TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/23 W176 2233080-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2020
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Entscheidungsdatum

23.07.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §92 Abs1 Z3
FPG §93 Abs1 Z1
FPG §94 Abs5
StGB §83
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W176 2233080-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. NEWALD über die Beschwerde von XXXX , geboren, XXXX StA. Syrien, vertreten durch RA Dr. Leopold HIRSCH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.06.2020, Zl. 1016029501-200328424, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), iVm §§ 94 Abs. 5, 93 Abs. 1 Z 1, 92 Abs. 1 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG). 22/2018, zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Mandatsbescheid vom 08.04.2020 entzog das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) dem Beschwerdeführer, einem in Österreich asylberechtigten syrischen Staatsangehörigen, den diesem erteilten Konventionsreisepass Nr. XXXX .

2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung.

3. Im daraufhin eingeleiteten ordentlichen Verfahren forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 08.05.2020 auf, die darin angeführten Fragen zu beantworten.

4. Mit Schriftsatz vom 25.05.2020 beantwortete der Beschwerdeführer diese Fragen.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), den zuvor genannten Konventionsreisepass – dies mit dem Hinweis, dass er das Dokument unverzüglich der Behörde vorzulegen habe – (Spruchpunkt I.) und schloss zugleich die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid aus (Spruchpunkt II.).

Begründend stützt sich das Bundesamt auf ein gegen den – mit einer erheblichen Suchtgiftmenge und Bargeld idHv EUR 940,-- im Grenzgebiet zur Bundesrepublik Deutschland festgenommenen – Beschwerdeführer anhängiges Strafverfahren; daraus ergebe sich die Annahme, dass er den Konventionsreisepass benützen wolle, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997 (SMG), zu verstoßen.

6. In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass kein begründeter Tatverdacht bestehe. Er sei „suchtmittelstrafrechtlich unbescholten“ und es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er das Dokument für einen Verstoß gegen das SMG benützt habe oder zukünftig benutzen wolle. Insbesondere hielt er fest, dass zum Zeitpunkt der ihm angelasteten Tat die Grenze zu Deutschland geschlossen gewesen sei. Überdies sei der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der Untersuchungshaft gegen ihn mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 08.04.2020 abgewiesen worden und die Verfahren gegen ihn wegen des Verdachts des Widerstandes gegen die Staatsgewalt sowie des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung eingestellt worden.

Weiters wird (ohne näheres Vorbringen) beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Dem Beschwerdeführer wurde mit (rechtskräftig gewordenem) Bescheid der belangten Behörde vom 16.10.2014 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

1.2. Am 31.08.2015 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde der Konventionsreisepass Nr. XXXX , gültig bis zum 31.08.2020, ausgestellt.

1.3. Mit (rechtskräftig gewordenem) Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 11.09.2018, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Ab1 3. Fall Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974, und Körperverletzung nach den §§ 83 Abs, 2, 84 Abs. 2 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

1.4. Am 06.04.2020 wurde bei einer polizeilichen Durchsuchung der Kleidung des Beschwerdeführers in dessen rechter Hosentasche ein harter Gegenstand entdeckt, den er in der Folge wegwarf und flüchtete, wobei bei der Nachsuche am Fluchtweg ein längliches weißes Päckchen aufgefunden wurde, das Kokain und EUR 940,-- enthielt.

1.5. Beim Landesgericht Salzburg ist zur Zl. XXXX ein Verfahren gegen den Beschwerdeführer anhängig, dem mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft Salzburg zur Last gelegt wird, am 06.04.2020 in Salzburg vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge gemäß § 28b SMG übersteigenden Menge, nämlich 48,3 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 35,8 Prozent mit dem Vorsatz besessen zu haben, dass es in Verkehr gesetzt werde, und dadurch das Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster Satz SMG begangen zu haben.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu Punkt 1.1. bis 1.4. ergeben sich aus dem ordnungsgemäß geführten Ermittlungsverfahren der belangten Behörde. Dabei stützt sich die Feststellung zu Punkt 1.4. auf den aktenkundigen Bericht der Landespolizeidirektion Salzburg vom 07.04.2020 (Verwaltungsakt AS 37 ff.)

2.2. Die Feststellung zu Punkt 1.5. basiert auf dem – dem Bundesverwaltungsgericht am 17.07.2020 vom Landesgerichts Salzburg übermittelten – Strafantrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 20.06.2020, Zl. XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A):

3.1.1. Gemäß § 94 Abs. 1 FPG sind Konventionsreisepässe Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.

Gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 FPG ist ein Konventionsreisepass zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung der Ausstellung des Fremdenpasses rechtfertigen würden.

Gemäß § 94 Abs. 5 FPG iVm iVm § 92 Abs. 1 FPG ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Konventionsreisepasses ua. dann zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde das Dokument benützen will,

um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen (Z 1 leg. cit.) oder

um gegen Bestimmungen des SMG zu verstoßen (Z 3 leg. cit.).

3.1.2. Mit Erkenntnis vom 24.01.2019, Zl. Ra 2018/21/0211, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es für die Entziehung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 und § 92 Abs. 1 Z 1 FPG ausreicht, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde dieses Dokument benutzen wolle, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen. Die Stichhältigkeit der strafrechtlichen Vorwürfe ist dagegen als solche weder ein Tatbestandserfordernis der genannten Bestimmungen des FPG noch ist das Verwaltungsgericht (sondern vielmehr letztlich das Strafgericht) zu einer entsprechenden inhaltlichen Prüfung berufen.

Eine Entziehung eines Konventionsreisepasses auf Grundlage von § 92 Abs. 1 Z 1 FPG setzt somit eine Verurteilung des Fremden durch das Strafgericht nicht voraus.

In Hinblick auf die davon nicht abweichende Konstruktion des Tatbestandes der Z 3 des § 92 Abs. 1 FPG (der ebenfalls bloß darauf abstellt, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme der entsprechenden Handlung rechtfertigen) kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes in diesem Zusammenhang nichts Anderes gelten; es reicht somit aus, wenn konkrete Umstände vorliegen, die (wie von der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht zu beurteilen ist) die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde das Dokument für einen Verstoß gegen die Bestimmungen des SMG benützen will.

Solche Tatsachen liegen in Hinblick auf die unter Punkt 1.4 sowie 1.5. getroffenen Feststellungen vor.

Sofern der Beschwerdeführer vorbringt, aus seiner Anhaltung in Grenznähe könne schon deshalb nicht geschlossen werden, dass er den Konventionspass verwenden wolle, um gegen das SMG zu verstoßen, weil die Grenze zu Deutschland zu diesem Zeitpunkt geschlossen gewesen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung ist, ob der Fremde seinen Reisepass bei der Begehung der ihm angelasteten Straftat nach dem SMG verwendet hat, da es eine Erfahrungstatsache ist, dass der inländische Drogenmarkt und Drogenhandel in den meisten Fällen mit Suchtgiftimporten aus dem Ausland verknüpft ist und ein Reisepass daher einen (weiteren) Suchtgifthandel jedenfalls erleichtert (VwGH 15.11.2005, 2005/18/0609; vgl. überdies dazu überdies VwGH 20.12.2013, 2013/21/0055; 22.10.2009, 2008/21/0410; 22.10.2009, 2008/21/0570; 02.04.2009, 2009/18/0095).

Daher liegen im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Entziehung des Konventionsreisepasses gemäß §§ 94 Abs. 5, 93 Abs. 1 Z 1, 92 Abs. 1 Z 3 FPG vor.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides ist daher abzuweisen.

Vor diesem Hintergrund war auf die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt hat bzw. ob der Beschwerde eine solche vom Bundesverwaltungsgericht zuzuerkennen, nicht (mehr) einzugehen.

3.2. Zu Spruchpunkt B):

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGVG), hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung insofern von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, als sich in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Entziehung eines Konventionspasses gemäß 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 und § 92 Abs. 1 Z 3 FPG keine explizite Aussage findet, ob diese voraussetzt, dass der Fremde schon nach dem SMG (strafgerichtlich) verurteilt wurde. Die einschlägige Judikatur enthält vielmehr (sofern für das Bundesverwaltungsgericht überblickbar) nur Entscheidungen zu Konstellationen, in denen zumindest eine solche Verurteilung bereits vorlag.

Schlagworte

Asylberechtigter aufschiebende Wirkung - Entfall Entziehung Entziehungsbescheid Entziehungsgrund Konventionsreisepass Körperverletzung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtmitteldelikt Verhältnismäßigkeit Versagungsgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W176.2233080.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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