden Fragen der Beweiswürdigung (zB VwGH vom 14. März 2019, Ra 2019/18/0068) und der Strafbemessung (zB VwGH vom 22. Februar 2018, Ra 2017/09/0050).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verwaltungsstrafe; Fahrgeschwindigkeit; Überschreitung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.1078.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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