TE Vwgh Beschluss 2022/3/3 Ra 2020/18/0463

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Veröffentlicht am 03.03.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §19 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A S, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Heinrich Kühnert, dieser vertreten durch die Dorda Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Universitätsring 10, gegen das am 4. September 2020 mündlich verkündete und am 30. September 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, G305 2205157-1/10E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 30. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, während seiner beruflichen Tätigkeit im Irak als Techniker im Bereich Sicherheitswesen von der Provinzregierung mit dem Tod bedroht und entführt worden zu sein.

2        Mit Bescheid vom 30. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Irak fest, und legte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 29. November 2021, E 4103/2020-15, hob der Verfassungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis insoweit, als damit die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wurde, wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander auf.

5        Im Übrigen - somit hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten - lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        Die vorliegende außerordentliche Revision - in der erstmals vorgebracht wird, der Revisionswerber sei homosexuell - macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend, das angefochtene Erkenntnis leide an „erheblichen Verfahrensfehlern“, wie durch die aufhebende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auch bereits bestätigt worden sei. Die Revision verweist diesbezüglich u.a. auf das Erkenntnis VwGH 4.8.2021, Ra 2021/18/0024, und ortet für den vorliegenden Fall eine mögliche Abweichung davon („sollte man das zitierte Erkenntnis ... als einschlägig erachten, ist das BVwG von der Rechtsprechung des VwGH abgewichen“). Bei dieser „ua annähernd vergleichbaren“ Entscheidung seien die Grundsätze des Verfahrensrechts zumindest insofern eingehalten worden, als das BVwG eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Fremden durchgeführt habe. Der vorliegende Revisionsfall gehe jedoch noch darüber hinaus, weil das BVwG das Vorbringen des Revisionswerbers nicht nur unzureichend gewürdigt, sondern seine Anhörungs- und Mitwirkungsrechte gänzlich außer Acht gelassen habe. Die Rechtslage sei „keineswegs klar“. Zur vorliegenden Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gebe es keine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. sei das BVwG von der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

7        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Soweit die Revision vorbringt, das BVwG habe die Anhörungs- und Mitwirkungsrechte des Revisionswerbers „gänzlich negiert und bei der Entscheidung außer Acht gelassen“, wendet sie sich erkennbar dagegen, dass die mündliche Verhandlung vom 4. September 2020 in Abwesenheit des Revisionswerbers durchgeführt wurde.

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung wiederholt festgehalten, dass das Nichterscheinen einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung die Durchführung der Verhandlung nicht hindert (vgl. § 17 VwGVG iVm § 42 Abs. 4 AVG). Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Partei ist eine „ordnungsgemäße Ladung“. Davon kann dann nicht gesprochen werden, wenn einer der in § 19 Abs. 3 AVG genannten - das Nichterscheinen des Geladenen rechtfertigenden - Gründe vorliegt. Eine rechtswirksam geladene Partei hat die zwingenden Gründe für ihr Nichterscheinen darzutun. Sie muss etwa im Fall einer Erkrankung nicht nur deren Vorliegen behaupten und dartun, sondern auch die Hinderung am Erscheinen bei der Verhandlung aus diesem Grund. Die Triftigkeit des Grundes des Nichterscheinens muss überprüfbar sein (vgl. etwa VwGH 27.1.2021, Ra 2020/18/0428, mwN).

13       Im vorliegenden Fall übermittelte der - im Wege seiner Rechtsvertretung rechtswirksam geladene - Revisionswerber dem BVwG am Vorabend der mündlichen Verhandlung eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung einer Ärztin für Allgemeinmedizin, der sich nur der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit (3. bis 4. September 2020), der Grund „Krankheit“ und der Umstand, dass keine Bettruhe angeordnet war, entnehmen ließen. Auch aus dem Begleitschreiben, wonach der Revisionswerber „kurzfristig erkrankt“ sei und nicht zum Verhandlungstermin erscheinen könne, ist die Triftigkeit des Grundes des Nichterscheinens nicht ableitbar. Ebensowenig wurden von der in der mündlichen Verhandlung anwesenden Rechtsvertretung des Revisionswerbers Angaben zu den Gründen gemacht, aus denen der Revisionswerber an der Teilnahme an der Verhandlung gehindert gewesen sein sollte. Das Verwaltungsgericht konnte die mündliche Verhandlung somit zu Recht in Abwesenheit des Revisionswerbers durchführen.

14       Die weitere Behauptung der Revision, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf das Erkenntnis VwGH 4.8. 2021, Ra 2021/18/0024, ab, steht offenbar im Zusammenhang mit dem - wie erwähnt erstmals in der Revision erstatteten - Vorbringen, der Revisionswerber sei homosexuell. Anders als im dort entschiedenen Fall wurde fallbezogen aber erstmals in der Revision die Behauptung aufgestellt, dass der Revisionswerber homosexuell sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aber nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof fällt (vgl. etwa VwGH 26.8.2020, Ra 2020/18/0316, mwN).

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020180463.L00

Im RIS seit

04.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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