TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/23 W211 2152370-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.2020
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Entscheidungsdatum

23.04.2020

Norm

AsylG 2005 §13 Abs2 Z2
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z3
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2
StGB §127
StGB §130 ersterFall
StGB §207 Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W211 2152370-1/39E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II. - VI. des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX 2015 gab der Beschwerdeführer soweit wesentlich an, aus Deir ez-Zor zu stammen, wo der Islamische Staat (IS) die Macht übernommen habe. Er sei durch eine Bombe am linken Arm und an der rechten Hand schwer verletzt worden. Bei einer Demonstration sei er von zwei Kugeln im Lendenbereich getroffen worden. Bei einer Rückkehr nach Syrien drohe ihm eine Verhaftung bzw. der Tod.

3. Bei seiner Einvernahme am XXXX 2016 durch die belangte Behörde führte der Beschwerdeführer soweit wesentlich weiter aus, dass seine Frau und seine beiden Töchter noch in Syrien leben würden. Grund für eine einmonatige Haft 2011 in Syrien sei die Teilnahme an Demonstrationen gegen die Regierung gewesen. Der Name des Beschwerdeführers stehe auf einer Suchliste des Geheimdienstes. Er habe Syrien verlassen, weil nach dem Vorfall 2014 der IS nach Deir ez-Zor gekommen sei. Er sei bei Kämpfen außerdem zufällig von Bombensplittern getroffen und verletzt worden. Der Beschwerdeführer habe ein Kaffeehaus besessen, in dem auch Bier angeboten worden sei; der IS habe verlangt, dass er das Kaffeehaus zusperren soll.

4. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2017 wurde der Beschwerdeführer nach § 207 Abs. 1 StGB zu 10 Monaten Freiheitsstrafe, 9 Monate davon bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit, verurteilt.

5. Am XXXX 2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde abermals einvernommen und gab an, sich in der Türkei einer Herzoperation unterzogen zu haben; er habe weiters eine gelähmte Hand, und am linken Arm fehle ein Gelenk nach einer Schussverletzung. Seine Frau in Syrien sei von der Polizei 15 Tage festgenommen worden. Im Zusammenhang mit seiner Verhaftung im Jahr 2011 gab der Beschwerdeführer an, er habe bei der Organisation von Demonstrationen gegen das Regime mitgeholfen, indem er Soundsysteme installiert habe. Weiters habe er die Texte, die auf einer Bühne vorgetragen worden seien, im Vorhinein gelesen und zensiert sowie einleitende Worte für die verschiedenen Redner gesprochen, in denen er zum Aufstand gegen die Regierung aufgerufen habe. Der Beschwerdeführer sei daraufhin direkt bei der Arbeit festgenommen worden. Er sei vor ein Militärgericht und sodann vor ein Zivilgericht gestellt worden. Nach zwei Monaten sei er freigelassen worden, da er wichtige Leute beim Militär kennen würde (insbesondere seien der Mann seiner Tante sowie ein Onkel Hauptmänner in der syrischen Armee). Jedoch sei, nachdem das Regime ihn zuhause aufgesucht und nicht aufgefunden habe, abermals ein Haftbefehl ausgestellt worden. Daraufhin sei der Beschwerdeführer in ein Gebiet geflüchtet, in dem die Regierung keinen Zugriff gehabt habe, und habe dort als Ambulanzfahrer gearbeitet. In dieser Zeit habe er sich die oben erwähnten Verletzungen zugezogen. Außerdem bekräftigte der Beschwerdeführer abermals, er stehe wegen des Betriebs eines Kaffeehauses, in dem auch Alkohol verkauft worden sei, auf einer Liste des IS. Persönlichen Kontakt mit dem IS habe es jedoch nie gegeben.

Angesprochen auf die Verurteilung des Beschwerdeführers aufgrund des sexuellen Missbrauchs Unmündiger nach § 207 Abs. 1 StGB meinte er, ihm sei anfangs sogar Vergewaltigung vorgeworfen worden, da er das Opfer angeblich mit einer Krankheit angesteckt habe. Diese Anklage sei jedoch fallengelassen worden. Zur Verurteilung sei es aus Sicht des Beschwerdeführers letztendlich nur aufgrund einer einzigen Berührung über der Hose des Opfers gekommen. Er sei unschuldig und habe sich nur deswegen für schuldig bekannt, da die Richterin ihm angeboten habe, die Strafe würde im Falle eines Geständnisses niedriger ausfallen.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Syrien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Syrien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 10.05.2016 verloren hat (Spruchpunkt VI.). Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer syrischer Staatsangehöriger sei, aus Deir ez-Zor stamme und der Volksgruppe der Araber angehöre. Er sei verheiratet, habe zwei Töchter, sei körperlich weitgehend gesund und in der Lage, selbst durch Arbeit für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Jedoch sei er aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilung von der Zuerkennung internationalen Schutzes ausgeschlossen. Zudem sei er eine Gefahr für die Gemeinschaft. Der Beschwerdeführer werde weiters weder von der syrischen Regierung noch vom IS verfolgt. Auch werde nicht nach ihm gefahndet, und habe er keine staatlichen Sanktionen zu befürchten. Im Falle einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer außerdem nicht im gesamten syrischen Staatsgebiet in eine aussichtlose Lage geraten, oder hinsichtlich seines Rechts auf Leben oder körperliche Unversehrtheit verletzt werden, auch drohten ihm nicht im gesamten Staatsgebiet Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, obschon ihm die Rückkehr in manche Teile Syriens nicht zumutbar sei. Es stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative, wie beispielsweise die von der Regierung befreite Stadt Homs, oder die von kurdischen Truppen kontrollierten Gebiete, zur Verfügung. Auch würden immer mehr Asylwerber_innen freiwillig nach Syrien zurückkehren, was sie nach Ansicht der belangten Behörde nicht täten, wenn die Situation dort tatsächlich lebensbedrohlich wäre. Die Wiedereinreise nach Syrien könne somit gefahrlos erfolgen.

7. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht.

8. Mit Schreiben vom XXXX 2017 wurden der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2017 geladen. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Schreiben vom XXXX 2017 für die Teilnahme an der Verhandlung.

Am XXXX 2017 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der der Beschwerdeführer im Detail zu seinem Leben in Österreich, seinen Fluchtgründen und seiner strafrechtlichen Verurteilung befragt wurde. Der Beschwerdeführer gab dabei soweit wesentlich an, bei Demonstrationen für die Tonanlagen zuständig gewesen zu sein. Dabei sei er vom Militär verhaftet worden und insgesamt ein, eineinhalb Monate in Haft gewesen. Über Intervention von Verwandten, hochrangigen Militärs, sei er freigekommen. Bei den Demonstrationen habe der Beschwerdeführer einmal eine Rede gehalten, ansonsten die Reden der Vortragenden im Vorfeld geprüft und Redner_innen eingeleitet. Seine Verurteilung empfinde der Beschwerdeführer als ungerecht; er habe damals auf zwei Mädchen aufgepasst und nur die jüngere beim Wickeln ausgezogen.

Eine schriftliche weitere Stellungnahme wurde in der dafür vorgesehenen Frist von drei Wochen nicht eingebracht.

9. Mit Erkenntnis vom 12.09.2017, W211 2152370-1/10E, wurde der Beschwerde des Beschwerdeführers stattgegeben und ihm der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Weiter wurde festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Festgestellt wurde eine politische Aktivität in Syrien im Rahmen von Demonstrationen sowie eine bereits erfolgte Verhaftung im Jahr 2011. Ebenso wurde die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers festgestellt. In der rechtlichen Begründung wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner aktiven Teilnahme an Demonstrationen und seiner bereits einmal erfolgten Inhaftierung in Syrien Verfolgung aufgrund einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung drohen würde. Das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 6 AsylG wegen der strafgerichtlichen Verurteilung wurde insbesondere wegen der nur geringen Strafhöhe mangels Vorliegen einer Gemeingefährlichkeit verneint.

10. Die belangte Behörde erhob außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des BVwG vom 12.09.2017.

Mit Erkenntnis vom 05.04.2018 behob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des BVwG vom 12.09.2017 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und führte im Wesentlichen dazu aus, dass die Verletzung des von § 207 Abs. 1 StGB geschützten Rechtsgutes dazu führe, dass typischerweise von einem "besonders schweren Verbrechen" im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG auszugehen sei. Die vom BVwG vorgenommene Gefährdungsprognose sei nicht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt, da es nur das im Tenor des Strafurteils wiedergegebene tatbildliche Verhalten des Beschwerdeführers samt der berücksichtigten Milderungs- und Erschwerungsgründe festgestellt und seiner Begründung zugrunde gelegt habe, was sich nicht als ausreichend erweise: Die belangte Behörde habe schon im angefochtenen Bescheid nicht unmaßgebliche Umstände ins Treffen geführt, auf die in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung Bedacht genommen hätte werden müssen. Dazu hätten Feststellungen getroffen werden müssen. Die bloß auf das Strafausmaß und die Strafzumessungsgründe abstellende Beurteilung des BVwG greife demnach zu kurz.

11. Mit Urteil vom XXXX 2019 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht XXXX wegen §§ 15, 127, 130 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei zehn Monate unter der Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Demnach war der Beschwerdeführer schuldig versucht zu haben, fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsabsicht wegzunehmen, und zwar am XXXX 2019 bei XXXX Parfums im Wert von 183,90 ?, wobei er beim Passieren der Kassa vom Ladendetektiv angehalten worden sei, und am XXXX 2019 in einem Bekleidungsgeschäft einen Trainingssweater, eine Jogginghose und eine Winterjacke im Gesamtwert von 237,97 ?, wobei Sicherungsmarken vom Beschwerdeführer abmontiert worden seien, und er vom Ladendetektiv aufgehalten worden sei. Von einem Widerruf der gewährten bedingten Strafnachsicht aufgrund seiner Verurteilung vom XXXX 2017 wurde abgesehen, und die Probezeit auf 5 Jahre verlängert.

12. Am XXXX 2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine neuerliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine Vertretung sowie ein Dolmetscher für Arabisch teilnahmen. Die belangte Behörde hatte sich mit Schreiben vom XXXX 2020 für die Teilnahme entschuldigt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer soweit wesentlich aus, dass es seiner Frau und seinen Töchtern in Syrien schlecht gehe; seine Frau sei einmal 2013 und einmal 2017 verhaftet worden. In Österreich lebe er von der Sozialhilfe; er habe versucht, wegen seiner Hände medizinische Hilfe zu bekommen, und auch Arbeit, das sei aber nicht gelungen. Nach seiner neuen Verurteilung befragt meinte der Beschwerdeführer, dass er wegen psychischer Probleme und unter Einfluss von Alkohol versucht habe, etwas zu stehlen. Zu seiner ersten Verurteilung meinte er, dass er zehn Monate bei jener Familie gewesen sei, gekocht, mit den Kindern gespielt habe. Es gebe einen Unterschied bei Tradition und Mentalität in Syrien und hier; wenn er zu Hause Kinder umarme, sei das in Ordnung. Die kleine Tochter jener Familie habe er gewickelt und gebadet. Die Familie habe er zufällig kennen gelernt; das Haus sei nicht weit von seiner damaligen Unterkunft entfernt gewesen. Zuerst hätten er und zwei weitere Männer Gartenarbeiten erledigt; dann sei er gebeten worden, auf die beiden Mädchen zu schauen. Ein Monat habe er dort gewohnt, als der Ehemann der Familie im Ausland gewesen sei. Er habe kein Problem mit Richtern; vielleicht habe er etwas Falsches gemacht, es aber nicht so gemeint. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien würde er getötet werden; solange Präsident Assad ab der Macht sei, würde sich daran nichts ändern.

13. Nach der mündlichen Verhandlung langten keine schriftlichen Stellungnahmen der Parteien mehr innerhalb der gesetzten Frist ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein männlicher Staatsangehöriger Syriens, ist sunnitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Araber an. Er stellte am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2. Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt Deir ez-Zor. Er wuchs dort auf und besuchte dort die Schule. Der Beschwerdeführer arbeitete als Techniker für Druckmaschinen und betrieb ein Kaffeehaus. Er besaß ein Wohnhaus in Deir ez-Zor. Zum Zeitpunkt der Ausreise lebte der Beschwerdeführer im Haus seines Großvaters.

Die Ehefrau, zwei Töchter sowie weitere Verwandte des Beschwerdeführers leben in Syrien.

1.1.3. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer unter einer posttraumatischen Deformität des rechten Ellenbogens sowie der linken Hand infolge einer Schussverletzung verbunden mit einem massiven funktionellen Defizit (Bewegungseinschränkung) leidet (Ambulanzdekurs der Landesklinik XXXX vom XXXX und XXXX 2017). In Österreich gilt der Beschwerdeführer als mit einem Grad von 50% behindert.

1.1.4. Der Beschwerdeführer besuchte einen Deutsch-Alphabetisierungskurs 1 für Asylwerbende (Bestätigung XXXX vom XXXX 2017) und absolvierte einen Werte- und Orientierungskurs (Teilnahmebestätigung des ÖIF vom XXXX 2017). Er lernt zu Zeit mit Freunden Deutsch, soweit möglich, und ist obdachlos.

1.2. Zu den Verurteilungen:

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2017 nach § 207 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, neun Monate davon bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, sowie zur Kostentragung und einer Zahlung an die Privatbeteiligte verurteilt.

Das Landesgericht XXXX stellte dazu fest, dass der Beschwerdeführer schuldig ist, zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen XXXX 2015 und XXXX 2016 außer im Fall des § 206 Abs. 1 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen zu haben, in dem er ein 2011 geborenes Mädchen an der Scheide oberhalb der Hose betastete. Dadurch hat er das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger nach § 207 Abs. 1 StGB begangen. Als erschwerend wertete das Gericht bei der Strafzumessung keinen Umstand, und als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Strafverfahren am XXXX 2017 gab der Beschwerdeführer als Beschuldigter zusammengefasst an, er bekenne sich nicht schuldig. Wenn behauptet würde, dass er der älteren Tochter eine Herpesinfektion übertragen hätte, so habe er die jüngere Tochter gewaschen und gewickelt, diese aber nicht angesteckt, während er die ältere Tochter über der Kleidung berührt haben und angesteckt haben soll; das würde aus seiner Sicht keinen Sinn ergeben. Auch die Mutter des Kindes habe sich frei bewegt und sogar in Unterwäsche neben ihm geschlafen, da habe es keine sexuellen Kontakte gegeben, aber bei einem kleinen Mädchen sollte es das schon gegeben haben? Er habe mit den Mädchen auch immer wieder gespielt, da könne es schon zu Berührungen gekommen sein, aber niemals vorsätzlich. Vorgehalten wurde ein Gutachten, nachdem das Mädchen - die ältere Tochter - glaubwürdig sei und nicht zu Lügen neige. Weiter wurde angeführt, dass der Vorwurf einer Ansteckung nicht mehr im Raum stehe, sondern ein Berühren oberhalb der Kleidung. Der Beschwerdeführer wiederholte, dass er oft gespielt habe und es zu Berührungen gekommen sein könne, aber nie vorsätzlich. Er habe bei der Familie auch gekocht und geputzt. Die Mutter der Kinder führte in der Verhandlung zusammengefasst aus, dass sie den Beschwerdeführer aufgefordert habe, mit der älteren Tochter nicht mehr auf die Toilette zu gehen, weil diese gemeint habe, das sei ihr unangenehm. Sie habe nicht beobachtet, dass der Beschwerdeführer den Mädchen beim Spielen in den Genitalbereich gegriffen habe. Zum Verhältnis mit dem Beschwerdeführer befragt gab sie an, man sei befreundet gewesen. Beim Spielen habe es natürlich Körperkontakt gegeben; sie [die Mädchen] seien auf dem Beschwerdeführer rumgehüpft. Er sei wie ein Familienmitglied gewesen, man habe zusammen gekocht und gegessen. Anfangs sei er immer abends heimgegangen, später dann habe er auch in einem Gästeraum übernachten können. Beim Fernsehen sei man schon mal nebeneinandergelegen; es könnte auch sein, dass er sie einmal beim Toilettengang in Unterwäsche gesehen habe. Der Beschwerdeführer sei immer respektvoll gewesen. Es stimme, dass der Beschwerdeführer bei der jüngeren Tochter die Windeln gewechselt habe. Die ältere Tochter habe ihr eines Abends beim Schlafengehen gesagt, dass der Beschwerdeführer immer "da unten" hin greife. Sie habe den Verdacht gehabt, dass das mit Toilettengängen zu tun gehabt habe, da der Beschwerdeführer besonders reinlich gewesen sei, und dem Mädchen ein zu starkes "Sauberreiben" vielleicht unangenehm gewesen sei. Deswegen habe sie dann zum Beschwerdeführer gemeint, dass das Mädchen von nun an selbst alles im Klo machen würde. Als sie ihre Tochter dann darauf angesprochen habe, habe diese gemeint, dass nun alles passe. Als die ältere Tochter dann Bläschen [den Ausschlag] bekommen habe, habe sie wieder gemeint, dass der Beschwerdeführer sie angreifen würde. Der Beschwerdeführer sei ein paar Tage vorher dagewesen und habe eine Fieberblase gehabt. Von ihrem Empfinden her sei sie überzeugt, dass der Beschwerdeführer der älteren Tochter auch beim Toilettengang geholfen habe, auch wenn das Kind selbst und der Beschwerdeführer das verneinen würden. Der Vater der Mädchen sagte ebenfalls aus, dass die ältere Tochter auf Nachfrage des Vaters, ob ihr der Beschwerdeführer am WC helfe, gesagt habe, dass das nicht so sei, er aber immer "da unten reingreifen" würde. Vom Spielen des Beschwerdeführers mit den Kindern habe er nicht so viel mitbekommen. Vorgehalten wurde, dass das Mädchen später nicht mehr geschildert habe, dass ihr "reingegriffen" worden sei, sondern sie eine Hose angehabt habe, worauf der Vater meinte, er könne nur wiedergeben, was ihm das Mädchen gesagt habe. Der Beschwerdeführer meinte ergänzend und soweit wesentlich, dass es Widersprüche zwischen den Angaben des Mädchens ("er hat mich ein einziges Mal berührt") und des Vaters ("er berührt mich immer noch") gebe. Auch wäre widersprüchlich, wenn das Mädchen aussagen würde, dass der Beschwerdeführer nicht mit ihr auf die Toilette gegangen sei, die Mutter des Mädchens aber gemeint habe, sie habe gesagt, er solle das Mädchen nicht mehr begleiten (siehe Auszüge aus der gekürzten Urteilsausfertigung des Landesgerichts XXXX sowie Protokoll der Hauptverhandlung vom XXXX 2017 zu XXXX im Verwaltungsakt AS 79ff).

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer eine Schuld an den der Verurteilung zugrundeliegenden Tatbeständen nicht einsieht. Er räumt ein, dass bestimmte Spiele mit den Kindern zu Berührungen geführt haben können, die er jedoch nicht sexuell meinte. Der Beschwerdeführer akzeptiert die Gerichtsentscheidungen, die ihn in Österreich betroffen haben und betreffen. Nach dem Urteil wurden ihm auch die Unterschiede kultureller Art bzw. eine allfällige Grenzüberschreitung beim Spielen mit den Kindern bewusst.

In Bezug auf den der ersten Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt kann ein "besonders perfides, heimtückisches und verwerfliches" Vorgehen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.

Mit Urteil vom XXXX 2019 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht XXXX wegen §§ 15, 127, 130 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei zehn Monate unter der Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Demnach ist der Beschwerdeführer schuldig versucht zu haben, fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsabsicht wegzunehmen, und zwar am XXXX 2019 bei XXXX Parfums im Wert von 183,90 ?, wobei er beim Passieren der Kassa vom Ladendetektiv angehalten wurde, und am XXXX 2019 in einem Bekleidungsgeschäft einen Trainingssweater, eine Jogginghose und eine Winterjacke im Gesamtwert von 237,97 ?, wobei Sicherungsmarken vom Beschwerdeführer abmontiert wurden, und er vom Ladendetektiv aufgehalten wurde. Von einem Widerruf der gewährten bedingten Strafnachsicht aufgrund seiner Verurteilung vom XXXX 2017 wurde abgesehen und die Probezeit auf 5 Jahre verlängert. Beweiswürdigend wurde auf die Angaben der Ladendetektive verwiesen sowie auf eine teilweise geständige Einlassung des Beschwerdeführers selbst. Behauptungen des Beschwerdeführers, er habe beim zweiten Faktum die Kleidung zurücklegen wollen sowie die mitgebrachte Zange nicht für die Entfernung der Sicherung verwendet, wurden durch Entgegenhalten der Angaben des Ladendetektivs sowie mangels Plausibilität entkräftet. Die gewerbsmäßige Absicht ergab sich aus der Verwendung eines besonderen Mittels, sowie aus dem Wert der Gegenstände, aus dem geringen Einkommen des Beschwerdeführers und seinen Schulden. Einem diversionellen Vorgehen stand die wiederholte Tatbegehung und das bereits getrübte Vorleben des Beschwerdeführers entgegen. Mildernd wurde das teilweise Geständnis, der Versuch und die großteils erfolgte objektive Schadensgutmachung gewertet, erschwerend kein Umstand. Damit erschien dem Landesgericht XXXX die Verhängung einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten tat- und schuldangemessen. In Hinblick auf die erste Verurteilung wegen eines Diebstahlsdelikts und die überwiegend vorliegenden Milderungsgründe war davon auszugehen, dass die Verbüßung von fünf Monaten Freiheitsstrafe ausreichen wird. Das Absehen vom Widerruf der gewährten bedingten Strafnachsicht aus dem Urteil vom XXXX 2017 wurde damit begründet, dass diese Verurteilung nicht einschlägig war, und aufgrund der gegenständlich verhängten Freiheitsstrafe davon auszugehen ist, dass es weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen zusätzlich des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht bedarf. Um einen Anreiz für ein Wohlverhalten zu geben, wurde die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer das Urteil angenommen und akzeptiert hat. Er gibt an, aus seiner Vergangenheit gelernt zu haben.

1.3. Zum fluchtauslösenden Vorbringen:

Der Beschwerdeführer beteiligte sich im Jahr 2011 an Vorbereitungshandlungen für Großdemonstrationen gegen das syrische Regime im Rahmen des oppositionellen Netzwerks " XXXX ". Er trat im Rahmen einer Demonstration auch zumindest einmal auf und sprach einleitende Worte. Durch dieses Verhalten zog er die Aufmerksamkeit der syrischen Behörden auf sich.

Aufgrund dessen wurde er von der syrischen Regierung festgenommen und ca. ein Monat festgehalten (Festnahmebestätigung Militärgericht Deir ez-Zor vom XXXX 2011, im Verwaltungsakt AS 49ff). Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer eine regimefeindliche Gesinnung zumindest unterstellt wird, insbesondere deshalb, da eine gewisse Nähe zur syrischen Opposition, und besonders zur FSA, plausibel erscheint.

Der Beschwerdeführer verließ daher sein Heimatland aufgrund einer drohenden Verfolgung aufgrund seiner (zumindest unterstellten) oppositionellen politischen Gesinnung.

Darüber hinaus stammt der Beschwerdeführer aus Deir ez-Zor, und ist eine Besonderheit des Konflikts der Umstand, dass die verschiedenen Konfliktparteien oftmals größeren Personengruppen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen bzw. ethnischen Gruppen sowie ganzen Städten, Dörfern und Wohngebieten, eine politische Meinung unterstellen.

Bezüglich der Machtverhältnisse in Deir ez-Zor ist festzustellen, dass die Stadt zunächst zwischen 2011 und Anfang 2014 Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen der syrischen Armee und der FSA war. Jedoch drängte die syrische Regierung die Aufständischen zurück. Ende desselben Jahres rückte der IS auf die Stadt vor, dem es gelang, Teile davon einzunehmen. Der IS konnte diese jedoch nicht auf Dauer halten. 2017 kontrollierte der IS das Umland und große Teile des Ostens der Stadt, während das syrische Regime den Westen und insbesondere den Militärflughafen beherrschte. Mittlerweile ist Deir ez-Zour grundsätzlich unter der Kontrolle syrischer Regierungskräfte bzw. regierungsnaher Kräfte.

1.4. Zur Situation in Syrien wird festgestellt wie folgt

a)

Deir ez-Zour [Deir ez-Zor]:

Die Regierung besitzt nicht die nötigen Kapazitäten, um alle von ihr gehaltenen Gebiete auch tatsächlich zu kontrollieren. Daher greift die Regierung auf unterschiedliche Milizen zurück, um manche Gegenden und Checkpoints in Aleppo, Lattakia, Tartous, Hama, Homs und Deir ez-Zour zu kontrollieren. Es gibt auch Berichte, wonach es in einigen Gebieten zu Zusammenstößen sowohl zwischen den unterschiedlichen Pro-Regierungs-Milizen als auch zwischen diesen und Regierungstruppen gekommen ist (DIS/DRC 2.2019).

Rechtsschutz / Justizwesen: Gebiete unter der Kontrolle des syrischen Regimes

Das Justizsystem Syriens besteht aus Zivil-, Straf-, Militär-, Sicherheits- und religiösen Gerichten sowie einem Kassationsgericht. Gerichte für Personenstandsangelegenheiten regeln das Familienrecht (SLJ 5.9.2016). 2012 wurde in Syrien ein Anti-Terror-Gericht (Counter Terrorism Court - CTC) eingerichtet. Dieses soll Verhandlungen aufgrund "terroristischer Taten" gegen Zivilisten und Militärpersonal führen, wobei die Definition von Terrorismus im entsprechenden Gesetz sehr weit gefasst ist (SJAC 9.2018). Verschiedene Organisationen kritisieren das Anti-Terror-Gericht (CTC) und die Militärgerichte wegen Mängeln bezüglich des fairen Verfahrens. Die Verhandlungen dauern angeblich oft nur wenige Minuten und enthalten als Beweise oft nur unter Folter erzwungene Geständnisse (USDOS 13.3.2019). Für die Militärgerichte gibt es keine Berufungsmöglichkeit und sie können die Bestellung eines Rechtsanwaltes verweigern (EIP 6.2019).

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Behörden üben auf die Gerichte jedoch oft politischen Einfluss aus. Staatsanwälte und Strafverteidiger sind oft Gegenstand von Einschüchterung und Misshandlung. Die Ergebnisse von Fällen mit politischem Kontext scheinen schon vorbestimmt zu sein. Das Recht auf ein öffentliches Verfahren ist in der Verfassung festgehalten, wird jedoch in der Praxis nicht respektiert. Regierungsbehörden verhafteten Zehntausende Menschen, u.a. Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, religiöse Führer sowie Mitarbeiter von NGOs, Hilfsorganisationen und medizinischen Einrichtungen ohne diesen Zugang zu einem fairen öffentlichen Verfahren zu garantieren. Berichten zufolge werden Verdächtige auch ohne Kontakt zur Außenwelt ("incommunicado") und für überlange Zeit festgehalten. Bei Vorwürfen, welche die nationale Sicherheit oder politische Vergehen betreffen, soll es häufig zu geheimen Verhaftungen kommen (USDOS 13.3.2019).

In Syrien vorherrschend und von langer Tradition ist eine Diskrepanz zwischen dem geschriebenen Recht und der Implementierung der Gesetze in der Praxis. Die in den letzten Jahren noch angewachsene und weit verbreitete Korruption hat diese Diskrepanz noch zusätzlich verstärkt. Das Justizsystem in Syrien kann nicht als unabhängig und transparent angesehen werden und steht unter der Kontrolle der Exekutivgewalt und ihrer Zweige (ÖB 7.2019). Das deutsche Auswärtige Amt beurteilte die Unabhängigkeit der syrischen Justiz bereits vor dem Aufstand als mangelhaft. Der Aufstand und der bewaffnete Konflikt in Syrien gehen mit massiver Repression, grassierender Korruption und einer Politisierung des Gerichtswesens durch die Regierung einher. Mittlerweile sind syrische Gerichte, ganz gleich ob Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit, korrupt, nicht unabhängig, und werden für politische Zwecke missbraucht. In keinem Teil Syriens gibt es Rechtssicherheit oder verlässlichen Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter (AA 13.11.2018). Die Rechtsstaatlichkeit ist schwach ausgeprägt, wenn nicht mittlerweile gänzlich durch eine Situation der Straffreiheit untergraben, in der Angehörige von Sicherheitsdiensten ohne strafrechtliche Konsequenzen und ohne jegliche zivile Kontrolle operieren können (ÖB 7.2019). Generell ist die Willkür in Syrien seit dem Ausbruch des Konfliktes gestiegen (FIS 14.12.2018).

Sicherheitsbehörden und regierungstreue Milizen

Die Regierung hat zwar die effektive Kontrolle über die uniformierten Polizei-, Militär- und Staatssicherheitskräfte, nicht jedoch über ausländische und einheimische militärische oder paramilitärische Einheiten, z.B. russische Streitkräfte, Hisbollah, Islamische Revolutionsgarden und nicht uniformierte Milizen wie die National Defense Forces (NDF) (USDOS 13.3.2019). Der Präsident stützt seine Herrschaft auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Geheimdienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von Verwandten oder engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen (AA 13.11.2018). Straflosigkeit unter den Sicherheitsbehörden bleibt ein weit verbreitetes Problem. Das Generalkommando der Armee und der Streitkräfte kann im Fall von Verbrechen von Militäroffizieren, Mitgliedern der internen Sicherheitskräfte oder Zollpolizeioffizieren im Rahmen ihrer beruflichen Pflichten, einen Haftbefehl ausstellen. Solche Fälle müssen vor einem Militärgericht verhandelt werden. In der Praxis sind keine Fälle von Strafverfolgung oder Verurteilung von Polizei- und Sicherheitskräften hinsichtlich Misshandlung und Korruption bekannt. Die Sicherheitskräfte operieren unabhängig und im Allgemeinen außerhalb der Kontrolle des Justizwesens. Es gibt auch keine Berichte von Maßnahmen der Regierung, um die Einhaltung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu verbessern (USDOS 13.3.2019).

Russland, Iran, die libanesische Hizbollah und Einheiten mit irakischen Kämpfern unterstützen die syrische Regierung, unter anderem mit Einsätzen an der Seite der syrischen Streitkräfte (KAS 4.12.2018a).

Es ist schwierig Informationen über die Aktivitäten von spezifischen Regierungs- oder regierungstreuen Einheiten zu spezifischen Zeiten oder an spezifischen Orten zu finden, weil die Einheiten seit dem Beginn des Bürgerkrieges oft nach Einsätzen organisiert ("task-organized") sind oder aufgeteilt oder für spezielle Einsätze mit anderen Einheiten zusammengelegt werden. Berichte sprechen oft von einer speziellen Militäreinheit an einem bestimmten Einsatzort (z.B. einer Brigade) wobei die genannte Einheit aus Teilen mehrerer verschiedener Einheiten nur für diesen speziellen Einsatz oder eine gewisse Zeit zusammengesetzt wurde (Kozak 28.12.2017).

Zivile und militärische Sicherheits- und Nachrichtendienste, Polizei: Die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden arbeiten autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen. Das Innenministerium kontrolliert vier verschiedene Abteilungen der Polizei: Notrufpolizei, Verkehrspolizei, Nachbarschaftspolizei und Bereitschaftspolizei ("riot police") (USDOS 13.3.2019).

Es gibt vier Hauptzweige der Sicherheits- und Nachrichtendienste: den Militärischen Nachrichtendienst, den Luftwaffennachrichtendienst, das Direktorat für Politische Sicherheit und das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat (USDOS 13.3.2019; vgl. EIP 6.2019). Diese vier Dienste arbeiten unabhängig voneinander und größtenteils außerhalb des Justizsystems, überwachen einzelne Staatsbürger und unterdrücken oppositionelle Stimmen innerhalb Syriens (GS 11.2.2017). Jeder Geheimdienst unterhält eigene Gefängnisse und Verhöreinrichtungen, bei denen es sich de facto um weitgehend rechtsfreie Räume handelt. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle im Zuge des Konfliktes verteidigt oder sogar weiter ausgebaut (AA 13.11.2018). Vor 2011 war die vorrangige Aufgabe der Nachrichtendienste die syrische Bevölkerung zu überwachen. Seit dem Beginn des Konfliktes nutzte Assad den Sicherheitssektor, um die Kontrolle zu behalten. Diese Einheiten überwachten, verhafteten, folterten und exekutierten politische Gegner sowie friedliche Demonstranten. Um seine Kontrolle über die Sicherheitsdienste zu stärken, sorgte Assad künstlich für Feindschaft und Konkurrenz zwischen ihnen. Um die Loyalität zu sichern wurde einzelnen Behörden bzw. Beamten die Kontrolle über alle Bereiche des Staatswesens in einem bestimmten Gebiet überlassen, was für diese eine enorme Geldquelle darstellt (EIP 6.2019).

Die Sicherheitskräfte nutzen eine Reihe an Techniken, um Bürger einzuschüchtern oder zur Kooperation zu bringen. Diese Techniken beinhalten im besten Fall Belohnungen, andererseits jedoch auch Zwangsmaßnahmen wie Reiseverbote, Überwachung, Schikanen von Individuen und/oder deren Familienmitgliedern, Verhaftungen, Verhöre oder die Androhung von Inhaftierung. Die Zivilgesellschaft und die Opposition in Syrien erhalten spezielle Aufmerksamkeit von den Sicherheitskräften, aber auch ganz im Allgemeinen müssen Gruppen und Individuen mit dem Druck der Sicherheitsbehörden umgehen (GS 11.2.2017; vgl. USDOS 13.3.2019).

Der Sicherheitssektor stellt die allgegenwärtige Kontrolle über die Gesellschaft (sowohl informell als auch formell) wieder her. Festnahmen und Inhaftierungen werden genutzt, um Informationen zu erhalten, jene, die als illoyal gesehen werden, zu bestrafen und um Geld für die Freilassung der Inhaftierten zu erpressen (EIP 6.2019).

Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen, wobei das Strafgesetzbuch eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis für Täter vorsieht. Nichtsdestotrotz wenden die Sicherheitskräfte in Tausenden Fällen solche Praktiken an (USDOS 13.3.2019). Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet (HRW 18.1.2018; vgl. AI 22.2.2018, USDOS 13.3.2019, AA 13.11.2018). Sie richten sich von Seiten der Regierung insbesondere gegen Oppositionelle oder Menschen, die vom Regime als oppositionell wahrgenommen werden (AA 13.11.2018).

NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 13.3.2019; vgl. TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung soll hierbei auch auf Personen abzielen, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 13.3.2019). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 13.11.2018; vgl. AI 22.2.2018).

Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Diese Bedingungen waren so durchgängig, dass die UN Commission of Inquiry zu dem Schluss kam, diese seien Regierungspolitik. Laut Berichten von NGOs gibt es zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leerstehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festhalten werden. Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt ("incommunicado") an unbekannten Orten fest (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018, SHRC 24.1.2019). Von Familien von Häftlingen wird Geld verlangt, dafür dass die Gefangenen Nahrung erhalten und nicht mehr gefoltert werden, was dann jedoch nicht eingehalten wird. Große Summen werden gezahlt, um die Freilassung von Gefangenen zu erwirken (MOFANL 7.2019).

In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht. Im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Folter und Todesfällen. Selten wird ein Häftling freigelassen. Unschuldige bleiben oft in Haft, um Geldsummen für ihre Freilassung zu erpressen oder um sie im Zuge eines "Freilassungsabkommens" auszutauschen (SHRC 24.1.2019).

Seit Sommer 2018 werden von den Regierungsbehörden Sterberegister veröffentlicht, wodurch erstmals offiziell der Tod von 7.953 Menschen in Regierungsgewahrsam bestätigt wurde, wenn auch unter Angabe wenig glaubwürdiger amtlich festgestellter natürlicher Todesursachen (Herzinfarkt, etc.). Berichte von ehemaligen Insassen sowie Menschenrechtsorganisationen benennen als häufigste Todesursachen Folter, Krankheit als Folge mangelnder Ernährung und Hygiene in den Einrichtungen und außergerichtliche Tötung (AA 13.11.2018; vgl. SHRC 24.1.2019). Die syrische Regierung übergibt die Überreste der Verstorbenen nicht an die Familien (HRW 17.1.2019).

Mit Stand Dezember 2018 ist der Verbleib von 100.000 syrischen Gefangenen noch immer unbekannt. Laut Menschenrechtsgruppen und den Vereinten Nationen sind wahrscheinlich Tausende, wenn nicht Zehntausende davon umgekommen (TWP 23.12.2018).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind jedoch keine Neuerung der Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Allgemeine Menschenrechtslage

Schätzungen besagen, dass etwa eine halbe Million Menschen im syrischen Bürgerkrieg getötet wurden (BS 2018).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Ein Dekret von 2011 erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Die Regierung erlaubt nur regierungsnahen Gruppen offizielle Parteien zu gründen und zeigt wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien, auch jenen, die mit ihr verbündet sind. Parteien wie das Communist Union Movement, die Communist Action Party und die Arab Social Union werden schikaniert. Gesetze, welche die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen verbieten, wurden auch verwendet um Hunderte Mitglieder von Menschenrechts- und Studentenorganisationen zu verhaften. Es gibt auch zahlreiche Berichte zu anderen Formen der Belästigung von Menschenrechtsaktivisten, Oppositionellen oder Personen, die als oppositionell wahrgenommen werden, von Reiseverboten, Enteignung und Überwachung bis hin zu willkürlichen Festnahmen, "Verschwindenlassen" und Folter (USDOS 13.3.2019).

Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Frauen mit familiären Verbindungen zu Oppositionskämpfern werden z.B. als Vergeltung oder zur Informationsgewinnung festgenommen. Außerdem werden Personen festgenommen, die Kontakte zu Verwandten oder Freunden unterhalten, die in oppositionell kontrollierten Gebieten leben (UNHRC 31.1.2019).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind keine Neuerung der letzten Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Weitere schwere Menschenrechtsverletzungen, derer das Regime und seine Verbündeten beschuldigt werden, sind willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, darunter auch der Einsatz von chemischen Waffen; Massaker und Vergewaltigungen als Kriegstaktik; Einsatz von Kindersoldaten sowie übermäßige Einschränkungen der Bewegungs-, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, inklusive Zensur. Die Regierung überwacht die Kommunikation im Internet, inklusive E-Mails, greift in Internet- und Telefondienste ein und blockiert diese. Die Regierung setzt ausgereifte Technologien und Hunderte von Computerspezialisten für Überwachungszwecke ein (USDOS 13.3.2019).

Orte, die im Laufe der vergangenen Jahre wieder unter die Kontrolle der Regierung gelangt sind, erlebten organisierte und systematische Plünderungen durch die bewaffneten Einheiten der Regierung (SHRC 24.1.2019). Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien oft zurückhaltend über die Situation in diesen Gebieten zu berichten (USDOS 13.3.2019).

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).

Ein- und Ausreise, Situation an Grenzübergängen

Die syrische Regierung kann die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert, verweigern. Das syrische Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum und schließt regelmäßig den Flughafen Damaskus und Grenzübergänge, angeblich aus Sicherheitsgründen. Die Regierung verbietet durchgängig die Ausreise von Mitgliedern der Opposition. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Grund oder Gültigkeitsdauer werden häufig nicht genannt (USDOS 13.3.2019).

Jordanien: Im Juni 2016 hat die jordanische Regierung den Grenzübergang zu Syrien für syrische Flüchtlinge wegen Sicherheitsbedenken geschlossen und auch die Durchfahrt für Hilfsleistungen gestoppt, nachdem bei einem Selbstmordanschlag des sogenannten Islamischen Staats (IS) in dem Gebiet sieben jordanische Soldaten getötet worden waren (DS 5.10.2016). Nachdem er drei Jahre lang geschlossen war, wurde der Nassib-Grenzübergang zwischen Jordanien und Syrien Mitte Oktober 2018 eingeschränkt wiedereröffnet (ÖB 7.2019).

Israel: Auch der Grenzübergang Quneitra zwischen von Syrien und Israel kontrollierten Gebieten der Golanhöhen wurde im Oktober 2018 wieder geöffnet (TDSL 16.10.2018; vgl. BBC 15.10.2018). Laut des israelischen Militärs sind derzeit nur UNO-Peacekeeper berechtigt, den Grenzübergang zu benutzen (Reuters 15.10.2018). Syrien und Israel befinden sich offiziell noch im Kriegszustand (TJT 15.10.2018).

Türkei: Eine Einreise über die Landgrenze aus der Türkei nach Syrien ist möglich (DIS/DRC 2.2019). Von insgesamt 20 sind drei Grenzübergänge geöffnet: Cilvegözü - Bab al-Hawa, Öncüpinar - Bab al-Salam und Karkamis - Jarabulus (VB 7.3.2019). Auf syrischer Seite befinden sich die drei Grenzübergänge mit Stand März 2019 unter der Kontrolle von Hay'at Tahrir al-Sham (Bab al-Hawa, Provinz Idlib) und von türkisch gestützten oppositionellen Gruppierungen bzw. der Freien Syrischen Armee (Bab al-Salam und Jarabulus, Provinz Aleppo) (Liveuamap 6.3.2019; vgl. ISW 8.2.2019). Berichten zufolge, ist die Grenze für syrische Flüchtlinge geschlossen. Beim Versuch die Grenze zu überqueren, wurden in der Vergangenheit auch schon syrische Flüchtige erschossen (HRW 9.10.2018; PAX 17.9.2018). Im April 2017 stellte die Türkei eine Grenzmauer zwischen Syrien und der Türkei fertig. Die Mauer erstreckt sich über mehr als die Hälfte der 911 Kilometer langen syrisch-türkischen Grenze (Spiegel 12.4.2017).

Irak: Der Zugang zur syrisch-irakischen Grenze war durch die Präsenz des IS seit 2014 eingeschränkt (Kozak 28.12.2017). Der Peshkhabour-Grenzübergang zwischen Irakisch-Kurdistan und kurdisch kontrollierten Gebieten in Nordsyrien war lange Zeit als einziger Grenzübergang zwischen Irak und Syrien de facto aktiv. Die Situation am Grenzübergang wurde in der Vergangenheit von politischen Auseinandersetzungen zwischen den syrisch-kurdischen Volksverteidigungskräften (YPG) und der Regionalregierung Kurdistan-Iraks (KRG) beeinflusst, was zu regelmäßigen Schließungen und Zugangsbeschränkungen für Syrer und Palästinenser aus Syrien führte (Kozak 28.12.2017).

Berichten zufolge wird die syrische Regierung über Ein- und Ausreise von syrischen Staatsangehörigen über die kurdisch kontrollierten Gebiete Syriens informiert (NRC 30.9.2018).

Seit dem 30. September 2019 ist der Grenzübergang zwischen Al Qa'im (Irak) und Al Bukamal (Syrien) für den Personen- und Warenverkehr wieder geöffnet (Reuters 30.9.2019; vgl. Haaretz 30.9.2019). Die Öffnung der Grenze soll auch positive Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern haben (Haaretz 30.9.2019).

Libanon: Die Einreise über die syrisch-libanesische Grenze nach Syrien ist aktuell möglich und wird häufiger als Einreisemöglichkeit genutzt als der Flughafen in Damaskus (DIS/DRC 2.2019).

b) Kontrolllage in Deir ez-Zor von Juli 2011 bis Juni 2012:

July 2011 - May 2012 clashes

On 31 July 2011, the government sent the Syrian Arab Army into several Syrian cities to control protests on the eve of Ramadan, as part of a nationwide crackdown, nicknamed the "Ramadan Massacre" by opposition activists. One of the cities was Deir ez-Zor.

By 13 August 2011, anti-government activists reported that at least 89 people were killed in the city and its hinterland.

On 17 August, the military ordered a partial retreat of its forces to let a police-guided group of journalist to tour the city. Tanks and armored vehicles moved from the city center to camps on the outskirts.

On 26 November 10 soldiers were killed by defectors in fierce clashes around the city. Several rebel casualties were also reported.

On 4 January 2012, security forces and government loyalists allegedly shot dead at least 22 people, most of them in the Deir ez-Zor province, activist groups said. At least 15 civilians died on 10 January.

During UN-brokered cease-fire

On 30 April 2012, rebels attacked an army base in the city, killing 12 soldiers. Security forces responded with heavy-machine gun and mortar fire, killing at least one civilian and demolishing a school building.

On 19 May 2012, a car bomb exploded in the town, killing nine people. The blast struck a parking lot for a military intelligence complex.

On 22 May, it was reported that two protesters were killed by Syrian police in the presence of U.N observers, who immediately left the area. By this point, it was reported that many towns and villages were under rebel control in the Deir ez-Zor province.

2012-2014 battle for control

June 2012 fighting

On 13 June, hundreds of Syrian Army troops, backed by tanks, stormed Deir ez-Zor in response to attacks by the Free Syrian Army in the previous week which destroyed several tanks and APCs and killed dozens of soldiers. Large swaths of the province fell into rebel hands after the alliance between the ruling Alawite elite and Sunni tribes collapsed, leaving government troops with stretched supply lines.

On 20 June, the Syrian army heavily shelled positions held by the Free Syrian Army in the city of Abu Kamal, on the Iraqi border. At that time, residents of the Iraqi border town of Al-Qaim and activists inside Abu Kamal reported the intense shelling by the army had lasted 24 hours, but that the Free Syrian Army still held the city and the important border crossing.

On 23 June, fighting erupted at Deir ez-Zor airport after the FSA made an attempt to capture it. According to the rebels, 40 military officers, including a first-Lieutenant, defected together with their weapons. The result of the fighting remained unclear.

On 24 June, government forces shelled residential areas of the city for the second day, killing at least 20 people, following which the military withdrew to the outskirts.

On 27 June, 10 soldiers were killed while 15 others defected in Deir ez-Zor.

On 28 June, it was reported that the opposition almost entirely controlled the city of Deir ez-Zor, while the military continued its intense shelling, trying to take it back. Human rights activist groups stated that this assault with tanks and artillery had killed over 100 residents. The government also reportedly told doctors not to treat people at local hospitals and targeted with mortar fire hospitals that refused the command. Humanitarian aid workers from the Syrian Arab Red Crescent were targeted by the Army, killing one worker.

On 29 June, according to the state news agency SANA, the Army destroyed a rebel pick-up armed with a machine gun, killing all the rebels inside.

On 1 July, five rebels were killed planting an IED near the city.

On 4 July, four soldiers were killed by rebels in Deir ez-Zor. The same day, SANA reported that many rebels had been killed when the Army destroyed six of their cars.

On 7 July, state-controlled news agency SANA reported that regime forces clashed with a rebel group in the al-Sheik Yassin neighborhood, inflicting heavy losses on the rebels. Among the killed were Omar al-To'ma and Qusai Abdul-Majd al-Ani. Four armed pick-up trucks belonging to the rebels were also destroyed during the clash.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers und seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Die Identität wurde auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Religionsbekenntnis, zur Herkunft, Schulbildung und Berufstätigkeit in Syrien sowie zu den Familienangehörigen in Syrien ergeben sich teilweise bereits aus den Feststellungen der belangten Behörde und aus dem Akteninhalt (Kopie Familienbuch AS 47f).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers basieren auf den vorgelegten Unterlagen und seinen Angaben im Laufe des Verfahrens. Die Feststellung zum Grad der Behinderung des Beschwerdeführers beruht auf seinem Behindertenpass, der im Rahmen der Verhandlung am XXXX 2020 vorgelegt wurde und in Kopie im Verwaltungsakt einliegt.

Die Feststellungen zum Besuch von Deutschkursen, vom Werte- und Orientierungskurs sowie zur aktuellen privaten Situation des Beschwerdeführers gründen sich auf die unter 1.1.4. angeführten Unterlagen, die auch im Verwaltungsakt aufliegen, sowie auf die glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers selbst in der Verhandlung vom XXXX 2020.

2.2. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen ergeben sich aus den im Akt aufliegenden Unterlagen des Landesgerichts XXXX (AS 77ff, Hauptverhandlungsprotokoll und gekürzte Urteilsausfertigung) und des Landesgerichts XXXX (Protokollvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung).

Die Feststellungen zur Haltung des Beschwerdeführers zu seiner ersten Verurteilung beruhen auf seinen eigenen Angaben im Laufe des Verfahrens. Dazu meinte er im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom XXXX 2020 (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

" [...] R: Ich möchte mit Ihnen zuerst über Ihre erste Verurteilung sprechen, die schon Gegenstand der ersten Verhandlung hier gewesen ist: Was sagen Sie nun im Rückblick zu dieser Verurteilung vom LG XXXX vom XXXX 2017? Können Sie sich daran noch erinnern?

P: Ja, ich erinnere mich. Das Urteil war teilweise Unrecht. Ich bin selbst Vater und habe das Mädchen nicht angegriffen. Ich habe selbst zwei Töchter.

R: Jetzt ist es aber so, dass Sie doch verurteilt wurden.

P: Der Richter hat mich verurteilt, wegen der Aussage des Kindes und der Mutter. Aber in meinem ganzen Leben, .... Ich spiele mit meinen Kindern, ich trage sie auf den Schultern. Ich bin behindert und ich kann mit meinen Händen nicht gut umgehen. Ich brauch jemanden, der mir hilft, aufs Klo zu gehen. Ich kann aber gegen das Urteil nichts machen. Ich weiß, das Urteil war teilweise falsch, aber ich habe es trotzdem angenommen. [...]

R: Nun wurden Sie am XXXX 2019 vom LG XXXX erneut verurteilt, diesmal wegen §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB: was sagen Sie dazu?

P: Das ist richtig.

R: Was ist damals passiert?

P: Aufgrund von psychischen Problemen gemeinsam mit Alkohol und Tabletten habe ich versucht, etwas zu stehlen, aber die Security hat mich erwischt. Ich habe die gestohlenen Sachen zurückgegeben.

R: Nachdem die Security Sie erwischt hat?

P: Es ist richtig. Ich habe im Geschäft etwas gestohlen, aber ich habe es zurückgegeben. Ich habe die Sachen vorher zurückgegeben. Der Security hat mich über die Kamera gesehen, als ich die Etiketten zerrissen habe.

R: Das ist nicht das, was im Strafgericht hervorgekommen ist. R zitiert aus dem Urteil vom XXXX 2019.

R: Daraus geht nicht hervor, dass Sie die Sachen zurückgelegt haben, bevor Sie das Geschäft verlassen haben?

P: Das ist nicht richtig.

R: Das Strafgericht sagt, dass Sie erst, als Sie den Alarm gehört haben, die Jacke weggeschmissen haben.

P: Nein, nein. Ich sage, es ist richtig, dass ich versucht habe, etwas zu stehlen. Ich bin auch mit dem Urteil einverstanden. Ich war aber nicht außerhalb des Geschäfts mit den gestohlenen Sachen beim zweiten Vorfall. Ich war damals betrunken und habe Tabletten geschluckt.

R: Jetzt haben wir schon zwei Verurteilungen vom Strafgericht; wie soll Ihr Leben jetzt in Zukunft in Österreich ausschauen?

P: Ich bin alleine hier. Ich kann nichts machen alleine. Ich kann nicht auf die Toilette gehen. Ich war damals bei der Familie 10 Monate. Ich habe gekocht, habe mit dem Kind gespielt. Ihre Kinder waren wie meine Kinder. Wenn ich das Kind umarme, dann ist das bei mir zu Hause total in Ordnung. Es gibt da einen Unterschied zwischen der Mentalität und Tradition in Österreich und in Syrien. Nach dem Urteil war mir dieser Unterschied bewusst. Ich habe kein Problem mit Richtern. Vielleicht habe ich etwas Falsches gemacht, aber ich habe es nicht so gemeint. Ich will einfach nur leben. Ich war Babysitter von zwei Kindern bei dieser Familie. Die Kleine habe ich auch gebadet, gewickelt. Ich habe alles für sie gemacht, essen, waschen, wickeln.

R: Wie haben Sie diese Familie eigentlich kennengelernt?

P: Ich habe sie zufällig kennengelernt. Sie haben mich gebeten, dass ich ihnen helfe.

R: Bei welcher Gelegenheit kamen Sie zu dieser Familie?

P: Das Haus war nicht weit von meiner damaligen Wohnung entfernt. Die Frau wusste, dass ich Asylwerber bin. Sie hat mich damals angesprochen und wollte mich und zwei andere junge Männer für Gartenarbeit engagieren. Das hat dann so angefangen. Ich habe dann im Garten und im Haus Hilfstätigkeiten erledigt, und irgendwann hat sie mich gebeten auch auf die Kinder zu schauen. Das hat sie mich gefragt, nicht die anderen. Ich war fast jeden Tag dort. Aber ein Monat habe ich auch dort gewohnt, als ihr Mann im Ausland war. Das war im Jahr 2016. Die Beziehung war angenehm. Wir waren befreundet. Für mich waren sie wie eine Familie.

R: Sie wurden bereits zweimal verurteilt. Wie stellen Sie sich jetzt Ihre Zukunft weiter in Österreich vor?

P: Ich will meine Familie herholen in die Sicherheit. Ich versuche mit allen Möglichkeiten schlechte Situationen zu vermeiden. Ich bin kein Engel, ich mache Fehler, wie andere auch. Ich versuche, schlechte Situationen zu vermeiden. Ich habe aus der Vergangenheit gelernt. Ich werde das nicht mehr machen. [...]".

Aus den - konsistenten und glaubhaften - Angaben des Beschwerdeführers geht hervor, dass er tatsächlich nach wie vor Schwierigkeiten damit hat, Verantwortung im Zusammenhang mit seiner ersten Verurteilung zu übernehmen. Andererseits geht daraus aber auch hervor, dass er sich mit dem Faktum seiner Verurteilung und den möglichen Gründen dafür auseinandergesetzt und die Problematik sehr wohl erkannt hat.

Insoweit die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung im Vorgehen des Beschwerdeführers ein "besonders perfides, heimtückisches und verwerfliches" (AS 478, S. 132 des angefochtenen Bescheids) erkennt, kann dieser Einschätzung vom Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt werden. Inwieweit sich - über den den Tatbestand bereits erfüllenden Sachverhalt hinaus - im Verhalten des Beschwerdeführers eine besondere Heimtücke befunden haben soll, ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht nicht aus der (wertenden) Zusammenfassung durch die belangte Behörde (ebda.), noch aus den Unterlagen zum Strafverfahren - so insbesondere aus dem Hauptverhandlungsprotokoll (vgl. die dazugehörenden Feststellungen oben unter 1.2., auch zu den Angaben der Zeugin und des Zeugen im Verfahren) - oder aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers (vgl. die oben dargestellten Auszüge aus dem Verhandlungsprotokoll vom XXX

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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