TE Bvwg Beschluss 2020/7/6 I421 2221769-1

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Veröffentlicht am 06.07.2020
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Entscheidungsdatum

06.07.2020

Norm

AsylG 2005 §15 Abs1 Z4
AsylG 2005 §24 Abs1 Z1
AsylG 2005 §24 Abs2 Satz1
AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I421 2221769-1/10E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin Steinlechner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch: SOS Kinderdorf, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 21.06.2019, Zl. 1220466404/190196586, beschlossen:

A)

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 25.02.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen, wobei er angab, am XXXX 2005 geboren zu sein. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe machte er im Wesentlichen geltend, er wolle nicht von seinen Eltern abhängig sein, sondern sein eigenes Leben führen. Er habe kein Problem mit seinem Heimatland, er wolle eben nur nicht von seinen Eltern abhängig sein. Im Falle einer Rückkehr nach Nigeria habe er nicht mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen.

2.       Da Zweifel an der Minderjährigkeit des BF bestanden, wurde eine Altersfeststellung eingeleitet. Ein medizinisches Sachverständigengutachten vom 30.04.2019 ergab, dass der BF laut fiktivem, errechnetem Geburtsdatum spätestens am XXXX 2018 seinen 18. Geburtstag erreicht hat und somit die Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Asylantragstellung mit dem erforderlichen Beweismaß ausgeschlossen werden kann.

3.       Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) am 22.05.2019 führte der BF hinsichtlich dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens zur Altersfeststellung aus, seine Eltern hätten ihm gesagt, er sei 13 Jahre alt. Hinsichtlich seines im Rahmen der Erstbefragung angegebenen Fluchtgrunds wiederholte der BF sein bisheriges Fluchtvorbringen. Er wolle allein sein und sich um sich selbst kümmern, er wolle nicht von seinen Eltern oder sonst jemanden abhängig sein. Weiters führte er aus, er wolle ein Erwachsener sein, bevor er nach Nigeria zurückkehre. Er sei in Nigeria weder vorbestraft, noch inhaftiert worden, hätte keine Probleme mit Behörden in der Heimat, sei politisch nicht tätig, kein Parteimitglied, hätte keine Probleme aufgrund seines Religionsbekenntnisses bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit, keine Probleme mit Privatpersonen und habe nie an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Heimat teilgenommen.

4.       Mit dem Bescheid vom 21.06.2019, Zl. 1220466404/190196586, wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) sowie gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

5.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde durch den damaligen Rechtsvertreter RA Mag. Dr. Enthofer vom 22.07.2019, bei der belangten Behörde eingelangt am 23.07.2019, mit welcher der BF den Bescheid in vollem Umfang anficht. Er habe vorgebracht, dass er am XXXX 2005 geboren sei und bereits im erstinstanzlichen Verfahren durch seinen ausgewiesenen Vertreter ausgeführt, dass aufgrund von Unschärfen das Gutachten zur Altersfeststellung keinesfalls geeignet sei, um das herangezogene Geburtsdatum XXXX 2000 zu rechtfertigen. Der BF könne ein „Attestation of birth“ und ein „Affidavit“ vorweisen, welche ersichtlich machen, dass er am XXXX 2005 geboren sei. Er habe über einen nigerianischen Asylwerber aus seinem Heimatdorf Kontakt zu den Eltern aufnehmen können, die Mutter habe ihm dann die mit XXXX 2019 datierten Dokumente über den Bekannten via Internet zukommen lassen. Damit sei bewiesen, dass der BF tatsächlich minderjährig und am XXXX 2005 geboren sei und damit ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeräumt werden müsse. Der BF beantrage, den gegenständlichen Bescheid dahingehend abzuändern, dass ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu den gegenständlichen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria zuerkannt werde, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, auszusprechen, dass die ausgesprochene Rückkehrentscheidung unzulässig sei und weiters festzustellen, dass eine Abschiebung nach Nigeriain unzulässig sei. Weiters wurde beantragt, der angefochtene Bescheid möge hinsichtlich des auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbots ersatzlos behoben werden, der angefochtene Bescheid zur Gänze behoben und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde rückverwiesen werden, weiters der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sowie jedenfalls eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

6.       Mit Schriftsatz vom 24.07.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 29.07.2019, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

7.       Am 07.08.2019 langte die Vollmachtsauflösung hinsichtlich RA Mag. Dr. Enthofer am Bundesverwaltungsgericht ein.

8.        Mit Schreiben vom 08.08.2019 wurde vom Magistrat der Landeshauptstadt XXXX mitgeteilt, dass die Vertretungsvollmacht an das SOS Kinderdorf übertragen wurde und diese Vollmacht noch aufrecht sei.

9.       Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.05.2020 wurde die Rechtsache der Gerichtsabteilung I406 abgenommen und der Gerichtsabteilung I421 neu zugewiesen.

10.      Aus der am 06.07.2020 vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Abfrage im Zentralen Melderegister ging hervor, dass der BF seit 17.10.2019 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet ist.

11.      Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 06.07.2020 ging keine neue Wohnadresse des BF hervor. Demnach ist der BF bis 31.07.2019 in seiner ihm zugewiesenen Unterkunft wohnhaft gewesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF stellte am 25.02.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, welcher mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen wurde.

In der Folge war der letzte Betreuungs- und Verrechnungstag im SOS Kinderdorf der 31.07.2019. Seit 17.10.2019 verfügt der BF über keinen aufrechten Wohnsitz in Österreich.

Er setzte weder das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch das Bundesverwaltungsgericht darüber in Kenntnis, wo er sich derzeit aufhält und wie seine aktuelle Adresse lautet.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zum Sachverhalt:

Diese Feststellungen ergeben sich aus der Abfrage aus dem Zentralen Melderegister vom 06.07.2020, aus dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 06.07.2020, aus den Verfahrensakten (Verwaltungs- und Gerichtsakt) des BF und aus dem eingeholten Strafregisterauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Einstellung des Verfahrens

3.1 Rechtslage

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Nach § 15 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach dem AsylG 2005 mitzuwirken, indem er dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder dem Bundesverwaltungsgericht, auch nachdem er Österreich, aus welchem Grund auch immer, verlassen hat, seinen Aufenthaltsort und seine Anschrift sowie Änderungen dazu unverzüglich bekannt gibt. Hierzu genügt es, wenn ein in Österreich befindlicher Asylwerber seiner Meldepflicht nach dem MeldeG nachkommt.

Gemäß § 24 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 entzieht sich ein Asylwerber dem Asylverfahren, wenn dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder dem Bundesverwaltungsgericht sein Aufenthaltsort wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflichten gemäß § 13 Abs 2 BFA-VG, § 15 oder § 15a AsylG 2005 weder bekannt noch sonst durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder das Bundesverwaltungsgericht leicht feststellbar ist.

Nach § 24 Abs 2 AsylG 2005 sind Asylverfahren einzustellen, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen hat (§ 24 Abs 1 leg.cit.) und eine Entscheidung ohne eine allenfalls weitere Einvernahme oder Verhandlung nicht erfolgen kann. Ein eingestelltes Verfahren ist von Amts wegen fortzusetzen, sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist.

3.2 Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Im vorliegenden Fall besteht weder eine aufrechte Wohnsitzmeldung des BF im Zentralen Melderegister, noch ist ein neuer Wohnsitz des BF aus dem Betreuungsinformationssystem ersichtlich; der BF brachte dem Bundesverwaltungsgericht seinen aktuellen Aufenthaltsort und eine etwaige neue Anschrift auch nicht zur Kenntnis.

Der gegenwärtige Aufenthaltsort des BF ist dem Bundesverwaltungsgericht daher wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflichten nach § 15 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 nicht bekannt und zudem durch das Bundesverwaltungsgericht nicht leicht feststellbar (§ 24 Abs 1 Z 1 leg.cit.). Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes ist jedoch die persönliche Mitwirkung des BF, insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017), erforderlich.

Da sich der BF somit dem Verfahren entzogen hat und eine Entscheidung in Abwesenheit des BF nicht erfolgen kann, ist das Verfahren gemäß § 24 Abs 2 AsylG 2005 einzustellen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.

Schlagworte

Asylverfahren Einstellung Entziehung Meldepflicht Melderegister Mitwirkungspflicht Untertauchen Verfahrenseinstellung Verfahrensentziehung verfahrensleitender Beschluss

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2221769.1.01

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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