TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/8 I415 2233702-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2020
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Entscheidungsdatum

08.09.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §69 Abs2
StGB §127
StGB §128 Abs1
StGB §129
StGB §146
StGB §147 Abs1 Z1
StGB §229
StGB §241e Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I415 2233702-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Bundesrepublik Deutschland, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2018, Zl. XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland, ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der Bescheid erwuchs unangefochten in erster Instanz in Rechtskraft.

2.       Die Gültigkeitsdauer des auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes begann mit der Ausreise des Beschwerdeführers nach Deutschland am 05.08.2018 zu laufen.

3.       Am 25.03.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes.

4.       Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 08.04.2020 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) den Beschwerdeführer auf, binnen einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme zu seinem Antrag abzugeben und ein aktuelles Führungszeugnis aus Deutschland, eine Kopie seines Reisepasses und einen Nachweis seiner tatsächlichen Ausreise aus Österreich zu übermitteln.

5.       Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer fristgerecht nach.

6.       Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des BFA vom 19.06.2020, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf Aufhebung des gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG abgewiesen.

7.       Mit Verfahrensanordnung vom 22.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater zur Seite gestellt.

8.       Mit E-Mail vom 23.07.2020 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

9.       Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 05.08.2020 vorgelegt.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Er war erstmals ab dem 14.11.2013 mit mehreren Unterbrechungen mit Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet gemeldet.

Der Beschwerdeführer wurde während seines Aufenthaltes in Österreich mehrfach straffällig.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 04.11.2015, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 1 StGB, der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB, der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 erster Fall StGB, 147 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall StGB und der Unterschlagung nach § 134 StGB zu einer teilbedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall 120 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 27.06.2016, Zl. XXXX wurde er wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, 27 Abs. 2 SMG sowie des Vergehens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 erster Fall, 28a Abs. 3 SMG und §§ 28a Abs. 1 fünfter Fall, 28a Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Geldstrafe von 300 Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall 150 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 17.03.2017, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 StGB 15 StGB zu einer Geldstrafe von 420 Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall 210 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 11.01.2018, Zl. XXXX wurde er wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach § 128 Abs. 1 Z 2 StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen sechsmonatigen Freiheitsstrafe, sowie zu einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 12.04.2018, Zl. XXXX , wurde er wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 2 StGB, 15 StGB zu einer unbedingten sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Aufgrund der Delinquenz des Beschwerdeführers wurde gegen ihn mit rechtskräftigem Bescheid des BFA vom 16.07.2018, Zl. XXXX , ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der Bescheid erwuchs unangefochten in erster Instanz in Rechtskraft.

Die Gültigkeitsdauer dieses Aufenthaltsverbotes begann mit der Ausreise des Beschwerdeführers nach Deutschland am 05.08.2018 zu laufen. Das Aufenthaltsverbot ist noch bis zum 05.08.2023 aufrecht.

Der Beschwerdeführer lebt in Grenznähe zu Österreich, und zwar in XXXX . Er führt eine Beziehung mit der im rund 59 km entfernten Ort XXXX lebenden österreichischen Staatsbürgerin XXXX und hat mit dieser eine am XXXX 2020 geborene Tochter.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Gründe, welche zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, mittlerweile weggefallen sind.

Der Beschwerdeführer wurde zuletzt mit Urteil des AG XXXX (Deutschland) vom 05.08.2019, Zl. XXXX wegen der Delikte des Diebstahls mit Waffen, des versuchten Diebstahls mit Waffen sowie des Diebstahls in 18 tatmehrheitlichen Fällen, hiervon in 5 Fällen im besonders schweren Fall nach §§ 244 Abs. 1 Nr. 1 a, 244 Abs. 3, 242, 243 Abs. 1 Nr. 2, 243 Abs. 1 Nr. 3, 243 Abs. 2, 248 a, 22, 23, 52, 53, 56 deutsches StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vorgelegten deutschen Personalausweises Nr. XXXX fest.

Die Feststellungen zum früheren Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gehen aus dem unbestrittenen Akteninhalt und einem vorliegenden Auszug aus dem zentralen Melderegister hervor.

Die fünf rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 01.09.2020.

Die Gründe, die zur Erlassung des seinerzeitigen Aufenthaltsverbotes geführt haben, gehen aus dem Bescheid des BFA vom 16.07.2018 hervor.

Der Beschwerdeführer legte eine Meldebestätigung des Einwohnermeldeamtes XXXX vom 05.05.2020 vor, wonach sich der Beschwerdeführer ab dem 05.08.2018 neuerlich in Deutschland aufhielt. Mangels weiterer Angaben oder Nachweise zur Ausreise des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet war das Ausreisedatum daher mit 05.08.2018 festzustellen.

Die Feststellungen zu den Familienverhältnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben sowie aus dem unbestrittenen Akteninhalt. Ergänzend wurden Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister zu seiner Freundin und der gemeinsamen Tochter eingeholt.

Angesichts des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers in Österreich und seiner fortgesetzten Delinquenz in Deutschland kann ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährlichkeit noch nicht festgestellt werden, wie auch in der rechtlichen Beurteilung näher auszuführen sein wird. Dem Verwaltungsakt und den übermittelten Stellungnahmen ist ein positiver Gesinnungswandel des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Dieser Beurteilung trat der Beschwerdeführer in seiner zweizeiligen per E-Mail übermittelten Beschwerde vom 23.07.2020 auch nicht entgegen.

Die Feststellung zur jüngsten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers in Deutschland geht aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Führungszeugnis, ausgestellt am 15.04.2020 vom deutschen Bundesamt für Justiz, hervor.


3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Als Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland ist der Beschwerdeführer EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG. Sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 51 NAG setzt voraus, dass gegen ihn kein aufrechtes Aufenthaltsverbot besteht.

§ 67 FPG trägt die Überschrift „Aufenthaltsverbot" und lautet (soweit hier relevant):

„(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. [...]

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. [...]

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen."

Gemäß § 69 Abs 2 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Brief Verkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist die Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, durch die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Ein Antrag nach § 69 Abs 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheids, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. (vgl. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0143-6; 12.03.2013, Ra 2012/18/0228; 24.01.2012, Ra 2011/18/0267).

Die Aufhebung eines Aufenthaltsverbots setzt den Wegfall oder die wesentliche Minderung der vom Fremden ausgehenden Gefährlichkeit voraus. Dafür bedarf es grundsätzlich eines - einen relevanten Zeitraum umfassenden - Wohlverhaltens, regelmäßig in Freiheit (in diesem Sinn z.B. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0108).

Ob die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbots geführt haben, weggefallen sind, ist nach den gemäß § 67 Abs 1 FPG maßgeblichen Ermessenskriterien zu prüfen. Dabei hat eine Gesamtbetrachtung der seit der Verhängung eingetretenen Sachlage, also auch zusätzlicher belastender Umstände, zu erfolgen. Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob von einem Aufenthalt des Betroffenen noch die seinerzeit für die Erlassung maßgeblichen Gefahren ausgehen. Ist dies zu verneinen, ist das Aufenthaltsverbot aufzuheben (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 69 FPG Anm 4).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das BFA zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass von der Person des Beschwerdeführers in Österreich nach wie vor die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gefahren ausgehen.

Aufgrund seines bisherigen, massiv verpönten strafrechtlichen Verhaltens ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer wiederum straffällig wird.

Dabei wiegt insbesondere der Umstand, dass der in Österreich fünffach strafgerichtlich verurteilte Beschwerdeführer sein strafgesetzwidriges Verhalten nach Verhängung des Aufenthaltsverbotes und seiner Ausreise aus Österreich in Deutschland fortsetzte, schwer zu seinen Lasten.

So wurde er zuletzt mit Urteil eines deutschen Amtsgerichtes vom 05.08.2019 wegen der Delikte des Diebstahls mit Waffen, des versuchten Diebstahls mit Waffen sowie des Diebstahls in 18 tatmehrheitlichen Fällen, hiervon in 5 Fällen im besonders schweren Fall zu einer bedingt nachgesehenen einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Der seither verstrichene Zeitraum reicht nicht aus, um einen Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr anzunehmen. Vielmehr ist nach wie vor von einer für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehenden tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefährdung des Beschwerdeführers auszugehen.

Aus der nach § 9 BFA-VG iVm Art 8 EMRK gebotenen Abwägung ergibt sich nicht, dass die privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes überwiegen würden. Der Beschwerdeführer hat zwar enge familiäre und soziale Bindungen in Österreich, wo seine Freundin und seine Tochter leben. Die Geburt der Tochter erfolgte aber über zwei Jahre nach der Erlassung des Aufenthaltsverbots und damit zu einer Zeit, als der Beschwerdeführer wusste, dass er sich bis zum 05.08.2023 nicht in Österreich aufhalten durfte.

Bei der Prüfung, ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verhältnismäßig ist, ist insbesondere das Fortbestehen der Trennung von seiner nur wenige Monate alten Tochter zu berücksichtigen. Bei allen Kinder betreffenden Entscheidungen kommt deren Interessen (auch wenn sie für sich alleine nicht entscheidend sein können) ein bedeutendes Gewicht zu. Das Kindeswohl ist bei allen von öffentlichen Stellen getroffenen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Zwar verursacht das Aufenthaltsverbot des Beschwerdeführers eine Störung seines Familienlebens, allerdings bestand dieses von Geburt an. Nachdem Deutschland ein Nachbarstaat Österreichs und Mitglied der EU ist und den Beschwerdeführer lediglich rund 60 km von seiner Tochter trennen, können seine Freundin und die Tochter den Beschwerdeführer oft und ohne großen Aufwand besuchen, zumal für sie als EU-Bürger weder Reisebeschränkungen noch Visaerfordernisse bestehen (vgl EGMR 02.04.2015, Sarközi und Mahran vs. Österreich, Nr. 27945/10). Letztlich wäre es für seine Freundin angesichts der geringen Distanz zwischen ihrem derzeitigen Wohnort und dem Wohnort des Beschwerdeführers sogar zumutbar, den Beschwerdeführer nach Deutschland zu begleiten - selbst bei Bestehen einer Erwerbstätigkeit in der Nähe ihres bisherigen Wohnortes in Österreich könnte sie problemlos zu ihrem Arbeitsplatz pendeln.

Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots überwiegt daher in Zusammenschau die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an der Fortsetzung seines Familienlebens in Österreich.

Die Abweisung des Antrags auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots durch das BFA ist daher nicht korrekturbedürftig, sodass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, selbst wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist – aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht nur wenige Monate liegen – die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Der Beschwerdeführer hat auch keine Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Antragstellung Aufenthaltsverbot Aufhebung Aufenthaltsverbot Diebstahl Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen schwere Straftat schwerer Betrug Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Urkundenunterdrückung Vergehen Wiederholungsgefahr Wiederholungstaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I415.2233702.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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