TE Lvwg Erkenntnis 2020/9/16 LVwG-2020/40/1254-1

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Entscheidungsdatum

16.09.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §68

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde der AA, vertreten durch RA BB,
Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 20.05.2020, Zl ***, betreffend ein Verfahren nach dem Führerscheingesetz

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Antrag vom 15.04.2020 begehrte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde den Austausch ihres ausländischen Nicht-EWR-Führerscheines.

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 20.05.2020, Zl ***, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Austausch ihres Führerscheines der Volksrepublik China auf einen österreichischen Führerschein aufgrund bereits entschiedener Sache zurückgewiesen. Die Landespolizeidirektion Tirol bezog sich in ihren Ausführungen auf den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.01.2020, Zl ***, und stellte zusammengefasst fest, dass sich keine neuen Erkenntnisse im Verfahren ergeben haben und bereits eine entschiedene Sache vorliegt.

Mit 08.06.2020 wurde durch die Beschwerdeführerin, vertreten durch BB, Adresse 1, Z, Beschwerde erhoben. Zusammenfassend wurde folgendes vorgebracht:

a)   Der Verweis auf den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft sei unzulässig. Die LPD Tirol habe es unterlassen eine eigenständige Entscheidung zu treffen. Die von der BH Y getroffene Entscheidung habe keine Bindungs- oder Präzedenzwirkung für andere Behörden. Die LPD wäre verpflichtet gewesen eine eigene Entscheidung zu treffen und hätte eine Würdigung des Sachverhaltes vornehmen müssen. Zudem sei die Ansicht der LPD Tirol, dass keine neuen Erkenntnisse vorliegen unzutreffend, da die Antragstellerin bereits mehr als 185 Tage eine Universität in Österreich besucht und besucht hat, sodass ein Anspruch auf eine Umschreibung gemäß § 5 Abs. 1a FSG habe.

b)   Die Ausführungen der LPD Tirol betreffend einer Arbeit in München seien auch unzutreffend, da die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit auch Kundenbeziehungen nach Österreich pflege.

c)   Des Weiteren würde die belangte Behörde die anzuwendende Rechtslage bezüglich der Umschreibung eines chinesischen Führerscheines verkennen.

II.      Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin hat am 03.12.2019 bei der Bezirkshauptmannschaft Y den Austausch eines chinesischen Führerscheines beantragt. Die Bezirkshauptmannschaft Y kam in ihrer Entscheidung vom 20.01.2020, Zl ***, zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass für den Antrag der Beschwerdeführerin auf Austausch (Duplikat-Führerschein) mangels Wohnsitz im Sinne des Führerscheingesetzes und der 3. EU-Führerscheinrichtlinie keine Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft gegeben ist, sodass der Antrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen war. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Antrag vom 15.04.2020 hat die Beschwerdeführerin bei der Landespolizeidirektion Tirol einen neuerlichen Antrag auf Austausch eines chinesischen Führerscheines gestellt. Die belangte Behörde stellte in dem nun von der Beschwerdeführerin angefochtenen Bescheid insgesamt fest, dass sich in diesem Verfahren keine neuen Erkenntnisse gegenüber dem Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.01.2020, Zl ***, ergeben haben.

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin Ihren Hauptwohnsitz in der Adresse 2, Z, hat und chinesische Staatsbürgerin ist. Zudem hat die Beschwerdeführerin einen Nebenwohnsitz in der Adresse 3, W. Aus dem Akteninhalt ergibt sich des Weiteren, dass die Beschwerdeführerin die Universität Innsbruck besucht (Studiennachweis für das Wintersemester 2019/2020, Sommersemester 2020 sowie ein Ausweis für Studierende). Eine Aufenthaltsbewilligung mit Ausstellungsdatum vom 17.06.2020 wurde im Beschwerdeverfahren nachgereicht.

III.     Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Verfahrensganges ergeben sich in unzweifelhafter Weise aus dem Landesverwaltungsgericht vorliegenden Akteninhalt und konnten sohin der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, ungeachtet eines Parteiantrages, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einen Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Gemäß der zu § 24 Abs 4 VwGVG ergangenen Rechtsprechung des VwGH (vgl etwa VwGH 16.11.2015, Ra 2015/12/0026) lassen die Akten dann erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann (vgl E 17.2.2015, Ra 2014/09/0007, Ra 2014/09/008, Ra 2014/09/0023, Ra 2014/09/0035) und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre (vgl Hinweis E 17.2.2015, Ra 2014/09/0007). Der EGMR lässt eine Ausnahme von der Verhandlungspflicht zu, wenn das Verfahren nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen oder nur hochtechnische Fragen betrifft (vgl E 27.5.2015, Ra 2014/12/0021, und E 21.4.2015, Ra 2015/09/0009).

Aufgrund der widerspruchsfreien Aktenlage konnte aus Sicht des erkennenden Gerichtes die Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung entfallen. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung auch nicht beantragt.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Verfahren sind insbesondere folgende Bestimmungen entscheidungsrelevant:

§ 68 AVG

(1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 28 VwGVG

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

      1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

      2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(…)

§ 23 FSG

(1) Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen von Anhängern auf Grund einer von einer Vertragspartei des Pariser Übereinkommens über den Verkehr von Kraftfahrzeugen, BGBl. Nr. 304/1930, des Genfer Abkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 222/1955, oder des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 289/1982, in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung durch Personen mit Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) im Bundesgebiet ist zulässig, wenn seit dessen Begründung nicht mehr als sechs Monate verstrichen sind und der Besitzer der Lenkberechtigung das 18. Lebensjahr (16. Lebensjahr im Fall der Klasse A1) vollendet hat. Die Behörde hat auf Antrag diese Frist um weitere sechs Monate zu verlängern, wenn sich der Antragsteller nachweislich aus beruflichen Gründen oder zum Zwecke der Ausbildung nicht länger als ein Jahr in Österreich aufhalten wird. Diese Verlängerung ist zu widerrufen, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Das Lenken von Kraftfahrzeugen nach Verstreichen der genannten Fristen stellt eine Übertretung nach § 37 Abs. 1 dar.

(2) Mitglieder des Diplomatischen Korps in Wien, Mitglieder des Konsularkorps in Österreich, Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals ausländischer diplomatischer oder konsularischer Vertretungsbehörden oder Angestellte internationaler Organisationen in Österreich sind berechtigt, während der gesamten Dauer ihres Aufenthaltes in Österreich auf Grund ihrer Lenkberechtigung Kraftfahrzeuge zu lenken, wenn sie eine vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten ausgestellte gültige Legitimationskarte besitzen.

(3) Dem Besitzer einer in einem Nicht-EWR-Staat oder sonstigem Gebiet erteilten Lenkberechtigung ist ab Vollendung des 18. Lebensjahres auf Antrag eine Lenkberechtigung im gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen, wenn:

1. der Antragsteller nachweist, dass er sich zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Lenkberechtigung in dem betreffenden Staat während mindestens sechs Monaten aufhielt oder dort seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) hatte; dieser Nachweis entfällt, wenn der Antragsteller die Staatsbürgerschaft des Ausstellungsstaates des Führerscheines besitzt und bei Begründung des Wohnsitzes (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich die ausländische Lenkberechtigung bereits besessen hat und die Behörde keine Zweifel am tatsächlichen Vorliegen des Wohnsitzes (§ 5 Abs. 1 Z 1) oder sechsmonatigem Aufenthaltes in dem betreffenden Staat zum Zeitpunkt des Erwerbes der Lenkberechtigung hat.

2. der Antragsteller seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) nach Österreich verlegt hat oder während seines Auslandsaufenthaltes behalten hat,

3. keine Bedenken hinsichtlich der Verkehrszuverlässigkeit bestehen sowie die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 nachgewiesen ist und

4. entweder die fachliche Befähigung durch eine praktische Fahrprüfung gemäß § 11 Abs. 4 nachgewiesen wird oder

5. angenommen werden kann, daß die Erteilung seiner Lenkberechtigung unter den gleichen Voraussetzungen erfolgt ist, unter denen sie in Österreich erteilt wird. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat mit Verordnung festzulegen, in welchen Staaten für welche Lenkberechtigungen eine derartige Gleichartigkeit besteht.

(..)

§ 5 FSG

(1) Ein Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung darf unbeschadet des Abs. 1a nur gestellt werden, wenn der Antragsteller

1. seinen Wohnsitz im Sinne des Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG über den Führerschein, ABl. Nr. L 403 vom 30.12.2006, S.18 in Österreich hat (Abs. 2),

2. das für die Absolvierung der Fahrausbildung erforderliche Mindestalter (§ 6 Abs. 2) erreicht hat und

3. noch keine Lenkberechtigung für die angestrebte Klasse besitzt.

Der Bewerber um eine Lenkberechtigung hat den Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung und Ausdehnung einer Lenkberechtigung auf andere Klassen bei der von ihm besuchten Fahrschule seiner Wahl mit Sitz im Bundesgebiet einzubringen. Die Fahrschule hat den Antrag unverzüglich, spätestens am nächsten Arbeitstag im Führerscheinregister zu erfassen. Mit Erfassen des Antrages im Führerscheinregister durch die Fahrschule gilt der Antrag als eingelangt. Über diesen Antrag hat die Behörde zu entscheiden, in deren Sprengel die vom Antragsteller besuchte Fahrschule ihren Sitz hat. In den Fällen, in denen für die Erteilung einer Lenkberechtigung eine Ausbildung in der Fahrschule nicht zwingend vorgeschrieben ist oder bei Anträgen auf Eintragung eines Zahlencodes wegen des Erwerbs einer Zusatzberechtigung. hat der Antragsteller den Antrag bei einer Führerscheinbehörde seiner Wahl einzubringen.

(1a) Ein Antrag auf Erteilung und Verlängerung einer Lenkberechtigung darf jedenfalls gestellt werden, wenn der Antragsteller nachweist, dass er für mindestens 185 Tage in Österreich eine Schule oder Universität besucht oder besucht hat.

(…)“

V.       Erwägungen:

Hat die Erstbehörde nicht meritorisch entschieden, sondern nur eine formale Entscheidung getroffen und nicht über den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens abgesprochen, dann ist es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einer Berufungsbehörde (nunmehr dem Landesverwaltungsgericht) verwehrt, erstmals – unter Übergehen einer Instanz – den eigentlichen Verfahrensgegenstand einer meritorischen Erledigung zuzuführen. Vielmehr bildet in solchen Fällen nur die betreffende verfahrensrechtliche Entscheidung die in Betracht kommende Sache des Verfahrens (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 20. März 1984, Zl. 83/07/0340, vom 15. Juni 1987, Zl. 86/10/0168, und vom 27. Juni 1989, Zl. 85/07/0292). Eine Überschreitung der solcherart gesetzten Grenzen durch die Berufungsbehörde führt zur Rechtswidrigkeit des Bescheides infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. (VwGH 29.05.2009, 2007/03/0157).

Diese Judikatur ist auf die nunmehrige Rechtslage nach §§ 27 und 28 VwGVG sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde hat mit der angefochtenen Entscheidung eine verfahrensrechtliche Entscheidung getroffen und den Antrag der Beschwerdeführerin wegen bereits entschiedener Sache zurückgewiesen. Dies spiegelt sich vor allem in der Begründung der belangten Behörde wieder, in dem sie auf die Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.01.2020, Zl ***, verweist, weshalb den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nach §§ 27 und 28 VwGVG lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung bildet.

Die Prüfung der Frage, ob der Antrag der Partei zurückzuweisen ist oder angesichts des geänderten Sachverhalts eine neuerliche Sachentscheidung ergehen soll, hat ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei bei der zur Entscheidung in erster Instanz zuständigen Behörde vorgebracht wurden. Daher muss die Partei, will sie eine neuerliche Entscheidung über einen abgewiesenen Anspruch herbeiführen, die wesentlichen neuen Umstände, welche die materielle Rechtskraft zu „durchbrechen“ geeignet sind, selbst geltend machen. Fehlen solche Gründe im Parteienbegehren, ist die Behörde berechtigt, den neuerlichen Antrag wegen entschiedener Sache gem § 68 Abs 1 AVG zurückzuweisen. In der Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 41 [Stand 1.3.2018, rdb.at]).

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat gegenständlich zu prüfen, ob sich die Sach- und Rechtslage seit der Stellung eines neuerlichen Antrages, der von der Behörde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, geändert hat. Im vorliegenden Fall könnte sich allenfalls die Sachlage dahingehend geändert haben, als seitens Beschwerdeführerin der Besuch der Universität Innsbruck durch Vorlage eines Studiennachweises für das Wintersemester 2019/2020 und Sommersemester 2020 beigelegt wurde. In Vorbescheid der Bezirkshauptmannschaft Y wurde dazu der aktuelle Ausweis für Studenten als Grundlage für die Entscheidung herangezogen.

Das Landesverwaltungsgericht hat nun zu prüfen, ob eine Identität der Sache vorliegt, welche eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 AVG ist, und nach der stRsp des VwGH dann gegeben ist, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, welcher dem Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat (VwGH 21.2.2007, 2006/06/0085; 24.3.2011, 2007/07/0155; 24.5.2016, Ra 2016/21/0143). Es gilt daher festzustellen, ob in den entscheidungsrelevanten Fakten eine wesentliche Änderung eingetreten ist (VwGH 22.11.2004; 2001/10/0035; 21.6.2007, 2006/10/0093). Das Landesverwaltungsgericht hat die Identität der Sache im Vergleich mit dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt im Lichte der darauf angewendeten (insb materiellrechtlichen) Rechtsvorschriften zu beurteilen (vgl Raschauer, Rechtskraftdurchrechnungen 286 f). Auszugehen ist bei der Prüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich geändert hat, vom Vorbescheid, ohne dabei dessen sachliche Richtigkeit (nochmals) zu ergründen (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 24,25 [Stand 1.3.2018, rdb.at]).

Im Gegenstandsfall kann nicht von einer maßgeblichen Änderung des Sachverhaltes ausgegangen werden, zumal dem Vorbescheid zu entnehmen ist, dass die Behörde auch im vorangegangen Verfahren durch Vorlage des Ausweises für Studenten gemäß § 5 Abs 1a FSG den Besuch einer Universität gewürdigt hat. Somit würde man auch nicht beim Vorbescheid zu einem anderen Ergebnis kommen. Eine neuerliche Ergründung der sachlichen Richtigkeit des Vorbescheides ist nicht nochmals durchzuführen (VwGH 26.2.2004, 2004/07/0014). Vielmehr sind es Umstände, welche bereits im Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Y bestanden haben und somit keine Änderung des Sachverhaltes darstellen. Die Beschwerdeführerin hätte zudem die Möglichkeit gehabt, den Vorbescheid im Wege einer Beschwerde zu bekämpfen.

Somit handelt es sich bei den nach Erlassung des Bescheides hervorgekommenen Umständen (Studiennachweise für das Wintersemester 2019/2020 und Sommersemester 2020), welche geeignet sein können, dessen Unrichtigkeit darzutun, nicht um eine Änderung des Sachverhalts. Sie würden allenfalls unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund bilden (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 25 [Stand 1.3.2018, rdb.at]). Somit ist durch die Vorlage der Studiennachweise im Verfahren vor der LPD Tirol für das Wintersemester 2019/2020 und Sommersemester 2020 nicht von einer Änderung des Sachverhaltes auszugehen. Eine Identität der Sachlage wird daher aus den genannten Gründen angenommen.

Eine Identität der Rechtslage ist auch gegeben, zumal seit der Erlassung des Bescheides vom 20.01.2020 in den die Entscheidung tragenden Normen, also in der Rechtslage, auf welche die Behörde ihre Entscheidung gestützt hat (§§ 5 Abs 1, 1a und 3 sowie 23 Abs 3 des Bundesgesetzes über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG), BGBl. Nr. 120/1997 idgF), keine Änderung eingetreten ist.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist aus den vorhergenannten Gründen sohin nicht zu folgen. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol liegt eine entschiedene Sache vor, sowohl Identität der Rechtslage als auch Identität der Sachlage ist im vorliegenden Fall gegeben.

Wie bereits dargelegt, muss die Partei, will sie eine neuerliche Entscheidung über einen abgewiesenen Anspruch herbeiführen, die wesentlichen neuen Umstände, welche die materielle Rechtskraft zu „durchbrechen“ geeignet sind, selbst geltend machen; solche Gründe können insbesondere in der Beschwerde nicht neu vorgebracht werden. Somit konnte die erteilte Aufenthaltsbewilligung vom 17.06.2020 im vorliegenden Beschwerdeverfahren auch nicht berücksichtigt werden. Der Beschwerdeführerin steht es natürlich frei, einen neuerlichen Antrag unter Vorlage des Aufenthaltstitels zu stellen.

Im Ergebnis hat daher die belangte Behörde die Anzeige zu Recht wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen, ist doch Inhalt der Prüfung der Anträge jeweils der idente Sachverhalt, nämlich ob die Beschwerdeführerin die persönlichen Voraussetzungen für die Umschreibung des chinesischen Führerscheines erfüllt, mithin Umstände, die allein in der Person der Antragsstellerin liegen und sohin „von Behörde zu Behörde“ keinerlei Unterschiede aufweisen.

Abschließend wird nochmals darauf hingewiesen, dass eine Sachentscheidungsbefugnis dem Landesverwaltungsgericht Tirol im vorliegenden Fall über die Frage der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages nicht zugekommen ist. Im Hinblick auf die oben dargestellte „Sache“ des Beschwerdeverfahrens war daher der gegenständlichen Beschwerde nicht Folge zu geben.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

Schlagworte

Umschreibung eines chinesischen Führerscheines;
entschiedene Sache;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.40.1254.1

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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