TE Vwgh Erkenntnis 1978/3/14 2228/76

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.03.1978
beobachten
merken

Index

Baurecht - Tirol
L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Tirol
L82000 Bauordnung
L82007 Bauordnung Tirol
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §23 Abs1
AVG §26
AVG §31
BauO Tir 1974 §43
BauRallg implizit

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Straßmann, Dr. Griesmacher, DDr. Hauer und Dr. Würth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, über die Beschwerde des JP und der GP, beide in I, beide vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, Marktgraben 12, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. Juli 1976, Zl. Ve-551/118/3, betreffend eine Vollstreckungsverfügung hinsichtlich der Durchführung einer Ersatzvornahme (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bundesland Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. Februar 1976 hatte der Bürgermeister der Gemeinde X den Beschwerdeführern den auf § 43 Abs. 3 Satz 2 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 42/1974, gestützten Auftrag erteilt, die widmungswidrige Benützung des Kellergeschosses und der Garage des Legehühnerstalles auf dem Grundstück 267/11 der KG. X zu unterlassen und von den eingestallten Hühnern zu räumen sowie den Wohn- und Aufenthaltsraum aufzulassen. Die Berufung der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid war mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde X vom 2. April 1976 abgewiesen worden. Die in diesem Verfahren vorgelegte Vollmacht des einschreitenden Anwaltes war von der Zweitbeschwerdeführerin nicht persönlich unterfertigt gewesen, weshalb der Gemeindevorstand einer (weiteren) Berufung dieser Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 12. Juli 1976 keine Folge gegeben hatte. Beide Bescheide der Berufungsbehörde sind in Rechtskraft erwachsen.

Auf Ersuchen der Gemeinde X leitete die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck im März 1976 mit der Androhung der Ersatzvornahme das Vollstreckungsverfahren ein. Mit Vollstreckungsverfügung vom 24. Juni 1976 ordnete dieselbe Behörde gemäß § 4 VVG 1950 die Entfernung der im erwähnten Kellergeschoß und in der Garage befindlichen Legehühner binnen zweier Wochen an. Die dagegen von den Beschwerdeführer erhobene Berufung wies die Tiroler Landesregierung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet ab. Zur Begründung führte die Vollstreckungsbehörde zweiter Instanz im wesentlichen aus, die erlassene Vollstreckungsverfügung stimme mit dem Titelbescheid überein und eine Verletzung des aus § 2 Abs. 2 VVG 1950 sich ergebenden Schonungsprinzipes liege nicht vor.

In ihrer Beschwerde machen die Beschwerdeführer Aktenwidrigkeit und inhaltliche Rechtswidrigkeit des in Beschwerde gezogenen Bescheides geltend. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst gerügt, die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vom 24. Juni 1976 sei nicht ordnungsgemäß, nämlich mit einer Bescheidausfertigung an beide Beschwerdeführer erfolgt, was unzulässig sei. Die vorgenommene Ersatzzustellung an die Tochter der Beschwerdeführer wäre nur dann ordnungsgemäß gewesen, wenn je eine Ausfertigung des Bescheides in Form einer Ersatzzustellung an die verpflichteten Parteien ausgefolgt worden wäre. Dieser Bescheid sei daher nur dem Erstbeschwerdeführer zugekommen. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin sei demgegenüber der erstinstanzliche Bescheid nicht erlassen worden. Diesem Vorbringen der Beschwerdeführer kommt insoweit Berechtigung zu, als nach den Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 ein Bescheid grundsätzlich jeder Person des Verwaltungsverfahrens zuzustellen ist und das Gesetz eine Zustellung an „JP und G“, wie sie von der Vollstreckungsbehörde erster Instanz verfügt wurde, nicht kennt, zumal Sondervorschriften hinsichtlich der Zustellung an Ehepaare im Gesetz nicht vorgesehen sind. Auch die Sondervorschriften des § 26 AVG 1950 finden auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Da jedoch der erstinstanzliche Bescheid beiden Beschwerdeführern tatsächlich zugekommen ist, wie sich aus ihrer dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung ergibt, ist ein ursprünglich unterlaufener Zustellmangel entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer als im Grunde des § 31 AVG 1950 geheilt anzusehen. Wenn also auch die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides zunächst nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend erfolgte, so kann bei der gegebenen Situation doch nicht davon ausgegangen werden, der erstinstanzliche Bescheid sei deswegen der Zweitbeschwerdeführerin gegenüber nicht ergangen.

In der Beschwerde wird weiter vorgebracht, der Erstbeschwerdeführer sei nicht Grundeigentümer des Grundstückes 267/11 und die Vollstreckungsverfügung hätte sich daher nicht gegen ihn richten dürfen. Da ihm eine persönliche Kostenverpflichtung bevorstehe, werde in seine Rechte eingegriffen. Bei diesen Ausführungen übersieht der Beschwerdeführer, daß, wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, der baubehördliche Auftrag deswegen erteilt wurde, weil die von ihm betriebene Hühnerfarm auf Räumlichkeiten ausgedehnt worden war, für die nach Ansicht der Baubehörde die Erwirkung einer baubehördlichen Bewilligung erforderlich gewesen wäre. In § 43 Abs. 3 TBO wird die Baubehörde ermächtigt, die Unterlassung der widmungswidrigen Benützung aufzutragen, ohne daß dieser Gesetzesstelle entnommen werden könnte, ob dieser Auftrag dem Benützer oder dem Eigentümer der Baulichkeit zu erteilen ist. Nach § 53 Abs. 1 lit. a TBO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine bauliche Anlage vor Erteilung der Benützungsbewilligung benützt oder zu einem anderen als dem bewilligten Verwendungszweck verwendet. In anderen Gesetzesstellen (§§ 44, 47, 49 ff TBO) ist demgegenüber ausdrücklich geregelt, daß Bauaufträge betreffend Instandsetzung, Sicherungsmaßnahmen usw. dem Eigentümer der baulichen Anlage zu erteilen sind. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der dem Vollstreckungsverfahren zugrunde liegende Bauauftrag tatsächlich nur der Zweitbeschwerdeführerin hätte erteilt werden dürfen, wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus der Bestimmung des § 55 TBO ableitet (die Frage des Eigentums an der Baulichkeit wurde hier nicht geprüft), weil dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens war in diesem Zusammenhang nur zu untersuchen, ob die Vollstreckungsverfügung mit dem erteilten Bauauftrag übereinstimmt, eine Frage, die von der belangten Behörde in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides unwidersprochen bejaht wurde.

In der Beschwerde wird schließlich behauptet, die Vollstreckungsverfügung sei auch deshalb nicht zu Recht erlassen worden, weil der Bauauftrag der Zweitbeschwerdeführerin gegenüber im Zeitpunkt der Erlassung dieser Vollstreckungsverfügung noch nicht rechtskräftig gewesen sei. Der Bauauftrag vom 27. Februar 1976 sei nämlich der Zweitbeschwerdeführerin nicht zugestellt worden, weil nur der Erstbeschwerdeführer diesen Bescheid übernommen habe. Die hiemit geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt nicht vor. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß der Bauauftrag des Bürgermeisters nach dem im Akt erliegenden Zustellnachweis der Zweitbeschwerdeführerin am 2. März 1976 zugestellt wurde. Die belangte Behörde hat daher in ihrer Gegenschrift zu Recht die Auffassung vertreten, daß die (neuerliche) Berufung der Zweitbeschwerdeführerin vom 6. Juli 1976 in Wahrheit wegen entschiedener Sache als unzulässig hätte zurückgewiesen werden müssen. Im übrigen kam als Titelbescheid im Vollstreckungsverfahren nur der das baupolizeiliche Auftragsverfahren gegenüber den beiden Beschwerdeführern abschließende Berufungsbescheid in Betracht (§ 66 Abs. 4 AVG).

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am 14. März 1978

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1978:1976002228.X00

Im RIS seit

08.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten