TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/26 W109 2228207-1

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Entscheidungsdatum

26.06.2020

Norm

AVG §13 Abs7
B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 Anh1 Z12
UVP-G 2000 Anh1 Z31
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §3a
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §17
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W109 2228207-1/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde der Naturschutzanwältin für Vorarlberg gegen den UVP-Feststellungsbescheid vom 11.12.2019, Zl. IVe-415-6/2016-80, der Vorarlberger Landesregierung betreffend die Feststellung, dass für das Vorhaben „Erweiterung der Schneeanlage Versettla und Valisera durch die Errichtung des Speicherteiches und der Pumpstation Schwarzköpfle sowie Feld- und Transportleitungen im Gemeindegebiet von St. Gallenkirch“ der XXXX GmbH, vertreten durch die Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH,

keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist, zur Recht:

A)

I.       Der Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II.      Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

:

I.       Verfahrensgang:

1.       Verfahren der Behörde und Feststellungsantrag des Verwaltungsgerichts:

1.1.    Mit Schreiben vom 31.03.2016 und 30.06.2016 beantragte die XXXX GmbH bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz die Erteilung der naturschutz-, der wasser- und der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung für

–        die Erweiterung der Schneeerzeugungsanlage Versettla und Valisera mit

–        der Erweiterung der Pumpstation Nova Tal sowie

–        die Errichtung des Speicherteichs samt

–        der Pumpstation Schwarzköpfle und

–        schitechnische Verbesserungsmaßnahmen bei der Schiroute R44 samt Zufahrt

in den Gemeindegebieten Gaschurn und St. Gallenkirch.

Mit Schreiben vom 12.08.2016 und 01.09.2016 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz die Vorarlberger Landesregierung um Abklärung einer möglichen Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000); ein Antrag zur Feststellung nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 wurde nicht gestellt. Mit Schreiben vom 03.02.2017 teilte die Landesregierung mit, dass aufgrund der übermittelten Unterlagen und Informationen davon ausgegangen werde, dass für die gegenständlichen Projekte keine UVP gemäß UVP-G 2000 durchzuführen sei. Ein Feststellungsbescheid von Amts wegen nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 wurde nicht erlassen. Sowohl das naturschutzfachliche Gutachten vom 13.11.2017 als auch das Gutachten des Amtssachverständigen (ASV) für Raumplanung und Baugestaltung vom 21.12.2017 kamen zum Ergebnis, dass es durch das Projekt zu erheblich negativen Umweltauswirkungen komme.

Mit Bescheid vom 16.04.2018 der Bezirkshauptmannschaft Bludenz wurde für die Erweiterung der Schneeerzeugungsanlage Versettla und Valisera mit Erweiterung der Pumpstation Nova Tal die naturschutz-, die wasser- und die elektrizitätsrechtliche Bewilligung erteilt.

1.2.    Dagegen wurden Beschwerden von drei Umweltorganisationen, dem XXXX , dem XXXX und dem XXXX , beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg eingebracht. Begründend wurde vorgebracht, durch verschiedene Maßnahmen der letzten Jahre sei es im Schigebiet XXXX zu Ausweitung des Schiraumes gekommen. Diese Erweiterungen seien zur Umgehung der UVP-Pflicht gestückelt beantragt worden.

Mit Schreiben vom 30.08.2018 brachte das Landesverwaltungsgericht sodann gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 einen Feststellungsantrag bei der Vorarlberger Landesregierung als UVP-Behörde ein, um eine mögliche UVP-Pflicht und damit auch die materielle Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft zu klären, da u.U. von einer UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens ausgegangen werden könne. Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes wurden die Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung über das Feststellungsverfahren bei der UVP-Behörde ausgesetzt.

In eventu regte das Landesverwaltungsgericht eine amtswegige Überprüfung der UVP-Pflicht durch die UVP-Behörde von Amts wegen.

Begründend brachte das Landesverwaltungsgericht zu seiner Legitimation zur Antragstellung eines Feststellungsverfahrens vor, der Verwaltungsgerichtshof habe bereits mehrfach in Verfahren festgestellt, dass unter den Begriff „Behörde“ auch die Landesverwaltungsgerichte zu subsumieren seien. Jede Behörde, die materienrechtlich zuständig sei, könne einen Feststellungsantrag nach dem UVP-G stellen. Das Landesverwaltungsgericht als Beschwerdegericht könne hier nicht anders als die Bezirkshauptmannschaft als Genehmigungsbehörde behandelt werden (VwGH 31.07.2007, 2006/05/0221; 10.09.2008, 2006/05/0036; 27.07.2016, Ro 2014/06/0008;).

1.3.    Die Vorarlberger Landesregierung leitete als UVP-Behörde nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 sodann (auch) von Amts wegen ein Feststellungsverfahren zur Klärung der UVP-Pflicht ein.

Die Behörde gab ihre vorläufige Rechtsansicht bekannt, wonach von einem Pistenbau durch die Änderung im Bereich der Schiroute R44 auszugehen sei. Damit wich sie von ihrer ursprünglichen im Schreiben vom 03.02.2017 geäußerten Annahme ab, wonach die Änderung der Beschneiungsanlage und die Errichtung des Speicherteichs nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Änderung von Pisten stünden.

Die Umweltanwältin brachte im Verfahren vor, dass die verschiedenen, ausführlich beschriebenen Änderungsvorhaben der letzten Jahre in einem engen sachlichen und räumlichen Zusammenhang stünden und insgesamt demselben Ziel dienen, nämlich der Verbesserung eines gesamten Schigebietes. Dass einzelne dieser Teilvorhaben auch für sich alleine funktionsfähig seien, ändere nichts an der Tatsache, dass sie letztlich in einem gesamten Konzept zur Umsetzung eines Gesamtwillens dienen würden.

Die mitbeteiligte Partei brachte durch ihre rechtsfreundliche Vertretung vor, die Verbesserung der Schiroute R44 sei grundsätzlich als einzige UVP-relevante Maßnahme (Errichtung einer Piste iSd Anhang 1 Z 12 UVP-G) mit einer Flächeninanspruchnahme von 2,04 ha identifiziert worden. Dieser Wert liege eindeutig unter der Mindestschwelle von 25 %. Im zweiten Schritt – und hier liege ein fundamentaler Rechtsirrtum vor – werde diesem „Pistenneubau“ im Ausmaß von 2,04 ha die gesamte, mit dem gegenständlichen Speicherteich verbundene, sonstige Flächeninanspruchnahme von 7,18 ha zu 100 % zugerechnet, um so zu einer Flächeninanspruchnahme von 9,22 ha zu gelangen. Dies sei jedoch in mehrfacher Hinsicht verfehlt. Gleichzeitig wurde ein Rechtsgutachten zum Vorhaben von Dr. XXXX übermittelt, das die Rechtsansicht der mitbeteiligten Partei untermauerte.

Mit Schreiben vom 15.03.2019 nahm Assoz. Prof. Dr. XXXX LL.M., im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung zur möglichen UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens mit einem Rechtsgutachten Stellung.

Mit Eingabe vom 20.05.2019 teilte die mitbeteiligte Partei mit, das vorliegende Projekt werde einer internen Evaluierung unterzogen.

Mit Eingaben vom 22.10.2019 bzw. 19.11.2019 wurde das Projekt von der mitbeteiligten Partei insofern geändert, als die Fläche und Volumen des Speicherteiches verringert und die Lage geändert werde. Die Kühltürme wurden verkleinert und die landschaftliche Einbindung der Pumpstation verbessert. Auf den Skipistenbau bzw. die skitechnischen Verbesserungsmaßnahmen an der Skiroute Nr. R44 wurde völlig verzichtet. Auch sonst waren keine Pistenbaumaßnahmen (Pistenneubauten oder -verbesserungen) mehr vorgesehen.

Mit Schreiben vom 09.12.2019 teilte die Naturschutzanwaltschaft mit, dass es in den letzten Jahren zu zahlreichen Änderungsvorhaben im „Schigebiet Valisera“ gekommen sei. Alleine die Änderungen in diesem Teilgebiet der XXXX zusammen mit dem gegenständlichen Projekt würden eine Fläche von 21,4 ha umfassen. Damit sei schon 100 % des Schwellenwertes des Anhanges 1 der Z 12 erreicht worden. Die Behörde habe die Ansicht vertreten, dass offensichtlich ein Gesamtplan für die Entwicklung des Schigebets bestehe, und dass daher bei der Aufsplittung von Vorhaben in zahlreiche kleinere Vorhaben von einer Umgehungsabsicht auszugehen sei. Auch die Naturschutzorganisationen, die gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben hätten, seien von einer Umgehungsabsicht ausgegangen. Es sei klar erkennbar, dass die vielen kleineren Projekte (die meist unterhalb der Bagatellschwelle von 25 % des Schwellenwertes lägen) in Summe beträchtliche Eingriffe in die Landschaft bedeuten. Diese Umweltauswirkungen seien erheblich; dies ergebe sich schon daraus, dass mehrere dieser Projekte in den materienrechtlichen Genehmigungsverfahren naturschutzfachlich klar negativ beurteilt worden seien.

2.       UVP-Feststellungsbescheid:

Mit Bescheid vom 11.12.2019 der Vorarlberger Landesregierung, der nunmehr belangten Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht, wurde festgestellt, das Vorhaben der mitbeteiligten Partei, der XXXX GmbH, (gestützt auf die Plan- und Beschreibungsunterlagen vom 16.03.2017, i.d.F. der Ergänzung vom 22.10.2019 und 19.11.2019) müsse keiner Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 unterzogen werden.

Zum Tatbestand „Stauwerke und Anlagen zur Speicherung von Wasser“ (Anhang 1 Z 31 UVP-G 2000) wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Schwellenwerte nach diesem Tatbestand würden nicht annähernd erreicht. Eine UVP-Pflicht nach dieser Bestimmung komme nicht in Frage.

Zum Tatbestand „Schigebiete“ (Anhang 1 Z 12 lit. b UVP-G 2000) wurde im Wesentlichen ausgeführt, beim Schigebiet der mitbeteiligten Partei handle es sich um kein Gletscherschigebiet. Da das Vorhaben weiters nicht in einem Schutzgebiet der Kategorie A nach Anhang 2 zum UVP-G 2000 geplant sei, sei die Z 12 lit. b zu prüfen. Der Schwellenwert der Z 12 lit. b von 20 ha werde von den bestehenden Anlagen im Schigebiet bereits erreicht. Da nicht ein bis dato unerschlossener Raum schitechnisch erschlossen werde, sondern Änderungen im bestehenden Schigebiet geplant seien, liege ein Änderungsvorhaben iSd § 3a UVP-G 2000 vor. Für die Berechnung der Flächeninanspruchnahme durch Pistenneubau und Lifttrassen gemäß Z 12 seien sowohl Flächen für Seilförderanlagen (Lifttrassen etc.) als auch Flächen für Pistenneuanlegungen zu berücksichtigen. Während nach der lit. a (Gletscherschigebiete) auf die „Kapazitätseinheit“ Flächeninanspruchnahme durch Pistenneubau oder Lifttrassen abgestellt werde, seien für die Tatbestände der lit. b (sonstige Schigebiete) und lit. c (sonstige Schigebiete in schutzwürdigen Gebieten) nur solche Flächeninanspruchnahmen durch Pistenneubau oder Lifttrassen kapazitätserweiternd, die auch mit einer entsprechenden Geländeveränderung einhergingen. Ein Speicherteich, der lediglich der Beschneiung schon bisher als Schipisten gewidmeter Flächen dienen, stelle keine kapazitätserweiternde Änderung dar. Die Z 12 des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 sei somit in Bezug auf den Speicherteich nicht erfüllt. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.

3.       Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht:

3.1.    Gegen den angefochtenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung (und der nunmehr belangten Behörde) wurden von der Naturschutzanwältin für Vorarlberg, vom XXXX und vom XXXX Beschwerden eingebracht. Es wurde vorgebracht, es liege eine Stückelung zur Umgehung der UVP-Pflichtigkeit vor.

Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht

–        die Beschwerde samt dem Verfahrensakt zum UVP-Feststellungsverfahren;

–        den Akt der Bezirkshauptmannschaft Bludenz in Bezug auf den Bescheid vom 16.04.2018, BHBL-11-930-79/2016-133;

–        den Plan- und Beschreibungsunterlagen samt den Änderungen vom Oktober bzw. November 2019.

Mit Schriftsatz vom 20.02.2020 replizierte die XXXX GmbH als Antragstellerin (und nunmehr mitbeteiligte Partei) und beantragte die Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerden.

Mit Beschluss vom 18.05.2020, Zl. W109 2228207-1/16Z, des Bundesverwaltungsgerichts wurden die Beschwerden des XXXX und des XXXX als verspätet zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 30.04.2020 zog das Bundesverwaltungsgericht die Amtssachverständigen (ASV) des Landes Vorarlberg für die Bereiche Raumordnung sowie Naturschutz bei. Sie wurden durch das Gericht mit der Klärung beauftragt, ob es durch das Vorhaben der mitbeteiligten Partei zu erheblichen Umweltbeeinträchtigungen kommt.

Am 21.05.2020 wurden ein Lokalaugenschein der beiden ASV mit einem Vertreter der mitbeteiligten Partei durchgeführt. An diesem nahm auch der erkennende Richter teil.

Mit Aviso vom 22.05.2020 wurden die Verfahrensparteien darüber informiert, dass in der Standortgemeinde St. Gallenkirch eine mündliche Beschwerdeverhandlung am 23.06.2020 geplant sei.

Mit E-Mail vom 02.06.2020 änderte die mitbeteiligte Partei das Projekt insofern ab, als die Pumpstation und das Kühlsystem abgeändert wurden; die bisher geplanten Kühltürme sollten gänzlich entfallen; die Pumpstation sollte verkleinert und komplett überschüttet werden und nur mehr der Zugangsbereich sichtbar bleiben. Weiter wurden überhöhte Dammvorschüttungen kombiniert mit unregelmäßiger Geländeausformungen des Dammes projektiert. In die Vorschüttung des Dammes sollte die Pumpstation gänzlich integriert werden.

3.2.    Mit Ladung vom 15.06.2020 wurde die mündliche Verhandlung in St. Gallenkirch für den 23.06.2020 anberaumt. Im Begleittext wurde ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht gehe in diesem Verfahren vorläufig von der Rechtsansicht aus, dass die Bestimmung der Ziffer 12 des Anhangs 1 zum UVP-G 2000 richtlinienkonform nach der UVP-Richtlinie (der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten) auszulegen sei. Demnach wäre die Flächeninanspruchnahme durch den Beschneiungsteich für die Berechnung des UVP-Schwellenwertes zur Gänze einzurechnen. In diesem Zusammenhang wurde auf den Aufsatz von Bußjäger/ Ennöckl, Beschneiungsanlagen, Schigebiete und UVP-Pflichtigkeit, in der Zeitschrift Natur und Recht, Jahrgang 2019, S. 802 ff, verwiesen, der der Ladung angeschlossen wurde. Weiters wurde ausgeführt, in der Verhandlung bestehe für die Parteien und Beteiligten die Gelegenheit, zur Beschwerde und zur vorläufig geäußerten Rechtsansicht Stellung zu nehmen sowie die Gutachten der beiden beigezogenen Sachverständigen ASV zu diskutieren. Weiters wurde ausgeführt, es würden zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung die Gutachten der ASV übermittelt, sobald diese vorlägen.

Der ASV für Raumordnung legte mit Schreiben vom 15.06.2020 sein Gutachten vor. Er kam zusammenfassend zum Ergebnis, dass insbesondere durch die Ausführung des Dammes und des Pumpbauwerkes die Errichtung eines Speicherteiches vergleichsweise gut in die vorhandene Topographie eingefügt sei. Die oberflächlichen Gestaltungsmaßnahmen wie überhöhende Dammvorschüttungen sowie Einzelstrukturen würden dies unterstützen. Lediglich bei Niedrigwasserstand dürfte die künstliche Herstellung des Gewässers augenscheinlich werden, wie auch die zu Revisionszwecken erforderliche Straße auf der Dammkrone. Es könne daher festgehalten werden, dass erheblich negative Auswirkungen auf das Landschaftsbild vom Speicherteich in der gegenständlichen und derzeitigen Planungsvariante nicht zu erwarten seien.

Der ASV für Naturschutz legte mit Schreiben vom 16.06.2020 sein Gutachten vor. Er kam zum Ergebnis, durch das Vorhaben komme es zu erheblichen Umweltauswirkungen. Der ASV führte aus, er kenne den Eingriffsbereich einerseits von verschiedenen Außendiensten zu allen Jahreszeiten, von der Vorbegutachtung des Vorhabens sowie vom Ortsaugenschein am 21.05.2020. Inhaltlich wurde auf das ausführliche und detaillierte Gutachten verwiesen, das bereits der damalige Naturschutzbeauftragte am 13.11.2017 zum Genehmigungsverfahren der Bezirkshauptmannschaft Bludenz erstellt habe. Dieses sei in seiner Beurteilung zum Schluss gekommen, dass durch die Erweiterung der Schneeerzeugungsanlage mit massiven und langfristig wirksamen Eingriffen in Natur und Landschaft zu rechnen sei. Die gravierendsten zu erwartenden Beeinträchtigungen von besonders schützenswerten Lebensräumen, Pflanzen und Tieren seien in der damaligen Begutachtung zusätzlich detailliert dargelegt worden. Es sei daraus nach Ansicht des nunmehrigen ASV folgerichtig zu schließen, dass es durch das gegenständliche Vorhaben auch nach den mittlerweile erfolgten Adaptionen zu erheblichen Umweltauswirkungen kommen werde.

Die beiden Gutachten der ASV wurden nicht (mehr) zum Gehör nach § 45 Abs. 3 AVG an die Verfahrensparteien übermittelt.

3.3.    Mit E-Mail vom 16.06.2020 teilte die mitbeteiligte Partei dem Bundesverwaltungsgericht mit, es bestehe die Absicht, sämtliche bisherigen Anträge zum Projekt Speicherteich Schwarzköpfle zurückziehen und sämtliche damit im Zusammenhang stehenden Genehmigungen mit diesem Projekt zurückzulegen. Nachdem weder Dauer noch Ergebnis des laufenden Verfahrens für die mitbeteiligte Partei abschätzbar sei, sei zur Lösung des Wasserproblems im Bereich der Schneeanlage beabsichtigt, neue Wege zu gehen. Auch vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise in den letzten Wochen und Monaten habe sich der thematische Fokus geändert und die Diskussion rund um das gegenständliche Projekt habe sich gelegt. Es werde das Gespräch mit den verschiedenen Beteiligten gesucht und mit heutigem Tage sämtliche bisherigen Anträge im Zusammenhang mit diesem Projekt zurückgelegt werden.

Mit E-Mail vom 16.06.2020 des rechtsfreundlichen Vertreters der mitbeteiligten Partei an die Bezirkshauptmannschaft Bludenz zog diese ihre Anträge im Genehmigungsverfahren zur Erweiterung der Schneeerzeugungsanlage Versettla und Valisera mit Speicherteich und Pumpstation Schwarzköpfle zurück. Dieses E-Mail wurde u.a. in Kopie an das Bundesverwaltungsgericht und das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg sowie die UVP-Behörde übermittelt. Mit Schriftsatz vom selben Tag teilte die mitbeteiligte Partei dem Bundesverwaltungsgericht mit, sie ziehe ihre Anträge im Verfahren der Bezirkshauptmannschaft Bludenz zum Speicherteich mit heutigem Tag zurück verzichte und damit auf die Realisierung dieses Vorhabens. Andere Bewilligungen als die mit Bescheid vom 16.04.2018 der Bezirkshauptmannschaft Bludenz seien von der mitbeteiligten Partei im Zusammenhang mit dem Vorhaben Erweiterung Schneeerzeugungsanlage Versettla und Valisera mit Speicherteich und Pumpstation Schwarzköpfle nicht erteilt worden. Dies habe zur Folge, dass sowohl dem Bescheid der UVP-Behörde vom 11.12.2019, als auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die Entscheidungsgrundlage weggefallen sei.

Mit Schreiben vom 17.06.2020 wurde die Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes am 23.06.2020 abberaumt.

Mit Schreiben vom 18.06.2020 an die UVP-Behörde zog das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg vor dem Hintergrund der Zurückziehung der Bewilligungsanträge bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz seinen Feststellungsantrag vom 30.08.2018 zurück.

Mit Telefonat vom 17.06.2020 teilte ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft dem erkennenden Gericht mit, dass außer den mit Bescheid vom 16.04.2018 erteilten Bewilligungen keine weiteren Genehmigungserfordernisse bestünden bzw. erforderlich seien.

Mit Erkenntnis vom 19.06.2020 des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg wurde der dort angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 16.04.2018 „betreffend die naturschutzrechtliche Bewilligung, die wasserrechtliche Bewilligung und die elektrizitätsrechtliche Bewilligung ua für die Erweiterung der Schneeerzeugungsanlage Versettla und Valisera durch die Errichtung eines Speicherteiches und der Pumpstation Schwarzköpfle“ gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos behoben. Begründend wurde ausgeführt, mit dem angefochtenen Bescheid sei der mitbeteiligten Partei (und Antragstellerin), die naturschutz-, wasser- und elektrizitätsrechtliche Bewilligung für die Erweiterung der Schneeerzeugungsanlage Versettla und Valisera durch die Errichtung eines Speicherteiches und der Pumpstation Schwarzköpfle samt eines Zufahrtsweges sowie Feld- und Transportleitungen, einem Schipistenbau im Bereich der Schiroute R44 sowie für die Errichtung der Trafostation Speicher Schwarzköpfle samt Verlegung einer 20-kV-Erdkabelleitung im Gemeindegebiet von St Gallenkirch unter Auflagen erteilt worden. Dagegen seien Beschwerden erhoben worden. Aufgrund der Bedenken ob der sachlichen Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Bludenz habe das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg mit Eingabe vom 30.08.2018 einen Feststellungsantrag nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 bei der Vorarlberger Landesregierung als UVP-Behörde eingebracht.

Vor dem Hintergrund, dass die mitbeteiligte Partei am 16.06.2020 ihre Anträge bei Bezirkshauptmannschaft Bludenz zum – beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg – angefochtenen Bescheid vom 16.04.2018 zurückgezogen habe sei der Feststellungsantrag vom 30.08.2018 bei der UVP-Behörde zurückgezogen worden.

In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass nach § 13 Abs. 7 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 17 VwGVG Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden können. Erfolgt eine solche Änderung während des Rechtsmittelverfahrens, bewirke die Zurückziehung des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht habe somit den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben (unter Hinweis auf VwGH 12.09.2016, Ra 2014/04/0037; VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0127).

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Beschwerdelegitimation:

Die Beschwerde wurde von der Naturschutzanwältin für Vorarlberg eingebracht. Bei dieser handelt es sich – unstrittig – um die Umweltanwältin für das Land Vorarlberg i.S. des § 2 Abs. 4 UVP-G 2000. Ihre innerhalb offener Frist eingebrachte Beschwerde ist zulässig.

2.       Feststellungen und Beweiswürdigung:

2.1.    Die mitbeteiligte Partei hat mit Schreiben vom 31.03.2016 und 30.06.2016 die Errichtung die Erweiterung der Schneeerzeugungsanlage Versettla und Valisera, mit Erweiterung der Pumpstation Nova Tal sowie die Errichtung des Speicherteichs samt der Pumpstation Schwarzköpfle und schitechnische Verbesserungsmaßnahmen bei der Schiroute R44 samt Zufahrt bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz beantragt.

Die Bezirkshauptmannschaft hat mit Bescheid vom 16.04.2018, BHBL-11-930-79/2016-133, die Bewilligung erteilt.

Dies ergibt sich aus dem vorgelegten Akt der Bezirkshauptmannschaft Bludenz.

2.2.    Die dagegen eingebrachten Beschwerden waren beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg wurden zur Zl. LVwG-374-1/2018, LVwG-327-4/2018 und LVwG-435-2/2018 protokolliert.

Das Landesverwaltungsgericht hat einen Feststellungsantrag zur Klärung der sachlichen Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Bludenz bei der Vorarlberger Landesregierung eingebracht.

Dies ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde.

2.3.    Mit E-Mail vom 16.06.2020 an die Bezirkshauptmannschaft Bludenz bzw. Schriftsatz vom 16.06.2020 an das Bundesverwaltungsgericht wurde der Antrag Bewilligungsverfahren zurückgezogen. Gleichzeitig wurde erklärt, dass kein weiterer Wille zur Verwirklichung des Projektes besteht. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 19.06.2020, Zlen. LVwG-374-1/2018-R9 u.a., wurde der Bezirkshauptmannschaft Bludenz ersatzlos behoben.

Es sind keine weiteren Bewilligungsverfahren zum Projekt erforderlich bzw. sind noch solche anhängig.

Dies ergibt sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Gemäß § 3 Abs. 7 erster und zweiter Satz UVP-G 2000 hat die Behörde auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen.

3.2.    Das behördliche Verfahren wurde von Amts wegen durch die Vorarlberger Landesregierung als UVP-Behörde nach der Einbringung eines UVP-Feststellungsantrages des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg eingeleitet. Vor diesem Hintergrund ist die Antragsberechtigung des Landesverwaltungsgerichtes nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 nicht weiter zu klären.

Die Vorarlberger Landesregierung stellte mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid fest, dass das gegenständliche Verfahren nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 unterliege.

Die dagegen erhobene Beschwerde der Umweltanwältin wurde rechtzeitig eingebracht.

Die Projektwerberin zog während des Beschwerdeverfahrens ihren Genehmigungsantrag zurück und erklärte, sie werde auch Vorhaben nicht zu verwirklichen.

Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Entscheidend für die Zulässigkeit der Zurückziehung ist allein, ob ein Antrag noch unerledigt ist und daher zurückgezogen werden kann. Mit der Erlassung eines Bescheids und den damit sofort einhergehenden Rechtswirkungen ist der Antrag als erledigt anzusehen. Nur dann, wenn die materielle Rechtskraft des Bescheids dadurch beseitigt wird, dass dagegen eine – zulässige und fristgerechte – Berufung erhoben wird, ist sowohl der verfahrenseinleitende Antrag als auch der Berufungsantrag (nunmehr Beschwerdeantrag) offen. Beide Anträge können dann auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheids (nunmehr Beschwerdeentscheidung) zurückgezogen werden (VwGH 25.07.2013, 2013/07/0099; 19.12.2019, Ra 2019/21/0340).

In solchen Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertreten, dass ab der Änderung des ursprünglich gestellten Antrages für den erstinstanzlichen Bescheid eine für einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt notwendige Voraussetzung fehlt, nämlich der Antrag selbst. Für die Berufungsbehörde besteht daher die Verpflichtung, den erstinstanzlichen Bescheid – insoweit dieser Antrag zurückgezogen worden ist – aufzuheben (VwGH 25.11.1999, 98/07/0181; 19.12.2013, 2011/07/0215). Diese Konstellation unterscheidet sich somit zum Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes zum Erkenntnis vom 09.04.2019, W104 2211511-1/53E, zum Hochhausprojekt Am Heumarkt in Wien. Bei diesem wurde zwar der UVP-Feststellungsantrag des Bauwerbers zurückgezogen, jedoch blieb das zugrundeliegende materienrechtliche Bewilligungsverfahren aufrecht und auch der Verwirklichungswille des Antragstellers bestand weiter.

Wenn durch eine Erklärung der Projektwerberin feststeht, dass das dem Feststellungsverfahren unterzogene Projekt nicht mehr weiterverfolgt wird, besteht im Regelfall auch keine Notwenigkeit nach amtswegiger Prüfung des ursprünglichen Projektes nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (vgl. BVwG 20.04.2015, W104 2101995-1/11E mit Hinweisen auf die Vorjudikatur des Umweltsenates). Auch wurde der materienrechtliche Bescheid vom 16.04.2018, BHBL-II-930-79/2016-133, durch das Landesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung vom 19.06.2020, Zlen. LVwG-374-1/2018-R9 u.a., ersatzlos behoben.

Dementsprechend ist aufgrund der Zurückziehung des verfahrensgegenständlichen Genehmigungsantrages und des mangelnden Verwirklichungswillens der Antragstellerin sowie der ersatzlosen Behebung durch das Landesverwaltungsgericht das Feststellungsverfahren einzustellen und der Bescheid der belangten Behörde zu beheben. Eine inhaltliche Entscheidung über die Feststellungsanträge ist nicht mehr zulässig.

Die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

3.3.    Vor diesem Hintergrund hat es somit dahingestellt zu bleiben, ob die Bestimmung der Z 12 des Anhangs 1 zum UVP-G 2000 im Widerspruch zur UVP-Richtlinie steht. Es ist somit auch nicht weiter erheblich, ob ein Speicherteich und zusammenhängende Beschneiungsanlagen, aufgrund des Anhanges II Z 12 UVP-RL als „zugehörige Einrichtungen" berücksichtigt werden müssen.

4.       Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es sind zwar Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden und auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, doch sind diese vor dem Hintergrund der formalen Behebung des angefochtenen Bescheides durch die Zurückziehung der Bewilligungsanträge bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz als Genehmigungsbehörde und der darauffolgenden ersatzlosen Behebung der Bescheide dieser Behörde nicht mehr Verfahrensgegenstand.

Schlagworte

Antragszurückziehung Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Erweiterung Feststellungsbescheid Feststellungsverfahren Kassation Schwellenwert Umweltauswirkung Umweltverträglichkeitsprüfung UVP-Pflicht Verwirklichungswille Zurückweisung Zurückziehung Zurückziehung Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W109.2228207.1.01

Im RIS seit

13.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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