TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/6 W209 2218509-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.04.2020
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Entscheidungsdatum

06.04.2020

Norm

ASVG §273
AVG §68
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W209 2218509-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, vom 05.03.2019 betreffend Zurückweisung des Antrages vom 27.02.2019 auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit angefochtenem Bescheid vom 05.03.2019 wies die belangte Behörde (im Folgenden: PVA) den Antrag der Beschwerdeführerin vom 27.02.2019 auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Begründend führte die PVA aus, dass das aufgrund des Antrages vom 27.02.2019 gemäß §§ 255 Abs. 7 und 271 ASVG eingeleitete Verfahren auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ergeben habe, dass dieser Antrag erneut die sachliche Behandlung der bereits mit Bescheid vom 14.01.2009 entschiedenen Sache zum Gegenstand habe. Diesem Leistungsverfahren habe zugrunde gelegen, dass die Beschwerdeführerin nicht die erforderliche Mindestanzahl von 120 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung erworben habe. Da die Beschwerdeführerin weiterhin nicht die erforderliche Mindestanzahl von 120 Beitragsmonaten in der Pflichtversicherung erworben habe, sei weder eine Änderung in den für die Beurteilung als maßgeblich erachteten Umständen noch in der maßgeblichen Rechtslage eingetreten. Einer neuerlichen Sachentscheidung sei daher die Rechtskraft des Bescheides vom 14.01.2009 entgegengestanden, weswegen der Antrag zurückzuweisen gewesen sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, in der ausführte, dass der verfahrensgegenständliche Antrag vom 27.02.2019 auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension auf den Eintritt der Invalidität vor ihrem 27. Lebensjahr gestützt worden sei. Die PVA sei darauf nicht eingegangen und habe die Ablehnung lediglich auf die Rechtskraft ihrer Entscheidung vom 14.01.2009 gegründet. Die damalige Begründung, nämlich das Nichterreichen von mindestens 120 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung, wäre in ihrem seinerzeitigen Alter von 21-einhalb Jahren wohl auch nicht möglich gewesen. Es seien wichtige, im Folgenden angeführte Tatsachen nicht berücksichtigt worden: Ihre gesundheitlichen Probleme seien bereits 2002, im Alter von 15 Jahren, aufgetreten. Sie habe begonnen sich selbst zu verletzen, was zunächst psychologisch/ambulant behandelt worden sei. Ihre Schulleistungen hätten abgenommen. Sie habe zwar die neunte Schulstufe absolviert, aber kein positives Abschlusszeugnis erhalten. Im September 2003, im Alter von knapp 16 Jahren, sei sie stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des AKH Wien aufgenommen worden. Die Krankengeschichte sei bereits beim AKH angefordert worden und werde bei Einlangen nachgereicht werden. Diese zeige zwischen 2003 und 2006 lange stationäre Aufenthalte, später auch in der Psychiatrischen Abteilung für Erwachsene. Der mangelnde positive Schulabschluss und ihr gesundheitlicher Zustand hätten ihr in der Folge keine berufliche Ausbildung mehr ermöglicht. Ab November 2005 sei sie vom Bundessozialamt als mit 50 % behindert eingestuft worden. Sie habe Pflegegeld erhalten und ihre Eltern erhöhte Familienbeihilfe. Ab dieser Zeit sei sie kontinuierlich bis zu dreimal wöchentlich psychiatrisch und psychologisch betreut worden. Trotz alldem habe sie ab 2006 versucht, ins Arbeitsleben einzutreten. Leider sei dies immer nur von kurzer Dauer gewesen. Auch diverse AMS-Schulungen und andere öffentliche Fördermaßnahmen hätten daran nichts geändert. Ihre Versuche ab 2009 einer künstlerisch-selbständigen Beschäftigung seien wirtschaftlich völlig erfolglos gewesen. Zwischen 2015 und 2018 sei sie rund dreieinviertel Jahre Unternehmerin gewesen. Dies habe in einem dramatischen Konkurs geendet. Vor und nach ihrer Scheidung im August 2018 sei sie mehrmals im SMZ-Ost und im Landesklinikum XXXX , stationär und in Tagesbetreuung, in Spitalsbehandlung gewesen. Sie habe auf beruflichen Stress mit Suizidversuchen reagiert. Insgesamt sei sie in einem Zustand wie in ihren früheren Jahren gewesen. Sie sehe sich nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, und ersuche daher um Zuerkennung einer Pension.

3. Am 08.05.2018 legte die PVA die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahme wies sie darauf hin, dass die Beschwerdeführerin bereits am 12.08.2008 einen Antrag auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension gestellt habe. Aufgrund dieses Antrages sei ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt worden. Nach dem Ergebnis dieses ärztlichen Gutachtens sei die Beschwerdeführerin bereits mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen in das erste Dienstverhältnis eingetreten, weil seit dem 16. Lebensjahr eine höhergradige psychiatrische Einschränkung bestanden habe. Hinsichtlich der aufgenommenen Beschäftigungen habe es sich - so die Ausführungen des Chefärztlichen Dienstes - nur um Arbeitsversuche gehandelt. Eine Arbeitsfähigkeit ohne besonderes Entgegenkommen des Arbeitgebers habe den ärztlichen Ausführungen zufolge nie bestanden. Auf Basis dieser fachärztlichen Einschätzung sei der Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension abgelehnt worden, da die Beschwerdeführerin bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande gewesen sei, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, jedoch keine 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach dem ASVG oder einem anderen Bundesgesetz aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben habe. Dieser, die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ablehnende Bescheid vom 14.01.2009 sei mangels zeitgerechter Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft erwachsen. Auch das nunmehrige Vorbringen in der Beschwerde beziehe sich auf den gesundheitlichen Zustand der Beschwerdeführerin vor Eintritt in das Erwerbsleben im Jahr 2006. Die bereits seit 2003 bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin sowie der Umstand, dass die Arbeitsversuche jeweils nur von kurzer Dauer gewesen seien, seien bereits im Rahmen der rechtskräftigen Entscheidung vom 14.01.2009 berücksichtigt worden. Da entsprechend dem Wiederholungsverbot in derselben Sache keine neuerliche Entscheidung ergehen dürfe und im gegenständlichen Fall seit Erlassung des Bescheides vom 14.01.2009 weder eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften noch eine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes eingetreten sei, wirke die Rechtskraft des Bescheides vom 14.01.2009 auch im konkreten Fall weiter und stehe dieser somit einer neuerlichen inhaltlichen Bearbeitung das Verfahrenshindernis der entschiedenen Rechtssache entgegen.

4. Am 15.03.2020 einlangend übermittelte die PVA die in der Beschwerde angekündigte, vom AKH Wien angeforderte Krankengeschichte der Beschwerdeführerin, die ihr vom Vater der Beschwerdeführerin übermittelt worden war. Demnach hätten die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin bereits in der vierten Klasse Gymnasium im Alter von 15 Jahren begonnen. Die erste Aufnahme im AKH sei am 03.09.2003 erfolgt. Nach der Unterbrechung der schulischen Laufbahn in der fünften Klasse Gymnasium sei eine intensive medikamentöse psychiatrisch-psychologische Behandlung im AKH Wien wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund eines frühkindlichen Traumas erfolgt, das mit der beginnenden Adoleszenz zum Ausbruch gekommen sei. Danach hätten zwei gerichtlich angeordnete Unterbringungen wegen Selbstmordgefahr angeordnet werden müssen. Der Versuch einer weiteren schulischen Ausbildung sei im September 2004 abgebrochen worden. Auch ein weiterer erleichterter Versuch habe abgebrochen werden müssen und es sei im Dezember 2004 wieder zu einer Aufnahme im AKH gekommen. Die Beschwerdeführerin sei von September 2003 bis Juni 2005, also in einem Zeitraum von 22 Monaten, insgesamt rund 13 Monate in stationärer Behandlung gewesen. Am 19.09.2005 sei es mit der Diagnose Borderline Persönlichkeitsstörung wieder zu einer kurzen Aufnahme im AKH gekommen. Nach drei Tagen sei die Beschwerdeführerin auf Revers entlassen worden. In der Folge sei es ab 17.10.2005 bis heute zu zahlreichen stationären und ambulanten Aufenthalten in der Erwachsenen-Psychiatrie, inklusive mehrwöchiger Aufenthalte in psychosozialen Tageskliniken in Wien und XXXX , gekommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 12.08.2008 wurde seitens der Beschwerdeführerin ein Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension gestellt.

Aufgrund dieses Antrages wurde von der PVA ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Nach dem Ergebnis dieses ärztlichen Gutachtens ist die Beschwerdeführerin bereits mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen in das erste Dienstverhältnis eingetreten.

Ausgeführt wurde seitens des chefärztlichen Dienstes der PVA, dass nachweislich seit dem 16. Lebensjahr eine höhergradige psychiatrische Einschränkung bestanden hat. Hinsichtlich der aufgenommenen Beschäftigungen handelte es sich - so die Ausführungen des Chefärztlichen Dienstes - nur um Arbeitsversuche. Eine Arbeitsfähigkeit ohne besonderes Entgegenkommen des Arbeitgebers hat den ärztlichen Ausführungen zufolge nie bestanden.

Auf Basis dieser fachärztlichen Einschätzung wurde der Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension abgelehnt, weil die Beschwerdeführerin bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, und keine 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach dem ASVG oder einem anderen Bundesgesetz aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben hat.

Auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen keine 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach dem ASVG oder einem anderen Bundesgesetz aufgrund einer Erwerbstätigkeit vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben festgestellte Sachverhalt steht auf Grund der Aktenlage als unstrittig fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch Senat. Die vorliegende Angelegenheit ist nicht von § 414 Abs. 2 ASVG umfasst. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 273 Abs. 1 ASVG gilt als berufsunfähig die versicherte Person, deren Arbeitsfähigkeit infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden versicherten Person von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (§ 223 Abs. 2 ASVG) in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte/r oder nach § 255 Abs. 1 ASVG ausgeübt wurde. § 255 Abs. 2 dritter und vierter Satz sowie Abs. 2a ASVG sind anzuwenden.

Aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen (§ 255 Abs. 1, § 273 Abs. 1 ASVG) leitet der OGH ab, dass zum Begriff des Versicherungsfalls der geminderten Arbeitsfähigkeit auch die Voraussetzung gehört, dass sich der körperliche oder geistige Zustand des Versicherten nach dem Beginn der Erwerbstätigkeit in einem für die Arbeitsfähigkeit wesentlichen Ausmaß verschlechtert hat (RIS-Justiz RS0085107). Ein bereits vor Beginn der Erwerbstätigkeit eingetretener und damit in das Versicherungsverhältnis eingebrachter, im Wesentlichen unveränderter körperlicher oder geistiger Zustand kann daher nicht zum Eintritt des Versicherungsfalles führen.

Gemäß § 273 Abs. 3 iVm § 255 Abs. 7 ASVG gilt der (die) Versicherte auch dann als berufsunfähig, wenn er (sie) bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, dennoch aber mindestens 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz erworben hat.

Am 12.08.2008 wurde seitens der Beschwerdeführerin ein Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension gestellt.

Aufgrund dieses Antrages wurde seitens der PVA ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Nach dem Ergebnis dieses ärztlichen Gutachtens ist die Beschwerdeführerin bereits mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen in das erste Dienstverhältnis eingetreten.

Ausgeführt wurde seitens des chefärztlichen Dienstes der belangten Behörde, dass nachweislich seit dem 16. Lebensjahr der Beschwerdeführerin eine höhergradige psychiatrische Einschränkung bestanden hat. Hinsichtlich der aufgenommenen Beschäftigungen hat es sich - so die Ausführungen des Chefärztlichen Dienstes - nur um Arbeitsversuche gehandelt. Eine Arbeitsfähigkeit ohne besonderes Entgegenkommen des Arbeitgebers hat den ärztlichen Ausführungen zufolge nie bestanden.

Auf Basis dieser fachärztlichen Einschätzung wurde der Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension vom 12.08.2008 abgelehnt, weil die Beschwerdeführerin bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, und keine 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach dem ASVG oder einem anderen Bundesgesetz aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben hat.

Mit verfahrensgegenständlichem Antrag vom 27.02.2019 wurde seitens der Beschwerdeführerin neuerlich die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension beantragt, wobei die Beschwerdeführerin den Feststellungen folgend nach wie vor keine 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach dem ASVG oder einem anderen Bundesgesetz aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben hat.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zur Abänderung oder amtswegigen Behebung bzw. Nichtigerklärung des Bescheides findet.

Eine entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt nachträglich geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben nochmals zu überprüfen, da die Rechtskraftwirkung gerade darin besteht, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235).

Maßgeblich für die Frage, ob eine "entschiedene" Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vorliegt, ist nicht der Umstand, dass das Folgeverfahren auf eine abweichende neue Antragsbegründung gestützt wird. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob das neue Sachverhaltsvorbringen von der Rechtskraft des das Erstverfahren beendenden Bescheides umfasst ist; mit anderen Worten: ob dieser "historische" Sachverhalt bereits vor Erlassung des rechtskräftigen Erstbescheides vorgelegen war. Ist dies zu bejahen, handelt es sich bestenfalls um neu hervorgekommene Tatsachen (sog. "nova reperta"), die angesichts der zeitlichen Rückwirkung einer rechtskräftigen Entscheidung unter den engen Voraussetzungen einer Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG in dieses bereits abgeschlossene Verfahren als nachträgliche Tatsachenverbreiterung einfließen könnten. Nicht hingegen rechtfertigen solche neu hervorgekommenen Tatsachen ein neues, rechtlich selbständiges, materielles Verfahren. Zur Durchführung eines neuen inhaltlichen Folgeverfahrens könnten lediglich solche Tatsachen verpflichten, die erst nach Erlassung des rechtskräftigen Erstbescheides "neu entstanden" sind, sog. "nova producta" (vgl. BVwG 26.06.2015, L503 2017527-1).

Die ursprüngliche Ablehnung des Antrages auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension erfolgte mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, und keine 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach dem ASVG oder einem anderen Bundesgesetz aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben hatte. Für die Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Antrages auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension war ebenfalls der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung maßgeblich und die Frage zu lösen, ob dieser einem regelmäßigen Erwerb entgegengestanden ist. Dies wurde bereits mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 14.01.2009 - gestützt auf ein unwidersprochen gebliebenes ärztliches Sachverständigengutachten - bejaht. Auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen keine 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach dem ASVG oder einem anderen Bundesgesetz aufgrund einer Erwerbstätigkeit vor. Damit ist vorliegend nicht von einer nachträglichen Änderung des wesentlichen Sachverhalts auszugehen, weswegen die aufgrund des verfahrensgegenständlichen Antrags zu erledigende verwaltungsrechtliche Angelegenheit bereits durch den Bescheid vom 14.01.2009 ihre Erledigung gefunden hat.

Auch das schriftliche Vorbringen in der Beschwerde sowie in der Stellungnahme vom 15.03.2020 bezieht sich auf den gesundheitlichen Zustand der Beschwerdeführerin vor Eintritt in das Erwerbsleben. Abgesehen davon, dass die neu vorgelegten Unterlagen die Annahme der belangten Behörde bestätigen, dass die Beschwerdeführerin bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, könnte das Vorbringen daher nur neu hervorgekommene Tatsachen ("nova reperta") betreffen, die allenfalls einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens bilden könnten.

Da im gegenständlichen Fall seit Erlassung des Bescheides vom 14.01.2009 auch keine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften eingetreten ist, wirkt die Rechtskraft des Bescheides vom 14.01.2009 auch im konkreten Fall weiter und stand dieser somit einer neuerlichen inhaltlichen Bearbeitung das Verfahrenshindernis der entschiedenen Rechtssache entgegen.

Demensprechend war eine neuerliche inhaltliche Entscheidung über den Antrag vom 27.02.2019 im Hinblick auf den bereits rechtskräftig entschiedenen Sachverhalt nicht möglich und erfolgte die Zurückweisung des Antrages zu Recht, weshalb die Beschwerde dagegen gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäß - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensausübung anzusehen sind (VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0019).

Im gegenständlichen Fall ergibt sich der Sachverhalt zweifelsfrei aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde bzw. dem Vorlageantrag. Es wurden lediglich Rechtsfragen aufgeworfen. Unter diesen Umständen geht das Gericht davon aus, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMR, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Damit konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Vielmehr ergeht die Entscheidung in Anlehnung an die in den rechtlichen Erwägungen zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Berufsunfähigkeitspension Identität der Sache Pflichtversicherung Prozesshindernis der entschiedenen Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2218509.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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