TE Lvwg Erkenntnis 2021/4/27 LVwG-S-540/001-2021

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Veröffentlicht am 27.04.2021
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Entscheidungsdatum

27.04.2021

Norm

SPG 1991 Art2 §1 Abs1
EO §382e

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin Mag. Steger über die Beschwerde der Frau A gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 25. Februar 2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Sicherheitspolizeigesetz (SPG),

zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 25.02.2021, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführerin A folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:   16.04.2020, 18:46 Uhr

Ort:         Gemeindegebiet ***, ***,
***

Tatbeschreibung:

Am 03.12.2019 wurde vom Bezirksgericht ***, GZ: *** eine einstweilige Verfügung gemäß § 382e Exekutionsordnung (EO) erlassen, wonach Ihnen folgende Verhaltensweise untersagt wurde: Kontaktaufnahme mit Frau B. Sie haben entgegen der getroffenen Anordnung am 16.04.2020, 18:46 Uhr mit Fr. B Kontakt aufgenommen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Artikel 2 § 1 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) BGBl. I Nr. 152/2013 i.V.m. § 382e der Exekutionsordnung (EO) i.d.F. des Gewaltschutzgesetzes 2019, BGBl.I.Nr. 105/2019

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafe von          falls diese                   Gemäß

uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe

von

€ 250,00          50 Stunden                   Artikel 2 § 1 Abs.1 SPG, BGBl.I Nr.

152/13 i.d.F. des Gewaltschutzgesetzes

2019, BGBl.I Nr. 105/19

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2

Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der

Strafe, mindestens jedoch 10 Euro                                              € 25,00

Gesamtbetrag:          € 275,00“

In der gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht mittels E-Mail erhobenen Beschwerde vom 09.03.2021 führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführerin bis heute nicht wisse woher sich die Nichte der Beschwerdeführerin B das Recht genommen habe, die Beschwerdeführerin am 03.12.2019 von dem Haus ihrer Mutter, wohnhaft in ***, ***, wegweisen zu lassen. Die Nichte der Beschwerdeführerin sei dort nicht wohnhaft gewesen. Die Beschwerdeführerin wisse auch bis heute nicht was ihre Nichte dort eigentlich zu suchen gehabt hätte. Die Beschwerdeführerin könne sich nicht vorstellen, dass es rechtens sei, sie von der Wohnung ihrer Mutter mit Pflegestufe 5, die die Beschwerdeführerin Tag und Nacht gepflegt habe, von jemanden wegweisen zu lassen, der nicht einmal an dieser Adresse gemeldet sei und schon gar nicht dort gewohnt hätte. Dieser Beschwerde wurden mehrere Lichtbildbeilagen, auf welchen die Rückenansicht einer auf einem Bett sitzenden Person, welche durch Fäkalien verunreinigt ist, sowie Lichtbildbeilagen, auf welchen ein verunreinigter Toilettenraum zu sehen ist, angeschlossen.

Mit Schreiben vom 10.03.2021 legte die Verwaltungsstrafbehörde den Verwaltungsstrafakt zur Zl. *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem Ersuchen um Entscheidung vor, dies mit der Mitteilung, dass von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung kein Gebrauch gemacht und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werde.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den seitens der Verwaltungsstrafbehörde vorgelegten Verwaltungsstrafakt zur Zl. ***.

Zunächst ist von folgendem als erwiesen anzusehenden Sachverhalt auszugehen:

Mit rechtskräftiger Entscheidung des Bezirksgerichtes *** vom 03.12.2019 wurde gegen die Beschwerdeführerin A gemäß § 382e Exekutionsordnung folgende einstweilige Verfügung betreffend die als gefährdete Partei bezeichnete Frau B, geb. ***, ***, ***, erlassen:

1.    Der Gegnerin der gefährdeten Partei wird aufgetragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit der gefährdeten Partei, insbesondere durch Telefon, Brief, SMS, zu unterlassen.

2.   Der Gegnerin der gefährdeten Partei wird der Aufenthalt an der Adresse ***, ***, in und vor dem Gebäude sowie im Umkreis von 5m verboten.

3.   Die Sicherheitsbehörden werden mit dem Vollzug dieser einstweiligen Verfügung durch die ihnen zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beauftragt und haben auf Ersuchen der gefährdeten Partei den dieser einstweiligen Verfügung entsprechenden Zustand durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt herzustellen sowie dem Bezirksgericht *** darüber zu berichten.

4.   Diese einstweilige Verfügung gilt für die Dauer von zwölf Monaten bis zum 3.12.2020.“

Mit verfahrensgegenständlichem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 25.02.2021 wurde im Spruch dieses Straferkenntnisses der Beschwerdeführerin die Tat dahingehend zur Last gelegt, als dass sie am 16.04.2020 um 18:46 Uhr im Gemeindegebiet ***, ***, *** gegen diese vom Bezirksgericht *** zur Zl. *** erlassene einstweilige Verfügung verstoßen hat, da sie mit Frau B entgegen der getroffenen Anordnung Kontakt aufgenommen hat. Als verletzte Rechtsvorschrift wurde Art. 2 § 1 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) BGBl. I Nr. 152/213 iVm § 382e der Exekutionsordnung (EO) idF des Gewaltschutzgesetzes 2019, BGBl. I Nr. 105/2019 angeführt.

Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund des unbedenklichen Akteninhaltes, insbesondere der im Akt der Verwaltungsstrafbehörde einliegenden einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes *** vom 03.12.2019 sowie auf Grund des Inhaltes des verfahrensgegenständlich angefochtenen Straferkenntnisses.

In rechtlicher Hinsicht war Folgendes zu erwägen:

§ 382e Exekutionsordnung (EO) lautet:

„(1) Das Gericht hat einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, auf deren Antrag

1. den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten,

2. aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden und

3. zu verbieten, sich dem Antragsteller oder bestimmt zu bezeichnenden Orten in einem bestimmten Umkreis anzunähern,

soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen.

(2) Eine einstweilige Verfügung nach Abs. 1 kann längstens für ein Jahr angeordnet werden; § 382b Abs. 2 zweiter Satz ist anzuwenden. Gleiches gilt für eine Verlängerung der einstweiligen Verfügung nach Zuwiderhandeln durch den Antragsgegner.

(3) § 382c Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Wird eine einstweilige Verfügung nach Abs. 1 gemeinsam mit einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs. 1 erlassen, so gelten § 382b Abs. 3 und § 382c Abs. 4 sinngemäß.

(4) Das Gericht kann mit dem Vollzug von einstweiligen Verfügungen nach Abs. 1 die Sicherheitsbehörden betrauen. § 382d Abs. 4 ist sinngemäß anzuwenden. Im Übrigen sind einstweilige Verfügungen nach Abs. 1 nach den Bestimmungen des Dritten Abschnitts im Ersten Teil zu vollziehen.“

Die Verwaltungsstrafbehörde hat dem konkreten Sachverhalt die Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, BGBl. I Nr. 152/2013, zu Grunde gelegt.

Gemäß § 1 Abs. 1 dieses Bundesgesetzes begeht eine Verwaltungsübertretung, wer einer in einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b, 382e Abs. 1 Z 1 und Z 2 erster Fall und § 382g Abs. 1 Z 1, 3 und 8 des Gesetzes vom 27. Mai 1896 über das Exekutions- und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung – EO), RGBl. Nr. 79/1896, oder in einer nach § 420 EO angeordneten Vollstreckung einer ausländischen Schutzmaßnahme getroffenen Anordnung zuwiderhandelt und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2 500 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.

Die Verwaltungsstrafbehörde hat der Beschwerdeführerin im Spruch des Straferkenntnisses die Kontaktaufnahme mit Frau B zur Last gelegt, weil eben diese Kontaktaufnahme gegen die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes *** vom 03.12.2019 verstößt. Ein gemäß dieser einstweiligen Verfügung nicht gestattetes Zusammentreffen mit B wurde der Beschwerdeführerin seitens der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten nicht zur Last gelegt.

Dazu ist in rechtlicher Hinsicht auszuführen, dass der Gesetzgeber in der Verwaltungsstrafbestimmung des § 1 Abs. 1 des Art. 2 der SPG-Novelle 2013 ausschließlich den ersten Fall des § 1 Abs. 1 Z 2, nämlich den Verstoß gegen ein untersagtes Zusammentreffen mit der gefährdeten Person unter Strafe stellt, nicht aber den zweiten Fall des § 1 Abs. 1 Z 2 des § 382e EO, sohin eine mit einstweiliger Verfügung untersagte Kontaktaufnahme.

Da somit – wenngleich ein mit einstweiliger Verfügung angeordnetes Kontaktverbot besteht – ein Zuwiderhandeln in der verfahrensgegenständlich vorgeworfenen Form eben keine Verwaltungsübertretung bildet, war das Strafverfahren daher spruchgemäß gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.

Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Fall kein Rechtsfall zu lösen war, der iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung vor der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Ordnungsrecht; Sicherheitspolizei; Verwaltungsstrafe; Gewaltschutz; Kontaktaufnahme;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.540.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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