Entscheidungsdatum
26.08.2021Norm
AVG §68 Abs2Spruch
W274 2242190-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Lughofer als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. KommR POLLIRER und Dr. GOGOLA als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde, Barichgasse 40-42, 1030 Wien, vom 02.03.2021, GZ D XXXX 2020-0.526.371, wegen 1.) Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und 2.) Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 68 Abs 2 AVG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Nach einer Anzeige des Bundeskriminalamts vom 19.12.2019 erließ die Datenschutzbehörde (im Folgenden: belangte Behörde) gegenüber XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer, BF) eine Strafverfügung vom 29.01.2020 mit folgendem wesentlichen Inhalt:
„Sie haben nachstehenden Sachverhalt verwirklicht:
Sie haben jedenfalls im Zeitraum vom 28.10.2018 bis einschließlich 09.02.2019 (Dauerdelikt) in XXXX , das Kennzeichen „ XXXX “ (im Folgenden: „gegenständliches Kennzeichen“) auf der Homepage des Versicherungsverbandes Österreichs abgefragt, um die Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs mit dem gegenständlichen Kennzeichen festzustellen. Im Zuge der Abfrage mussten Sie sowohl das „KFZ-Kennzeichen des gegnerischen Fahrzeuges“ als auch das „Datum des Unfalles“ angeben. Sie haben im Zuge Ihrer Anfrage das gegenständliche Kennzeichen und als Datum den 01.12.2018 angeführt, obwohl Sie zu diesem – von Ihnen angegeben – Zeitpunkt nicht von einem Unfall betroffen waren, bei dem Sie von einem Fahrzeug mit dem gegenständlichen Kennzeichen geschädigt wurden. Sie haben sich somit vorsätzlich widerrechtlichen Zugang zu einer Datenverarbeitung verschafft.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
§ 62 Abs. 1 Z 1 Datenschutzgesetz (DSG).
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von EUR 500, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitstrafe von 30 Stunden, gemäß § 62 Abs. 1 Z 1 DSG iVm § 16 VStG.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Barauslagen) beträgt daher EUR 500,00.
Zahlungsfrist: Wenn Sie keinen Einspruch erheben, ist diese Strafverfügung sofort vollstreckbar. Der Gesamtbetrag ist in diesem Fall binnen zwei Wochen nach Eintreten der Rechtskraft auf das Konto BAWAG P.S.K., […] einzuzahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann der Gesamtbetrag eingemahnt werden. In diesem Fall ist ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten. Erfolgt dennoch keine Zahlung, wird der ausstehende Betrag vollstreckt und im Fall seiner Uneinbringlichkeit die diesem Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen.
Rechtsmittelbelehrung:
Sie haben das Recht, gegen diese Strafverfügung Einspruch zu erheben. Der Einspruch ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieser Strafverfügung schriftlich oder mündlich bei uns einzubringen. Im Einspruch können Sie die Ihrer Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Wenn Sie rechtzeitig Einspruch erheben, wird von uns das ordentliche Verfahren eingeleitet; der Einspruch gilt in diesem Fall als Rechtfertigung im Sinne des § 40 des Verwaltungsstrafgesetzes. Durch den Einspruch tritt die gesamte Strafverfügung außer Kraft. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn Sie im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten anfechten. […]“
Im Akt erliegt ein Rückschein betreffend die vorangeführte Strafverfügung, auf dem ein Zustellversuch am 03.02.2020 aufscheint und unter „Verständigung über die Hinterlegung“ das Kästchen „in Abgabeeinrichtung eingelegt“ angekreuzt ist. Als Beginn der Abholfrist scheint das Datum 03.02.2020 auf. Weiters trägt der Rückschein einen Poststempel vom 03.02.2020, bei 1090.
Am 12.08.2020 langte bei der belangten Behörde per E-Mail ein Schreiben des BF vom 12.08.2020 mit (bereinigt bezüglich Schreibfehler) folgendem Inhalt ein:
„Betrifft:
Antrag auf amtswegige Berichtigung, Unzuständigkeit der DSB aufgrund § 4 DSG bzw. Art. 2 DSGVO bei nicht-personenbezogenen Daten (Rechtswidrigkeit)
In eventu: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 17 AVG), Akteneinsicht (§ 17 AVG).
Verfahren: D550. 258, Vorweg per Email sowie per Post (Einschreiben)
z.H. : Leiterin Fr. Mag . Dr. XXXX , Sachbearbeiterin XXXX
S. g. Damen und Herren,
Mir ist erst heute eine Mahnung zu einer Strafverfügung vom 29. 01.2020 zugegangen, davor habe ich keine Schriftstücke der DSB - weder per Post noch per Email (an meine bekannte Email-Adresse XXXX ) erhalten.
Zunächst stelle ich den Antrag auf amtswegige Berichtigung bzw. Einstellung gem. § 45 Abs. 1 Z 1 VStG, zweiter Fall, da die mir vorgeworfene Tat (Abfrage von KFZ-Kennzeichen von Zivilfahrzeugen der Polizei auf VVO.at) überhaupt nicht gem. dem DSG bzw. der DSGVO strafbar ist, da der Anwendungsbereich der Normen nur auf direkt personenbezogene Daten zutrifft. Ein Zivilfahrzeug der Polizei fällt nicht unter den Anwendungsbereich, da der Zulassungsinhaber stets die Behörde ist.
In eventu stelle hiermit einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem. § 71 AVG, da mir die ursprüngliche Strafverfügung unverschuldet nicht zugegangen ist und stelle gleichzeitig Antrag auf Akteneinsicht gem. § 17 AVG, um die versäumte Verfahrenshandlung (Beschwerde) nachholen zu können.
Weiters stelle ich in eventu einen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheids, der die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde im Hinblick auf den § 4 DSG bzw. der 2 DSGVO in diesem Fall begründen möge.
Ausserdem stelle ich den Antrag, der Vollstreckung der Geldstrafe gem. § 71 Abs. 6 AVG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Tatsache, dass mich kein Verschulden trifft, mache ich glaubhaft indem ich anführe, dass
1) Sehr viele Briefsendungen aus China eintreffen, weswegen ich den Postkasten täglich leere. Nachweis - Screenshots von Aliexpress (92 Seiten voller Bestellungen), dies kann auch mein Post-Zusteller bezeugen.
Anhand dessen kann ich glaubhaft machen, dass ich hier tatsächlich wohnhaft bin und auch täglich den Briefkasten leere.
Beilagen:
2 Aliexpress-Screenshots (92 Seiten mit Bestellungen Bestelladresse im Jänner).
2) Ich war in diesem Zeitraum auch nicht auf Urlaub und kann bei Bedarf dies durch meine Zeitnachweise der Firma belegen.
3) Ich durchaus eine über den gewöhnlichen Laien hinausgehende Kenntnis vom Verwaltungsrecht habe, wie mehrere – z.T. erfolgreich – geführte Verfahren vor eben dieser Behörde glaubhaft machen können. Es würde daher nicht der allg. Lebenserfahrung entsprechen, dass ich eine mir zugegangene Strafverfügung bewusst ignorieren würde, da ich mir der Rechtsfolgen bewusst bin.
In allen Verfahren habe ich stets fristgerecht geantwortet, wo dies notwendig war und auch in einem Fall Rechtsmittel an das BVwG in Anspruch genommen – wie auch den zugehörigen Akten zu entnehmen ist.
Ausserdem habe ich im selben Zeitraum (Jänner 2020) mehrere laufende Verfahren als BF bzw. Vertreter eines BF geführt und auch auf alle Emails der DSB reagiert, weshalb auch hier nicht anzunehmen wäre, dass ich gerade diesen Brief bewusst nicht abgeholt hätte, da es sich auch um eine Rückmeldung der DSB zu den anderen Verfahren handeln hätte können (und die DSB manchmal auch solche Inhalte per Post verschickt, insbesondere wenn darin personenbezogene Daten Dritter enthalten sind)
DSB- XXXX /0002-DSB/2017 (Verfahren gegen ÖH wegen Nichterteilung)
DSB- XXXX /0010-DSB/2019 bzw. DSB-D062. 243/0001-DSB/2019 (Verfahren gegen MA62, nun vor dem BVwG)
D XXXX (Verfahren gegen LPD Wien wegen IDR-Abfrage als Vertreter meiner Mutter XXXX , vormals XXXX )
DSB- XXXX /0003-DSB/2019 (Verfahren gegen HoT bzgl. Ausweiskopien bei Prepaid-Registrierung)
D XXXX /0001-DSB/2019 (Verfahren gegen LPD Wien als Vertreter meiner Mutter XXXX , vormals XXXX bzgl. FSR)
Ich bin mir nicht sicher ob das alle GZ sind – allerdings ist daraus klar ersichtlich, dass ich an allen Verfahren stets mitgewirkt habe.
4) Führe ich dzt. als Vertreter des BF (meiner Mutter) ein Verfahren vor dem LVwG Wien (Beschwerde gegen eine Strafverfügung der LPD Wien) und auch hier wurde stets fristgerecht reagiert und wir sind stets pünktlich zur Verhandlung erschienen, die aufgrund unentschuldigten Nichterscheinens eines Zeugen zweimal vertagt werden musste.
Beilagen:
Verhandlungsprotokoll LVwG Wien vom 01.07.2020 bzgl. VStV/ XXXX /2019 vom 19.08.2019, ursprüngliche Anzeige vom April 2019.
Würde ich als BF-Vertreter grundsätzlich behördliche Schriftstücke ignorieren, so würde es überhaupt nicht zu einer Verhandlung vor dem LVwG Wien kommen …
5) Der Vorwurf ist haltlos und entbehrt jeglicher rechtlicher Grundlage, da zum einen überhaupt keine personenbezogenen Daten verarbeitet wurden (Behörden-Kennzeichen sind keine personenbezogenen Daten, da diese keinem konkreten Beamten sondern einer Dienststelle zugeordnet sind) und da der Anwendungsbereich des DSG ausschliesslich personenbezogene Daten umfasst (§ 4 DSG bzw. der. 2 DSGVO)
Da die abgefragten Kennzeichen des BMI erkennbar keine personenbezogenen Daten sind, entfällt wie erwähnt der gesamte Anwendungsbereich des DSG bzw. der DSGVO und damit auch die Zuständigkeit der DSB. Ich ersuche daher um Aufhebung bzw. Rücknahme der Strafverfügung, da sie in diesem Fall von einer unzuständigen Behörden erlassen wurde.
Der Zugriff ist auch kein unrechtmässiger gewesen, da diese Website und Anwendung öffentlich zugänglich ist und keine Zugriffssperre überwunden werden musste, die Abfrage keine Rechtsfolgen auslöst und kein Hinweis angebracht ist, dass derartige Abfragen nicht getätigt werden dürfen.
Das "Sich verschaffen" eines widerrechtlichen Zugangs gem. § 62 DSG setzt voraus, dass der Zugang an sich widerrechtlich ist (etwa durch Nutzung weitergegebener Zugangsdaten bzw. durch Abfrage von Datenanwendungen im beruflichen Kontext, die nicht in den Zuständigkeitsbereich der beruflichen Tätigkeit fallen).
Der Zugriff wäre möglicherweise als "Hacking" strafbar, wenn dabei Zugriffssperren überwunden werden müssten (§ 118a StGB) – die es hier erkennbar nicht gibt, denn der Zugriff ist öffentlich für jedermann möglich und diese Website wird auch regelmässig dazu genutzt, noch freie Wunschkennzeichen zu finden.
Auch bei einer Anzeige durch eine Polizeibehörde ist eine genaue rechtliche Prüfung der objektiven Tatseite ("personenbezogene Daten") unabdingbar wie dies auch bei Eingaben natürlicher Personen passiert.
Ich ersuche daher im Sinne der Wahrung der Rechtstaatlichkeit und eines fairen Verfahrens um nochmalige Prüfung des Anwendungsbereiches des Datenschutzrechts (§ 4 DSG bzw. der Art 2 DSGVO) und amtswegige Einstellung des Verfahrens gem. § 45 Abs. 1 Z 1 VStG, zweiter Fall, ansonsten in eventu um Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem. § 71 AVG und um Gewährung von Akteneinsicht gem. § 17 AVG.
Im Falle einer amtswegigen Einstellung bzw. Aufhebung des Straferkenntnisses verzichte ich auf mein Recht auf Akteneinsicht gem. § 17 AVG. Im Falle der Wiedereinsetzung werde ich die versäumte Verfahrenshandlung unmittelbar nach Erhalt der Akteneinsicht nachholen.
Mit freundlichen Grüssen XXXX “
Mit der Eingabe legte der BF Beilagen, u.a. eine „eidesstattliche Erklärung über den Nichtzugang eines behördlichen Schriftstücks vom 12.08.2020, vor:
„Betrifft:
Eidesstattliche Erklärung über den Nichtzugang eines behördlichen Schriftstücks
Verfahren: D XXXX
z.H.: Leitern Fr. Mag. Dr. XXXX , Sachbearbeiterin XXXX
S.g. Damen und Herren,
ich erkläre hiermit von Eides statt, dass mir die Strafverfügung vom 29.01.2020 unverschuldet nicht zugegangen ist bzw. ich weder eine Verständigung über einen RSa/RSb-Brief noch einen nicht bescheinigten Brief in meinem Briefkasten vorgefunden habe sowie dass ich täglich den Briefkasten geleert habe und durchgehend an dieser Adresse, die auch meine Meldeadresse ist, anwesend war.
Meine Mutter Fr. XXXX als Mitbewohnerin erklärt ebenso von Eides statt, dass sie diese Verständigung nicht entnommen hat.
XXXX “
Weiters langte am 18.08.2020 ein „Antrag vom 14.08.2020 auf Erlassung eines Feststellungsbescheids bezüglich der Nichtigkeit der Strafverfügung“ bei der belangten Behörde ein.
Dieser lautet:
„Betrifft:
Erlassung eines Feststellungsbescheids bzgl. der Nichtigkeit der Strafverfügung (§ 68 AVG)
Verfahren: D XXXX
z.H.: Leiterin Fr. Mag. Dr. XXXX , Sachbearbeiterin XXXX
S.g. Damen und Herren,
in Bezug auf meine vorherige Eingabe, die sich auf die Nichtanwendbarkeit der datenschutzrechtlichen Normen (DSG & DSGVO) auf nicht personenbezogene Daten – § 4 DSG bzw. des Art. 2 DSGVO bezieht, wird beantragt, aufgrund Unzuständigkeit der Datenschutzbehörde die Strafverfügung als nichtig i.S.d. § 68 Abs. 2 AVG zu erklären. Da aus dieser Strafverfügung niemandem ein Recht erwachsen ist, kann diese auch von der DSB selbst für nichtig erklärt werden.
Behörden und juristische Personen – bzw. im weiteren Sinne alle nicht-natürlichen Entitäten – fallen nicht unter den Schutz des DSG bzw. der DSGVO.
Vgl. hierzu RS0037053, 1 Ob 87/75, Entscheidungstext OGH 11.06.1975 1 Ob 87/75 Beisatz: Ein absolut nichtiger Verwaltungsakt läge dann vor, wenn er jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrte. (T3)
Wie oben erwähnt besteht die gesetzliche Grundlage nur bei personenbezogenen Daten (natürlicher Personen). Sollte die Strafverfügung auf anderem Wege oder aufgrund anderer gesetzlicher Grundlage aufgehoben werden, so kann die Erlassung des formellen Feststellungsbescheids bzgl. der Nichtigkeit unterbleiben.
Mit freundlichen Grüßen
XXXX “
Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ab und den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Nichtigkeit der Strafverfügung zurück und führte begründend aus, die Strafverfügung sei mittels RSa-Zustellung dem Antragsteller nachweislich zugestellt worden. Es sei ein Zustellversuch am 03.02.2020 erfolgt. Da der Antragsteller an der Abgabestelle nicht anzutreffen gewesen sei, sei die Verständigung über die Hinterlegung in einer Abgabereinrichtung eingelegt worden. Die Abholfrist habe mit 03.02.2020 begonnen. Der Antragsteller habe die Frist zur Erhebung eines Einspruchs gegen die Strafverfügung verstreichen lassen und am 12.08.2020 – nach erfolgter Mahnung der Datenschutzbehörde vom 23.07.2020 – einen Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 AVG zusammen mit einem Antrag auf Akteneinsicht nach § 17 AVG eingebracht. Am 14.08.2020 habe der BF ergänzend die Erlassung eines Feststellungsbescheids über die Nichtigkeit der Strafverfügung nach § 68 Abs. 2 AVG beantragt.
Sodann stellte die belangte Behörde die Rechtslage zu § 49 Abs. 1 VStG und § 71 Abs. 1 AVG dar und führte aus, unabwendbar i.S.d. § 71 Abs. 1 AVG sei ein Ereignis, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden könne. Von einem unvorhergesehenen Ereignis spreche man, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet habe und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten habe können. Beide Möglichkeiten seien im vorliegenden Fall nicht gegeben und schieden somit als Wiedereinsetzungsgrund aus.
Darüber hinaus sei auch das Vorliegen eines Verschuldens zu beurteilen. Der BF führe im Wiedereinsetzungsantrag selbst an, dass er durchgehend an der Abgabestelle anwesend gewesen sei und aufgrund erhöhten Briefaufkommens täglich seinen Briefkasten geleert, jedoch keine Verständigung bemerkt habe. Dem BF könne eine grobe Fahrlässigkeit angelastet werden, da er jedenfalls in der Lage gewesen sei, die Verständigung über die Hinterlegung des RSa-Briefs im Zuge seiner regelmäßigen bzw. täglichen Briefkastenkontrollen zu bemerken. Das von ihm vorgebrachte Argument des erhöhten Briefaufkommens könne auch nicht als ein entschuldbarer Umstand bewertet werden. Ein sorgfältiger Mensch hätte die Hinterlegung der Verständigung jedenfalls bemerkt. Aufgrund des erhöhten Briefaufkommens hätte ein sorgfältiger Mensch umso vorsichtiger bzw. mit erhöhter Aufmerksamkeit seinen Briefkasten kontrolliert, um keine wichtigen Briefe oder Verständigungen irrtümlich zu entsorgen, vor allem dann, wenn man mehrere anhängige Verfahren vor Behörden und Gerichten habe. Dem BF könne daher kein leichtes Verschulden bescheinigt werden.
Da die Strafverfügung eine rechtsgültige Rechtsmittelbelehrung enthalten habe, könne sich der BF auch nicht auf § 71 Abs. 1 Z 2 AVG stützen. Der Behörde sei es durch die verspätete Einbringung des Einspruchs, die vom BF als „Beschwerde“ tituliert worden sei, verbunden mit dem Umstand, dass auch kein rechtlich anerkannter Grund für eine Wiedereinsetzung i.S.d. § 71 AVG vorliege, rechtlich verwehrt, eine Sachentscheidung zu treffen. Auf die Begründung des Einspruchs von 12.08.2020 (ergänzt durch das Schreiben vom 14.08.2020) sei somit nicht weiter einzugehen.
Dem Antrag auf Akteneinsicht sei in einem separatem Schreiben entsprochen worden.
Nach Darstellung des § 68 Abs. 2 AVG führte die belangte Behörde weiters aus, der BF habe kein subjektives Recht auf Aufhebung der Strafverfügung von amts wegen. Zudem sei gem. § 24 VStG die Bestimmung des § 68 Abs. 2 und 3 AVG im Strafverfahren nicht anzuwenden. Ungeachtet dessen, kämen nach der Rechtsprechung des VwGH Anträge auf Erlassung von Feststellungsbescheiden nur dann in Betracht, wenn durch diese nicht eine gesetzliche Regelung, wie hier die Einspruchsfrist, unterlaufen werden solle.
Allein gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu genehmigen sowie eine mündliche Verhandlung abzuhalten und den Zusteller, der am 03.02.2020 Dienst gehabt habe, jenen der derzeit Dienst habe sowie XXXX zu befragen. Dass auch Spruchpunkt 2. von der Anfechtung berührt wird, ergibt sich weder aus dem Beschwerdeantrag noch aus den Beschwerdegründen.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem elektronischen Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 26.04.2021 vor, das Einlangen ist am 05.05.2021 protokolliert.
Die Beschwerde ist im Ergebnis nicht berechtigt:
Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu bewilligen wenn
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Verschuldens trifft oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
Gemäß Abs. 2 muss der Antrag auf Wiedereinsetzung nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Gemäß Abs. 3 hat im Fall der Versäumung einer Frist die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.
Gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter i.S.d. § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
Gemäß Abs. 2 ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabebestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstür (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
Der zugrunde liegende Antrag des BF ist mit 12.08.2020 datiert. Er wurde per E-Mail am 12.8.2020 (im Akt befindliche Kopie des E-Mails) sowie auch postalisch übermittelt und trägt den Eingangsstempel der belangten Behörde vom 18.08.2020. Laut Antrag soll er an jenem Tag verfasst worden sein, an dem dem BF eine Mahnung zur gegenständlichen Strafverfügung, vom 23.7.2020 (Bescheid S 2), zugegangen sei.
Der BF führt aus, zunächst einen Antrag auf amtswegige Berichtigung bzw. Einstellung des Strafverfahrens zu stellen, weil die Tat nicht strafbar sei.
In eventu stellt der BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung mit der alleinigen Behauptung, die ursprüngliche Strafverfügung sei ihm „unverschuldet nicht zugegangen“. In weiterer Folge führt der BF aus, weshalb ihn seiner Ansicht nach kein Verschulden treffe. Er sei zum Zeitpunkt des Zustellversuches an seinem Wohnsitz anwesend gewesen, in seinem Postkasten seien viele Briefsendungen eingegangen, er habe zahlreiche Verfahren bei der DSB anhängig und reagiere gerade deshalb auf alle Schriftstücke, was sich auch durch fristgerechte Reaktionen in anderen Verfahren zeige.
Angesichts der sich aus dem Rückschein ergebenden Hinterlegung nach einem Zustellversuch kann das Vorbringen, „die ursprüngliche Strafverfügung sei ihm unverschuldet nicht zugegangen“, nur so verstanden werden, dass der BF meint, keine Hinterlegungsnachricht betreffend diese Strafverfügung in seinem Postkasten vorgefunden zu haben.
Eine Frist ist i.S.d. § 71 AVG versäumt, wenn sie zu laufen begonnen hat und ungenutzt verstrichen ist. Wurde der Fristenlauf nicht ausgelöst, kann die Frist nicht versäumt werden. Ist der die Frist auslösende Akt (z.B. die Zustellung) nicht wirksam erfolgt, so beginnt die Frist nicht zu laufen. Verneint der Wiedereinsetzungswerber selbst, dass eine Säumnis vorliegt, weil der die Frist auslösende Bescheid noch gar nicht zugestellt worden ist, kommt eine Bewilligung der Wiedereinsetzung gem. der Judikatur nicht in Betracht. Die Judikatur geht nicht darauf ein, dass die rechtliche Beurteilung durch die Partei unrichtig und der Antrag das faktische Substrat für eine Wiedereinsetzung sein kann (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 RZ 22, 23, 24 mwN, insbesondere auch VwGH 07.10.1993, 92/01/0864).
Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist die Behauptung eines Rechtsnachteils, das heißt die Behauptung, durch eine Fristversäumung eines zumindest angeblichen Anspruches verlustig gegangen zu sein. Eine Versäumung kann aber nicht eintreten, wenn die Zustellung des Schriftstücks nicht rechtswirksam, d.h. unter Einhaltung der Bestimmungen des ZustellG, erfolgt ist. Ist ein Zustellvorgang gesetzwidrig, die Zustellung daher nicht rechtswirksam, so ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf. Stellt der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand seinem Inhalt nach nicht auf eine Fristversäumnis, sondern darauf ab, dass die Frist zur Erhebung des Rechtsmittels ohnedies eingehalten worden ist, so geht er ins Leere. Verneint der Wiedereinsetzungswerber also selbst, dass eine Säumnis vorliegt, weil der die Frist auslösende Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, kommt aus diesem Grund eine Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht in Betracht (VwGH 07.10.1993, 92/01/0864).
Dieser Fall liegt hier vor: Der BF stützt seinen – eventualiter erhobenen – Wiedereinsetzungsantrag (da die Behörde dem Antrag auf amtswegige Berichtigung nicht nachkam, liegt der Eventualfall vor) erkennbar darauf, dass er vom Zustellvorgang trotz täglicher sorgfältigster Kontrolle des Briefkastens keine Kenntnis erlangt hat, weil – dies wird zwar nicht ausdrücklich ausgeführt, ist aber aus dem Antrag erschließbar – keine Verständigung eingelegt gewesen sei. Damit wird aber ein tauglicher Wiedereinsetzungsantrag nicht ausgeführt, da ein solcher ja gerade an eine Fristversäumnis anknüpft, durch einen mangelnden Zustellvorgang (Hinterlegung ohne Verständigung) aber eine wirksame Zustellung nicht erfolgen hätte können und somit auch keine Frist ausgelöst worden wäre.
In der Beschwerde rügt der BF nunmehr die „Nichtberücksichtigung der eidesstattlichen Erklärung der Frau XXXX (Mutter, Mitbewohnerin)“ sowie eine „Unabwendbarkeit/Unvorhersehbarkeit des Ereignisses durch möglichen fremden Zugriff auf den Briefkasten und Entwendung der Benachrichtigung“. Nach dem Inhalt der eidesstattlichen Erklärung habe weder der BF noch seine Mutter eine Verständigung über einen RSa/RSb-Brief im Briefkasten vorgefunden, obwohl diese täglich den Briefkasten geleert hätten und durchgehend an der Adresse anwesend gewesen seien.
Dieser Umstand zielt allein auf einen allfällig nicht gesetzmäßigen Zustellvorgang ab, ein Bescheinigungsmittel für einen tauglichen Wiedereinsetzungsantrag liegt darin nicht.
Erstmals in der Beschwerde bringt der BF nunmehr vor, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich Unbekannte Zugriff zum Briefkasten verschafft hätten und eine etwaige RSa-Benachrichtigung entwendet hätten. Auch eine „Fehlzustellung“ sei nicht ausgeschlossen.
Ein wirksamer Zustellvorgang durch Hinterlegung setzt voraus, dass objektive Gewähr dafür besteht, dass die Verständigung den Empfänger auch tatsächlich erreichen kann. Ein bewusstes Entfernen der Hinterlegungsanzeige durch einen Dritten macht die Zustellung durch Hinterlegung nicht unwirksam (Gitschthaler in ZPO5 § 17 ZustellG, Rz 4 und 5). Wenn die Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstücks, mit der die Zustellung bewirkt ist, nicht auf einem Verschulden der Partei beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt, ist sie geeignet, einen Wiedereinsetzungsantrag zu begründen. Davon kann etwa dann ausgegangen werden, wenn die Partei von der Zustellung des Bescheids durch Hinterlegung deshalb keine Kenntnis erlangt hat, weil die Verständigung von der Hinterlegung ohne ihr Wissen von einer anderen Hauspartei oder einer dritten Person entfernt worden ist (Hengstschläger/Leeb, w.o. Rz 73, mwN).
Allerdings sind im Wiedereinsetzungsantrag neben den Angaben zur Rechtzeitigkeit die Gründe anzuführen, auf die er sich stützt und ihr Vorliegen ist glaubhaft zu machen. Es ist bereits im Antrag konkret jenes unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das den Wiedereinsetzungswerber an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Die Behörde ist aufgrund der Antragsbedürftigkeit des Verfahrens ausschließlich an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihr verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung miteinzubeziehen. Eine amtswegige Prüfung, ob sonstige vom Antragsteller nicht geltend gemachte Umstände die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand rechtfertigen könnten, hat nicht zu erfolgen. Nur innerhalb des vom Wiedereinsetzungswerber abgesteckten Rahmens kann auch die Manuduktionspflicht der Behörde zum Tragen kommen (w.o. Rz 115). In Folge der Befristung kommt auch ein Nachschießen von Wiedereinsetzungsgründen bzw. ihre Ausdehnung durch den Wiedereinsetzungswerber nach Ablauf der gesetzlichen Frist nicht (mehr) in Betracht (w.o., Rz 117).
Die allenfalls für eine Wiedereinsetzung taugliche Begründung einer möglichen nachträglichen Entfernung der Benachrichtigung wurde durch den BF erstmals in der Beschwerde, somit außerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 71 Abs. 2 AVG, behauptet. Auf den diesbezüglichen Wiedereinsetzungsgrund ist daher nicht mehr einzugehen.
Zuletzt ist der BF darauf hinzuweisen, dass die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen gewesen wäre. Ein Einspruch ist mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht verbunden. Der BF führt ausdrücklich aus, er werde die versäumte Verfahrenshandlung unmittelbar nach Erhalt der Akteneinsicht nachholen. Auch unter diesem Gesichtspunkt liegt kein zulässiger Wiedereinsetzungsantrag vor.
Die belangte Behörde ist zwar offenbar von einer grundsätzlichen Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages ausgegangen, verneinte diesen aber, weil sie von grobem Verschulden des BF ausging.
Da aber aus den genannten Gründen (Wiedereinsetzungsantrag ist kein taugliches Instrument im Falle der Behauptung eines nicht gesetzmäßigen Zustellvorgangs, unzulässiges Nachschießen allenfalls tauglicher Wiedereinsetzungsgründe, nicht rechtzeitige Nachholung der versäumten Handlung) der Wiedereinsetzungsantrag nicht berechtigt ist, erfolgte die diesbezügliche Abweisung durch die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG – obwohl ausdrücklich beantragt - entfallen, weil bereits aus rechtlichen Gründen feststeht, dass der hier vorliegende Wiedereinsetzungsantrag bzw die Beschwerde gegen den den Wiedereinsetzungsantrag abweisenden Bescheid keinesfalls zum Erfolg führen kann.
Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision beruht auf dem Umstand, dass anhand der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung Einzelfallfragen zu lösen warnen.
Schlagworte
Datenabfragen Datenschutz Datenschutzbehörde Datenschutzverfahren Feststellungsantrag Geldstrafe Hinterlegung Kraftfahrzeug Strafverfügung Wiedereinsetzung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W274.2242190.1.00Im RIS seit
06.12.2021Zuletzt aktualisiert am
06.12.2021