TE Vwgh Erkenntnis 2021/12/13 Ra 2021/03/0309

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Veröffentlicht am 13.12.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
40/01 Verwaltungsverfahren
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

ABGB §1497
ABGB §7
AVG §13 Abs8
EpG 1950-BerechnungsV 2020
EpidemieG 1950 §32
EpidemieG 1950 §32 Abs6
EpidemieG 1950 §33
EpidemieG 1950 §49
VwRallg

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2021/03/0310 E 13.12.2021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der B KG in Z, vertreten durch die Salburg Rechtsanwalts GmbH in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 5. Oktober 2021, Zl. 405-8/941/1/2-2021, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Die revisionswerbende Partei ist Betreiberin eines Beherbergungsbetriebs in Z, der im Zuge der COVID-19-Pandemie aufgrund einer Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See (BH) vom 13. März 2020 geschlossen wurde. Diese Verordnung wurde mit Verordnung vom 30. März 2020 wieder aufgehoben.

2        Mit Schriftsatz vom 17. April 2020 beantragte die revisionswerbende Partei bei der BH eine Vergütung für Verdienstentgang gemäß § 32 EpiG für den Zeitraum 16. März 2020 bis 31. März 2020 in Höhe von EUR 44.070,--.

3        Am 18. November 2020 erteilte die BH der revisionswerbenden Partei in Bezug auf diesen Antrag einen Verbesserungsauftrag, den sie damit begründete, dass die BH nach den nunmehr vorliegenden bundesweiten Vorgaben des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur weiteren Bearbeitung des Antrags nachstehende Unterlagen und Informationen benötige, nämlich ein ausgefülltes Berechnungstool, eine Kontoverbindung und den Nachweis von finanziellen Unterstützungen/Leistungen aufgrund sonstiger Vorschriften/Vereinbarungen gemäß § 32 Abs. 5 EpiG oder die Erklärung, dass für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine derartige Unterstützung/Leistung zukomme. Das auszufüllende Berechnungstool finde die revisionswerbende Partei auf einer näher bezeichneten Webseite.

4        Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2020 dehnte die revisionswerbende Partei ihren Antrag auf Entschädigung für den genannten Zeitraum auf EUR 85.245,79 aus.

5        Mit Bescheid vom 15. Juli 2021 erkannte die BH der revisionswerbenden Partei eine Entschädigung von EUR 75.012,62 für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 27. März 2020 zu. Den geltend gemachten Mehrbetrag von EUR 10.133,17 wies die Behörde hingegen ab.

6        Die gegen die Abweisung des Mehrbetrags erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg mit dem angefochtenen Erkenntnis unter Bezugnahme auf § 33 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 und 2 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

7        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, innerhalb der Frist des § 49 EpiG sei von der revisionswerbenden Partei lediglich ein Betrag von EUR 44.070,-- begehrt worden. Die Ausdehnung des Antrags auf EUR 85.245,79 sei hingegen nach Ablauf der Frist erfolgt. Mit der vorgenommenen Antragsänderung und der Erhöhung des Vergütungsbetrags um über 90 % sei eine unzulässige Antragsänderung im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG vorgenommen worden. Da der revisionswerbenden Partei von der BH teilrechtskräftig ohnedies ein Betrag zuerkannt worden sei, der über der fristgerecht beantragten Entschädigungssumme lag, komme der Zuspruch des Mehrbetrags nicht in Betracht.

8        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit und in der Sache zusammengefasst geltend macht, das Verwaltungsgericht habe die vorhandene höchstgerichtliche Rechtsprechung unrichtig angewandt bzw. es fehle einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Der gegenständliche Erstantrag sei unstrittig rechtzeitig im April 2020 eingebracht worden. Erst fast einen Monat später sei die Verordnungsermächtigung für den Gesundheitsminister in § 32 Abs. 6 EpiG gesetzlich geregelt worden. Mit BGBl. I Nr. 62/2020, kundgemacht am 7. Juli 2020, sei die Antragsfrist für Ersatzansprüche verlängert worden; Fristen hätten gemäß § 49 EpiG neu zu laufen begonnen. Mit BGBl. II Nr. 329/2020, kundgemacht am 21. Juli 2020, habe der Gesundheitsminister von der Verordnungsermächtigung des § 32 Abs. 6 EpiG Gebrauch gemacht und die EpG 1950-Berechnungs-Verordnung erlassen. Dies fast drei Monate nach der Antragstellung durch die revisionswerbende Partei. In den Folgemonaten seien die Behörden mit zigtausenden Anträgen auf Vergütung beschäftigt gewesen und hätten daher keine raschen Verbesserungsaufträge erteilen können. Im Revisionsverfahren sei daher die Rechtsfrage zu beantworten, ob die reine Modifizierung eines Antragsbegehrens der betragsmäßigen Höhe nach (überdies aufgrund eines Verbesserungsauftrages) im Zusammenhang mit einer nach Antragseinbringung geänderten Rechtslage, die die Höhe des Anspruchs geregelt habe, jedoch die idente anspruchsbegründende Grundlage im Materiengesetz finde, überhaupt eine wesentliche Antragsänderung (im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG) sei. Dies vor dem Hintergrund, dass einerseits ein neuerlicher Antrag „mangels“ (gemeint wohl eher: infolge) Fristenablaufes gar nicht gestellt werden könne und andererseits der revisionswerbenden Partei gar keine andere Möglichkeit geblieben sei, als ihr Antragsbegehren an die EpG 1950-Berechnungs-Verordnung anzupassen, da sonst der Antrag zurückgewiesen worden wäre.

9        Die Revision ist aufgrund dieses Vorbringens zulässig, um die Rechtslage zu klären; sie ist jedoch schon nach dem Revisionsvorbringen nicht begründet.

10       Unstrittig ist, dass die revisionswerbende Partei von einer auf § 20 EpiG gestützten Verordnung der BH Zell am See betroffen war, mit der ihr Beherbergungsbetrieb während des Geltungszeitraums dieser Verordnung (vom 16. März 2020 bis 30. März 2020) geschlossen worden war. Für diesen Zeitraum gebührt ihr eine Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG.

11       Gemäß § 33 EpiG ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 leg. cit. binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt.

12       Wie die Revision zutreffend ausführt, wurde in Bezug auf diese Frist mit BGBl. I Nr. 62/2020 eine Sonderbestimmung für die Dauer der Pandemie mit SARS-CoV-2 geschaffen, die in § 49 Abs. 1 EpiG vorsieht, dass abweichend von § 33 EpiG der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen Maßnahme besteht, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen ist. Bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmung laufende und abgelaufene Fristen sollten gemäß § 49 Abs. 2 EpiG mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2020 (am 8. Juli 2020) neu zu laufen beginnen.

13       Im gegenständlichen Fall begann die Frist zur Geltendmachung der Ansprüche der revisionswerbenden Partei mit Aufhebung der Betriebsschließung am 30. März 2020 zu laufen. Sie war somit bei Inkrafttreten des § 49 EpiG bereits abgelaufen, begann jedoch gemäß § 49 Abs. 2 EpiG mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2020 (am 8. Juli 2020) in der Dauer von drei Monaten neu zu laufen. Die Frist endete daher am 8. Oktober 2020. Ansprüche, die bis dahin nicht geltend gemacht wurden, waren nach den oben angeführten gesetzlichen Vorgaben erloschen (zur Qualifikation der Frist als materiell-rechtliche Fallfrist vgl. etwa VwGH 24.6.2021, Ra 2021/09/0094).

14       Zu diesem Zeitpunkt (8. Oktober 2020) hatte die revisionswerbende Partei lediglich einen Verdienstentgang in der Höhe von EUR 44.070,-- für die Zeit der Betriebsschließung bei der BH geltend gemacht. Erst etwa zwei Monate später dehnte sie ihr Begehren auf letztlich EUR 85.245,79 aus. Ein Anspruch auf Vergütung dieses Mehrbetrags war nach dem bisher Gesagten aber bereits erloschen.

15       Bei der zeitlichen Begrenzung des Anspruchs auf Ersatz des Verdienstentgangs durch die §§ 33 und 49 EpiG handelt es sich der Sache nach um eine Verjährungsbestimmung: Das Recht auf Ersatz des Verdienstentgangs wird zeitlich begrenzt und erlischt durch nicht rechtzeitige Geltendmachung.

Wenn sich die Bestimmungen über die Verjährung auch nicht ohne Weiteres auf das öffentliche Recht übertragen lassen, kann dann, wenn in Vorschriften des öffentlichen Rechts Verjährungsbestimmungen ausdrücklich enthalten sind, unter Bedachtnahme auf § 7 ABGB doch ergänzend auf die Verjährungsvorschriften des ABGB zurückgegriffen werden (vgl. nur etwa VwGH 24.10.2017, Ra 2017/10/0143, mwN.).

Die Regelungen über Hemmung bzw. Unterbrechung der Verjährung (§§ 1497 ff ABGB) gehören zu den allgemeinen Grundsätzen des zivilrechtlichen Verjährungsrechts (vgl. OGH 27.1.1998, 1 Ob 155/97v). Nach § 1497 ABGB wird die Verjährung u.a. dadurch unterbrochen, dass derjenige, der sich auf dieselbe berufen will, vor dem Ablauf der Verjährungsfrist „von dem Berechtigten belangt, und die Klage gehörig fortgesetzt wird“. Einer gerichtlichen Geltendmachung kommt also Unterbrechungswirkung zu, von der aber nur der eingeklagte Betrag erfasst wird: Die Verjährung eines Anspruches wird nur so weit unterbrochen, als der Anspruch eingeklagt wird. Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann eine Ausdehnung des Klagebegehrens auf einen höheren Betrag hingegen nicht mehr mit Erfolg vorgenommen werden (RIS-Justiz RS0019184).

Die Regelungen der §§ 33, 49 EpiG stehen also in Einklang mit den zivilrechtlichen Grundsätzen des Verjährungsrechts.

16       Gemäß § 13 Abs. 8 AVG kann der verfahrensleitende Antrag zwar in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach aber nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden. Ist ein Leistungsanspruch, wie im vorliegenden Fall, befristet, kommt eine Antragsausdehnung nach Ablauf der Frist um einen insoweit bereits erloschenen Anspruch nicht mehr in Betracht.

17       Wenn die Revision ihre gegenteilige Rechtsansicht damit zu begründen versucht, dass die Berechnungsmodalitäten für den Vergütungsanspruch erst mit der EpG 1950-Berechnungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 329/2020, in Kraft getreten am 22. Juli 2020, näher geregelt worden seien, so ist ihr Folgendes zu erwidern:

18       Mit BGBl. I Nr. 43/2020 (in Kraft getreten am 15. Mai 2020) wurde in § 32 Abs. 6 EpiG eine Verordnungsermächtigung für den für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister geschaffen, um nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs zu erlassen, wenn und soweit dies zur Gewährung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist. Gestützt darauf erließ der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die Verordnung zur Berechnung der Höhe der Vergütung des Verdienstentgangs für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen nach dem EpiG (EpG 1950-Berechnungs-Verordnung; BGBl. II Nr. 329/2020), die am 22. Juli 2020 in Kraft trat.

19       Diese Verordnung legte zwar die Grundsätze für die einheitliche Berechnung des Verdienstentgangs fest. Sie führte aber nicht dazu, dass die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen verlängert worden wäre. Im Übrigen hätte die revisionswerbende Partei nach Inkrafttreten der EpG 1950-Berechnungs-Verordnung die Möglichkeit gehabt, ihre Ansprüche auf deren Grundlage (neu) zu berechnen und fristgerecht eine Ausdehnung ihres Begehrens bei der BH zu beantragen, ohne einen behördlichen Verbesserungsauftrag abzuwarten. Das hat sie nicht getan.

20       Soweit die Revision argumentiert, sie sei aufgrund des Verbesserungsauftrags verpflichtet gewesen, das vorgegebene Berechnungstool zu verwenden, mag dies zutreffen. Es ändert aber nichts daran, dass sie allein deshalb keine Ausdehnung ihrer Ansprüche vornehmen durfte.

21       Da somit schon der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2021

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030309.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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