TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/15 I419 2230836-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §2
FPG §52 Abs4 Z4
FPG §66
FPG §67
NAG §51 Abs1 Z1
NAG §54
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2230836-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 26.02.2020, Zl. 17857508-180284681, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid erließ das BFA wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, erklärte seine Abschiebung für zulässig, verhängte ein unbefristetes Einreiseverbot über ihn und aberkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung.

2. Beschwerdehalber wird dagegen vorgebracht, der Beschwerdeführer sei begünstigter Drittstaatsangehöriger, der sich seit 2012 im Inland befinde, über einen griechischen Aufenthaltstitel bis 2014 verfüge und mit seiner Gattin griechischer Staatsangehörigkeit bis zu seiner Inhaftierung in Wien gewohnt habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer gelangte 2012 mit seiner Gattin griechischer Staatsangehörigkeit ins Bundesgebiet und war bis 04.06.2019 Inhaber einer Dokumentation seines Aufenthaltsrechts als Angehöriger dieser EWR-Bürgerin. Er ist Staatsangehöriger Nigerias.

1.2 Er wohnte ständig mit dieser sowie den beiden, 6 und 8 Jahre alten, gemeinsamen Kindern griechischer Staatsangehörigkeit, im gemeinsamen Haushalt in Wien, bis er inhaftiert wurde, und ist weiter dort mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seit März 2018 ist er inhaftiert.

1.3 Das LGS XXXX hat ihn wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels durch Einfuhr einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge und des Suchtgifthandels durch Überlassen einer solchen Menge sowie der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel durch Besitz mit dem Vorsatz des Inverkehrbringens und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften durch Besitz zum persönlichen Gebrauch, wobei er die Verbrechen jeweils von Ende Dezember 2016 bis März 2018 begangen hatte, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die das OLG XXXX auf acht Jahre herabsetzte.

Festgestellt wurde dabei unter anderem, dass der Beschwerdeführer im genannten Zeitraum mindestens 52 Kilogramm Cannabiskraut "in unzähligen Angriffen" importierte und mindestens 51 Kilogramm gewinnbringend veräußerte.

1.4 Die Gattin des Beschwerdeführers war bis Februar 2020 im Inland als Arbeiterin beschäftigt und bezieht seither Arbeitslosengeld.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des vorliegenden Gerichtsakts. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt, betreffend die Kernfamilie des Beschwerdeführers die Register ZMR und Fremdenregister eingesehen sowie zur Gattin eine Sozialversicherungsabfrage durchgeführt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) (Stattgebung der Beschwerde und Aufhebung des Bescheids):

3.1 Der Beschwerdeführer ist Ehegatte einer EWR-Bürgerin, der das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nach § 51 NAG zukommt. Damit erfüllt er die Voraussetzung des § 54 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Z. 1 NAG für das Aufenthaltsrecht als Angehöriger der EWR-Bürgerin und ist begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG.

3.2 Gemäß dem vom BFA für die getroffene Rückkehrentscheidung herangezogenen § 52 Abs. 4 Z. 4 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, unter anderem dann eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht.

3.3 Eine Bescheinigung durch eine Aufenthaltskarte nach § 54 NAG hat bloß deklaratorische Wirkung, ein das Aufenthaltsrecht konstitutiv begründender "Aufenthaltstitel" liegt mit der Aufenthaltskarte nicht vor. Eine Rückkehrentscheidung gegen begünstigte Drittstaatsangehörige ist aber unabhängig davon generell unzulässig, was sich schon daraus ergibt, dass die mit § 52 FPG umgesetzte Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) auf begünstigte Drittstaatsangehörige nach ihrem Art. 2 Abs. 3 nicht anzuwenden ist. Über einen begünstigten Drittstaatsangehörigen darf auch kein Einreiseverbot verhängt werden. (VwGH 26.02.2020, Ra 2019/20/0523 mwN)

3.4 Für aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen begünstigte Drittstaatsangehörige - ebenso wie für EWR-Bürger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 8 FPG und Schweizer - bestehen eigene Regelungen, wonach gegen diese Fremden die Erlassung einer Ausweisung (§ 66 FPG) oder eines Aufenthaltsverbots (§ 67 FPG) vorgesehen ist, nicht aber die einer Rückkehrentscheidung. Sache des Beschwerdeverfahrens ist aber nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der belangten Behörde gebildet hat. Dem Gericht steht daher auf Grund einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung keine Entscheidung über eine Ausweisung nach § 66 FPG zu. (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/ 20/0274 mwN)

3.5 Das Verwaltungsgericht hat daher nach § 28 Abs. 1 VwGVG die im angefochtenen Bescheid enthaltenen und dem Gesetz widersprechenden Aussprüche ersatzlos zu beheben (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/ 20/0274). Dazu gehören infolge ihres Zusammenhangs neben dem Einreiseverbot (Spruchpunkt III) und der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I) die aufgrund dieser ergangene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (gemäß der Begründung: nach Nigeria, Spruchpunkt II) sowie die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV).

Im Ergebnis war demnach der gesamte angefochtene Bescheid wie geschehen ersatzlos aufzuheben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwN).

Schlagworte

aufenthaltsbeendende Maßnahme Aufenthaltsrecht begünstigte Drittstaatsangehörige Behebung der Entscheidung Einreiseverbot ersatzlose Behebung Haft Haftstrafe Kassation Rechtsgrundlage Rückkehrentscheidung Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2230836.1.00

Im RIS seit

14.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten