TE Lvwg Beschluss 2021/1/19 VGW-211/V/005/13458/2020/VOR, VGW-211/V/005/13460/2020/VOR

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.01.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.01.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VwGVG §32 Abs1 Z3
VwGVG §32 Abs1 Z4
AVG §38

Text

Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch die Richterin Dr. Hason über die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren 1.) des Herrn A. B. und 2.) der Frau C. B., betreffend die mit Erkenntnis vom 30.11.2017, 1.) zur GZ: VGW-211/005/13817/2017/VOR und 2.) zur GZ: VGW-211/005/13818/2017/VOR, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, den

BESCHLUSS

I. Der Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren wird gemäß § 32 VwGVG abgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Am 12.07.2017 wurde auf der Liegenschaft in Wien, D.-Gasse ONr. ..., Parz. ..., EZ ... der Kat. Gemeinde E. an Ort und Stelle im Beisein der beiden nunmehrigen Wiederaufnahmewerber von der MA 37 eine Ortsverhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde von der zuständigen Sachbearbeiterin der Magistratsabteilung 37 unter anderem festgestellt, dass auf dieser Liegenschaft, an der rechten seitlichen Grundgrenze, entlang des Zugangsweges, eine Gerätehütte errichtet worden sei, deren oberster Gebäudeabschluss eine Höhe von ca. 2,38 m aufweise und dadurch die zulässige Höhe von 2,20 m überschreite.

Daraufhin erließ die Baubehörde am 13.07.2017 einen Bescheid zur Zahl ..., mit welchem den nunmehrigen Wiederaufnahmewerbern als Eigentümer der Baulichkeit, gemäß § 129 Abs. 10 BO für Wien folgende Maßnahme, binnen einem Monat nach Rechtskraft des Bescheides, aufgetragen wurde:

„Die entlang der rechten seitlichen Grundgrenze sowie der Front des Zugangsweges errichtete Gerätehütte in Holzriegelbauweise im Ausmaß von ca. 2,26 x ca. 1,27 m und einem obersten Gebäudeabschluß des Schrägdaches von ca. 2,38 m ist abtragen zu lassen.“

In der Begründung führte die belangte Behörde dazu unter anderem aus, dass das Nebengebäude den Bestimmungen des § 12 Abs. 4 WKlG dahingehend widerspreche, als die zulässige Höhe des obersten Gebäudeabschlusses um 18 cm überschritten werde.

Dagegen erhoben die Wiederaufnahmewerber fristgerecht am 24.07.2017 Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die von der zuständigen Sachbearbeiterin der Magistratsabteilung 37 durchgeführten Messungen unzulässig und unrichtig seien, da diese nicht die laut Plan bestehende Geländeoberfläche berücksichtigt habe, sondern von der natürlichen Geländeoberfläche ausgegangen sei.

Über diese Beschwerde erging das Erkenntnis der Landesrechtspflegerin des Verwaltungsgerichtes Wien vom 03.10.2017, GZ: VGW-211/005/RP23/10779/2017-2 und GZ: VGW-211/V/005/RP23/10783/2017, mit dem die Beschwerden als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt wurde.

Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Wiederaufnahmewerber rechtzeitig Vorstellung und führten unter anderem aus, dass die Gebäudehöhe von 2,20 m eingehalten werde. Es sei am Tag der mündlichen Verhandlung eine Geländewiederherstellung im unbedingt erforderlichen Ausmaß durchgeführt worden und hätte nach dieser eine neue Messung durch die MA 37 durchgeführt werden müssen. Weiters wurde neuerlich ausgeführt, dass die Messungen nicht vom vorhandenen Gelände hätten durchgeführt werden dürfen.

Im anschließenden Ermittlungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien führte die Magistratsabteilung 37 am 24.10.2017 über Auftrag des Verwaltungsgerichtes eine neuerliche Messung vor Ort durch. Bei dieser wurde festgestellt, dass die Gebäudehöhe am höchstgemessenen Punkt der Gerätehütte an der Schnittkante Außenwand/Dachhaut ca. 2,38 m beträgt (wie bereits am 13.07.2017 erhoben). Nach Angabe der Magistratsabteilung 37 wurde die neuerliche Messung der Höhe dabei dadurch erschwert, dass das umlaufende Gelände an der Gerätehütte durch Aufbringen von Schottermaterial sowie im Eingangsbereich durch aufgelegte Steinplatten verändert worden sei. Das Gebäude selbst sei bis zu diesem Zeitpunkt nicht verändert worden (Rückbau oder dgl.).

Auf Grundlage dieser Wahrnehmung wurde durch die Magistratsabteilung 37 hinsichtlich der Geländeveränderung auf der Liegenschaft der Wiederaufnahmewerber ein weiteres Verwaltungsverfahren zur Zahl ... eingeleitet.

In weiterer Folge erging durch das Verwaltungsgericht Wien am 30.11.2017 zu den GZ: VGW-211/005/13817/2017/VOR und VGW-211/005/13818/2017/VOR ein Erkenntnis, mit dem die Beschwerden der nunmehrigen Wiederaufnahmewerber abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt wurde.

Darin führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass bei der Bestimmung des anschließenden Geländes von jenem Zustand auszugehen sei, wie er nach dem Bauvorhaben zum Zeitpunkt der Bauführung vorhanden sein wird. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde sei die Behörde im gegenständlichen Bauauftragsverfahren zutreffend vom anschließenden vorhandenen Gelände ausgegangen um die Höhe des obersten Abschlusses des Nebengebäudes festzustellen. Es sei (Anmerkung: im Bauauftragsverfahren) ohne Relevanz, mit welcher Höhe das Gelände im bewilligten Einreichplan eingetragen worden sei und dass dieses anscheinend nicht dem bewilligten Plan entsprechend ausgeführt worden sei. Die sich ergebende fiktive Geländehöhe (Anmerkung: laut Einreichplan) sei für die Höhe des Nebengebäudes nicht heranzuziehen, sondern jedenfalls nur das anschließende vorhandene Gelände. Die festgestellte Höhe von 2,38 m - gemessen vom anschließenden Gelände – sei von der Behörde mehrmals vor Ort schlüssig festgestellt worden. Aufgrund der festgestellten Höhe des obersten Abschlusses des Nebengebäudes von 2,38 m über dem anschließenden Gelände liege daher eine Vorschriftswidrigkeit vor, weshalb die Behörde zu Recht einen entsprechenden Bauauftrag erlassen habe.

Dieses Erkenntnis erwuchs nach Zustellung an die beiden nunmehrigen Wiederaufnahmewerber am 07.12.2017 in Rechtskraft.

In weiterer Folge erließ die belangte Behörde in dem, auf den von der Magistratsabteilung 37 im Zuge der vor Ort am 24.10.2017 durchgeführten Messung gemachten Wahrnehmungen basierenden, Verfahren zur Zahl ... am 24.05.2018 einen Bescheid gegenüber den nunmehrigen Wiederaufnahmewerbern. Darin wurde den Wiederaufnahmewerbern gemäß § 129 Abs. 10 BO für Wien der Auftrag erteilt, den vorschriftswidrigen Zustand, nämlich die im Zuge der Vermessung am 24.10.2017 wahrgenommene Geländeveränderung im Bereich der bestehenden Gerätehütte, zu beseitigen. Dabei sei das Niveau wieder jener Höhenlage anzupassen, die im Konsensplan zur Bewilligung Zl. ... angeführt sei.

Der Bescheid der belangten Behörde betreffend den Bauauftrag zur Beseitigung der Geländeveränderung wurde durch das Verwaltungsgericht Wien, zunächst durch Erkenntnis des zuständigen Landesrechtspflegers vom 15.01.2019, zu den GZ: VGW-211/026/RP26/13502/2018 sowie VGW-211/V/026/RP26/13504/2018 und, nach Erhebung der Vorstellung gegen dieses Erkenntnis durch die Wiederaufnahmewerber, mit Erkenntnis der zuständigen Richterin vom 23.12.2019 zu den GZ: VGW-211/026/1096/2019/VOR sowie VGW-211/026/1097/2019/VOR, bestätigt.

Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Wiederaufnahmewerber außerordentliche Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof. Dieser Revision wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.10.2020, zur Zahl Ra 2020/05/0026, Folge gegeben und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 23.12.2019 zu den GZ: VGW-211/026/1096/2019/VOR sowie VGW-211/026/1097/2019/VOR wegen Rechtswidrigkeit infolge einer Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof dazu im Wesentlichen aus, dass das Verwaltungsgericht das Beweisvorbringen der Wiederaufnahmewerber, mit dem das Vorliegen einer im Konsensplan angeführten Höhenlage des Außenniveaus bestritten wurde, nicht ausreichend berücksichtigt habe. Folglich habe das Verwaltungsgericht Wien keine entsprechenden Feststellungen zur Höhenlage des ursprünglichen Geländes auf der gegenständlichen Liegenschaft getroffen, weshalb die Gesetzesmäßigkeit des Auftrages, das Niveau jener Höhenlage, die im Konsensplan genannt ist, wieder anzupassen, nicht abschließend beurteilt werden könne.

Infolgedessen brachten die beiden Wiederaufnahmewerber am 22.10.2020 den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme der mit Erkenntnis vom 30.11.2017 zu den GZ: VGW-211/005/13817/2017/VOR und VGW-211/005/13818/2017/VOR abgeschlossenen Verfahren ein. Die beiden Wiederaufnahmewerber beriefen sich darin auf die genannte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.10.2020, zur Zahl Ra 2020/05/0026, hinsichtlich des Bauauftrages zur Beseitigung der Geländeveränderung auf der gegenständlichen Liegenschaft. Konkret führten die Wiederaufnahmewerber darin Folgendes aus:

„Unsere Revision wurde als zulässig erachtet. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts Wien voraussetzen würde, dass die Gerätehütte um 10cm über dem ursprünglichen Gelände errichtet worden sei. Dazu fehlen jedoch Feststellungen. Wo die Höhenlage des ursprünglichen Geländes („bestehende Höhenlage“ im Sinne des §15 Kleingartengesetz) verläuft, lässt sich ohne nähere Begründungen aus dem Konsensplan (vom 13.08.2006 gemäß Vermerk des Magistrates vom 15.01.2007 nach § 8 Kleingartengesetz als bewilligt gilt), jedenfalls nicht entnehmen.

Lt. Messgutachten vom 30.03.2018 liegt das Gelände um Gerätehütte -0,02 bis -0,05cm unter der Bezugshöhe +/- 0,00m. Die Bezugshöge entspricht der Fußbodenoberkannte im Erdgeschoss.

Am 02.02.2018 wurde von der Behörde – ausgehend vom dieser Geländehöhe – eine Höhe der Gerätehütte von 2,20cm gemessen.“

II.      Rechtsgrundlagen

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 2/2017, lauten auszugsweise wie folgt:

„Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

      1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

      2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

      3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

      4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.“

III. Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist im gegenständlichen Fall, dass die Wiederaufnahmewerber in ihrem Wiederaufnahmeantrag nicht ausdrücklich konkretisieren, auf welchen der vier Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG sie ihr Vorbringen stützen. Vielmehr berufen sie sich pauschal auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.10.2020, zur Zahl Ra 2020/05/0026, hinsichtlich des bei der belangten Behörde zur Zahl ... geführten Verfahrens betreffend den Bauauftrag zur Beseitigung der Geländeveränderung auf der gegenständlichen Liegenschaft.

Da es im gegenständlichen Verfahren aber keinerlei Anhaltspunkte für eine Erschleichung im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG oder für das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gibt, ist davon auszugehen, dass sich das Vorbringen der Wiederaufnahmewerber auf die Wiederaufnahmegründe nach § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG sowie nach § 32 Abs. 1 Z 4 VwGVG bezieht.

Zum Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG:

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Ungeachtet der Frage, in welchem Verhältnis die zugrundeliegenden Sachverhalte im gegenständlichen Verfahren betreffend den Bauauftrag zur Abtragung der Gerätehütte und im Parallelverfahren betreffend den Bauauftrag zur Beseitigung der Geländeveränderung im Hinblick auf die Bestimmung des § 38 AVG zueinander stehen, kann der Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG, angesichts der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht zur Anwendung gelangen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermitteln aufhebende Entscheidungen des VwGH nämlich für sich genommen noch keine Berechtigung zur Wiederaufnahme von anderen Verfahren nach § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG (siehe dazu Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 32 VwGVG, Rn 10 mit Verweis auf VwGH 02.10.1990, 90/11/0140 sowie Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017), Rn 26). Die Aufhebung einer bindenden Entscheidung durch ein Höchstgericht begründet demnach noch keine abweichende Vorfragenentscheidung (Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017), Rn 26). Erst das aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu erlassende Ersatzerkenntnis des Verwaltungsgerichtes kann einen Wiederaufnahmegrund iSd § 32 Abs 1 Z 3 VwGVG darstellen (Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 32 VwGVG, Rn 10 mit Verweis auf VwGH 11.02.1992, 92/11/0038; sowie VwGH 17.03.1992, 91/11/0157).

Im gegenständlichen Fall liegt derzeit aber noch keine Ersatzentscheidung im Parallelverfahren vor, weshalb sich die Wiederaufnahmewerber ausschließlich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.10.2020, zur Zahl Ra 2020/05/0026 berufen. Da diese im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur aber für sich noch keine abweichende Vorfragenentscheidung darstellt, ist der Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs 1 Z 3 VwGVG im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

Zum Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z 4 VwGVG:

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 4 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Mit der Erlassung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung steht einer neuerlichen, im Wesentlichen gleichen Entscheidung der Einwand der entschiedenen Sache entgegen (vgl Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 32 VwGVG, Rn 11, mit Verweis auf VwGH 28.02.2017, Ra 2016/01/0164). Dementsprechend soll der Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 4 VwGVG jene Fälle lösen, in denen zwei einander widersprechende Rechtsakte in derselben Sache bestehen (vgl Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017), Rn 28, mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien). Eine Wiederaufnahme kommt demnach nur dann in Betracht, wenn die hervorgekommene Entscheidung bei Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bereits existent war und wenn sie, wäre sie zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen, zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache geführt hätte (Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 32 VwGVG, Rn 11, mit Verweis auf VwGH 21.1.1997, 96/12/0354 ua).

Hier handelt es sich jedoch um verschiedene Sachverhalte: in den gegenständlichen Verfahren ging es um den Abbruch der Gerätehütte, in den beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren ging es um die Beseitigung von unzulässigen Geländeveränderungen.

Auch erging die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zahl Ra 2020/05/0026, auf die im gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag Bezug genommen wird, erst am 07.10.2020 und somit erst 34 Monate nachdem im gegenständlichen Verfahren das verwaltungsgerichtliche Erkenntnis zu den GZ: VGW-211/005/13817/2017/VOR und VGW-211/005/13818/2017/VOR in Rechtskraft erwuchs. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.10.2020 zur Zahl Ra 2020/05/0026 erfüllt somit zweifellos nicht den Tatbestand des § 32 Abs. 1 Z 4 VwGVG, weshalb im gegenständlichen Fall auch dieser Wiederaufnahmegrund nicht gegeben ist.

Das im gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag vom 22.10.2020 erstattete Vorbringen erfüllt somit keinen der vier Tatbestände des § 32 VwGVG, weshalb im Ergebnis kein Grund zur Wiederaufnahme der mit hg. Erkenntnis vom 30.11.2017 zu den GZ: VGW-211/005/13817/2017/VOR und VGW-211/005/13818/2017/VOR rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren besteht. Der verfahrensgegenständliche Wiederaufnahmeantrag war daher spruchgemäß abzuweisen.

Mangels eines diesbezüglichen Antrages der Wiederaufnahmewerberin konnte im gegenständlichen Verfahren gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Wiederaufnahme des Verfahrens; Wiederaufnahmegründe; Vorfrage; Parallelverfahren; Entscheidung; res iudicata; Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.211.V.005.13458.2020.VOR

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten