TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/7 I406 2166934-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.04.2020
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Entscheidungsdatum

07.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs4
StGB §127
StGB §130 ersterFall
StGB §229
StGB §241e
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I406 2166934-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Tunesien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

I.       dass Spruchpunkt I. zu lauten hat:

„Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 21.07.2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 3 Ziffer 2 iVm § 6 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.“

II.      dass Spruchpunkt IV. zu lauten hat:

„Gemäß § 55 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Tunesien, reiste spätestens am 12.08.2015 nach Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; belangte Behörde) vom 26.11.2015 wegen einer Dublin-Zuständigkeit Ungarns als unzulässig zurückgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Ungarn festgestellt.

2.       Der Beschwerdeführer wurde am 15.04.2016 festgenommen. Aufgrund des Verdachts der Begehung strafbarer Handlungen wurde über ihn am 16.04.2016 die Untersuchungshaft verhängt und am 15.07.2016 verlängert.

3.       Mit Schreiben vom 13.07.2016 lehnte Ungarn eine Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Dublin III-Verordnung ab.

4.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 11.05.2016, Zl. 013 XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall, 15 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Unterdrückung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, wovon sechs Monate unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden.

5.       Am 25.08.2016 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Untersuchungshaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

6.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.09.2016, Zl. 115 XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall und Abs. 2 erster Fall StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren verurteilt. Nach erhobener Berufung wurde die Zusatzfreiheitsstrafe mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom 25.04.2017, Zl. XXXX auf sieben Jahre und drei Monate erhöht.

7.       Der Beschwerdeführer wurde am 04.07.2017 durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen. Er erklärte zusammengefasst zu seinen Fluchtgründen, dass er aufgrund einer Beziehung mit einer jüngeren Frau von deren Familie verfolgt werde. Ihr Bruder habe ihn mit einem Messer attackiert und ihm mit dem Tod gedroht, im Falle einer Rückkehr werde er umgebracht.

8.       Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 10.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 31.08.2016 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt. (Spruchpunkt III. erster Spruchteil). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt III. zweiter Spruchteil) und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt III. dritter Spruchteil). Es wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Außerdem wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

9.       Mit Verfahrensanordnung vom 12.07.2017 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt.

10.      Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und begründete dies mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung.

11.      Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 07.08.2017 vorgelegt.

12.      Mit Beschluss vom 23.08.2017, Zl. I406 2166934-1/4Z, erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.

13.      Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.08.2017 sowie vom 16.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur aktuellen Lage in Tunesien zur Kenntnis gebracht. Zudem wurde dem Beschwerdeführer die Gelegenheit eingeräumt, zur Frage einer allfälligen sozialen Verfestigung in Österreich Stellung zu nehmen. Von dieser Gelegenheit machte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24.03.2020 Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist tunesischer Staatsbürgerschaft und Herkunft und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz. Er ist volljährig, arabischer Muttersprache und Volksgruppenzugehörigkeit, sunnitischer Moslem und ledig. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer reiste erstmals im August 2015 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit rechtskräftigem Bescheid des BFA vom 26.11.2015 wegen einer Dublin-Zuständigkeit Ungarns als unzulässig zurückgewiesen wurde. In weiterer Folge lehnte Ungarn eine Wiederaufnahme des Beschwerdeführers ab. Am 25.08.2016 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstünden. Er ist gesund und arbeitsfähig. Er hat in Tunesien eine Grundschulbildung, sowie eine Ausbildung als Maler und Anstreicher absolviert und anschließend in diesem Beruf gearbeitet.

Die Schwester und ein ungefähr fünfzehnjähriger Sohn des Beschwerdeführers leben in Tunesien. Bis zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung stand er mit seiner Schwester in regelmäßigem Kontakt.

In Österreich verfügt er über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Er verfügt über keine nennenswerten Deutschkenntnisse, gehört in Österreich keinem Verein und keiner sonstigen integrationsbegründenden Organisation an und geht mit Ausnahme der im Zuge des Strafvollzuges verpflichtend zu leistenden Arbeit auch keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Er befand sich den überwiegenden Großteil seiner Zeit im Bundesgebiet in Strafhaft und verfügte abgesehen von seinem Aufenthalt in Justizanstalten über keine Meldeadresse.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mehrmals rechtskräftig verurteilt: Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 11.05.2016, Zl. 013 XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall, 15 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Unterdrückung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, wovon sechs Monate unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden. Bei der Strafbemessung mildernd gewertet wurden der bisher ordentliche Lebenswandel, das umfassende reumütige Geständnis und dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer Vergehen.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.09.2016, Zl. 115 XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall und Abs. 2 erster Fall StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren verurteilt. Nach erhobener Berufung wurde die Zusatzfreiheitsstrafe mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom 25.04.2017, Zl. XXXX auf sieben Jahre und drei Monate erhöht. Bei der Strafbemessung mildernd wirkte sich das teilweise reumütige Geständnis und dass es teilweise beim Versuch geblieben ist aus, erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen und drei Vergehen, die zweifache Qualifikation beim schweren Raub und die mehrfache Tatbegehung im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 15.04.2016 durchgehend in Haft.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer brachte vor, Tunesien aufgrund einer Privatverfolgung durch die Familie seiner Freundin verlassen zu haben. Die Familie habe gedroht, ihn zu töten, weil er ihre Ehre verletzt habe. Der Bruder seiner Freundin habe ihm eine schwere Verletzung zugefügt und im Falle einer Rückkehr befürchte er, getötet zu werden.

Damit liegt in Tunesien eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers nicht vor und hat er eine solche auch künftig nicht zu befürchten. Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanter Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3      Länderfeststellungen zu Tunesien

Tunesien ist ein sicherer Herkunftsstaat, der willens und im Stande ist, seine Staatsbürger zu schützen.
1.         Politische Lage

Tunesien ist gemäß der Verfassung von 2014 ein freier, unabhängiger und souveräner Staat, dessen Religion der Islam, dessen Sprache das Arabische und dessen Regierungsform die Republik ist. Die erste Phase nach der Flucht des Präsidenten Ben Ali am 14.1.2011 prägten Übergangsregierungen, unterstützt von einer Hohen Instanz zur Verwirklichung der Ziele der Revolution als Ersatzparlament. Ferner betont die Verfassung den zivilen und rechtsstaatlichen Charakter des Regierungssystems. Die Verfassung sieht ein gemischtes Regierungssystem vor, in dem sowohl der Präsident als auch das Parlament direkt vom Volk gewählt werden. Die Mitglieder der Regierung werden vom Präsidenten ernannt und benötigen darüber hinaus das Vertrauen des Parlaments. Der Premierminister bestimmt die Richtlinien der Politik, mit Ausnahme der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die in der Zuständigkeit des Staatspräsidenten liegen (AA 18.9.2019a). Die Verfassung garantiert durch eine stärkere Gewaltenteilung und die Einrichtung eines Verfassungsgerichtshofs eine bessere Kontrolle der verschiedenen Gewalten. Außerdem wurde die Gleichstellung von Frauen festgeschrieben. Bezüglich der Rolle der Religion einigten sich die Abgeordneten auf einen zwiespältigen Text, der sowohl den zivilen Charakter des Staates sowie Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert, als auch den Schutz des Sakralen festschreibt (GIZ 9.2019a).

Aktuell ist ein tiefgreifender Umbruch in Tunesien in Gang (TS 14.10.2019). Tunesien hatte nach dem sogenannten Arabischen Frühling vor acht Jahren zwar tiefgreifende demokratische Reformen eingeleitet. Das Land kämpft aber mit großen wirtschaftlichen Problemen und hoher Arbeitslosigkeit. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist groß (DP 14.10.2019; vgl. TS 14.10.2019). Innerhalb weniger Wochen wurden aktuell im Herbst 2019 sowohl der Präsident als auch das Parlament neu gewählt (DP 14.10.2019; vgl. TS 14.10.2019). Am 15.9.2019 wurde ein neuer Präsident gewählt. 26 Kandidaten standen für die Nachfolge des am 25.7.2019 im Alter von 92 Jahren verstorbenen Staatschefs Beji Caid Essebsi zur Wahl. Caïd Essebsi war der erste Präsident seit Tunesiens Unabhängigkeit im Jahr 1956 (BAMF 29.7.2019).

Am Montag, den 14.10.2019, bestätigte das Wahlgremium offiziell den Sieg Kaïs Saïed im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen mit 72,71% der Stimmen um das Präsidentenamt in Tunesien (DP 14.10.2019; vgl. JA 14.10.2019; TS 14.10.2019). Der parteilose Saïed, der gesellschaftlich konservative Positionen vertritt, plant nach eigenen Angaben die Einführung eines dezentralen, basisdemokratisches Regierungssystems (DP 14.10.2019; vgl. TS 14.10.2019).

Bei einer Wahlbeteiligung von nur 45% lagen zwei Außenseiter vorn. Der für seine ultrakonservativen Ansichten bekannte parteilose Jurist Kaïs Saïed holte mit 18,4% der Stimmen das beste Ergebnis, gefolgt von dem aufgrund einer Anklage wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche seit August 2019 inhaftierten Medienunternehmer Nabil Karoui, der auf 15,6% der Stimmen kam. Es kam zur Stichwahl (BAMF 23.9.2019). In der am 13.10.2019 durchgeführten Stichwahl setzte sich der parteilose Verfassungsrechtler Kaïs Saïed gegen den Medienunternehmer Nabil Karoui mit 72,71% der Stimmen durch. Die unabhängige Wahlbehörde ISIE hatte beide Abstimmungsdurchgänge der Präsidentschaftswahl ohne Zwischenfälle organisiert. Stimmberechtigt waren circa sieben Millionen Menschen, die Wahlbeteiligung bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl lag bei 56%. Der 61 Jahre alte Saïed wurde Umfragen zufolge vor allem von jungen Tunesiern und Akademikern gewählt. Das Land kämpft mit massiven wirtschaftlichen Problemen (BAMF 21.10.2019).

Der politische Quereinsteiger Kaïes Saïed gilt als unbestechlich und politisch unerfahren. Den Tunesiern verspricht er neben der Bekämpfung der Korruption eine rigorose Überarbeitung der Verfassung und des Wahlsystems sowie mehr Demokratie auf lokaler Ebene. Saïed ist zudem für seine sehr konservativen Ansichten in gesellschaftlichen Fragen bekannt (BAMF 21.10.2019).

Bei der Parlamentswahl wurden die bislang etablierten Parteien deutlich abgestraft (DP 14.10.2019; vgl. TS 14.10.2019). Laut dem am 9.10.2019 veröffentlichten vorläufigen Wahlergebnis sicherte sich die moderat islamistische Partei Ennahda die meisten Stimmen bei den Parlamentswahlen (BAMF 14.10.2019; vgl. DP 14.10.2019) und 52 der insgesamt 217 Sitze im Parlament. Auf Platz zwei landete die Partei Qalb Tounes (Herz von Tunesien), geführt vom Präsidentschaftskandidaten Nabil Karoui, mit 38 Sitzen (BAMF 14.10.2019; vgl. DP 14.10.2019). Beide Parteien schließen eine Koalition aus. Das Parlament ist stark zersplittert, was eine Regierungsbildung nach Ansicht von Beobachtern schwierig machen könnte (DP 14.10.2019).
2.         Sicherheitslage

Die von der Regierung Essid als auch der Regierung Chahed angestrebte Verbesserung der Sicherheitslage im Inneren und der Anti-Terrorkampf bleiben trotz vermehrter Anstrengungen und zahlreichen Verhaftungs- und Durchsuchungsaktionen weiter eine Herausforderung. Nach den tragischen Anschlägen im Jahr 2015 auf das Bardo Museum, eine Hotelanlage in Sousse sowie einen Bus der Präsidialgarde blieben der Großraum Tunis sowie touristische Anlagen von gezielten Terroranschlägen verschont. Dies mag auch an dem intensiven und konsequenten Vorgehen der Sicherheitskräfte liegen. Dennoch wurde durch den schweren Angriff von IS-Milizen auf die tunesisch-libysche Grenzstadt Ben Guerdane im März 2016 ein neues Kapitel der Gefährdung aufgeschlagen. Hier konnten die Sicherheitskräfte, insbesondere das Militär, den Angriff durch ca. 100 vermeintliche IS-Kämpfer binnen kurzer Zeit niederschlagen. Dies zeigt, dass die Sicherheitskräfte sehr entschlossen gegen die latente und weiterhin präsente Gefährdung vorgehen (AA 2.3.2019).

Laut österreichischem Außenministerium gilt eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für die Saharagebiete, das Grenzgebiet zu Algerien und die westlichen Landesteile (BMEIA 14.10.2019). Reisewarnungen bestehen für die Region südlich der Orte Tozeur – Douz – Ksar Ghilane – Tataouine – Zarzis. Mit gewaltsamen Aktionen von Terrororganisationen ist zu rechnen. Das militärische Sperrgebiet an der Grenze zu Algerien in der Nähe des Berges Chaambi ist teilweise vermint und kann von den Sicherheitskräften kurzfristig ausgedehnt werden. Im Westen des Landes ist mit verstärkter Militär- und Polizeipräsenz zu rechnen; es finden bewaffnete Auseinandersetzungen mit Terroristengruppen statt. Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) im Rest des Landes – bis auf die Touristenzonen (BMEIA 14.10.2019).

Der nach der Attentatsserie von 2015 verhängte weiterhin andauernde Ausnahmezustand wird regelmäßig verlängert und gilt im ganzen Land (AA 21.10.2019; vgl. BMEIA 14.10.2019) und gewährt den Sicherheitsbehörden einen erweiterten Handlungsspielraum, der von der Zivilgesellschaft durchaus kritisch beobachtet wird (ÖB 11.2018). Mit vermehrten Polizeikontrollen ist landesweit weiterhin zu rechnen (AA 21.10.2019).

Die Sicherheitslage ist nach wie vor prekär, geprägt von täglichen Sicherheitsoperationen von Militär und Polizei und Meldungen über vereitelte Anschläge. Die Sorge der Infiltration aus Libyen und anderen Konfliktzonen zurückkehrenden Islamisten tunesischen Ursprungs ist groß. Auch mit Hilfe ausländischer logistischer Unterstützung wurden die Grenzkontrollen drastisch verschärft und es wird auch im Land nach Rückkehrern gefahndet (ÖB 11.2018). Neben dem IS sind weiterhin Gruppen aktiv, die Al Qaida oder anderen extremistisch-islamistischen Ideologien angehören. Beim mit Algerien seit Jahren geführten gemeinsamen Kampf gegen terroristische Gruppierungen im Grenzbereich besteht ein Pattverhältnis, das die Bewegungsfreiheit der Terrorzellen weitgehend einschränkt, aber nicht verhindert. Dennoch sind die Sicherheitskräfte auch hier bemüht, die Situation zunehmend unter Kontrolle zu bringen, wobei das Gelände den Terrorzellen gute Rückzugsmöglichkeiten bietet. Die Sicherheitslage in Libyen verfolgt die tunesische Regierung mit großer Sorge. Die Sicherheitskräfte an der Grenze zu Libyen, einschließlich Militär, wurden daher erheblich verstärkt (AA 2.3.2019).
3.         Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 4.2.2019; AA 2.3.2019). Im Allgemeinen respektiert die Regierung die richterliche Unabhängigkeit auch in der Praxis (USDOS 13.3.2019). Allerdings schreitet die Justizreform seit der Revolution nur langsam voran (FH 4.2.2019; vgl. AA 2.3.2019). Der Oberste Justizrat konnte seine Arbeit als neues Selbstverwaltungsorgan der Justiz erst aufnehmen, nachdem eine Gesetzesänderung die internen Konflikte der Richterschaft neutralisiert hatte. Als nächster Schritt soll die Konstituierung eines ordentlichen Verfassungsgerichts erfolgen; bislang wacht eine provisorische Instanz über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen vor ihrem Inkrafttreten (AA 2.3.2019).

Auch weiterhin finden sich zahlreiche Richter aus der Ben-Ali-Ära auf der Richterbank und aufeinander folgende Regierungen versuchen regelmäßig, die Gerichte zu manipulieren. Mit den 2016 verabschiedeten Rechtsvorschriften wurde der Oberste Justizrat eingesetzt, der für die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz und die Ernennung der Richter des Verfassungsgerichts zuständig ist. Die Ratsmitglieder wurden 2016 von Tausenden von Juristen gewählt. Das Gericht, das die Verfassungsmäßigkeit von Dekreten und Gesetzen bewerten soll, war jedoch 2018 weder eingerichtet noch formell ernannt (FH 4.2.2019).

Gesetzlich ist ein faires Verfahren vorgesehen, und die unabhängige Justiz gewährleistet dieses üblicherweise auch in der Praxis. Gemäß Angeklagten sind die gesetzlich garantierten Rechte nicht immer gewährleistet. Es gilt die Unschuldsvermutung. Angeklagte haben das Recht auf einen öffentlichen Prozess sowie auf einen Anwalt, der notfalls aus öffentlichen Mitteln bereitgestellt werden muss. Sie haben das Recht, zu Zeugenaussagen Stellung zu nehmen und eigene Zeugen aufzurufen. Sie müssen in Beweismittel Einsicht nehmen können und müssen über die gegen sie erhobenen Anklagepunkte informiert werden. Des Weiteren muss ihnen ausreichend Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung gewährt werden (USDOS 13.3.2019).
4.         Allgemeine Menschenrechtslage

Seit dem Volksaufstand und dem Beginn der Demokratisierung 2010/11 hat Tunesien deutliche Fortschritte beim Schutz der Menschenrechte gemacht (AA 18.9.2019a). Die tunesische Verfassung vom 26.1.2014 enthält umfangreiche Garantien bürgerlicher und politischer sowie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Grundrechte. Tunesien hat die meisten Konventionen der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte einschließlich der entsprechenden Zusatzprotokolle ratifiziert. Vereinzelt noch bestehende Vorbehalte wurden 2011 größtenteils zurückgezogen (AA 2.3.2019; vgl. AA 9.2019a). Eine ständige Herausforderung bleibt die Anpassung der nationalen Rechtsordnung an die neue Verfassung sowie internationale Standards. Der Kampf gegen Folter und unmenschliche Behandlung bleibt eine große Herausforderung (AA 9.2019a).

Tunesien verfügt über eine Reihe an Institutionen, die sich mit Menschenrechten befassen. Das Land schneidet allerdings auch nach dem Umbruch in den Berichten internationaler Menschenrechtsorganisationen regelmäßig schlecht ab. Eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit, Folter von Häftlingen und Attacken gegen Oppositionelle listet der aktuelle Jahresbericht von Amnesty International auf. Seit dem Sturz Ben Alis hat sich die Situation zwar gebessert, allerdings kommt es nach wie vor zu Menschenrechtsverletzungen, so die Internationale Menschenrechtsliga (FIDH) (GIZ 9.2019a).

Im Vergleich zu den weitreichenden Einschränkungen von Meinungs- und Pressefreiheit vor der Revolution 2011 haben sich die Bedingungen für unabhängige Medienberichterstattung in den letzten Jahren grundlegend verbessert. Sowohl wurden wichtige rechtliche Grundlagen zum Schutz der freien Presse geschaffen, als auch die offiziellen und informellen Strukturen, die zur Unterdrückung freier Meinungsäußerung eingesetzt wurden, größtenteils abgeschafft. Die Meinungs- und Pressefreiheit, sowie auch das Recht auf Zugang zu Informationen und Kommunikationsnetzwerken wurden in den Artikeln 31 und 32 der Verfassung von 2014 ausdrücklich gestärkt. Die Medien berichten frei und offen in unterschiedlicher Qualität (AA 2.3.2019). Der Ausnahmezustand wird zur Rechtfertigung willkürlicher Einschränkungen der Bewegungsfreiheit verwendet (AI 26.2.2019).

Die Öffnung der Medienszene hat in den letzten Jahren zum Entstehen einer lebendigen, teilweise wildwüchsigen Medienlandschaft geführt, die Missstände offen thematisiert (AA 2.3.2019). Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit somit gewährleistet und die Regierung respektierte diese Rechte im Allgemeinen, wie wohl es weiterhin Restriktionen gibt (USDOS 13.3.2019). Diese Restriktionen finden sich z. B. in Bezug auf sicherheitsrelevante Themen. Seit den Ausweitungen der Antiterrormaßnahmen hat sich diese Tendenz verstärkt. Journalisten und Blogger, die Kritik an Sicherheitskräften üben, müssen weiterhin mit Strafen rechnen. Ebenso existieren weiterhin Einschränkungen bei der Kritik an der Religion. Rechtlich verankert ist dies u.a. in Artikel 6 der Verfassung, der den „Schutz des Sakralen“ garantiert. Es kommt immer wieder zu einzelnen Fällen von fragwürdiger Strafverfolgung von Journalisten und freischaffenden Bloggern. Entsprechende Verfahren gegen Zivilisten werden oft von Militärgerichten geführt – eine Praxis, die von tunesischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wird (AA 2.3.2019). Während Online- und Printmedien häufig regierungskritische Artikel veröffentlichen, üben Journalisten und Aktivisten dennoch zeitweise Selbstzensur als Resultat von Gewaltakten gegen Journalisten. Meinungsäußerungen, die „die öffentliche Ordnung oder Moral verletzen“ oder „absichtlich Personen stören, auf eine Art und Weise, die den öffentlichen Anstand beleidigen“ stehen weiterhin unter Strafe (USDOS 13.3.2019).

Die Verfassung garantiert das Recht auf friedliche Versammlungen und Demonstrationen (AA 2.3.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Zu Einschränkungen kommt es mehrfach aufgrund des weiterhin gültigen Ausnahmezustands. Die Übergänge zwischen legitimen Protesten gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik einerseits und periodisch auftretenden gewaltsamen Ausschreitungen und Plünderungen andererseits sind oft fließend. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass die Sicherheitsorgane friedliche Versammlungen und Demonstrationen in der Regel zuverlässig schützen, aber bei Rechtsverletzungen auch entsprechend robust auftreten. Nur vereinzelt kommt es dabei zu unverhältnismäßigem Einsatz polizeilicher Mittel (AA 2.3.2019).

Vereinigungsfreiheit ist gesetzlich gewährleistet (AA 2.3.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Im Zuge der Bekämpfung von Terrorismus und Geldwäsche wird derzeit eine Reform des Vereinsrechts vorbereitet, die von der tunesischen Zivilgesellschaft sehr kritisch beobachtet wird, hinsichtlich ihrer abschließenden Gestalt aber noch nicht beurteilt werden kann (AA 2.3.2019).

Die primäre Behörde der Regierung zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und zum Kampf gegen Bedrohungen der Menschenrechte ist das Justizministerium. Das Ministerium versagt allerdings dabei, Fälle von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Innerhalb des Präsidentenbüros ist der Hohe Ausschuss für Menschenrechte und Grundfreiheiten eine von der Regierung finanzierte Agentur, die mit der Überwachung der Menschenrechte und der Beratung des Präsidenten betraut ist. Das Ministerium für die Beziehungen zu den Verfassungsorganen, der Zivilgesellschaft und den Menschenrechten ist für die Koordinierung der Regierungsaktivitäten im Zusammenhang mit den Menschenrechten zuständig. Die Wahrheits- und Würdekommission (IVD) wurde 2014 gegründet, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen (USDOS 13.3.2019).
5.         Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 4.2.2019), Emigration sowie Wiedereinbürgerung und die Regierung respektiert im Allgemeinen diese Rechte in der Praxis (USDOS 13.3.2019). Die Situation bezüglich Bewegungsfreiheit hat sich seit 2011 substantiell verbessert. Allerdings können die Behörden unter dem breiten Mandat des Ausnahmezustands die Bewegungsfreiheit einzelner Personen beschränken. Davon waren tausende Menschen betroffen (FH 4.2.2019).

Einer Flucht innerhalb Tunesiens werden durch die geringe Größe des Landes enge Grenzen gesetzt. Ein Verlassen besonders gefährdeter Gebiete in den Grenzregionen ist grundsätzlich möglich (AA 2.3.2019).
6.         Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung gilt als gut (AA 2.3.2019). Tunesien verfügt über eine moderne Wirtschaftsstruktur auf marktwirtschaftlicher Basis sowie wichtige Standortvorteile: Ein hoher Industrialisierungsgrad, gute Infrastruktur, Nähe zu Europa sowie qualifizierte Arbeitskräfte (AA 6.5.2019b) und Steuervorteile für Exportbetriebe ("Offshore-Sektor") (GIZ 9.2019c). Den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet der Dienstleistungssektor (ca. 50% aller Erwerbstätigen), gefolgt von der Industrie (32%) und der Landwirtschaft (ca. 25%) (AA 6.5.2019b; vgl. GIZ 9.2019c). Neben dem Bergbau, der einer der wichtigsten Sektoren der tunesischen Wirtschaft ist, spielen Landwirtschaft, Textilfabrikation und Tourismus eine wichtige Rolle für die tunesische Wirtschaft. Im Dienstleistungssektor spielen vor allem nach Tunesien ausgelagerte Callcenter französischer Firmen und IT-Unternehmen eine große Rolle. Außerdem gründen sich seit 2011 immer mehr Start-Ups. Der sogenannte Start Up Act, der im April 2018 verabschiedet wurde, soll aufstrebenden jungen Kleinunternehmen v.a. im IT-Bereich den Start erleichtern (GIZ 9.2019c).

Der Förderung der Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen kommt nach der Revolution große Bedeutung zu, da die politischen Ereignisse für einen deutlichen Einbruch der Wirtschaft gesorgt haben. Die Arbeitslosigkeit bleibt eines der dringlichsten Probleme des Landes. Die tunesische Wirtschaft ist auch mehr als sieben Jahre nach dem Umbruch nicht besonders konkurrenzfähig. Das Finanzgesetz 2018 hatte zu Beginn des Jahres massive Proteste ausgelöst (GIZ 9.2019c).

Die größten Herausforderungen liegen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (AA 6.5.2019; vgl. GIZ 9.2019c) und der Beschäftigungsförderung, der Verbesserung der arbeitsmarktorientierten Aus- und Fortbildung, sowie der Erhöhung des Investitionsniveaus im privaten und öffentlichen Sektor (AA 6.5.2019b). Die Arbeitslosigkeit bewegt sich zwischen 15 und 16%, wobei junge Menschen, Frauen, Akademiker (ca. 300.000) und die benachteiligten Regionen im Binnenland überproportional betroffen sind (AA 6.5.2019b; vgl. GIZ 9.2019c, ÖB 11.2018).

Um regionalen Ungleichheiten zu begegnen, hat Tunesien ein ambitioniertes Programm zur Regionalentwicklung vorgelegt (AA 6.5.2019b). Die aktuelle Regierung hat zur Verbesserung der Grundversorgung der Bevölkerung in den armen Gegenden des Südens und des Landesinnern eine Umwidmung der staatlichen Ausgabenprogramme weg vom gut entwickelten Küstenstreifen hin zu den rückständigeren Regionen vorgenommen (AA 2.3.2019).

Der staatliche Mindestlohn wurde nach der Revolution von 225 auf 380 Dinar monatlich (umgerechnet knapp 125 Euro) angehoben. Dies genügt kaum, um den Lebensunterhalt einer Person zu decken, geschweige denn davon eine Familie zu ernähren. Laut einer aktuellen Untersuchung des Sozialministeriums leben rund 24% der Bevölkerung in Armut, d.h. sie leben von weniger als dem staatlichen Mindestlohn (GIZ 9.2019c). Tunesien ist ein Niedriglohnland. Die durchschnittlichen Monatslöhne im produzierenden Gewerbe liegen zwischen 500 und 800 Dinar. Arbeiter im öffentlichen Sektor verdienen rund 900 Dinar, Beamte 1.000-1.600 Dinar (ÖB 11.2018).

Fast ein Viertel der Bevölkerung, vor allem auf dem Land, lebt in Armut. Nichtsdestotrotz verfügt das Land über eine relativ breite, weit definierte Mittelschicht aus selbständigen Kleinunternehmern, Angestellten und Beamten (deren Einkommen niedrig ist) und einer schmalen Oberschicht. Diese spaltet sich in alteingesessenes Bildungsbürgertum und ökonomische Elite (GIZ 9.2019b).

In Tunesien gibt es ein gewisses strukturiertes Sozialsystem. Es bietet zwar keine großzügigen Leistungen, stellt aber dennoch einen gewissen Basis-Schutz für Bedürftige, Alte und Kranke dar. Der Deckungsgrad beträgt 95%. Folgende staatlichen Hilfen werden angeboten: Rente, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Sterbegeld, Witwenrente, Waisenrente, Invalidenrente, Hilfen für arme Familien, Erstattung der Sach- und Personalkosten bei Krankenbehandlung, Kredite für Familien. Eine Arbeitslosenunterstützung wird für maximal ein Jahr ausbezahlt – allerdings unter der Voraussetzung, dass man vorab sozialversichert war. Es gibt folgende Arbeitsvermittlungsinstitutionen: Nationale Arbeitsagentur (ANETI), Berufsbildungsagentur (ATFP), Zentrum für die Ausbildung der Ausbilder und die Entwicklung von Lehrplänen (CENAFFIF), Zentrum für die Weiterbildung und Förderung der beruflichen Bildung (CNFCPP) (ÖB 11.2018).

Es existiert ein an ein sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem. Nahezu alle Bürger finden Zugang zum Gesundheitssystem. Die Regelungen der Familienmitversicherung sind großzügig und umfassen sowohl Ehepartner, als auch Kinder und sogar Eltern der Versicherten. Allerdings gibt es keine allgemeine Grundversorgung oder Sozialhilfe. Die mit Arbeitslosigkeit verbundenen Lasten müssen überwiegend durch den traditionellen Verband der Großfamilie aufgefangen werden, deren Zusammenhalt allerdings schwindet (AA 2.3.2019).
7.         Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung (einschließlich eines akzeptabel funktionierenden staatlichen Gesundheitswesens) hat das für ein Schwellenland übliche Niveau (AA 2.3.2019) und ist gewährleistet (BMEIA 14.10.2019). Eine weitreichende Versorgung ist in den Ballungsräumen (Tunis, Sfax, Sousse) gewährleistet; Probleme gibt es dagegen in den entlegenen Landesteilen. Auch die Behandlung psychischer Erkrankungen ist möglich. Die medizinische Behandlung von HIV-Infizierten bzw. AIDS-Kranken ist sichergestellt; es handelt sich jedoch um ein gesellschaftlich tabuisiertes Thema (AA 2.3.2019). Zwar gibt es in allen Landesteilen staatliche Gesundheitseinrichtungen, diese sind jedoch trotz guter medizinischer Ausbildung der Beschäftigten oft in desolatem Zustand: es mangelt an Ausstattung und Fachärzten, die vor allem in den Großstädten an der Küste angesiedelt sind. Darunter leiden vor allem bedürftige Patienten (GIZ 9.2019b).

In Einzelfällen kann es, insbesondere bei der Behandlung mit speziellen Medikamenten, Versorgungsprobleme geben. Ein Import dieser Medikamente ist grundsätzlich möglich, wenn auch nur auf eigene Kosten der Patienten. In Einzelfällen ist also eine konkrete Nachfrage bezüglich der Verfügbarkeit der benötigten Medikamente erforderlich, in den allermeisten Fällen sind sie vor Ort problemlos erhältlich (AA 2.3.2019). Seit dem Sommer 2018 fehlt es überdies immer häufiger an Medikamenten, die auf Grund von Zahlungsschwierigkeiten der Zentralapotheke nicht mehr eingekauft werden (GIZ 9.2018b).

Darüber hinaus gibt es ein weites Netz an Privatkliniken und niedergelassenen Ärzten von oft deutlich besserer Qualität. Tunesien gibt rund 6% seines Staatshaushaltes für das Gesundheitswesen aus. Die staatliche Krankenkasse CNAM ist für die Versicherung zuständig und erstattet Behandlungen in staatlichen Einrichtungen und teilweise auch Behandlungskosten bei niedergelassenen Ärzten. Ähnlich wie in Deutschland wird dabei ein Hausarzt-Modell praktiziert. Auch Medikamente werden teilweise erstattet (GIZ 9.2019b).

Tunesien hat lange Zeit in das Gesundheitswesen investiert. Ein Großteil der Ärzteschaft ist gut ausgebildet (z.T. auch im Ausland) und das Pflegepersonal ist günstig – die Basis für einen zunehmenden Gesundheitstourismus. Eine stark angestiegene Anzahl an Privatkliniken bedient meist Ausländer, u.a. zahlungskräftigen Libyer und Algerier. Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist nach einem dreistufigen System organisiert und dringend reformbedürftig: erweiterte Leistung der Bezirkskrankenhäuser, verstärkte Ausstattung der Regionalkrankenhäuser und Ausbau der Uni-Kliniken. Zwar beträgt der Radius weniger als 5 km zur Erlangung medizinischer Hilfe, jedoch ist die qualitative Ausstattung in den öffentlichen Krankenhäusern katastrophal: fehlende Spezialisten, Überbelegung, lange Wartezeiten, katastrophale sanitäre Zustände, geringe Anfangsgehälter für ausgebildete Ärzte sind Realität. Beim Aufsuchen eines Arztes muss der Behandlungspreis stets sofort entrichtet werden. Je nach Praxis (Krankenhaus, Klinik, Hospital, Fachgebiet) sind das zwischen 20 und 80 Dinar, also etwa 8-30 Euro. 2005 wurden die beiden Krankenkassen (CNSS: Caisse nationale de sécurité sociale und CNRPS: Caisse nationale de retraite et de prévoyance sociale) zur Caisse Nationale d’Assurance Maladie (CNAM) zusammengelegt. Allerdings ist diese Kasse mit ca. 1,94 Milliarden Dinar hoch verschuldet – fehlende Beitragszahlungen und verteuerte Medikamente sind nur einige der Gründe. Tatsächlich besteht eine Klassengesellschaft innerhalb der medizinischen Versorgung. Nur gut betuchte können sich Privat- und Spezialkliniken oder Ärztezentren leisten, wo die Versorgung hochpreisig, einwandfrei und an westlichen Standards angepasst ist (ÖB 11.2018).
8.         Rückkehr

Es gibt keine speziellen Hilfsangebote für Rückkehrer. Soweit bekannt, werden zurückgeführte tunesische Staatsangehörige nach Übernahme durch die tunesische Grenzpolizei einzeln befragt und es erfolgt ein Abgleich mit den örtlichen erkennungsdienstlichen Registern. Sofern keine innerstaatlichen strafrechtlich relevanten Erkenntnisse vorliegen, erfolgt anschließend eine reguläre Einreise. Hinweise darauf, dass, wie früher üblich, den Rückgeführten nach Einreise der Pass entzogen und erst nach langer Wartezeit wieder ausgehändigt wird, liegen nicht vor. An der zugrundeliegenden Gesetzeslage für die strafrechtliche Behandlung von Rückkehrern hat sich indes nichts geändert. Sollte ein zurückgeführter tunesischer Staatsangehöriger sein Land illegal verlassen haben, ist mit einer Anwendung der Strafbestimmung in §35 des Gesetzes Nr. 40 vom 14.5.1975 zu rechnen: „Jeder Tunesier, der beabsichtigt, ohne offizielles Reisedokument das tunesische Territorium zu verlassen oder zu betreten, wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen 15 Tagen und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe zwischen 30 und 120 DT (ca. 15 bzw. 60 Euro) oder zu einer der beiden Strafarten verurteilt. Bei Wiederholung der Tat (Rückfälligkeit) kann sich das im vorhergehenden Absatz aufgeführte Strafmaß für den Täter verdoppeln.“ Soweit bekannt, wurden im Jahr 2017 ausschließlich Geldstrafen verhängt. Die im Gesetz aufgeführten Strafen kommen nicht zur Anwendung bei Personen, die das tunesische Territorium aufgrund höherer Gewalt oder besonderer Umstände ohne Reisedokument betreten (AA 2.3.2019).

Eine „Bescheinigung des Genusses der Generalamnestie“ wird auf Antrag vom Justizministerium ausgestellt und gilt als Nachweis, dass die in dieser Bescheinigung ausdrücklich aufgeführten Verurteilungen - kraft Gesetz - erloschen sind. Eventuelle andere, nicht aufgeführte zivil- oder strafrechtliche Verurteilungen bleiben unberührt. Um zweifelsfrei festzustellen, ob gegen eine Person weitere Strafverfahren oder Verurteilungen vorliegen, kann ein Führungszeugnis (das sog. „Bulletin Numéro 3“) beantragt werden (AA 2.3.2019).

Seit der Revolution 2011 sind tausende Tunesier illegal emigriert. Vor allem junge Tunesier haben nach der Revolution das Land verlassen, kehren nun teilweise zurück und finden so gut wie keine staatliche Unterstützung zur Reintegration. Eine kontinuierliche Quelle der Spannung ist die Diskrepanz zwischen starkem Migrationsdruck und limitierten legalen Migrationskanälen. Die Reintegration tunesischer Migranten wird durch eine Reihe von Projekten von IOM unterstützt. Sowohl IOM als auch UNHCR übernehmen die Registrierung, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Tunesien. Finanzielle Hilfe dafür kommt hauptsächlich von der EU, sowie aus humanitären Programmen der Schweiz und Norwegens. Die Schweiz ist dabei einer der größten Geber und verfügt über zwei Entwicklungshilfebüros vor Ort. Wesentlich für eine erfolgreiche Reintegration ist es, rückkehrenden Migranten zu ermöglichen, eine Lebensgrundlage aufzubauen. Rückkehrprojekte umfassen z.B. Unterstützung beim Aufbau von Mikrobetrieben, oder im Bereich der Landwirtschaft. Als zweite Institution ist das ICMPD [International Centre for Migration Policy Development] seit 2015 offizieller Partner in Tunesien im Rahmen des sog. „Dialog Süd“ – Programms (EUROMED Migrationsprogramm) (ÖB 11.2018).

Zusammengefasst wird festgestellt, dass eine Rückführung des Beschwerdeführers nach Tunesien für diesen weder eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde, noch für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Es wird weiters festgestellt, dass in Tunesien für die Masse der Bevölkerung nicht im gesamten Staatsgebiet jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegt, welche die Rückkehr eines Fremden automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt (vgl. dazu VwGH vom 21. August 2001, 2000/01/0043). Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, wird eine nach Tunesien abgeschobene Person, bei welcher keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen, durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine "unmenschliche Lage" versetzt. Es wird weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird, er selbst hat hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet und haben sich auch amtswegig keine Anhaltspunkte dafür ergeben.

Im Verfahren sind auch sonst keine Umstände hervorgekommen, die einer Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat Tunesien entgegenstünden.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.03.2020, in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Tunesien, sowie in die Urteile des Landesgerichtes XXXX vom 11.05.2016, Zl. 013 XXXX , sowie vom 28.09.2016, Zl. 115 XXXX und in das Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom 25.04.2017, Zl. XXXX .

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung identitätsbezeugender Dokumente nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zu Herkunft, Staatsangehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde und in der Beschwerde.

Die Feststellung zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit mindestens August 2015 ergibt sich aus dem Datum seiner ersten Asylantragsstellung in Zusammenschau mit einer eingeholten zmr-Auskunft.

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand, seiner Erwerbsfähigkeit sowie zu den persönlichen und familiären Verhältnissen und zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers in Tunesien gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Das Beschwerdevorbringen, demzufolge der Beschwerdeführer kein soziales Netzwerk in seinem Herkunftsstaat habe, ist vor dem Hintergrund seiner Angaben im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA, wonach sein Sohn und seine Schwester in Tunesien leben, nicht nachvollziehbar.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen im österreichischen Bundesgebiet verfügt, resultiert aus dem Verwaltungsakt und den Angaben des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 15.04.2016 durchgehend in Haft. In seiner Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht vom 24.03.2020 erklärte er ausdrücklich, in Österreich keine Familie und auch keine Freunde zu haben.

Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus dem Umstand, dass weder vor der belangten Behörde, noch in der Beschwerde konkrete Angaben getätigt wurden, welche eine hinreichende Integration in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht annehmen lassen würden. Unterlagen, welche eine soziale oder integrative Verfestigung des Beschwerdeführers belegen würden, brachte er nicht in Vorlage.

Die Feststellung zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer seit April 2016 in Haft befindet, ergibt sich aus einem eingeholten zmr-Auszug, sowie der dem Akt inneliegenden Haftauskunft (AS 33).

2.3. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Das Bundesverwaltungsgericht kommt aufgrund der Aktenlage – wie auch schon die belangte Behörde – zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen kann allerdings ohnehin unterbleiben, da der Beschwerdeführer mit seinen Verurteilungen den Asylausschlussgrund des § 6 Abs. 1 Z. 4 AsylG verwirklicht hat.

2.4 Zur Lage im Herkunftsstaat:

Tunesien ist ein "sicherer Herkunftsstaat" im Sinne des § 1 Ziffer 11 der Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 145/2019.

Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid bzw. Erkenntnis angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

Quellen:

-         AA - Auswärtiges Amt (21.10.2019): Tunesien - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/tunesiensicherheit/219024, Zugriff 21.10.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (9.2019b): Tunesien - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/-/219026, Zugriff 21.10.2019

-        AA – Auswärtiges Amt (18.9.2019): Tunesien: Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/-/219068, Zugriff 16.10.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human Rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Tunisia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003691/MDE3098892019ENGLISH.pdf, Zugriff 16.10.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (14.10.2019): Briefing Notes 14 Oktober 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018357/briefingnotes-kw42-2019.pdf, Zugriff 24.10.2019

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (14.10.2019): Reiseinformationen Tunesien, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/tunesien/, Zugriff 21.10.2019

-        DP – die Presse (14.10.2019): Erdrutschsieg von Parteilosem Saied bei Präsidentschaftswahl, https://www.diepresse.com/5705812/erdrutschsieg-von-parteilosem-saied-bei-prasidentschaftswahl, Zugriff 24.10.2019

-        EDA - Eidgenössisches Department für Auswärtige Angelegenheiten (21.10.2019): Reisehinweise für Tunesien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/tunesien/reisehinweise-tunesien.html, Zugriff 21.10.2019

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Tunisia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006463.html, Zugriff 14.10.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2019a): Tunesien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/tunesien/geschichte-staat/, Zugriff 24.10.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2019b): Tunesien - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/tunesien/gesellschaft/, Zugriff 21.10.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2019c): Tunesien - Wirtschaft & Entwicklung, http://liportal.giz.de/tunesien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 21.10.2019

-        JA - Jeune Afrique (14.10.2019): Tunisie: Kaïs Saïed élu président, d’après les résultats préliminaires officiels de l’Isie, https://www.jeuneafrique.com/842757/politique/tunisie-kais-saied-elu-president-dapres-les-resultats-preliminaires-officiels-de-lisie/, Zugriff 24.10.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (11.2018): Asylländerbericht Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018250/TUNE_%C3%96B_Bericht_2018_11.pdf, Zugriff 21.10.2019

-        TS - Tageschau.de (14.10.2019): Entscheidung in Stichwahl Parteiloser wird Präsident Tunesiens, https://www.tagesschau.de/ausland/tunesien-stichwahl-107.html, Zugriff 24.10.2019

-        USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Tunisia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004225.html, Zugriff 14.10.2019

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1 Prüfungsumfang:

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.1.2 Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Angesichts der Tatsache, dass der maßgebende Sachverhalt von der belangten Behörde abschließend ermittelt wurde und der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen sowie eine initiative Darlegung für die Entscheidungsfindung relevanten Umstände, die durch die weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erforderlich war, ist der Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-Verfahrensgesetz aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte somit gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu A) Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.2 Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Der mit "Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" titulierte § 6 AsylG lautet wie folgt:

"§ 6. (1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1.       und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2.       einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3.       er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

4.       er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt."

Gemäß Art. 33 Abs. 1 der GFK darf kein vertragsschließender Staat einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Nach Art. 33 Z. 2 GFK kann der Vorteil dieser Bestimmung jedoch von einem Flüchtling nicht in Anspruch genommen werden, der aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit seines Aufenthaltslandes darstellt oder der, wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt, eine Gefahr für die Gemeinschaft des betreffenden Landes bedeutet.

In seinen Erkenntnissen vom 06.10.1999, 99/01/0288 und vom 03.12.2002, 99/01/0449 führt der Verwaltungsgerichtshof zu Art. 33 Z. 2 GFK aus, dass vier Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf.

Demnach muss er (1) ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, (2) dafür rechtskräftig verurteilt worden und (3) gemeingefährlich sein und müssen (4) die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.

Für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG sind diese vier Voraussetzungen maßgeblich, da der Gesetzgeber (wie auch schon bei der inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung des § 13 Abs. 2, 2. Fall AsylG 1997) auf die völkerrechtliche Bedeutung der in dieser Bestimmung enthaltenen Wortfolgen abgestellt hat.

Unter den Begriff "besonders schweres Verbrechen" fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S. 182 und 228 (ua. mit Hinweis auf UNHCR) und Rohrböck (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999) RZ 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (VwGH 10.06.1999, 99/01/0288).

Wie umseits dargestellt, wurde der Beschwerdeführer mehrfach von österreichischen Strafgerichten rechtskräftig verurteilt, und zwar wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall, 15 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Unterdrückung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB und zuletzt wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall und Abs. 2 erster Fall StGB.

Laut Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.09.2016, Zl. 115 XXXX , hat der Beschwerdeführer in bewusstem und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit zwei anderen Personen Gewalt gegen eine Person unter Verwendung einer Waffe, und zwar J.M. ein Mobiltelefon und einen Rucksack beinhaltend diverse Wertsachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er J.M. einen Faustschlag ins Gesicht versetzte. Seit Mittäter H.B. übergab einem unbekannten dritten Täter ein Messer und hielt J.M. fest, während der unbekannte Täter mit dem Messer insgesamt drei Stichbewegungen in Richtung dessen Rückenbereich ausführte, wodurch dieser zwei Stichwunden im Gesäß

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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