TE Vwgh Erkenntnis 2020/9/2 Ra 2016/08/0006

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Veröffentlicht am 02.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1977 §24 Abs2
AlVG 1977 §25 Abs1
AVG §59 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28
VwGG §28 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §41
VwGG §59

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des E W in F, vertreten durch Dr. Josef Wolfgang Deitzer, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Wiener Straße 36-38/1/24, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 2015, W121 2009465-1/31E, betreffend Widerruf der Zuerkennung und Verpflichtung zur Rückzahlung von Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Schwechat),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe wendet, als unzulässig zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen (was die Verpflichtung zur Rückzahlung der Notstandshilfe betrifft) wird der Revision Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht - in Bestätigung der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde (im Folgenden: AMS) vom 18. Juni 2014, mit der wiederum der Ausgangsbescheid vom 19. März 2014 (mit Ausnahme eines nicht einzubeziehenden Kostenbetrags) bestätigt worden war - aus, dass die Zuerkennung der Notstandshilfe für näher genannte Bezugszeiträume in der Zeit vom 9. Juni 2008 bis zum 15. November 2013 gemäß § 24 Abs. 2 in Verbindung mit § 38 AlVG widerrufen werde und der Revisionswerber zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe von € 35.550,62 gemäß § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 AlVG verpflichtet werde.

1.2. Das Verwaltungsgericht ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

Der Revisionswerber habe zunächst Arbeitslosengeld und seit dem 26. Mai 2005 Notstandshilfe (unterbrochen durch Krankengeld) bezogen. In der Folge habe er am 12. August 2007, 11. November 2008, 20. Jänner 2010, 4. April 2011, 5. Mai 2012 und 5. Juni 2013 jeweils Ansprüche auf Notstandshilfe erfolgreich geltend gemacht. Er habe in den Anträgen jeweils die Fragen, ob er derzeit in Beschäftigung stehe und ob er ein eigenes Einkommen beziehe, verneint.

Der Revisionswerber habe in der Zeit vom 9. Juni 2008 bis zum 15. November 2013 (für näher genannte Zeiträume) Notstandshilfe bezogen. Gleichzeitig sei er bei einer näher genannten GmbH in einem freien Dienstverhältnis beschäftigt gewesen und habe ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze lukriert. Er habe dies dem AMS nicht gemeldet und insbesondere in seinen Anträgen keine diesbezüglichen Angaben gemacht. Dem AMS seien die Umstände erstmals durch die Wiener Gebietskrankenkasse am 22. November 2013 bekannt gegeben worden, am 7. Februar 2014 sei auch eine Überlagerungsmeldung durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erfolgt.

Der Revisionswerber habe daher in der Zeit vom 9. Juni 2008 bis zum 15. November 2013 Notstandshilfe von insgesamt € 35.550,62 zu Unrecht bezogen (die einzelnen Teilbeträge wurden für die betreffenden Kalenderjahre nach Anzahl der Tage und Höhe der Tagsätze näher aufgegliedert).

1.3. In der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus:

Nach § 24 Abs. 2 AlVG sei die Zuerkennung des Arbeitslosengelds (bzw. hier der Notstandshilfe) zu widerrufen, wenn sie gesetzlich nicht begründet gewesen sei. Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG sei der Empfänger der Leistung (unter anderem) bei deren Widerruf zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt habe, oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht (in dieser Höhe) gebührte.

Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG sei der Leistungsbezieher verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit nach § 12 Abs. 3 AlVG sowie jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruchs maßgebende Veränderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse unverzüglich (spätestens binnen einer Woche) der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Der Zweck dieser Regelung bestehe darin, die Behörde in die Lage zu versetzen, jede Änderung der Verhältnisse daraufhin zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern sei. Es komme nicht darauf an, ob ein Umstand unmittelbar Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Leistungsbeziehers habe oder ob sich dieser in einem (grundsätzlich in sein Risiko fallenden) Rechtsirrtum über die Relevanz des zu meldenden Umstands befinde. Voraussetzung für die Rückforderung eines Überbezugs sei lediglich die Verschweigung einer maßgebenden Tatsache, auf die - in der Sphäre des Meldepflichtigen liegenden - Gründe für das Unterbleiben der Meldung komme es nicht an. Bereits die Verletzung der Meldepflicht rechtfertige die Annahme einer Verschweigung maßgebender Tatsachen und somit die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen. Unerheblich sei, ob der Meldepflichtige auch das Vorliegen des Überbezugs gekannt habe oder hätte kennen müssen bzw. ob seiner Meinung nach die Meldung den Leistungsanspruch zu beeinflussen vermöge.

Vorliegend habe der Revisionswerber in seinen - den gegenständlichen Zeitraum vom 9. Juni 2008 bis zum 15. November 2013 betreffenden - Anträgen die Fragen, ob er in einer Beschäftigung stehe und ob er ein eigenes Einkommen lukriere, verneint. Er habe mit Unterfertigung der Anträge nachweislich zur Kenntnis genommen, dass er nach § 50 AlVG den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis - auch im Fall einer geringfügigen Beschäftigung - sofort zu melden habe. Er hätte daher dem AMS unverzüglich mitteilen müssen, dass er im betreffenden Zeitraum bei der GmbH beschäftigt gewesen sei und ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze lukriert habe, was nicht geschehen sei. Er habe somit jahrelang zu Unrecht Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen, die nun zurückzufordern seien. Die von ihm behaupteten Umstände für die nicht erfolgte Meldung seien ohne Belang bzw. stellten keine berücksichtigungswürdigen Gründe dar. Die Verschweigung maßgebender Tatsachen könne jedenfalls nicht zulasten der Versichertengemeinschaft gehen. Folglich sei der Revisionswerber verpflichtet, die unberechtigt empfangene Notstandshilfe für den betreffenden Zeitraum gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zurückzuzahlen.

Anhaltspunkte für ein Mitverschulden der Behörde hätten sich nicht ergeben, ein solches wäre auch ohne Belang. Für die Rückforderung bei unwahren Angaben bzw. Verschweigung maßgebender Tatsachen komme es nämlich nicht darauf an, ob ein die Leistung beeinflussender Umstand bereits zu einem früheren Zeitpunkt aktenkundig geworden sei oder leicht hätte festgestellt werden können bzw. ob ein sonstiges Mitverschulden der Behörde vorliege. Maßgeblich sei lediglich, ob ein wesentlicher Umstand im Antragsformular richtig und vollständig einbekannt oder gleichzeitig bzw. noch rechtzeitig auf zumindest gleichwertige Weise mitgeteilt worden sei.

1.4. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

3.1. Vorauszuschicken ist, dass im gegenständlichen Fall - auf Grund der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses nach der im Zeitpunkt seiner Erlassung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (vgl. VwGH 20.6.2018, Ra 2015/08/0153) - die Gesetzeslage vor dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2017 (BGBl. I Nr. 38/2017) anzuwenden ist (vgl. auch § 79 Abs. 159 AlVG; VwGH 3.4.2019, Ra 2017/08/0067). Die im Folgenden genannten Bestimmungen des AlVG beziehen sich daher auf diese Gesetzeslage.

3.2. Voranzustellen ist weiters, dass bei trennbaren Absprüchen die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen ist (vgl. VwGH 21.6.2017, Ro 2016/03/0011). Beim Widerruf der Notstandshilfe nach § 24 Abs. 2 AlVG einerseits sowie bei der Verpflichtung zur Rückzahlung des unrechtmäßig Empfangenen nach § 25 Abs. 1 AlVG andererseits handelt es sich um solche trennbaren Teile des angefochtenen Erkenntnisses (vgl. VwGH 16.2.2011, 2007/08/0150).

3.3. Soweit es vorliegend um den Widerruf der Notstandshilfe nach § 24 Abs. 2 AlVG geht, zeigt die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, sodass sie in diesem (trennbaren) Teil gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen ist. Soweit es um die Verpflichtung zur Rückzahlung des unrechtmäßig Empfangenen nach § 25 Abs. 1 AlVG geht, erweist sich die Revision indessen - entgegen dem den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) Ausspruch des Verwaltungsgerichts - als zulässig, ist doch das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung zur (teilweisen) Verjährung der Rückzahlungspflicht abgewichen. Insofern ist daher der Revision Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis in diesem (trennbaren) Teil wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

4. Was die konkrete Ausführung der Revision betrifft, ist zunächst festzuhalten, dass diese insofern nicht gesetzmäßig ist, als sich der Revisionswerber auf einen im Verfahren zur Bewilligung der Verfahrenshilfe von ihm selbst verfassten Schriftsatz, dessen Inhalt er pauschal zum Vorbringen auch in der gegenständlichen Revision erhebe, beruft.

Eine solche bloße Verweisung auf den Inhalt eines anderen Schriftsatzes stellt keine gesetzmäßige Ausführung eines Rechtsmittels dar (vgl. VwGH 15.12.2009, 2007/18/0806). Es kann nämlich ein Rechtsmittel als in sich geschlossene selbständige Verfahrenshandlung nicht durch Bezugnahme auf den Inhalt anderer (im Verfahren erstatteter) Schriftsätze ergänzt werden. Es können also nur die in der Revision selbst enthaltenen Ausführungen und Argumente Berücksichtigung finden (siehe auch OGH RIS-Justiz RS0043616 [T5, T6]).

5.1. Der Revisionswerber macht in erster Linie Verfahrensmängel geltend. So moniert er, das Verwaltungsgericht sei auf die von ihm gestellten Beweisanträge nicht eingegangen, es habe in vorgreifender Würdigung die Beweise nicht aufgenommen und kein ordentliches und faires Verfahren durchgeführt. Im Einzelnen rügt er, das Verwaltungsgericht habe die zeugenschaftliche Vernehmung der Auftraggeber des Revisionswerbers zur Offenlegung der von ihm erbrachten Leistungen unterlassen. Das Verwaltungsgericht habe weiters die Unterlagen über die Betriebsprüfung bei der GmbH, auf die sich die getroffenen Feststellungen stützten, nicht beigeschafft. Es habe insoweit dem Revisionswerber auch keine Akteneinsicht gewährt und keine Rechtsbelehrung im Rahmen der richterlichen Manuduktionspflicht erteilt. Ferner habe es die Einholung eines Gutachtens zur Klärung der Höhe des Einkommens des Revisionswerbers verabsäumt. Bei Unterbleiben der aufgelisteten Mängel hätte das Verwaltungsgericht feststellen müssen, „welche Einkommenssituation in welchem Zeitraum tatsächlich vorgelegen ist“, und es hätte „erst nach Vorliegen dieser genauen Einkommenssituation“ über den Sachverhalt entscheiden können.

5.2. Die Zulässigkeit - und umso mehr die Begründetheit - einer Revision setzt bei einem behaupteten Verfahrensmangel (unter anderem) voraus, dass die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang - im Sinn seiner Eignung, bei einem mängelfreien Verfahren zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu gelangen - dargetan wird (vgl. VwGH 24.11.2016, Ra 2015/08/0194). Der Revisionswerber darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel bloß zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen (VwGH 11.5.2017, Ro 2014/08/0021).

5.3. Vorliegend ist der Revision eine Relevanzdarstellung im soeben erörterten Sinn nicht zu entnehmen. Das oben aufgezeigte Vorbringen stellt jedenfalls keine - im Rahmen einer hinreichenden Relevanzdarstellung gebotene - konkrete und substanziierte diesbezügliche Darlegung dar, geht doch daraus nicht ansatzweise hervor, welche wesentlichen Tatsachen bei Aufnahme der vermissten Beweise hervorgekommen wären und inwieweit sich daraus eine für den Revisionswerber günstigere Sachverhaltsgrundlage hätte ergeben können (siehe VwGH 28.2.2019, Ra 2016/08/0058; vgl. zur notwendigen Relevanzdarstellung bei den fallbezogen angesprochenen Mängeln auch VwGH 29.6.2016, Ra 2016/05/0052 [zur Nichtstattgabe von Beweisanträgen]; 16.8.2016, Ra 2015/08/0074 [zur Unterlassung von Zeugenvernehmungen]; 11.12.2013, 2011/08/0322 [zur Nichtbeschaffung von Urkunden]; 20.6.2018, Ra 2015/08/0153 [zur Nichtgewährung von Akteneinsicht]; 21.3.2017, Ra 2017/22/0013 [zur Verletzung der Manuduktionspflicht]; neuerlich Ro 2014/08/0021 [zur Nichteinholung eines Gutachtens]).

Davon ausgehend vermag der Revisionswerber keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden relevanten Verfahrensmängel aufzuzeigen. Seinen diesbezüglichen Ausführungen kommt daher keine Berechtigung zu.

6.1. Der Revisionswerber bekämpft weiters die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Er führt dazu aus, das Verwaltungsgericht habe sich auf das Vorbringen des AMS gestützt bzw. dieses übernommen und den Angaben des Revisionswerbers zu Unrecht keinen Glauben geschenkt. Das Verwaltungsgericht sei insbesondere auf sein Vorbringen (wonach er ein Einkommen lediglich unter der Geringfügigkeitsgrenze bezogen habe, die höheren Rechnungsbeträge von der GmbH vorgegeben worden seien und die Beträge auch diverse Auslagen umfasst hätten) sowie die diesbezüglichen Beweisergebnisse (u.a. die Ergebnisse der Betriebsprüfung) nicht näher eingegangen, sondern habe das Vorbringen und die Beweise ohne Prüfung als unglaubwürdig abgetan.

6.2. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs, nicht aber um die konkrete Richtigkeit handelt, sowie wenn es darum geht, ob die in dem Denkvorgang gewürdigten Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (VwGH 9.9.2019, Ro 2016/08/0009).

6.3. Vorliegend hält die Beweiswürdigung den aufgezeigten Kriterien einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Das Verwaltungsgericht traf die Feststellungen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Basis der vorliegenden Urkunden und der getätigten Beweisaussagen. Es legte dabei die wesentlichen Erwägungen für die Beweiswürdigung - so unter anderem, warum es die Angaben des Revisionswerbers in wesentlichen Punkten als unzuverlässig bzw. unglaubwürdig erachtete - nachvollziehbar und überzeugend dar. Es kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass diese Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt wäre, ist doch die Schlüssigkeit der Erwägungen gewährleistet und wurden die Beweisergebnisse auch in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt.

Im Hinblick darauf vermag der Revisionswerber keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler im Rahmen der Beweiswürdigung aufzuzeigen. Seinen diesbezüglichen Ausführungen kommt ebenso keine Berechtigung zu.

7. Wie sich aus dem Vorgesagten ergibt, hat das Verwaltungsgericht die Feststellungen somit ohne einen relevanten Verfahrensmangel auf Grundlage einer unbedenklichen Beweiswürdigung getroffen und daraus rechtlich zutreffend gefolgert, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 AlVG für den Widerruf des unberechtigt Empfangenen erfüllt sind.

Im Hinblick darauf zeigt der Revisionswerber - soweit es um den Widerruf nach § 24 Abs. 2 AlVG geht - keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Die Revision ist daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

8.1. Was die Rückforderung nach § 25 Abs. 1 AlVG betrifft, so zieht der Revisionswerber nicht mehr in Zweifel, dass die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt sind. Er bestreitet insbesondere nicht, dass er in seinen Anträgen jeweils die Fragen nach der Ausübung einer Beschäftigung und nach dem Bezug eines Einkommens verneint bzw. diese Umstände dem AMS nicht gemeldet hat, sowie dass er durch die wahrheitswidrigen bzw. verschwiegenen Angaben den Bezug der Notstandshilfe vorsätzlich und kausal herbeigeführt hat und deshalb zur Rückzahlung verpflichtet ist (vgl. auch VwGH 20.11.2002, 2002/08/0208; neuerlich 2007/08/0150).

8.2. Der Revisionswerber macht in dem Zusammenhang geltend, das Verwaltungsgericht habe in keiner Weise überprüft, ob nicht Teile der Rückforderungsbeträge „im Sinne des § 25 Abs. 2 AlVG“ - offenbar gemeint: nach § 25 Abs. 6 AlVG - verjährt seien.

Zu diesem Einwand ist zunächst festzuhalten, dass das - obwohl erstmals in der Revision erstattete - Vorbringen nicht dem Neuerungsverbot unterliegt. Vom besagten Verbot sind nämlich nur neue Tatsachenbehauptungen, nicht auch neue Rechtsausführungen betroffen, sofern dem Verwaltungsgerichtshof - wie hier - die Überprüfung ihrer Richtigkeit auf Grund des festgestellten Sachverhalts möglich ist (vgl. VwGH 21.12.1988, 85/18/0120).

8.3. Gemäß § 25 Abs. 6 AlVG (in der fallbezogen anzuwendenden Fassung) ist unter anderem eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, rückgerechnet ab der Kenntnis des maßgeblichen Sachverhalts durch die regionale Geschäftsstelle, zurückliegen.

Gegenständlich wurden - nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen - dem AMS die zur Rückforderung führenden Umstände (wonach der Revisionswerber im Bezugszeitraum in einem freien Dienstverhältnis beschäftigt wurde und ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze bezogen hat) erstmals durch die Wiener Gebietskrankenkasse am 22. November 2013 bekannt gegeben.

Im Hinblick darauf kommt eine Rückforderung freilich nur bis zum 22. November 2008 in Betracht (vgl. ähnlich VwGH 28.3.2012, 2009/08/0082), entspricht dies doch einem fünfjährigen Zeitraum zurückgerechnet von der (erstmaligen) Kenntnis des maßgebenden Sachverhalts durch das AMS.

9.1. Das Verwaltungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren dem teilweise berechtigten Verjährungseinwand Rechnung zu tragen haben. Der Revision war - soweit es die Verpflichtung zur Rückzahlung nach § 25 Abs. 1 AlVG betrifft - Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis in diesem Teil wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

9.2. Nur zur Klarstellung ist festzuhalten, dass der Revisionswerber zutreffend die Verjährung nicht (auch) in Ansehung des Widerrufs nach § 24 Abs. 2 AlVG eingewendet hat. Die dort vorgesehene Beschränkung des Widerrufs bzw. der Berichtigung auf fünf Jahre wäre nämlich nur bei Vorliegen eines Versehens der Behörde in Betracht gekommen (vgl. VwGH 11.7.2012, 2011/08/0363). Ein solches wurde hier freilich nicht festgestellt und ist auch in keiner Weise zu sehen.

10. Nach dem sich aus § 59 VwGG ergebenden Antragsprinzip kann Aufwandersatz nur zugesprochen werden, wenn ein diesbezüglicher Antrag gestellt wird (vgl. VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0022). Vorliegend wurde ein solcher Antrag vom Revisionswerber nicht gestellt.

Wien, am 2. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2016080006.L00

Im RIS seit

29.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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