TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/3 W283 2235348-1

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Veröffentlicht am 03.11.2020
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Entscheidungsdatum

03.11.2020

Norm

AVG §18 Abs3
BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §35

Spruch

W283 2235348-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Weißrussland, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen die Erledigung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2020, Zl. 1267024102-200689545:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Weißrussland, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen die Anhaltung in Schubhaft von 07.08.2020 bis 13.08.2020 zu Recht:

B)

I. Der Beschwerde wird insofern, als sie sich gegen die Anhaltung in Schubhaft von 07.08.2020 bis 13.08.2020 richtet, gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

C)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Feststellungen:

Mit als Bescheid bezeichneter Erledigung vom 07.08.2020 (im Folgenden: Bescheid) hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) über die Beschwerdeführerin die Schubhafthaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erlassen.

Die vorgelegt Urschrift des Bescheids bezeichnet auf der letzten Seite „ XXXX “ in einwandfrei leserlicher Druckschrift als genehmigende Person. Über diesem Namen befindet sich folgender, angefertigter Schriftzug:

Neben dem Schriftzug ist ein Stempel des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gesetzt. Sonstige Hinweise bzw. Vermerke enthält die Urschrift nicht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl adressierte diese Erledigung an die Beschwerdeführerin, die dagegen am 23.09.2020 Beschwerde erhob.

Die Beschwerdeführerin befand sich von 07.08.2020 bis 13.08.2020 in Schubhaft.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere der auf Anforderung übermittelten Urschrift des angefochtenen Bescheides sowie den Angaben der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 27.10.2020 und der Einsicht in die Anhaltedatei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Im Anwendungsbereich des § 18 AVG wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz aufgestellt, dass jede Erledigung zu genehmigen ist, und zwar durch die Unterschrift eines (hierzu berufenen) Organwalters. Damit wird der wichtige Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die "Urschrift" einer Erledigung muss also das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl. VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).

Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die – interne – Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten. Im vorliegenden Fall wurde kein derartiges Verfahren nach E-GovG durchgeführt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn dieser Vorschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen (vgl. für viele VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 20.04.2017, Ra 2017/20/0095 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hielt aber wiederholt fest, dass eine Paraphe keine Unterschrift ist (vgl. VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 04.09.2000, 98/10/0013 und 0014; s. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 18, Rz 23 mwH).

2. Der Schriftzug auf der im Verwaltungsakt aufliegenden Urschrift des angefochtenen Bescheids erfüllt die Merkmale einer Unterschrift nicht:

2.1. Zunächst lässt der Schriftzug der Urschrift kein einziges Schriftzeichen eindeutig erkennen. Nicht einmal der Anfangsbuchstabe des – vermutlichen – Nachnamens des genehmigenden Organs („ XXXX “) kann als „F“ identifiziert werden. Diese Abzeichnung lässt es nicht zu, den Namen des genehmigenden Organs – auch in Kenntnis desselben – noch in irgendeiner Form zu erkennen.

Auch aus dem Ende des Schriftzugs – einem nach der Schlaufe kurz auslaufenden, niedrigen Wellenzug, der mit einem hohen Bogen endet – ist kein weiterer Anhaltspunkt auf den Namen zu entnehmen. Der gegenständliche Schriftzug ist weder einem Buchstabengebilde zuzuordnen, noch in lässt es in irgendeiner Weise Rückschlüsse auf den Namen des genehmigenden Organs zu. Da aus der Abzeichnung somit kein einziger Buchstabe – auch in Kenntnis des Nachnamens des Genehmigers und größtmöglicher Abstrahierungstoleranz – erkennbar ist, liegt mit dem der Schlaufe folgenden (bloß angesetzten) Wellenzug auch keine infolge eines starken Abschleifungsprozesses abstrahierende Linie vor, aus der auf weitere Buchstaben geschlossen werden könnte (vgl. dazu VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051).

2.2. Der Schriftzug der Abzeichnung der Urschrift stellt damit eine bloße Paraphe dar, die nach der Rechtsprechung keine Unterschrift ist. Daran ändert auch der neben der Abzeichnung angebrachte Stempel des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl nichts.

3. Der (als Bescheid bezeichneten) Erledigung der belangten Behörde vom 07.08.2020 fehlt es mangels Unterschrift des genehmigenden Organs und eines Hinweises auf eine elektronische Genehmigung sohin an der Bescheidqualität, weshalb sich die Beschwerde gegen eine als Bescheid absolut nichtige Erledigung richtet. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zu B) I. – Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft

Gemäß § 76 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ist die Schubhaft schriftlich mit Bescheid anzuordnen.

Aufgrund der Ausführungen zu A) I. ergibt sich im vorliegenden Fall, dass ein Bescheid, mit dem über die Beschwerdeführerin die Schubhaft angeordnet wurde, nicht rechtswirksam zustande gekommen und die Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft in der Zeit von 07.08.2020 bis 13.08.2020 sohin ohne Rechtsgrundlage erfolgt ist, weshalb die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären war.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da die Beschwerde hinsichtlich des Spruchteil A) I. zurückzuweisen war. Zudem konnte die mündliche Verhandlung im Hinblick auf die weiteren Spruchpunkte unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Zu B) II. und III. – Kostenentscheidung

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Nach Abs. 4 gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat (Z 1), die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren (Z 2), sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand (Z 3). Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Aufwandersatz ist laut Abs. 7 auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Sowohl das Bundesamt als auch der Beschwerdeführer beantragten Kostenersatz.

Da die Beschwerde gegen die Erledigung des Bundesamtes vom 07.08.2020 zurückgewiesen wird, ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und die Beschwerdeführerin die unterlegene Partei.

Mit der Beschwerde hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft von 07.08.2020 bis 13.08.2020 hat die Beschwerdeführerin jedoch zur Gänze obsiegt, sodass diesbzgl. die Beschwerdeführerin die obsiegende Partei ist.

Da beide Parteien teilweise obsiegten und teilweisen unterlegen sind, waren die Kosten gegeneinander aufzuheben. Es waren daher beide Kostenanträge abzuweisen.

Zu C)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. So entspricht es ständiger, einheitlicher Rechtsprechung, dass eine Paraphe keine Unterschrift darstellt, wobei die Beurteilung, was (noch) eine Unterschrift darstellt, stets einzelfallbezogen ausfallen muss. Auch hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft und der Kostenentscheidung (Spruchteile B und C) ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Bescheidqualität Fluchtgefahr Kostenersatz Nichtbescheid private Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Unterschrift Unzuständigkeit BVwG Verhältnismäßigkeit Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W283.2235348.1.00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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