TE Bvwg Beschluss 2020/12/14 W145 2194333-1

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Veröffentlicht am 14.12.2020
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Entscheidungsdatum

14.12.2020

Norm

ASVG §410
B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W145 2194333-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , SVNR XXXX , vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid der (vormals:) Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr: Sozialversicherung der Selbständigen) vom 20.03.2018, Zl. XXXX ,

A)

zu Recht erkannt:

I.       Hinsichtlich Spruchpunkt 1 des bekämpften Bescheides wird der Beschwerde teilweise stattgegeben und festgestellt, dass XXXX im Zeitraum von 01.05.2004 bis 31.08.2006 nicht der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) unterliegen ist.

Betreffend den Zeitraum von 13.04.2004 bis 30.04.2004 und 01.09.2006 bis 31.01.2008 wird die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass XXXX im Zeitraum von 13.04.2004 bis 30.04.2004 und 01.09.2006 bis 31.01.2008 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) unterliegen ist.

den Beschluss gefasst:

II.      Hinsichtlich Spruchpunkt 2 und 3 wird der bekämpfte Bescheid behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen zurückverwiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Mit Bescheid vom 20.03.2018, Zeichen XXXX hat die (vormals:) Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr: Sozialversicherung der Selbständigen, im Folgenden: belangte Behörde) in Spruchpunkt 1 festgestellt, dass XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer), SVNR XXXX , im Zeitraum von 13.04.2004 bis 31.01.2008 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG unterliege. In Spruchpunkt 2 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer zum 16.12.2016 (Zeitpunkt der Erlassung des Rückstandsausweises) verpflichtet sei, einen Betrag von EUR 5.252,22 an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen in der Pensions- und Krankenversicherung sowie zur Selbständigenvorsorge zu bezahlen. Weiters sei er nach Spruchpunkt 3 verpflichtet für den Zeitraum von 01.07.2005 bis 16.12.2016 Verzugszinsen und Nebengebühren in Höhe von EUR 4.037,20 sowie weitere Verzugszinsen in Höhe von 7,88 % seit 17.12.2016 bzw. ab 01.01.2017 in Höhe von 3,38% aus einem Kapital von EUR 5.242,70 zu bezahlen.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 16.02.2004 bis 03.01.2008 geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (kurz: GmbH) gewesen sei, welche von 13.04.2004 bis 05.06.2008 im Besitz einer Gewerbeberechtigung gewesen sei. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG seien die zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer GmbH, sofern die Gesellschaft Mitglied einer der Kammern der gewerblichen Wirtschaft sei und sofern diese Personen nicht bereits aufgrund ihrer Beschäftigung als Geschäftsführer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz unterliegen, in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG pflichtversichert. Die Pflichtversicherung beginne gemäß § 6 GSVG mit dem Tag der Erlangung einer die Pflichtversicherung begründenden Berechtigung durch die Gesellschaft und ende gemäß § 7 GSVG mit dem letzten des Kalendermonats, in dem die die Pflichtversicherung begründende Berechtigung der Gesellschaft erloschen sei.

Aufgrund dieser Bestimmungen unterliege der Beschwerdeführer daher im Zeitraum von 13.04.2004 bis 31.01.2008 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG. Der im Rückstandsausweis vom 16.12.2016 erhobene Gesamtrückstand in Höhe von EUR 9.289,42 beinhalte rückständige Beiträge zur Sozialversicherung für den Zeitraum von 01.07.2005 bis 31.01.2008 inklusive der angefallenen Verzugszinsen und Nebengebühren.

1.2. Gegen den Bescheid erhob der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19.04.2018 Beschwerde und führte aus, der Beschwerdeführer sei im gegenständlichen Zeitraum 13.04.2004 bis 31.01.2008 in seinem Heimatland Ungarn wohnhaft, erwerbstätig und auch entsprechend den einschlägigen ungarischen gesetzlichen Bestimmungen kranken- und pensionsversichert gewesen. Im Lichte dessen hätte die belangte Behörde zwingend die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern berücksichtigen und anwenden müssen. Aus dieser Verordnung ergebe sich, dass der im verfahrensrelevanten Zeitraum durchgehend in Ungarn wohnhafte Beschwerdeführer den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates unterliege, in dessen Gebiet er wohne, nämlich Ungarn. Der Beschwerdeführer unterliege daher im verfahrensrelevanten Zeitraum im Umkehrschluss nicht den einschlägigen österreichischen gesetzlichen Bestimmungen, sodass der Beschwerdeführer entgegen Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides im verfahrensrelevanten Zeitraum nicht der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG unterliege.

1.3. Mit Schreiben vom 27.04.2018 legte die belangte Behörde die verfahrensgegenständliche Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und nahm dermaßen Stellung, dass der Beschwerdeführer erstmalig in der Beschwerde ausführe, dass er im bescheidgegenständlichen Zeitraum nicht nur wohnhaft, sondern auch in Ungarn erwerbstätig gewesen sei und die VO 1408/71 dadurch zur Anwendung gelange. Sofern der Beschwerdeführer im bescheidgegenständlichen Zeitraum einer Erwerbstätigkeit in Ungarn nachgegangen sei, habe sich dieser an den ungarischen Sozialversicherungsträger zu wenden und sei vom ausländischen Träger mittels Bescheinigung E101 die Zuständigkeit des ausländischen Trägers zu bescheinigen. Ergänzend werde festgehalten, dass Ungarn am 01.05.2004 der Europäischen Union beigetreten sei und davor die Bestimmungen der Verordnung 1408/71 nicht anzuwenden seien.

1.4. Mit Beschluss vom 15.10.2009 wurde die gegenständliche Rechtssache der Abteilung W 145 neu zugewiesen.

1.5. Mit Schriftsatz vom 01.10.2020 legte der Beschwerdeführer die angeforderte Bescheinigung E101 des ungarischen Versicherungsträgers vor.

1.6. Mit Schreiben vom 16.10.2020 nahm die belangte Behörde zum eingeräumten Parteiengehör vom 06.10.2020 Stellung und führte aus, dass die vorgelegten Formulare E101 HU eindeutig ergeben, dass für den Zeitraum 01.05.2004 bis 31.08.2006 aufgrund der ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit in Ungarn die ungarischen Rechtsvorschriften zur Anwendung kommen. Ungarn sei mit 01.05.2004 der Europäischen Union beigetreten, weshalb die Regelungen der VO 1408/71 erst ab diesem Zeitpunkt anzuwenden seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer war von 16.02.2004 bis 03.01.2008 geschäftsführender Gesellschafter der XXXX Gesellschaft m.b.H und als dieser selbständig erwerbstätig.

1.2. Die XXXX Gesellschaft m.b.H. war von 13.04.2004 bis 05.06.2008 Inhaberin einer Gewerbeberechtigung lautend auf „Handelsgewerbe und Handelsagent“ (Registernummer XXXX ) und hatte ihren Sitz in Österreich.

1.3. Der Beschwerdeführer war im Zeitraum 01.01.2003 bis 31.08.2006 unselbständig in Ungarn erwerbstätig.

1.4. Ungarn ist mit 01.05.2004 der Europäischen Union beigetreten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Ausführungen zum Verfahrensgang und zu den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts und wurden diese von den Parteien auch nicht bestritten.

Dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 01.05.2004 bis 31.08.2006 in Ungarn unselbständig erwerbstätig war, ergibt sich eindeutig aus den vom ungarischen Versicherungsträger ausgefüllten Formularen E 101. Aus den Formularen E 101 ergibt sich, dass ab 01.01.2003 die in Ungarn ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit bestanden hat. Der Beschwerdeführer war sohin für den Zeitraum 13.04.2004 bis 30.04.2004 parallel in Ungarn (unselbständig) und in Österreich (selbständig) tätig. Für den Zeitraum 01.09.2006 bis 31.01.2008 wurde kein Vorbringen erstattet aus dem sich ergibt, dass der Beschwerdeführer unselbständig erwerbstätig in Ungarn gewesen wäre.

2.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn besondere beziehungsweise außergewöhnliche Umstände dies rechtsfertigen (vgl. EGMR 05.09.2002, Speil/Österreich, Appl. 42057/98, VwGH 17.09.2009, 2008/07/0015). Derartige außergewöhnliche Umstände hat der EGMR etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen, als gegeben erachtet. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahme der Parteien als angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller, Appl. 55.853/00).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages - welchen der Beschwerdeführer nicht stellte - von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und der Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechts und Grundfreiheiten, BGBl. NR. 210/1985, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl. Nr. 83 vom 30.03.2010, S. 389 entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache mehr zu erwarten war und sich der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt darstellte. Die belangte Behörde führte ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren durch. Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Es wurden keine Rechts- und Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. ua VwGH 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wen der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist).

Dem Entfall der mündlichen Verhandlung stehen weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundeverwaltungsgerichts

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die (vormals:) Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3 Zu A) Teil-Stattgebung und Teil-Abweisung der Beschwerde

I.

I. 1. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

Die zentrale Regelung der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

„28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“

Hinsichtlich Spruchpunkt I. steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

I. 2.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG sind die zu Geschäftsführern bestimmten Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sofern die Gesellschaft Mitglied einer der Kammern der gewerblichen Wirtschaft ist und sofern diese Personen nicht bereits aufgrund ihrer Beschäftigung als Geschäftsführer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz unterliegen, in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG pflichtversichert.

Die Pflichtversicherung beginnt gemäß § 6 GSVG mit dem Tag der Erlangung einer die Pflichtversicherung begründenden Berechtigung durch die Gesellschaft und endet gemäß § 7 GSVG mit dem letzten des Kalendermonats, in dem die die Pflichtversicherung begründende Berechtigung der Gesellschaft erloschen ist.

Der Beschwerdeführer war unbestritten im Zeitraum von 16.02.2004 bis 03.01.2008 geschäftsführender Gesellschafter der XXXX GmbH, die von 13.04.2004 bis 05.06.2008 Inhaberin einer Gewerbeberechtigung lautend auf „Handelsgewerbe und Handelsagent“ (Registernummer XXXX ) und ihren Sitz in Österreich hatte.

Gemäß Artikel 14c a) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörigen, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (im Folgenden kurz: VO Nr. 1408/71) unterliegt eine Person, die im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten gleichzeitig eine abhängige Beschäftigung und eine selbständige Tätigkeit ausübt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet sie eine abhängige Beschäftigung ausübt.

Wie in den Feststellungen ausgeführt, war der Beschwerdeführer im Zeitraum 01.01.2003 bis 31.08.2006 unselbständig in Ungarn erwerbstätig.

Ungarn ist erst mit 01.05.2004 der Europäischen Union beigetreten. Da der Beschwerdeführer sohin im Zeitraum von 01.05.2004 bis 31.08.2006 in Ungarn unselbständig erwerbstätig war, unterliegt er laut der VO Nr. 1408/71 jedenfalls in diesem Zeitraum den Rechtsvorschriften Ungarns und besteht in Österreich keine Sozialversicherungspflicht. Die Regelungen der VO (EWG) Nr. 1408/71 kommen erst ab dem Zeitpunkt des Beitrittes Ungarn zur Europäischen Union zur Anwendung. Für den Zeitraum von 13.04.2004 bis 30.04.2004 und 01.09.2006 bis 31.01.2008 bestand daher aufgrund der selbständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich eine Sozialversicherungspflicht in Österreich.

Der Beschwerde war demnach für den Zeitraum von 01.05.2004 bis 31.08.2006 stattzugeben und für die Zeiträume von 13.04.2004 bis 30.04.2004 und von 01.09.2006 bis 31.01.2008 abzuweisen.

II.

II. 1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat, wie bereits oben festgehalten, über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sacherhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Aufgrund der oben ausgeführten teilweisen Stattgabe der Beschwerde ergibt sich eine Änderung der in Spruchpunkt 2 und 3 des bekämpften Bescheides vom 20.03.2018 vorgeschriebenen rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen in der Pensions- und Krankenversicherung sowie der Selbständigenvorsorge und der Verzugszinsen und Nebengebühren, die eine Neuberechnung erforderlich macht. Im vorliegenden Fall liegt es im Sinne der Raschheit des Verfahrens, die Angelegenheit zwecks neuer Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge, Verzugszinsen und Nebengebühren an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Die für die Neuberechnung relevanten Zahlen, Fakten und Daten befinden sich im System der belangten Behörde, weshalb eine Neuberechnung durch diese zweckmäßig und sinnvoll erscheint.

3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beitragsrückstand Geschäftsführer Gewerbeberechtigung GmbH Kassation Mitgliedstaat Neuberechnung Pflichtversicherung selbstständig Erwerbstätiger Teilstattgebung unselbständige Tätigkeit Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W145.2194333.1.00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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