TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/1 I406 2232292-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2020
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Entscheidungsdatum

01.09.2020

Norm

AVG §57
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §57
FPG §57 Abs1
FPG §57 Abs2
FPG §57 Abs6
StGB §105 Abs1
StGB §127
StGB §83 Abs1
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
WaffG §50 Abs1 Z2

Spruch

I406 2232292-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Marokko, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.05.2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer wurde am 11.03.2006 von der Bundespolizeidirektion XXXX , XXXX, wegen des Verdachts auf Diebstahl festgenommen, angezeigt und in die Justizanstalt XXXX eingeliefert.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 13.04.2006 wurde der Beschwerdeführer wegen den §§ 15, 127, 15, 105 Abs. 1, 83 ABs.1 StGB und 50 Abs. Z. 2 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 18.04.2006 erließ die Bundespolizeidirektion XXXX über den Beschwerdeführer ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot.

Der Beschwerdeführer entzog sich am 08.05.2006 durch Haftunfähigkeit, herbeigeführt durch Hungerstreik, der Schubhaft und tauchte unter.

Am 25.09.2006 teilte die Botschaft des Königreiches Marokko mit, der Beschwerdeführer sei ihr nicht bekannt.

Am 18.01.2013 wurde der Beschwerdeführer durch Organe der Landespolizeidirektion XXXX in einem Wettlokal in XXXX aufgegriffen, wegen unrechtmäßigen Aufenthalts festgenommen, angezeigt und in das Polizeianhaltezentrum XXXX überstellt.

Bei der Einvernahme durch die Fremdenpolizei gab der Beschwerdeführer an, seit März 2006 in Österreich zu sein, er besitze keine Dokumente. Er habe der Behörde gegenüber falsche Angaben zu seiner Identität gemacht, wolle dies nun richtigstellen und einen Asylantrag stellen.

Bei der Erstbefragung nach AsylG gab der Beschwerdeführer an, im Jahr 1995 habe das Passamt Oujda ihm einen marokkanischen Reisepass ausgestellt, mit dem er das Heimatland verlassen habe. Diesen habe er in Österreich verloren.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 24.01.2013, rechtskräftig am 13.02.2013, wurde der Asylantrag vom 18.01.2013 abgewiesen und der Beschwerdeführer nach Marokko ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer kam der Ausreiseverpflichtung zu keinem Zeitpunkt nach.

Der Beschwerdeführer wurden in Folge mehrmals durch Beamten der Landespolizeidirektion XXXX beim unrechtmäßigen Aufenthalt betreten und zur Anzeige gebracht.

Am 16.05.2013 ersuchte die Fremdenpolizei die Botschaft des Königreiches Marokko um Ausstellung eines Heimreisezertifikates.

Bis dato hat die Botschaft die vom Beschwerdeführer angegebene Identität nicht bestätigt.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX, vom 23.10.2019 wurde über den Beschwerdeführer eine Wohnsitzauflage gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG erlassen, er wurde verpflichtet, durchgängig Unterkunft in der BS XXXX , zu nehmen.

Am 08.11.2019 wurde das BFA durch die Koordinierungsstelle in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist von drei Tagen in der Betreuungsstelle eingetroffen war.

Auf Ersuchen des BFA vom 13.11.2019 erließ die Landespolizeidirektion XXXX wegen Nichtbeachtung der Wohnsitzauflage gemäß § 121 Abs. 1a FPG eine Strafverfügung gegen den Beschwerdeführer und folgte ihm diese am 22.11.2019 an seiner Meldeanschrift aus.

Mit Stellungnahme vom 01.04.2020 zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme betreffend die beabsichtigte Aufrechterhaltung der Wohnsitzauflage wies der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf die herrschende Corona-Pandemie hin; das Land XXXX habe sich bis 13.04.2020 unter Quarantäne gestellt, es sei ihm daher nicht möglich, Wohnsitz in der zugewiesenen Unterkunft zu nehmen, auch würde er damit gegen die Ausgangsbeschränkung der Bundesregierung verstoßen; es sei nicht zumutbar, sich der Gefahr einer Ansteckung auszusetzen, auch erhalte er mit der Verpflichtung, in XXXX Wohnsitz zu nehmen, keinerlei Leistungen aus der Grundversorgung mehr.

Mit Bescheid vom 25.05.2020 trug die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG auf, bis zur Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung BS XXXX zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen und schloß die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Absatz 2 VwGVG aus.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zum Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer befindet sich nach illegaler Einreise seit mindestens 11.03.2006 im österreichischen Bundesgebiet.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 18.04.2006 erließ die Bundespolizeidirektion XXXX über den Beschwerdeführer ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot.

Der Beschwerdeführer entzog sich am 08.05.2006 durch Haftunfähigkeit, herbeigeführt durch Hungerstreik, der Schubhaft und tauchte unter.

Am 25.09.2006 teilte die Botschaft des Königreiches Marokko mit, der Beschwerdeführer sei ihr nicht bekannt.

Am 18.01.2013 wurde der Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthalts festgenommen und gab bei der Einvernahme durch die Fremdenpolizei an, er habe der Behörde gegenüber falsche Angaben zu seiner Identität gemacht, wolle dies nun richtigstellen und einen Asylantrag stellen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 24.01.2013, rechtskräftig am 13.02.2013, wurde der Asylantrag vom 18.01.2013 abgewiesen und der Beschwerdeführer nach Marokko ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer suchte noch nie seine Botschaft in XXXX auf, um sich einen Reisepass ausstellen zu lassen und damit seine behauptete Identität nachzuweisen.

Ebensowenig suchte er eine Organisation, wie z. B. den Verein „Menschenrechte Österreich“ zwecks Hilfestellung bei der Beschaffung eines Reisepasses und Organisation der Rückkehrkehr in das Heimatland auf.

Der Beschwerdeführer wurden in Folge mehrmals durch Beamten der Landespolizeidirektion XXXX beim unrechtmäßigen Aufenthalt betreten und zur Anzeige gebracht.

Am 16.05.2013 ersuchte die Fremdenpolizei die Botschaft des Königreiches Marokko um Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Bis dato hat die Botschaft die vom Beschwerdeführer angegebene Identität nicht bestätigt.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX, vom 23.10.2019 wurde über den Beschwerdeführer eine Wohnsitzauflage gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG erlassen, er wurde verpflichtet, durchgängig Unterkunft in der BS XXXX, zu nehmen.

Auf Ersuchen des BFA vom 13.11.2019 erließ die Landespolizeidirektion XXXX wegen Nichtbeachtung der Wohnsitzauflage gemäß § 121 Abs. 1a FPG eine Strafverfügung gegen den Beschwerdeführer und folgte ihm diese am 22.11.2019 an seiner Meldeanschrift aus.

Eine aufrechte Duldung gemäß § 46a FPG liegt nicht vor.

Der Beschwerdeführer kam der Ausreiseverpflichtung zu keinem Zeitpunkt nach.

Zu den COVID-19-Maßnahmen ist dazu festzustellen, dass die landesweite Quarantäne in XXXX aufgehoben ist und die Anreise uneingeschränkt möglich ist.

In der Betreuungsstelle XXXX sind Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung, gewährleistet.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Soweit er namentlich genannt wird, dient dies lediglich seiner Identifizierung als Verfahrenspartei, nicht jedoch einer Vorfragebeurteilung im Sinn des § 38 AVG.

Der Beschwerdeführer hat die österreichischen Behörden eingestandenermaßen über einen Zeitraum von sieben Jahren beharrlich betreffend seine Identität getäuscht.

Der Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsbürgerschaft sowie Herkunft.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 13.04.2006 wurde der Beschwerdeführer wegen den §§ 15, 127, 15, 105 Abs. 1, 83 ABs.1 StGB und 50 Abs. Z. 2 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt, auf eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Sorgepflichten, ebensowenig familiäre oder berufliche Anknüpfungspunkte in Österreich, verfügt hier jedoch über einen Freundes- und Bekanntenkreis und spricht Deutsch.

Der Beschwerdeführer verfügt weder über ein legales Einkommen noch ist er selbsterhaltungsfähig, ist somit mittelloser Fremder und verfügt über keinen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft.

Seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens mit 13.02.2013 haben sich keine wesentlichen Änderungen in seinem Privat- und Familienleben ergeben.

2. Beweiswürdigung

1.1.    Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, zum Ausgang des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz und zu seiner rechtlichen Position ergeben sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht fest.

Die Feststellungen zu Staatsbürgerschaft und Herkunft beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers und dass sich diesbezüglich seit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens mit 13.02.2013 keine wesentlichen Änderungen ergeben haben, ergibt sich aus den Feststellungen der belangten Behörde, die der Beschwerdeführer in der Beschwerde im wesentlichen ausdrücklich bestätigte.

Die Feststellungen zu COVID-19 beruhen auf dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

§ 57 FPG lautet auszugsweise:


„Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn
1.         keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder
2.         nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige
1.         entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;
2.         nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;
3.         an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;
4.         im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;
5.         im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange
1.         die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,
2.         sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder
3.         ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen.“

Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich, dass die Erlassung einer Wohnsitzauflage nicht systematisch erfolgen soll, sondern jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen hat. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK – insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt – zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Der Beschwerdeführer hat sich – wie von der belangten Behörde festgestellt – im bisherigen Verfahren unkooperativ verhalten und ist der ihm auferlegten Ausreiseverflichtung, durchsetzbar seit 13.02.2013, nicht nachgekommen.

Zu den Ausführungen, es liege nicht in der Sphäre des Beschwerdeführers, dass er über keinen Identitätsnachweis verfüge, er sei seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen und es sei nicht ersichtlich, inwiefern seine persönliche Vorsprache bei der marokkanischen Botschaft oder die Konsultation der Rückkehrberatung ein anders Ergebnis haben könnten als die am 16.05.2013 von der damaligen Behörde selbst veranlasste, unbeantwortet gebliebene Botschaftsanfrage ist zum einen darauf hinzuweisen, dass es dem Fremden selbst obliegt, seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes nachzukommen. Auch wurde dem Beschwerdeführer nach eigenem Vorbringen vom Passamt seiner Heimatgemeinde in Marokko ein Reisepass ausgestellt, mit dem er das Heimatland verlassen und den er in Österreich verloren habe; insofern ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund es dem Beschwerdeführer nicht möglich sein sollte, von der marokkanischen Botschaft die Ausstellung eines Identitätsnachweises zu veranlassen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Umstand zu beachten, dass der Beschwerdeführer bereits einmal eingestandenermaßen über einen Zeitraum von sieben Jahren beharrlich über seine Identität getäuscht hat.

Daher ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird – die Voraussetzungen gemäß § 57 Abs. 1 FPG sind gegeben.

Zur Rechtskraft der seit 13.02.2013 durchsetzbaren Ausweisung ist, wie oben festgestellt, festzuhalten, dass sich das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers seit damals - wie er auch in der Beschwerde selber ausdrücklich einräumt, nicht verfestigt hat. Daher ist auch bei einem vierzehnjährigen Aufenthalt angesichts der langjährigen Täuschung über die Identität und der Nichtmitwirkung an der Ausreise auch bei einem Netz an Freunden und Bekannten und Kenntnissen der deutschen Sprache von der Rechtskraft der Ausweisung auszugehen, sind doch die Bindungen des Beschwerdeführers, der keiner legalen Tätigkeit nachgeht und der über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt, zu Österreich überaus gering.

Wird durch eine Wohnsitzauflage in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Es ist daher zu prüfen, ob der Eingriff verhältnismäßig und auch mit Art. 8 EMRK vereinbar ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Ebenso kommt Normen, die ein geordnetes Fremdenwesen betreffend Einreise und Aufenthalt von Fremden regeln, ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192). Nichts anders kann bezüglich der Verhängung von Wohnsitzauflagen nicht aufenthaltsberechtigter Fremder gelten.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Wohnsitzauflage nach § 57 FPG liegt hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042).

Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).

Wie bereits oben ausgeführt, liegen seit Rechtskraft der Ausweisung keine wesentlichen Änderungen der privaten und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers vor.

Es ist somit in Zusammenschau von keiner derart engen Bindung des Beschwerdeführers an seinen bisherigen Wohnort auszugehen, die einer Wohnsitzauflage entgegenstehen würde.

Demgegenüber wiegt die beharrliche Nichtmitwirkung des Beschwerdeführers, an seiner Ausreiseverpflichtung, insbesondere im Lichte des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens schwer zu seinen Lasten.

Bei der Interessenabwägung ist unter anderem auch die Frage, ob das – im vorliegenden Fall ohnehin beinahe nicht existente - Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29. 9. 2007, B 1150/07; 12. 6. 2007, B 2126/06; VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/479; 26. 1. 20006, 2002/20/0423; 17. 12. 2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 20053, S. 282ff).

Unter diesen Gesichtspunkten und im Hinblick darauf, dass damit ein dringendes öffentliches Interesse erfüllt wird, ist der mit der Wohnsitzauflage verbundene Eingriff in das Privatleben und die Wohnung des Beschwerdeführers verhältnismäßig und aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers auch dringend geboten.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend COVID-19 ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer eine gesundheitliche Vorbelastung lediglich pauschal vorbringt, jedoch weder konkret ausführt noch dazu Belege vorlegt.

Weiters ist, wie festgestellt, in der Betreuungsstelle XXXX die medizinische Versorgung gewährleistet und überdies angesichts der aktuellen Infektionszahlen von einem Infektionsrisiko nicht auszugehen.

Die Beschwerde war daher gegen Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist auszuführen, dass die belangte Behörde einer Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung aberkennen kann, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

Wie bereits oben aufgezeigt, ist ein sofortiger Vollzug des Bescheides im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend erforderlich.

Anhaltspunkte dahingehend, dass im gegenständlichen Fall konkret zu berücksichtigende private Interessen vorliegen würden, die das öffentliche Interesse an einer raschen Durchsetzung der Wohnsitzauflage allenfalls überwiegen würden, sind nicht hervorgekommen.

Hinzu kommt, dass sich aufgrund der unter einem ergehenden Entscheidung in der Sache selbst eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung faktisch erübrigt.

Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 BFA-VG sind daher erfüllt, womit die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien sind im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Im gegenständlichen Fall wurden die für die Entscheidung maßgeblichen Feststellungen (weder im Mandatsbescheid noch im nunmehr angefochtenen Bescheid) substantiiert bestritten. Es sind im Verfahren vor dem BFA auch keine neuen, in Beurteilung zu ziehenden Aspekte hervorgekommen. Zudem bestreitet die Beschwerde den von der Behörde festgestellten Sachverhalt nur völlig unsubstantiiert, sodass sich daraus kein relevanter bzw. über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hinausgehender Sachverhalt ergibt.

Der maßgebliche Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen sind aufgrund der klaren Rechtslage nicht hervorgekommen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Diebstahl Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung Körperverletzung Nötigung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I406.2232292.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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