TE Lvwg Erkenntnis 2021/5/10 LVwG-2020/20/2815-8

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Veröffentlicht am 10.05.2021
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Entscheidungsdatum

10.05.2021

Index

32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §9 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Stöbich über die Beschwerde des AA, **** Z, gegen den Bescheid des Stadt Y vom 12.11.2020, Zl ***, betreffend eine Haftung gemäß § 9 Abs 1 Bundesabgabenordnung für Abgaben nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungs- und Ausgleichsabgabengesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird insoweit teilweise Folge gegeben, als der Beschwerdeführer für nachfolgende rechtskräftig vorgeschriebene Abgaben zur Haftung herangezogen wird:

Bezeichnung der Abgabe

 

fällig gewesen am

Betrag

Erschließungsbeitrag
(3,5 % von € 10.380,30)

2014

15.6.2014

€ 363,31

Gehsteigbeitrag
(3,5 % von € 4.217,47)

2014

15.6.2014

€ 147,61

Gesamtsumme

 

 

€ 510,92

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer von der Stadt Y gemäß § 9 iVm §§ 80 und 224 Bundesabgabenordnung (BAO) für nachfolgende rechtskräftig vorgeschriebene Abgaben in der Höhe von € 13 845,66 zur Haftung herangezogen:

Bezeichnung der Abgabe

 

fällig gewesen am

Betrag

Erschließungsbeitrag
(3,5 % von € 10.380,30)

2014

15.6.2014

€ 363,31

Gehsteigbeitrag
(3,5 % von € 4.217,47)

2014

15.6.2014

€ 147,61

Erschließungsbeitrag

2017

19.10.2017

€ 99,68

Gehsteigbeitrag

2017

19.10.2017

€ 35,06

Ausgleichsabgabe

2017

19.10.2017

€ 13.200,00

Gesamtsumme

 

 

€ 510,92

In der Bescheidbegründung verwies die Abgabenbehörde im Wesentlichen darauf, dass es der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der BB unterlassen habe, die in der Aufstellung angeführten rechtskräftig vorgeschriebenen Abgaben zu den Fälligkeitszeitpunkten zu entrichten. Aufgrund der nicht termingerechten Entrichtung der Abgaben sei gemäß § 9 BAO eine schuldhafte Pflichtverletzung anzunehmen. Die Einbringlichkeit der Abgabe sei wesentlich erschwert bzw unmöglich gemacht worden, da in der Insolvenzdatei des Landesgerichtes (Aktenzeichen ***) vom 17.02.2020 der Konkurs mangels Kostendeckung gemäß § 123a Insolvenzordnung aufgehoben worden sei.

Über den Haftungspflichtigen sei ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden. Für die zu diesem Zeitpunkt entstandenen Forderungen orientiere sich die Haftungsinanspruchnahme aus Gründen der Billigkeit betragsmäßig an der im Zahlungsplan festgelegten Quote von 3,5 %.

Mit Schreiben vom 20.11.2020 (irrtümlich wurde im Schreiben der 20.10.2020 angeführt) erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Beschwerde. In dieser verwies er darauf, dass ihn keine persönliche Haftung hinsichtlich der angeführten Abgaben der im Mai 2015 insolvent gewordenen BB treffe. Die Nichtbegleichung der im Mai 2014 vorgeschriebenen Abgaben sei seinerseits nicht schuldhaft erfolgt. Vielmehr habe die finanzierende Bank zum Zeitpunkt der Vorschreibung ohne Rücksprache mit der damaligen Geschäftsführung keine Überweisungen offener Rechnungen vorgenommen. De facto habe die Bank die Geschäftsführung übernommen. Diese habe allein entschieden, was überwiesen werde und was nicht.

Hätten Forderungen dennoch zu Recht bestanden, wären sie verjährt oder nicht gegen ihn zu richten. Die angezeigten Forderungen hätten, wenn sie überhaupt berechtigt gewesen wären, im Privatinsolvenz– und Schuldenregulierungsverfahren *** des Bezirksgerichtes X abgehandelt werden müssen. Das Verfahren sei am 30.11.2016 eröffnet und am 24.07.2018 abgeschlossen worden. Es wäre beim Bezirksgericht X eine nachträgliche Anmeldung einzureichen. Diese wäre dort zu prüfen und zu entscheiden.

Ab Mai 2015 sei er von jeglicher relevanter Information abgeschnitten worden. Es hätte ausschließlich der Masseverwalter das Sagen gehabt. In den Bescheiden vom 12.09.2017 sei auch korrekterweise der Masseverwalter angeführt. Er habe im Konkursverfahren die Geschäftsführung übernommen und alleine entschieden, was überwiesen werde und was nicht. Folgerichtig hätte der Masseverwalter daraus heute Konsequenzen zu tragen. Auch die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Forderungen hätten im Privatinsolvenz– und Schuldenregulierungsverfahren abgehandelt werden müssen bzw wären jetzt nachträglich beim Bezirksgericht X einzureichen, dort zu prüfen und zu entscheiden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 02.12.2020, Zl ***, wurde die Beschwerde von der Abgabenbehörde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer während des hier interessierenden Haftungszeitraumes (2014 und 2017) als Geschäftsführer der vorgenannten Gesellschaft bestellt gewesen sei und als solcher zu dem in § 9 und § 80 BAO beschriebenen Personenkreis gehört habe. Im Insolvenzverfahren sei auf die Konkursgläubiger keine Quote entfallen, sodass von einer Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der ursprünglichen Abgabenschuldnerin, der BB, ausgegangen werde müsse. Die Verweise auf die Bank und den Masseverwalter wären nicht geeignet, den Beschwerdeführer dahingehend zu entlasten.

In Bezug auf die Höhe des Haftungsbetrages wurde neuerlich auf das Ergebnis des Schuldenregulierungsverfahrens beim Bezirksgericht X verwiesen. Durch Anmeldung im Konkurs sei die Verjährung der angemeldeten Forderungen unterbrochen worden und habe die Verjährungsfrist nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses von neuen zu laufen begonnen. Unterbrechungshandlungen würden anspruchsbezogen wirken, somit auch gegen jeden, der als Zahlungspflichtiger in Betracht komme.

Mit dem rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag vom 11.12.2020 begehrte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Beschwerde durch das Landesverwaltungsgericht. Dabei verwies er neuerlich darauf, dass die Bank de facto die Geschäfte geführt habe. Entscheidungen, welche zur Festsetzung der Abgaben geführt hätten, hätte nicht er getroffen und seien auch nicht von seinem Willen getragen gewesen. Dies fände sich auch „im gerichtlichen Protokoll“ der Prozesse mit der Bank. Weiters verwies er neuerlich darauf, dass er mit Beginn der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von sämtlichen Schritten des Unternehmens ausgeschlossen gewesen wäre. Er selbst hätte etwa nie einer Ausgleichsabgabe „für eine erteilte Nachsicht“ zugestimmt. Ihn treffe an der Nichtbegleichung der Abgaben kein Verschulden. Die Bescheide laut Positionen 3 bis 5 seien ausschließlich an den Masseverwalter gerichtet gewesen und ihm bis zum 30.09.2020 völlig unbekannt gewesen. Er hätte keine Möglichkeit zum Eingreifen gehabt. Die Positionen 1 bis 5 müssten, so sie überhaupt bestünden, beim Bezirksgericht X zur Prüfung eingebracht werden.

Mit Vorlagebericht vom 17.12.2020 wurde der gegenständliche Abgabenakt von der Abgabenbehörde dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt. Das Landesverwaltungsgericht setzte in weitere Folge für den 13.04.2021 eine Verhandlung fest, zu welcher die Parteien geladen wurden. In einem Begleitschreiben zur Ladung wurde der Beschwerdeführer vom Landesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass den Haftungspflichtigen in Zusammenhang mit der Darlegung mangelnden Verschuldens (hinsichtlich der Nichtentrichtung von Abgaben) eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungspflicht treffe. Er wurde daher aufgefordert, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zugehen dieses Schreibens (der Ladung) die diesbezüglichen Ausführungen näher zu konkretisieren sowie Beweismittel vorzulegen bzw Beweismittel (Akten, Aktenstücke, Zeugen, etc) zu benennen, sodass diese rechtzeitig bis zur Durchführung der Verhandlung zur Verfügung stünden.

Der Beschwerdeführer nahm mit einem Schreiben vom 16.03.2021 auf diese Aufforderung Bezug und führte nochmals aus, dass ihm kein schuldhaftes Verhalten in Bezug auf die Nichtentrichtung der Abgaben angelastet werden könne. Die Vorlage von konkreten Beweismitteln würde ihm schwerfallen. Seit Konkurseröffnung hätte er keinen Zugang mehr zu schriftlichen Unterlagen der BB.

Bereits im Jahr 2013 hätten sich aus bautechnischen Gründen Verzögerungen bei der Umsetzung des Bauvorhabens ergeben, dies aufgrund unterschiedlicher Grenzverläufe und Abstandsvorgaben. Auch seien Wünsche der Baupolizei nicht entsprechend berücksichtigt worden. Die Bank hätte aufgrund der Bauverzögerungen ohne Vorwarnung den genehmigten (und ursprünglich ausreichenden) Finanzierungsrahmen derart eingeschränkt, dass der Geschäftsführung eine ordnungsgemäße Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen nicht mehr möglich gewesen wäre. Es wären sämtliche Rechnungen im Überweisungssystem der Bank zu erfassen gewesen und hätte man eine aktuelle Liste darüber erstellen müssen. Dies sollte die Freigabe von Überweisungen durch die Bank vorbereiten. Nach einer Überprüfung hätte die Bank diese durchführen sollen. Die Erfahrung habe dann gezeigt, dass dies nur lückenhaft geschehen sei.

Der Beschwerdeführer verwies auf eine beiliegende Auflistung. Daraus ergebe sich, dass Rechnungen von 2013 aufscheinen würden, wobei die Bank die Zahlung nicht freigegeben hätte. Die Bank hätte alleine und ohne Absprache mit den Geschäftsführern entschieden, welche Zahlungen geleistet würden und welche nicht. Der Geschäftsführer im Allgemeinem und ihm als für den Zahlungsverkehr Zuständigen sei die Möglichkeit einer freien Entscheidung entzogen worden. Die Bank hätte die Geschäftsführung in diesem Bereich de facto übernommen. Es seien jedoch alle Überweisungen durchgeführt worden, welche die Spesen der Bank betroffen hätten, nicht jedoch bezüglich öffentlicher Abgaben. Gehälter seinen nicht oder nur stark verzögert bzw auch dann nur auf nachhaltiges Bitten und Betteln überwiesen worden. Diesem Schreiben waren angeschlossen eine Durchführungsliste 19.03.2014, eine Spesenaufstellung der Bank für April 2014 und die Chronologie des Schriftverkehrs mit der Stadt Y.

Mit einem Schreiben vom 18.03.2021 übermittelte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen, welche ein weiteres Abgabenverfahren (eine Haftung des Beschwerdeführers für von der BB nicht entrichtete Kommunalsteuer) betreffen.

Mit Email vom 08.04.2021 wurden der Abgabenbehörde die Aufforderung des Landesverwaltungsgerichtes an den Beschwerdeführer, weitere Unterlagen und Beweismittel vorzulegen bzw zu benennen, samt dem Bezug habenden Antwortschreiben (zur Wahrung des Parteiengehörs) zur Kenntnis gebracht.

Am 13.04.2021 wurde beim Landesverwaltungsgericht eine Verhandlung durchgeführt, bei welcher der Beschwerdeführer und Vertreter der Abgabenbehörde anwesend waren.

Nach der Verhandlung richtete der Beschwerdeführer ein Schreiben vom 14.04.2021 an das Verwaltungsgericht, in welchem er Zweifel äußerte, dass die Abgabennachforderungen bei der BB nicht einbringlich wären, zumal er am Vortag erfahren habe, dass diese Gesellschaft noch immer grundbücherliche Eigentümerin der beiden Liegenschaften Adresse 1 und Adresse 2 sei. Es hätte doch möglich sein müssen, ein exekutives Pfandrecht einzutragen. Wäre seine Haftung eine Ausfallshaftung, dann wäre sie nicht schlagend geworden.

Der Abgabenbehörde wurde dieses Scheiben zur Kenntnis gebracht. In einem Email vom selben Tag (14.04.2021) nahm sie dazu Stellung und führte aus, dass die Durchsetzung eines gesetzlichen Pfandrechts in Betracht gezogen, jedoch nicht als zielführend angesehen worden sei. Laut Firmenbuchauszug befinde sich die BB in Liquidation. Unabhängig davon sei sie nach wie vor Alleineigentümerin der Liegenschaft ***, KG ***** W. Im Grundbuch sei allerdings durch den Vermerk „Wohnungseigentum in Vorbereitung“ ersichtlich gemacht worden, dass an der genannten Liegenschaft Wohnungseigentum begründet werden solle, wobei hinsichtlich der einzelnen wohnungseigentumstauglichen Objekte zugunsten diverser Personen bereits die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG angemerkt sei.

Die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gewähre dem Wohnungseigentumsbewerber einen weitreichenden Bestandsschutz nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) und dem Bauträgervertragsgesetz (BTVG). So könne er ua gemäß § 43 Abs 1 WEG den säumigen Organisator auf Einwilligung der Einverleibung seines Eigentums am Mindestanteil klagen. Im Falle der Zwangsversteigerung einer Liegenschaft, hinsichtlich welcher die Zusage zur Einräumung von Wohnungseigentum im Grundbuch eingetragen sei, habe der Ersteher die dem Wohnungseigentumsbewerber auf Grund dieser Anmerkung zustehenden Rechte nach Maßgabe des § 150 Exekutionsordnung (EO) zu übernehmen. Der Ersteher trete insoweit in die den Wohnungseigentumsorganisator nach § 37 Abs 2 Z 2 WEG treffenden Pflichten iS einer privaten Schuldübernahme ein. Hierauf sei grundsätzlich schon bei der Schätzung der zu versteigernden Liegenschaft gemäß § 143 Abs 1 und 2 EO Bedacht zu nehmen.

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall bedeute dies, dass in den Fällen, in denen die Anmerkung den Pfand- und Befriedungsrechten im Rang vorgehe und daher vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sei, die Exekution durch Zwangsversteigerung in der Regel unzulässig sei, weil kaum anzunehmen sei, dass ein Bietinteressent ein Anbot abgebe, obwohl er die ersteigerte Liegenschaft in der Folge den Wohnungseigentümern ohne Gegenleistung herausgeben müsse. Dieser Sachverhalt (bzw wohl auch rechtliche Würdigung) sei auch mit dem zuständigen Exekutionsrichter des Bezirksgerichtes Y erörtert worden.

Diese Stellungnahme wurde mit Email vom gleichen Tag (14.04.2021) dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht.

II.      Sachverhalt:

Mit Bescheid der Stadt Y vom 18.03.2013, Zl ***, wurde der BB die Baugenehmigung unter anderem für die Aufstockung im Anwesen Adresse 1 erteilt. Aufgrund näher angeführter Bestimmungen des Tiroler Verkehrsaufschließungs-und Abgaben-gesetzes 2011 (TVAG 2011) iVm näher angeführten Verordnungen der Tiroler Landesregierung über die Festsetzung des Erschließungskostenfaktors iVm mit einem Beschluss des Gemeinderates über die Festsetzung des Erschließungsbeitragssatzes wurde der BB von der Stadt Y mit Bescheid vom 08.05.2014, Zl ***, für das bereits begonnene (bewilligte) Bauvorhaben ein Erschließungsbeitrag in Höhe von € 10.380,30 und ein Gehsteigbeitrag in Höhe von € 4.217,47 vorgeschrieben.

Diese Bescheide wurden der BB am 12.05.2014 zugestellt. Eine Entrichtung dieser vorgeschriebenen Abgabenbeträge erfolgte nicht.

Der Beschwerdeführer war seit dem Jahr 2009 Geschäftsführer der BB tätig, wobei ihn aufgrund einer Geschäftsführerordnung vom 13.04.2009 die Verantwortlichkeit für die Bereiche „Verträge, Recht, Rechnungswesen, Verwaltung, Zahlungsverkehr, Banken, Personalwesen“ traf. In dieser Funktion war er auch für die Entrichtung der Abgaben, Beiträge und Gebühren, die die Gesellschaft betrafen, verantwortlich.

Die Abgabenfestsetzungen stehen im Zusammenhang mit dem Projekt „Riverside“ an der Adresse 1 in Y mit 22 Wohnungen. Aufgrund von Bauverzögerungen bei der Umsetzung des mit Bescheid vom 18.03.2013 bewilligten Bauvorhabens schränkte die für die Abwicklung des Projektes zuständige Bank den finanziellen Rahmen ein. Zu diesem Zeitpunkt war ein Großteil der Wohnungen bereits verkauft. Diese Wohnungsverkäufe führten im Grundbuch auch zugunsten der Käufer zu entsprechenden Anmerkungen (Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG).

Auf Grund von Problemen im Zusammenhang mit der Abwicklung des Bauvorhabens sah sich die Bank (CC) zumindest ab 2014 veranlasst, sämtliche gegenüber der BB bestehenden Verbindlichkeiten in einer Liste bzw einem Überweisungssystem der Bank zu erfassen. Die Bank traf letztlich die Entscheidungen darüber, inwieweit Verbindlichkeiten beglichen wurden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer, so wie er vorbringt, im Zusammenhang mit der Durchführung von Überweisungen (durch die Bank) überhaupt nicht mehr eingebunden war. Es kann auch nicht festgestellt werden, inwieweit der Beschwerdeführer ernsthafte und ihm zumutbare Anstrengungen unternommen hat, um insbesondere die Entrichtung der mit Bescheiden vom 08.05.2014 vorgeschriebenen Erschließungs- und Gehsteigbeiträge zu erwirken. Eine Zurücklegung der Geschäftsführertätigkeit erfolgte nicht.

Mit Beschluss des Landesgerichtes vom 21.05.2015, Zl ***, wurde in Bezug auf die BB ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die Abgabenbehörde meldete den Erschließungsbeitrag mit € 10.380,30 und den Gehsteigbeitrag mit € 4.217,47 (Anmeldung vom 07.07.2015) als Forderungen an.

In Bezug auf den Beschwerdeführer wurde am 30.11.2016 beim Bezirksgericht X zu Aktenzeichen ***, ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet.

Mit Bescheid der Stadt Y vom 25.01.2016, Zl ***, wurde eine Baugenehmigung unter anderem für einen Zubau im Anwesen Adresse 1 erteilt und wurde DD als Masseverwalter der BB mit Abgabenfestsetzungsbescheid der Stadt Y vom 12.09.2017 ein Erschließungsbeitrag in Höhe von € 99,68 und ein Gehsteigbeitrag in Höhe von € 35,06 vorgeschrieben.

Mit Bescheid der Stadt Y vom 25.01.2016, Zl ***, wurde für das Anwesen Adresse 1 eine Befreiung von der Verpflichtung zur Schaffung von zusätzlich notwendigen Abstellplätzen ausgesprochen. Mit Bescheid vom 12.07.2017, Zl ***, wurde DD als Masseverwalter der BB nach den Bestimmungen der §§ 3 bis 6 des TVAG 2011 für die erteilte Nachsicht für drei Stellplätze/Garagen eine Ausgleichsabgabe in Höhe von € 13.200,00 vorgeschrieben.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes X vom 24.07.2018 wurde der Zahlungsplan, der vorsieht, dass die Gläubiger in Summe 3,5 % ihrer anerkannten festgestellten Forderungen erhalten, bestätigt und wurde daraufhin das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben.

Mit Beschluss des Landesgerichtes vom 17.02.2020, Zl ***, wurde der über das Vermögen der BB eröffnete Konkurs mangels Kostendeckung gemäß § 123a Insolvenzordnung aufgehoben. Auf die Konkursgläubiger entfiel keine Quote.

Dem Beschwerdeführer sind jene Abgabenfestsetzungsbescheide, mit denen die von der verfahrensgegenständlichen Haftung erfassten Abgaben vorgeschrieben wurden, zur Kenntnis gelangt.

III.     Beweiswürdigung:

Die Feststellungen betreffend die von der Haftung befassten Abgabenforderungen gründen sich auf den Abgabenakt und die darin enthaltenen Bescheide. Die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzungen mit Bescheid vom 08.05.2014 gegenüber der BB (Erschließungs- und Gehsteigbeitrag) wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Dass diese Abgabenfestsetzungsbescheide den Beschwerdeführer zur Kenntnis gelangt sind, räumte er selbst ein.

Aus dem Abgabenakt ergibt sich, dass der Abgabenfestsetzungsbescheid der Stadt Y vom 12.09.2017 betreffend Erschließungs- und Gehsteigbeitrag für den Zubau bzw die Vorschreibung der Ausgleichsabgabe auf Grund nicht errichteter Stellplätze mit Bescheid vom 12.09.2017 an „DD ALS MASSEVERWALTER DER BB“ ergingen.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die BB und dessen Aufhebung ergeben sich aus der Insolvenzdatei, ebenso die Feststellungen betreffend das Schuldenregulierungsverfahren. Die Anmerkungen im Grundbuch (Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gem § 40 Abs 2 WEG) sind dem Grundbuch zu entnehmen.

Die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit bei der BB (im Innenverhältnis) ergibt sich aus der Geschäftsführungsordnung vom 13.04.2009. In der Verhandlung räumte der Beschwerdeführer selbst ein, dass er für die Abgabenabführung verantwortlich gewesen sei.

Was die Situation in Zusammenhang mit der Nichtentrichtung der Abgabenforderungen durch die BB vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft, erklärte der Beschwerdeführer, dass diesbezüglich de facto die Bank die Geschäftsführung übernommen habe und die Bank ohne Rücksprache mit der damaligen Geschäftsführung keinerlei Überweisung offener Rechnungen vorgenommen hätte. Die Bank hätte alleine über die Durchführung von Überweisungen entschieden. Es seien Aufstellungen über die zu zahlenden Beträge erstellt und der Bank übergeben worden. Eine derartige Aufstellung („Offene Rechnung –ALLGEMEIN“), welche den Zeitraum Dezember 2013 bis Marz 2014 umfasst, legte der Beschwerdeführer in Vorbereitung der Verhandlung gemeinsam mit dem Schreiben vom 16.03.2021 vor. Diese Aufstellung wurde in der Verhandlung erörtert und wurde von den Vertretern der Abgabenbehörde darauf hingewiesen, dass die verfahrensgegenständlichen Abgabenforderungen (insbesondere gemeint wohl jene, die mit Bescheid vom 08.05.2014 vorgeschrieben wurden) nicht in der Liste aufscheinen würden.

Es liegt auf der Hand, dass diese Abgabenforderungen auf einer anderen (einen nachfolgenden Zeitraum umfassenden) Liste aufscheinen müssten. Eine derartige Liste wurde nicht vorgelegt, wobei der Beschwerdeführer darauf verwies, dass er zwar die Bescheide vom Mai 2014 erhalten habe, jedoch (nunmehr) über keine Unterlagen der BB mehr verfüge. Er führte dazu weiter aus, dass die CC um die Verpflichtung zur Bezahlung dieser Abgabenforderungen gewusst hätte, diese Verpflichtung jedoch nicht erfüllt hätte. Er hätte zwar in Bezug auf die Durchführung von Zahlungen (wie zB der Lohnzahlungen) urgiert. Jedoch habe die Bank dann entschieden, alleine, ohne Rücksprache zu halten, was überwiesen werde und was nicht.

Im durchgeführten Beweisverfahren kam nicht hervor, inwieweit der Beschwerdeführer, konkret in Bezug auf die Abgabenfestsetzungen vom 08.05.2014, allenfalls auch nach dem Eingang einer Mahnung, konkrete und ernsthafte Anstrengungen unternahm, die Durchführung der Entrichtung zu erwirken. Mit Schreiben vom 02.03.2021 wurde der Beschwerdeführer auf die ihn in diesem Zusammenhang treffende qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungspflicht hingewiesen. Der Beschwerdeführer bezog zwar mit Schreiben vom 16.03.2021 dazu Stellung und legte diesem Schreiben auch eine Vielzahl von Dokumenten bei. Allerdings blieb er konkrete Beweise bzw ein Beweisanbot in Bezug auf die Behauptung, dass er von der Bank völlig entmachtet worden sei und keinerlei Einfluss auf die Durchführung von Überweisungen, insbesondere die Abgabenvorschreibungen mit Bescheid vom 08.05.2014 betreffend, gehabt hätte, schuldig. In der Verhandlung erklärte diesbezüglich lediglich, dass er ab und zu in Bezug auf die Durchführung von Zahlungen, etwa in Bezug auf Löhne, urgiert hätte.

Im Hinblick auf die nachfolgend näher dargestellte Rechtslage zur Frage des Verschuldens bei der Wahrnehmung der Geschäftsführerfunktion bzw an der Nichtentrichtung von Abgaben, waren die diesbezüglich erstatteten Angaben des Beschwerdeführers nicht näher auf deren Richtigkeit hin zu überprüfen.

IV.      Rechtsgrundlagen:

Die Bundesabgabenordnung – BAO hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

㤠1

(1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a

Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden.

§ 7

(1) Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, werden durch Geltendmachung dieser Haftung (§ 224 Abs. 1) zu Gesamtschuldnern.

(2) Persönliche Haftungen (Abs. 1) erstrecken sich auch auf Nebenansprüche (§ 3 Abs. 1 und 2).

§ 9

(1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80

(1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

§ 224

(1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

…“

Die Insolvenzordnung zuletzt geändert durch BGBl I Nr 29/2010 lautet auszugsweise wie folgt:

„Verjährung

§ 9

(1) Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluß über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

…“

V.       Rechtliche Erwägungen:

V.1. Zu den vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Abgabenforderungen (laut Bescheiden vom 08.05.2014):

Die Vertreterhaftung gemäß § 9 Abs 1 BAO:

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Zur Vertretung der juristischen Person befugt ist im Falle der GmbH deren Geschäftsführer (vgl § 18 Abs 1 GmbHG). Voraussetzung für die Geltendmachung dieser Vertreterhaftung ist zunächst das Bestehen einer offenen Abgabenforderung gegenüber der Gesellschaft.

Bei den im Haftungsbescheid ausgewiesenen Beträgen handelt es sich um offene Abgabenforderungen der Gemeinde im Zusammenhang mit Erschließungs-, Gehsteigbeiträgen bzw einer Ausgleichsabgabe, jeweils gemäß dem TVAG. Im Gegensatz zur Gefährdungshaftung des § 6a Kommunalsteuergesetz („Gefährdung der Einbringlichkeit“) handelt es sich bei der Vertreterhaftung des § 9 BAO um eine Ausfallshaftung (VwGH 2011/16/0082, 2009/15/0013, ua). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (VwGH 2009/16/0092, 2007/13/0003, 2003/13/0153). Diese Uneinbringlichkeit ergibt sich im gegenständlichen Fall dadurch, dass im mit Beschluss des Landesgerichts vom 17.02.2020, Zl ***, abgeschlossenen Insolvenzverfahren auf die Insolvenzgläubiger eine Quote von 0 entfallen ist.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass die BB (in Liquidation) nach wie vor Grundeigentümerin der Liegenschaft ***, KG ***** W, sei, ist zunächst entgegenzuhalten, dass sich aus dem Beschluss des Landesgerichtes vom 17.02.2020, Zl ***, eindeutig ergibt, dass der über das Vermögen der BB eröffnete Konkurs mangels Kostendeckung gemäß § 123a Insolvenzordnung aufgehoben wurde und auf die Konkursgläubiger keine Quote entfiel. Im Übrigen sei in diesem Zusammenhang auf die von der Abgabenbehörde in ihrem Email vom 14.04.2021 gemachten nachvollziehbaren Ausführungen verwiesen, wonach die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs WEG einer Verwertung der Liegenschaft zugunsten der Gläubiger entgegensteht.

Zum Verschulden:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vertreterhaftung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung annehmen darf. Eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten ist anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, auf Grund derer ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen ist; den Vertreter trifft dabei eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungspflicht (vgl VwGH 18.03.2013, 2011/16/0187; 30.09.2009, Zl 2007/13/0048). Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert, auch leichte Fahrlässigkeit ist bereits ausreichend (vgl VwGH vom 31.10. 2000, Zl 95/15/0137).

Der Beschwerdeführer brachte dazu hinsichtlich des Zeitraumes vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Wesentlichen vor, dass die Geschäftsführertätigkeit de facto von der Bank übernommen worden sei.

Dass der Beschwerdeführer im hier relevanten Zeitraum Geschäftsführer der abgabepflichtigen GmbH war, ist unstrittig. Für das Verschulden im Sinne der zitierten abgabenrechtlichen Vorschriften ist nicht maßgeblich, ob der Geschäftsführer seine Funktion tatsächlich ausgeübt hat, sondern ob er als Geschäftsführer bestellt war und ihm daher die Ausübung der Funktion oblegen wäre.

Der vertretungsbefugte und im Rahmen dieser Vertretungsmacht haftungspflichtige Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung - sei es auf Grund eines eigenen Willensentschlusses des Geschäftsführers, sei es über Weisung von Gesellschaftern, sei es auf Grund einer sonstigen Einflussnahme wirtschaftlich die Gesellschaft beherrschender Personen - anderen Personen zusteht und der Geschäftsführer dadurch entweder der rechtlichen und/oder faktischen Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung, ob die jeweils fällig werdenden Abgaben zumindest anteilig entrichtet werden, beraubt ist, sich aber gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsichts- und Kontrollaufgaben in Bezug auf die Entrichtung der Abgaben nicht durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzt oder von seiner Geschäftsführerfunktion zurücktritt (vgl VwGH 24.01.2013, 2012/16/0100, uHa 22.12.2011, 2011/16/0027; 23.03.2010, 2009/13/0078).

Dass der Geschäftsführer hinsichtlich der ihm zustehenden Möglichkeiten einem Rechtsirrtum unterlegen ist, kann ihn im Hinblick darauf, dass er mit der Übernahme der Geschäftsführung auch verhalten war, sich mit den ihm zustehenden Rechten und Pflichten entsprechend vertraut zu machen, nicht entschuldigen. Auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung kommt es nicht an (vgl VwGH 30.03.2006, 2003/15/0080; 28.11.2007, 2007/15/0164; 20.09.2006, 2001/14/0202; 27.02.2008, 2005/13/0084, ua).

Dem Argument des Beschwerdeführers, er sei lediglich formell als Geschäftsführer bestellt worden, habe diese Tätigkeit aber nicht ausgeübt, kann daher im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein Erfolg im Sinne der Aufzeigung eines mangelnden Verschuldens zukommen. Beim haftungsrelevanten Verschulden reicht Fahrlässigkeit aus. Dieses ist dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls vorzuwerfen.

Zur Kausalität:

Der bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die diese betreffenden Abgaben nicht entrichtet, haftet, wenn die Abgaben bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweisen kann, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet worden sind. Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben.

Zum Einwand der Verjährung:

§ 9 Abs 1 Insolvenzordnung soll (lediglich) sicherstellen, dass die Verjährung des Anspruchs des Gläubigers zumindest bis zum Ablauf der für die Klagsführung gesetzten Frist aufgeschoben wird. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Anspruch während des Verfahrens bzw. vor Ablauf der Klagefrist verjährt, wenn die Konkurseröffnung knapp vor Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt.

Im Beschwerdefall wurden die Abgabenforderungen ua auf Grund der Bescheide vom 08.05.2014 von der Stadt Y im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH angemeldet. Es handelt sich bei den hinsichtlich der Haftung des Geschäftsführers der GmbH relevanten Beträgen um bereits vollstreckbare Abgabenforderungen. Nach Rechtskraft des Beschlusses über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hat die Verjährungsfrist neu zu laufen begonnen hat.

Zur Begründung der Haftung:

Persönliche Haftungen wie jene des Geschäftsführers einer GmbH gemäß § 9 Abs 1 BAO können bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 224 BAO durch Haftungsbescheid geltend gemacht werden. Erst durch Erlassung des Haftungsbescheides wird der persönlich Haftende zum Gesamtschuldner (vgl VwGH 14.09.2017, Ra 2017/15/0055).

Voraussetzung für die Geltendmachung dieser Vertreterhaftung ist zunächst das Bestehen einer offenen Abgabenforderung gegenüber der Gesellschaft. Die mit Abgabenfestsetzungsbescheiden vom 08.05.2014 festgesetzten Abgaben (Erschließungs- und Gehsteigbeitrag) wurden bis jetzt nicht entrichtet.

Die Haftung gegenüber dem Vertreter wurde (mit dem angefochtenen Bescheid) erst nach Abschluss des Schuldenregulierungsverfahrens begründet, sodass diese Forderung jedenfalls nicht im Rahmen des bereits im Jahre 2018 abgeschossenen Privatinsolvenz- und Schuldenregulierungsverfahren beim Bezirksgericht X anzumelden ist.

Zur Höhe der Haftung:

Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen der Abgabenbehörde; die Ermessensübung ist zu begründen (vgl. VwGH 27.08.2020, RA 2019/13/0035, uHa Ritz, BAO6, § 7 Tz 5 ff). Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens (vgl VwGH 29.03.2007, 2005/15/0116; 05.07.2004, 2002/14/0123; 23.01.1997, 95/15/0173).

Die Abgabenbehörde hat in Bezug auf jene Abgabenforderungen, die mit Bescheiden vom 08.05.2014 vorgeschriebenen wurden, dem Beschwerdeführer diese uneinbringlichen Abgaben im Rahmen der Ermessensentscheidung im Hinblick auf das gegen ihn geführte Schuldenregulierungsverfahren im Ausmaß von 3,5 % der ursprünglichen Abgabenforderung, somit mit einem Gesamtbetrag von € 510,92, vorgeschrieben. Damit wurde auf die (eingeschränkte) Leistungsfähigkeit des Haftungspflichtigen Rücksicht genommen.

Unter Beachtung der weiteren, diesen Fall kennzeichnenden Umstände (das Verschulden des Beschwerdeführers, der lange Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits) kann der belangten Behörde (hinsichtlich der Vorschreibung des Erschließungs- und Gehsteigbeitrages im Jahre 2014) keine Ermessensüberschreitung oder kein Ermessensmissbrauch vorgeworfen werden.

V.2. Zu den nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Abgaben-forderungen (laut Bescheiden vom 12.09.2017):

Zur Rechtswirkung der Insolvenzeröffnung:

Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs 2 der Insolvenzordnung). Der Masseverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners im Sinn des § 80 BAO.

Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Konkursverfahrens gegenüber dem Masseverwalter, der insofern den Gemeinschuldner repräsentiert, festzusetzen (vgl aus der ständigen hg Rechtsprechung etwa die Beschlüsse des VwGH vom 02.03.2006, 2006/15/0087, und vom 29.03.2007, 2005/15/0131, und die Erkenntnisse vom 08.02.2007, 2006/15/0371 und 0372, vom 29.03.2007, 2005/15/0130, und vom 24.07.2007, 2006/14/0065).

Der in einem Insolvenzverfahren bestellte Masseverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners (vgl VwGH Erk vom 02.07.2002, 2002/14/0053 uHa B vom 22.10.1997, 97/13/0023). Der Masseverwalter hat als gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners gemäß § 80 Abs 1 BAO unter der Sanktion des § 9 Abs 1 BAO die sich ergebenden abgabenrechtlichen Pflichten wahrzunehmen (vgl VwGH 31.03.2003, 97/14/0128).

Damit kann der Beschwerdeführer hinsichtlich jener Abgabenforderungen, die mit Bescheiden vom 12.09.2017 erst nach Konkurseröffnung bescheidmäßig vorgeschrieben wurden und für deren Entrichtung der Masseverwalter verantwortlich war, nicht gemäß
§ 9 Abs 1 BAO zur Haftung herangezogen werden. Das betrifft einerseits den für den Zubau vorgeschriebenen Erschließungsbeitrag in Höhe von € 99,68 bzw den Gehsteigbeitrag in Höhe von € 35,06 und andererseits die für die erteilte Nachsicht für drei Stellplätze/Garagen vorgeschriebene Ausgleichsabgabe in Höhe von € 13.200,00.

Insofern hatte daher die Beschwerde Erfolg.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Dazu wird auf die in der gegenständlichen Entscheidung jeweils angeführte höchstgerichtliche Judikatur verwiesen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Belehrung und Hinweise

Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.

Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst.

Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühr beträgt gemäß § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz
Euro 240,00.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Stöbich

(Richter)

Schlagworte

Haftung;
Vertreterhaftung;
Insolvenzeröffnung;
Uneinbringlichkeit;
Verschulden;
Verjährung;
Masseverwalter;
Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2020.20.2815.8

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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