TE Lvwg Erkenntnis 2022/2/15 LVwG-2022/40/0302-1

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Veröffentlicht am 15.02.2022
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Entscheidungsdatum

15.02.2022

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §74 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerden des AA und der BB, beide wohnhaft in Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 16.12.2021, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) und des Mineralrohstoffgesetzes (MinroG),

zu Recht:

1.       Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom 20.04.20201 hat die CC GmbH & Co KG, Adresse 2, **** X, vertreten durch den gewerberechtlichen Geschäftsführer DD, um die Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von 26 LKW-Abstellplätzen auf den Grundstücken **1 und **2, beide KG Z, und um die Bewilligung dieser bergbaufremden Anlage angesucht.

Mit Eingabe vom 03.05.2021 übermittelte das Arbeitsinspektorat Tirol die Stellungnahme zur Zl ***, in welcher ausgeführt wurde, dass seitens des Arbeitsinspektorates keine Einwände gegen die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung bestünden.

Der gewerbetechnische Amtssachverständige erstattete mit Stellungnahme vom 03.05.2021, Zl ***, Befund und Gutachten und führte unter anderem aus, dass die nächstgelegenen Wohnnachbarn ca. 350 m in südlicher Richtung zur Betriebsanlage gelegen seien und aufgrund der Betriebsbeschreibung bei diesen Nachbarn mit keinerlei negativer Beeinflussung zu rechnen sei. Abschließend führte der Amtssachverständige aus, dass bei plan- und beschreibungsgemäßer Ausführung aus Sicht des Sachverständigen für Maschinenwesen und Umwelttechnik keine Bedenken gegen die Errichtung der 26 LKW-Abstellplätze gegeben seien.

Mit E-Mail der Bezirkshauptmannschaft Y, Referat Umweltrecht, vom 07.05.2021 wurde mitgeteilt, dass die gegenständlich geplanten Abstellplätze innerhalb des Bergbaugebietes W gelegen seien und daher zur Errichtung der Abstellplätze eine Bewilligung nach § 153 MinroG als bergbaufremde Anlage erforderlich sei.

In seiner Stellungnahme vom 07.06.2021, Zl ***, führte der siedlungswasserwirtschaftliche Amtssachverständige im Ergebnis aus, dass bei Einhaltung der aus siedlungswasserwirtschaftlicher Sicht für erforderlich erachteten Auflagen, kein Einwand gegen die beantragte Genehmigung bestehe.

Im E-Mail der Bezirkshauptmannschaft Y, Referat Umweltrecht, vom 06.12.2021 wurde ausgeführt, dass auch seitens der geologischen Amtssachverständigen keine Einwände gegen die geplanten LKW-Abstellplätze bestünden.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.12.2021, Zl ***, wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 77 Abs 1 GewO 1994 iVm den §§ 71a, 74 Abs 2 und 356b GewO 1994 und § 93 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der gegenständlichen Anlage nach Maßgabe der vorgelegten Pläne und sonstigen Unterlagen unter Vorschreibung von Auflagen erteilt, wobei mit der gewerberechtlichen Genehmigung gemäß § 356b Abs 1 GewO 1994 iVm den §§ 153 Abs 2 und 156 MinroG die Genehmigung zur Errichtung einer bergbaufremden Anlage innerhalb des Bergbaugebietes „W“ als miterteilt gilt.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde bringen die beiden Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass bei Umsetzung des Vorhabens 26 LKW in der Früh und am Abend vor ihrer Liegenschaft vorbeifahren würden, wobei die Mindestgeschwindigkeit – bedingt durch den geraden Straßenverlauf – mindestens 80 km/h betragen würde. „Die Autobahn“ führe jedes Jahr Messungen durch, welche bereits zum jetzigen Zeitpunkt über dem Limit lägen, dies obwohl die Autobahn höher gelegen sei und „der Lärm nach oben weggeht“. Weiters wird ausgeführt, dass die Straße ca 3 m vom Haus entfernt verlaufe und der Lärm nicht zu ertragen wäre. Überdies würden Container abgeholt bzw wieder hingestellt, zudem würden Materialtransporte erfolgen. Der LKW Verkehr sei zu 98% durch die mitbeteiligte Partei verursacht. Es wäre sohin „besser“, wenn die mitbeteiligte Partei den Verkehr zwischen V und W reduzieren würde, da bereits jetzt „genug Lärm“ vorhanden sei. Im Beschwerdevorbringen wird zudem darauf hingewiesen, dass die Straße von „hunderten […] Radfahrern und Wandern täglich benutzt“ werde. Es sei schon oft zu sehr gefährlichen Momenten gekommen. Zudem befinde sich im Bereich des Streckenabschnittes im Frühjahr und im Herbst ein Weidegebiet, Kühe würden sich auf der Straße aufhalten.

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den gewerbebehördlichen Akt der Bezirkshauptmannschaft Y zur Zahl
*** sowie das zugehörige Einreichprojekt der mitbeteiligten Partei vom 20.04.2021. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG Abstand genommen werden, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtsache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen (vgl dazu Vfslg 17.063/2003; VwGH 27.09.2007, 2006/07/0066).

II.      Sachverhalt:

Die mitbeteiligte Partei betreibt am Abbaustandort in Z eine Schottergewinnungsanlage mit der Bezeichnung „Schottergrube W“ und verfügt hierfür unter anderem über nachstehende Bewilligungen (auszugsweise):

Die erste Genehmigung hat die forst- und naturschutzrechtliche Bewilligung zum Betrieb einer Schottergewinnungsanlage auf dem Gst **2 (Bescheid der BH Y vom 16.05.1989,
Zl ***) zum Inhalt. In weiterer Folge wurde die mineralrohstoff-, naturschutz- und forstrechtliche Bewilligung im Zusammenhang mit der Umsetzung eines Gewinnungs- und Abschlussbetriebsplanes sowie zur obertägigen Gewinnung von mineralischen Rohstoffen im Bereich der Gste **1, **2 und **3, alle KG Z, erteilt (Bescheid der BH Y vom 13.01.2003, Zl ***). Weiters wurde die mineralrohstoff-, forst- und naturschutzrechtliche Bewilligung im Zusammenhang mit der Umsetzung eines Gewinnungsbetriebsplanes betreffend den Abbau grundeigener mineralischer Stoffe auf Teilflächen der Gste **1, **2 und **3, alle KG Z, erteilt.

Auf den Grundstücken **1 und **2, beide KG Z, ist zusätzlich zu der bereits bestehenden Bergbauanlage die Errichtung von 26 LKW-Abstellplätzen geplant.

Die Zufahrt zur Betriebsanlage erfolgt über eine zwischen den Ortschaften Z und U verlaufende öffentliche Straße, welche über das im Eigentum des Öffentlichen Gut (Gemeinde Z) stehende Grundstück **4, EZ ***, KG Z, führt. Die direkte Zufahrt zur Anlage der mitbeteiligten Partei zweigt von dieser öffentlichen Straße ab.

Das Wohnhaus der beiden Beschwerdeführer auf dem Gst .**5, KG Z, befindet sich ebenfalls entlang dieser öffentlichen Straße ca. 350 m südlich zur Betriebsanlage. Bei diesen Wohnnachbarn sind ausgehend von der Betriebsbeschreibung der geplanten Abstellplätze keine negativen Beeinflussungen (Lärm, Staub, Geruch) anzunehmen.

III.     Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen in unzweifelhafter Weise auf den Akt der belangten Behörde zur Zl ***.

Die Feststellungen zur aktuellen Bewilligungslage der Schottergewinnungsanlage und dem beabsichtigten Bauvorhaben betreffend die 26 LKW-Abstellplätze ergeben sich insbesondere aus den Angaben im Antrag bzw dem Projekt der mitbeteiligten Partei vom 20.04.2021 sowie aus dem Akt der belangten Behörde.

Hinsichtlich der Verkehrswege zur Betriebsanlage konnten die Feststellungen – insbesondere die Feststellung, dass es sich um eine öffentliche Straße handelt – nach erfolgter Einsichtnahme in tirisMaps getroffen werden.

Die festgestellte Entfernung des Wohnhauses der Beschwerdeführer hin zur Anlage der mitbeteiligten Partei sowie die Nichtannahme negativer Beeinflussungen ergeben sich aus den Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen in dessen Stellungnahme vom 03.05.2021, Zl ***.

IV.      Rechtslage:

1.   Gewerbeordnung

Die verfahrensgegenständlich relevanten Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994
(GewO 1994), BGBl Nr 194/1994, idF BGBl I Nr 65/2020, lauten (samt Überschriften) auszugsweise wie folgt:

„Betriebsanlagen

§ 74

(1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.   das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.   die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.   die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.   die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.   eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

[…]

(4) Bergbauanlagen, in denen vom Bergbauberechtigten auch gewerbliche Tätigkeiten ausgeübt werden, die mit Tätigkeiten der im § 2 Abs. 1 oder im § 107 des Mineralrohstoffgesetzes - MinroG, BGBl. I Nr. 38/1999, in der jeweils geltenden Fassung, genannten Art in wirtschaftlichem und fachlichem Zusammenhang stehen, bedürfen keiner Genehmigung gemäß Abs. 2, wenn sie nach bergrechtlichen Vorschriften bewilligt sind und der Charakter der Anlage als Bergbauanlage gewahrt bleibt. Weist eine Anlage nicht mehr den Charakter einer Bergbauanlage, sondern den Charakter einer gewerblichen Betriebsanlage auf, so hat dies der Anlageninhaber unverzüglich der Bergbehörde, die die Anlage bewilligt hat, und der nunmehr zur Genehmigung der Anlage zuständigen Gewerbebehörde anzuzeigen. Ab dem Einlangen dieser Anzeige bei der Gewerbebehörde gilt die Anlagenbewilligung nach bergrechtlichen Vorschriften als Genehmigung gemäß Abs. 2.

[…]

§ 75

[…]

(2) Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.

[…]

§ 77

(1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, daß bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen.

(2) Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 zumutbar sind, ist danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

V.       Erwägungen:

Im gegenständlichen Verfahren war die entscheidende Rechtsfrage, ob die öffentliche Straße zwischen Z und U, an welcher das Wohnhaus der Beschwerdeführer liegt und welche die mitbeteiligte Partei mit ihren LKWs befährt, einen Teil der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei darstellt, die Fahrten somit der Betriebsanlage zuzurechnen wären und die Nachbarn in weiterer Folge zulässigerweise eine Beeinträchtigung durch Lärm geltend machen könnten.

Das Betriebsanlagenrecht ist vom Grundsatz geprägt, dass sämtliche Einrichtungen und Objekte einer Anlage eine Einheit bilden und als Gesamtobjekt der Genehmigungspflicht unterliegen. Einrichtungen, die unter Bedachtnahme auf § 74 Abs 2 GewO 1994 mit einer gewerblichen Betriebsanlage in einem sachlichen (betrieblichen) und örtlichen Zusammenhang stehen, zählen zu dieser Betriebsanlage. (VwGH 18.08.2021, Ra 2020/04/0103)

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung mit der Abgrenzung von Vorgängen, die einer gewerberechtlichen Betriebsanlage zuzurechnen sind, und solchen, die auf öffentlichen Straßen stattfinden und keinen Bezug zur Betriebsanlage haben, in mehreren den Immissionsschutz von Nachbarn nach der GewO 1994 betreffenden Entscheidungen auseinandergesetzt (vgl VwGH 30.06.2004, 2001/04/0204; VwGH 16.03.2016, Ra 2016/04/0025; VwGH 17.12.2019, Ra 2018/04/0125; VwGH 17.12.2019, Ra 2018/04/0121). Zuletzt war diese Rechtsfrage Gegenstand des Beschlusses des VwGH vom 18.08.2021, Zl Ra 2020/04/0103, in welchem die bisher ergangene Rechtsprechung bestätigt bzw fortgeführt wurde. Demnach ist grundsätzlich im Rahmen der nach § 77 Abs. 1 GewO 1994 gebotenen Prüfung zwischen gewerblichen Betriebsanlagen im Sinne des
§ 74 Abs. 1 GewO 1994 und Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO zu unterscheiden. Dies schließt zwar nicht aus, dass die Eignung einer örtlich gebundenen Einrichtung, die Nachbarn belästigt, in Vorgängen liegen kann, die sich zwar außerhalb, aber im engeren örtlichen Bereich der Betriebsanlagen abspielen (vgl. etwa VwGH 27.1.2006, 2003/04/0130, mwN). Jedoch sind solche Vorgänge gegenüber dem Verkehr auf öffentlichen Straßen in der Weise abzugrenzen, dass das bloße Vorbeifahren (ebenso wie das Anhalten, Halten oder Parken) von Betriebsfahrzeugen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, auch wenn es sich um die einzige Zufahrtsstraße zur Betriebsanlage handelt, nicht mehr als zu einer gewerblichen Betriebsanlage gehörendes Geschehen gewertet werden kann. Entscheidend ist, ob die befahrene Verkehrsfläche einen Teil der gegenständlichen Betriebsanlage bildet oder als (unter anderem) bloß der Zufahrt zu dieser Betriebsanlage dienende Straße mit öffentlichen Verkehr anzusehen ist. Letzterenfalls können verkehrsbedingte Immissionen nicht mehr der Betriebsanlage zugerechnet werden. (vgl VwGH 18.08.2021, Ra 2020/04/0103)

Die an der Liegenschaft der Beschwerdeführer vorbeiführende Straße, welche auch durch die LKWs der mitbeteiligten Partei befahren wird, stellt eine öffentliche Straße dar, sie führt über ein im Eigentum des Öffentlichen Gut stehendes Grundstück. Die beiden Beschwerdeführer bringen in ihrer Beschwerde selbst vor, dass der gegenständliche Streckenabschnitt auch von anderen Verkehrsteilnehmern genutzt wird. Gemäß der einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, welche zuletzt mit Beschluss vom 18.08.2021, Ra 2020/04/0103, nochmals bekräftigt wurde, wird durch das – wie im gegenständlichen Fall vorliegende – bloße Vorbeifahren von Betriebsfahrzeugen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr auch dann keine Zugehörigkeit der Straße zu einer gewerblichen Betriebsanlage angenommen, wenn die betreffende öffentliche Straße die einzige Zufahrtsmöglichkeit zur Betriebsanlage darstellt. Mangels Zurechenbarkeit der verkehrsbedingten Immissionen zur Betriebsanlage, stellt das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführer keine taugliche Nachbareinwendung dar.

In weiterer Folge ist zu prüfen, inwieweit die Ausführungen der beiden Beschwerdeführer betreffend eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit (hohe Geschwindigkeit, gefährliche Situationen mit Radfahrern und Wanderern, Gefährdung durch Weidetiere) im gegenständlichen Verfahren zu berücksichtigen sind.

Hierzu ist zunächst auszuführen, dass gemäß § 74 Abs 2 Z 4 GewO auch der öffentliche Verkehr schutzbedürftig ist, da die Öffentlichkeit ein Interesse daran hat, dass der öffentliche Verkehr durch Betriebsanlagen nicht wesentlich beeinträchtigt wird. (vgl Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 Rz 77 zu § 74) Wesentlich ist, dass ausgehend vom Regelungsbereich der Gewerbeordnung keine Verkehrsvorgänge als solche geregelt werden können (Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7
Rz 78 zu § 74).

In Bezug auf Nachbarbeschwerden, die sich auf § 74 Abs 2 Z 4 der GewO stützen, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass dadurch keine subjektiven Rechte der Nachbarn berührt werden (vgl VwGH 23.05.1989, 88/04/0342;
VwGH 23.04.1991, 90/04/0274; Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 Rz 79 zu § 74). Die Bestimmung des § 74 Abs 2 Z 4 GewO 1994 räumt den Nachbarn keine Stellung ein, im Rahmen derer sie eine Beeinträchtigung ihrer subjektiv öffentlichen Rechte geltend machen können. Der Schutz der öffentlichen Interessen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 4 GewO obliegt der Gewerbebehörde und ist von Amts wegen wahrzunehmen (vgl VwGH 24.10.2001, 98/04/0181; vgl VwGH 22.12.1999, 99/04/0006; vgl Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 Rz 79 zu § 74).

Das Vorbringen der Beschwerdeführer betreffend Bedenken hinsichtlich der Verkehrssicherheit stellt somit kein subjektives öffentliches Recht dar und war sohin nicht näher in Prüfung zu ziehen.

Im Ergebnis haben die Beschwerdeführer keine im Rahmen der gewerberechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigenden Einwendungen bzw subjektiv öffentliche Rechte vorgebracht, weshalb die beiden Beschwerden als unbegründet abzuweisen waren.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

Schlagworte

Nachbar
Nachbarrechte
öffentliche Straße
Immissionsschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.40.0302.1

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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