TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/23 I401 2203944-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §117
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z8
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I401 2203944-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 13.07.2018, Zl. 1027293408/170928574, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.12.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der am XXXX geborene Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste am 17.07.2013 auf Grunde eines ihm erteilten Visums D in das Bundesgebiet ein. Die zuständige Niederlassungsbehörde erteilte ihm mehrere Aufenthaltsbewilligungen als "Studierender", zuletzt für die Zeit vom 29.08.2015 bis 29.08.2016. Sein Verlängerungsantrag vom 21.07.2016 wurde mit Bescheid vom 17.10.2016 abgewiesen, weil der Beschwerdeführer den erforderlichen Studienerfolg nicht habe nachweisen können.

2. Nach der am 07.04.2017 am Standesamt in Wien Ottakring mit einer ungarischen Staatsangehörigen, die in Österreich vom 10.04. bis 31.05.2017 einer Vollbeschäftigung und in der Zeit vom 01.06.2017 bis 27.02.2018 einer geringfügigen unselbständigen Erwerbstätigkeit nachging, geschlossenen Ehe beantragte der Beschwerdeführer am 04.05.2017 als Ehemann einer unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgerin gemäß § 54 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) die Erteilung einer Aufenthaltskarte.

3. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 18.01.2018 wurde der Beschwerdeführer und seine Ehefrau für schuldig erkannt, eine Ehe eingegangen zu sein, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führen zu wollen, wobei sie [= die Ehefrau] wusste, dass sich der Beschwerdeführer für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen will. Wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe nach § 117 Abs. 1 und 4 FPG wurde der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Ehe wurde im Oktober 2018 geschieden.

4. Mit Bescheid vom 13.07.2018 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (in der Folge als Bundesamt bezeichnet), dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolzeigesetz (FPG) (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.), erkannte gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde.

6. Am 19.12.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird zum maßgeblichen Sachverhalt erhoben und ergänzend festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund, arbeitsfähig und Staatsangehöriger Ägyptens. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er verfügte über einen von der Arabischen Republik Ägypten ausgestellten, bis 23.10.2018 gültigen Reisepass. Einen neuen Reisepass ließ er sich nicht ausstellen.

Der Beschwerdeführer hält sich seit Juli 2013 in Österreich auf. Seit Februar 2015 lebt er in Wien und bezahlt für eine Wohnung eine monatliche Miete von derzeit ca. € 460,--.

In Österreich leben eine Schwester des Beschwerdeführers, ihr Ehemann und ihre drei Kinder; sie alle verfügen über die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Schwester im wöchentlichen telefonischem Kontakt. Darüber hinaus finden gegenseitige Besuch statt.

Der Vater sowie ein Bruder des Beschwerdeführers leben in Ägypten. Es lässt sich nicht feststellen, ob er noch in Verbindung mit ihnen steht.

Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 und schloss den Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten für Deutsch erfolgreich ab. Er legte keine Prüfungen für das Bachelorstudium "Betriebswirtschaft", für das er zugelassen wurde, ab.

Er ist Mitglied einer koptisch orthodoxen Kirchengemeinschaft, nimmt regelmäßig an Gottesdiensten sowie religiösen Aktivitäten teil und erbrachte bei ihr ehrenamtliche Tätigkeiten. Darüber hinaus verfügt er über einen Freundeskreis in Österreich.

Der Beschwerdeführer ging in der Zeit vom 17.05.2014 bis zum 31.05.2017 - zum Teil gleichzeitig bei zwei verschiedenen Dienstgebern - (mit Unterbrechungen) geringfügigen Beschäftigungen nach. Im Zeitraum vom 03.06. bis 30.06.2017 und vom 03.10.2017 bis 05.03.2018 war er bei der N GmbH vollversichert beschäftigt und übt(e) (in zum Teil sich überschneidenden Zeiträumen) seit 01.06.2017 bis laufend bei der A & A KG eine der Vollversicherungspflicht unterliegende Erwerbstätigkeit aus. Er bezog im Jahr 2019 einen Nettolohn von ca. € 1.200,-- monatlich (14 x im Jahr).

Das Arbeitsmarktservice Wien E verlängerte mit Bescheid vom 16.12.2016 gegenüber der zuletzt angeführten Arbeitgeberin die Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer (für die berufliche Tätigkeit als Buffetkraft) für die Zeit vom 05.01.2017 bis 04.01.2018. Dem Antrag zufolge betrage das monatliche Entgelt €

198,-- brutto für eine geringfügige Beschäftigung (im Ausmaß von fünf Stunden pro Woche). Er war bei der A & A KG nicht geringfügig beschäftigt.

Mit weiterem Bescheid dieses Arbeitsmarktservice vom 13.01.2017 wurde der S Gesellschaft m.b.H. die Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer (für die berufliche Tätigkeit als Küchenhilfe) für den (sich zum Teil überschneidenden) Zeitraum vom 20.01.2017 bis 19.01.2018 erteilt. Dem Antrag zufolge betrage das monatliche Entgelt € 185,-- brutto für eine geringfügige Beschäftigung (im Ausmaß von fünf Stunden pro Woche). Bei dieser Arbeitgeberin war er als geringfügig beschäftigter Arbeiter in der Zeit vom 23.01. bis 31.05.2017 zur Sozialversicherung gemeldet.

Diese Bescheide wurden dem Beschwerdeführer zugestellt.

Für die vom Beschwerdeführer bei der N GmbH und der A & A KG ausgeübten vollversicherungspflichtigen Tätigkeiten wurde eine Beschäftigungsbewilligung nicht erteilt.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Ägypten für den Beschwerdeführer eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Verfahren sind auch sonst keine Umstände hervorgekommen, die einer Rückkehrentscheidung und einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten entgegenstehen.

1.2. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat (mit Angabe der Quellen):

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 13.07.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Im Länderbericht ergibt die allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden und hat der Beschwerdeführer diese nicht beanstandet, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Politische Lage

2013 übernahm Präsident Abdel Fattah Al-Sisi, damals Verteidigungsminister und Befehlshaber der Streitkräfte (FH 4.2.2019; GIZ 12.2018), die Macht durch einen Putsch und stürzte den gewählten Präsidenten Mohamed Morsi von der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit der Muslimbrüder (FJP) (FH 4.2.2019). Al-Sisi war seit 12.8.2012 Minister für Verteidigung und Militärproduktion unter Ministerpräsident Hesham Qandil in der Regierung von Mohamed Mursi (GIZ 12.2018). Seit dem 8.6.2014 ist Abdel Fattah Al-Sisi, Präsident Ägyptens. Der Verfassung zufolge ist eine Kandidatur nur einem Zivilisten erlaubt. Al-Sisi musste aus dem Militärdienst austreten, um bei den Wahlen antreten zu können (GIZ 12.2018).

Am 17.6.2019 brach der ehemalige, erste frei gewählte Präsident Ägyptens, Mohammed Mursi, in einer Gerichtsverhandlung zusammen und starb später in einem Krankenhaus. Offizielle Todesursache ist Herzversagen (BAMF 24.6.2019).

Der Präsident wird durch Volksabstimmung für bis zu zwei Amtszeiten gewählt (FH 4.2.2019). Bei den Präsidentschaftswahlen im März 2018 gewann Präsident Abdel Fattah Al-Sisi mit 97% der gültigen Stimmen eine zweite Amtszeit (AA 24.6.2019a; vgl. AI 26.2.2019; FH 4.2.2019) und setzte sich deutlich gegen den einzig verbliebenen Gegenkandidaten Mousa Mostafa Mousa durch (AA 24.6.2019a).

Die Wahlen waren durch Unterdrückung und Überwachungsbemühungen der Regierung beeinträchtigt, und die Amtszeit von Präsident Sisi ist von einem harten Vorgehen gegen abweichende Stimmen geprägt (TI 23.2.2019). Die Präsidentschaftswahl 2018 bot den Wählern keine echte demokratische Wahl und wurde unter anderem durch Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt (FH 4.2.2019). Vor der Abstimmung wurden lautstarke Oppositionelle inhaftiert und zum Schweigen gebracht (FH 4.2.2019). Die übrigen Kandidaten wurden im Vorfeld verhaftet oder zogen ihre Kandidatur zurück (AA 24.6.2019a). Legitime Oppositionskandidaten wurden unter Druck gesetzt, sich noch vor dem Wahlkampf zurückzuziehen. Schließlich stand Al- Sisi einem anerkannten Herausforderer gegenüber, Mousa Mostafa Mousa, dem Vorsitzenden der Oppositionspartei Al-Ghad. Mousa warb für Al-Sisi, bevor er selbst ins Rennen ging (FH 4.2.2019).

Kritische Äußerungen über Ägypten und politische Kommentare, auch in den sozialen Medien, können unter anderem als strafbare Beleidigung und Diffamierung Ägyptens oder des Staatspräsidenten bzw. als strafbares "Verbreiten falscher Gerüchte" angesehen werden und eine Strafverfolgung nach sich ziehen (AA 1.7.2019). Bereits im Jänner 2018 verstärkten die Behörden das Vorgehen gegen Dissens und verhafteten willkürlich mindestens 113 Personen, nur weil sie friedlich ihre Meinung äußerten. Unter den Verhafteten befanden sich viele hochrangige Politiker, die den Präsidenten öffentlich kritisiert oder bei den Präsidentschaftswahlen gegen ihn kandidiert hatten. Sami Anan, der ehemalige Stabschef des Militärs, wurde im Jänner 2018 verhaftet, nachdem er seine Kandidatur angekündigt hatte. Abdelmonim Aboulfotoh, Gründer der Misr Al- Qawia-Partei, wurde im Feber 2018 in Bezug auf von ihm gegebene Medieninterviews verhaftet. Im April 2018 verurteilte ein Militärgericht Hisham Genina, den ehemaligen obersten Wirtschaftsprüfer Ägyptens, zu fünf Jahren Gefängnis, nachdem er den Präsidenten in einem Medieninterview kritisiert hatte. Im Oktober 2018 bestätigte ein Gericht eine Bewährungsstrafe von drei Monaten wegen "öffentlicher Unsittlichkeit" gegen den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Khalid Ali und disqualifizierte ihn damit erneut von der Kandidatur (AI 26.2.2019).

Die Wahl wurde durch eine geringe Wahlbeteiligung, die Nutzung staatlicher Ressourcen und Medien zur Unterstützung der Kandidatur von Al-Sisi, Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt. Die Wahlkommission drohte Nichtwählern mit Geldstrafen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen (FH 4.2.2019).

Im Feber 2019 verabschiedeten Parlamentarier in Ägypten eine Reihe von Verfassungsänderungen, welche die Macht des Präsidenten konsolidieren und gleichzeitig das Militär als die ultimative Autorität des Landes wiederherstellen soll (TI 23.2.2019). Die im April 2019 in Kraft getretenen Verfassungsänderungen eröffneten mit einer Spezialklausel dem Staatspräsidenten die Möglichkeit, über die gegenwärtig festgelegten zwei Amtsperioden hinaus bis 2030 im Amt zu bleiben. Zudem sehen diese Verfassungsänderungen erhebliche Eingriffe in die Gewaltenteilung und eine weitere Stärkung der Kontrolle des Militärs über das zivile Leben vor (AA 24.6.2019a). Die vorgeschlagenen Änderungen würden die Amtszeit des Präsidenten von vier auf sechs Jahre verlängern. Präsident Sisi sollte im Jahr 2022 zurücktreten (TI 23.2.2019).

Seit Amtsantritt setzt Präsident Al-Sisi den Schwerpunkt auf Reformen im Wirtschaftsbereich, um Ägypten aus der Krise zu führen (ÖB 1.2019). Arbeitsschwerpunkte der ägyptischen Regierung unter Ministerpräsident Mustafa Madbouly bleiben Stabilitätserhalt und Wirtschaftsförderung. Mit der "Egypt Vision 2030" legte die ägyptische Regierung einen ambitionierten Entwicklungsplan vor, der sich auch an den internationalen Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert (AA 24.6.2019a). Nach Zuspitzung der Wirtschaftskrise (u.a. akuter Devisenmangel) wurden im Herbst 2016 im Rahmen eines vom IWF gestützten Reformprogramms der ägyptischen Regierung die Wechselkurse freigegeben und schrittweise Subventionskürzungen (Strom, Treibstoff) vorgenommen. Das Reformprogramm zeigt mittlerweile deutliche Erfolge und Verbesserungen bei den wirtschaftlichen Eckdaten, birgt aber auch weiterhin die Gefahr sozioökonomisch bedingter Unruhen, da Maßnahmen kurz- bis mittelfristig eine starke Belastung für die Bevölkerung darstellen (starker Anstieg der Inflation und Verlust von Arbeitsplätzen) (ÖB 1.2019). Durch die Preiserhöhung kam es sporadisch zu kleinen Protesten, die von der Polizei unterdrückt wurden. Die Polizei reagierte mit Härte auf die friedlich gegen Sparmaßnahmen protestierenden Demonstranten (AI 26.2.2019).

Ein neues Gesetz, das im Juli 2018 verabschiedet wurde, erlaubt es dem Präsidenten, hochrangige Führer der Streitkräfte zu benennen, die er für begangene Vergehen vor Strafverfolgung schützen will. Der Zeitraum umfasst den 14.8.2013, als die Sicherheitskräfte und die Armee während der Auflösung der Sitzblockaden (Sit-ins) von Rabaa al-Adawiya und Nahda an einem einzigen Tag bis zu 1.000 Menschen töteten (AI 26.2.2019). Die vorgeschlagenen Änderungen würden auch die Rechtsstaatlichkeit und die Aufsicht über die Exekutive untergraben. Das Militär würde "Hüter des Staates" werden. Die Änderungen würden auch zur Auflösung der Nationalen Medienbehörde führen (TI 23.2.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegyptensicherheit/212622, Zugriff 1.7.2019

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 1.7.2019

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf.

Zugriff 1.7.2019

-

AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, httPs://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (24.6.2019): Briefing Notes 24. Juni 2019, Zugriff 9.7.2019

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006365.html. Zugriff 1.7.2019

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 1.7.2019

-

ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (1.2019): Asylländerbericht Ägypten,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2002309/ALB+%C3%84gypten+2018.pdf. Zugriff 1.7.2019

-

TI - Transparency International (13.2.2019): The alarming message of Egypt's constitutional amendments, https://www.transparency.org/news/feature/the_alarming_message_of_egypts_constitutional_amendments, Zugriff 5.7.2019

Sicherheitslage

Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegen ägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a).

Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der

Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und stark frequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monate verlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019).

Es kam auch zu einem erneuten religiös motivierten Angriff, auf einen koptischen Pilgerbus in Minya, bei dem 29 Menschen getötet wurden (FD 1.7.2019). Seit 2016 ist es wiederholt zu Anschlägen auf koptische Christen und koptische Kirchen gekommen. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte (AA 1.7.2019). Am 28.12.2018 wurden bei der Aktivierung eines Sprengsatzes in der Nähe der Pyramiden von Gizeh vier Menschen getötet. Am 15.2.2019 versuchten die Sicherheitskräfte, drei in Kairo gefundene Sprengsätze zu entschärfen, von denen einer explodierte. Am 18.2.2019 tötete eine Person mit einem Sprengstoffgürtel drei Menschen (FD 1.7.2019b).

Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation "Sinai 2018" gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019). Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation "Islamischer Staat" hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nicht beseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019). Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.5.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oder verletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019).

Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudan wird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).

Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegvptensicherheit/212622. Zugriff 1.7.3019

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes 1 Juli 2019, Zugriff 1.7.2019

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik.

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 1.7.2019

-

AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.7.2019): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 1.7.2019

-

FD - France diplomatique (1.7.2019a): Egypte - Derniere minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/. Zugriff 1.7.2019

-

FD - France diplomatique (1.7.2019b): Egypte - Securite, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 1.7.2019

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Internationale und lokale Menschenrechtsorganisationen bestätigten, dass die Regierung weiterhin unkooperativ ist (USDOS 13.3.2019). NGOs bleiben weiterhin Belästigungen und Einschränkungen ausgesetzt und sehen sich in den letzten Jahren mit Massenschließungen und Schikanen in Form von Bürodurchsuchungen, Verhaftungen von Mitgliedern, langwierigen Rechtsfällen und Reisebeschränkungen konfrontiert (AI 26.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Ein neues sehr restriktives Gesetz über die Gründung und Kontrolle von NGOs wurde im Mai 2017 vom Präsidenten unterzeichnet (AI 23.5.2019; FH 4.2.2019). Dieses räumt den Behörden weitreichende Befugnisse ein, um NGOs die offizielle Registrierung zu verweigern, sie aufzulösen und ihre Verwaltungsräte zu entlassen. Das Gesetz sieht fünf Jahre Gefängnis vor, sollten die Organisationen Rechercheergebnisse ohne Genehmigung der Regierung veröffentlichen (AI 23.5.2019). Die Arbeit von NGOs und Vereinigungen wird soweit eingeschränkt, dass eine freie Zivilgesellschaft unmöglich gemacht wird. Verstöße gegen das Gesetz können mit drakonischen Haftstrafen geahndet werden. Viele prominente Menschenrechtsverteidiger sind wegen ihrer Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen (u. a. aus Protest gegen das Demonstrationsgesetz) in Haft (AA 22.2.2019). Die Bestimmungen sehen Strafen bis hin zur lebenslangen Freiheitsstrafe für die Beantragung oder Annahme ausländischer Mittel zur Untergrabung der Staatssicherheit vor (USDOS 13.3.2019). Ausländische Finanzierung ("Foreign Funding") von NGOs wird mit empfindlichen Geldstrafen belegt (AA 22.2.2019). Das Gesetz ermöglichte die Errichtung einer neuen Regulierungsbehörde, die von den Sicherheitsbehörden dominiert wird. Für jede Art von Forschung oder Umfrage vor Ort und jede Art von Zusammenarbeit mit ausländischen NGOs wird die Zustimmung der Regulierungsbehörde eingefordert. Gesetzesverstöße können zu Bußgeldern und bis zu fünf Jahren Gefängnis führen (FH 4.2.2019).

Für NGOs bleibt das Klima sehr repressiv (FH 4.2.2019). Zahlreiche Personen und Organisationen der Zivilgesellschaft sind weiterhin von Ermittlungsverfahren, Kontensperrungen, Ausreiseverboten, Einschüchterungen und unverhältnismäßig langer Untersuchungshaft betroffen. Zudem gibt es glaubhafte Berichte über zahlreiche Fälle erzwungenen Verschwindenlassens (AA 24.6.2019a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf.

Zugriff 9.7.2019

-

AA - Auswärtiges Amt (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652#content_1. Zugriff 9.7.2019

-

AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 9.7.2019

-

AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Ägypten, https://www.amnesty.org/download/Documents/POL1067002018GERMAN.PDF. Zugriff 9.7.2019

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2006365.html. Zugriff 9.7.2019

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 9.7.2019

Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt (AA 22.2.2019). Die Verfassung von 2014 erhebt den Islam zur Staatsreligion und bestimmt die Scharia zur Hauptquelle der Verfassung. Die Grenze zwischen Staat und sunnitischer Mehrheitsreligion ist nicht klar geregelt. Die Verfassung garantiert lediglich Glaubensfreiheit uneingeschränkt. Die Freiheit des Kultes und das damit verbundene Recht zum Bau von Gotteshäusern bleiben den Offenbarungsreligionen (Muslime. Christen. Juden) vorbehalten (AA 24.6.2019a; vgl. AA 22.2.2019).

Während Artikel 2 der Verfassung 2014 den Islam zur offiziellen Staatsreligion erklärt. heißt es in Artikel 64: "Glaubensfreiheit ist absolut". Die meisten Ägypter sind sunnitische Muslime. Koptische Christen bilden eine erhebliche Minderheit. und es gibt eine geringere Anzahl von schiitischen Muslimen. nicht-koptischen christlichen Konfessionen und anderen Gruppen. Religiöse Minderheiten und Atheisten sind mit Verfolgung und Gewalt konfrontiert. wobei insbesondere Kopten in den letzten Jahren zahlreiche Fälle von Zwangsvertreibung. physischen Angriffen. Bomben- und Brandanschlägen sowie Blockade des Kirchenbaus erlitten haben (FH 4.2.2019).

90 % aller Ägypter sind Muslime. fast alle von ihnen Sunniten. Sie folgen der hanafitischen Rechtstradition. die als die liberalste der vier heute verbreiteten islamischen Rechtsschulen gilt. Ca. 9 % gehören der orthodoxen ägyptischen koptischen Kirche und ca. 1 % gehören anderen christlichen Konfessionen an. Das Religionsverständnis hat sich in den letzten Jahren jedoch je nach sozialer Gruppe in unterschiedlicher Form gewandelt. Mit dem Aufstieg des politischen Islam wurde in manchen Schichten eine engere und stärker auf äußere Formen orientierte Auslegung und dem Praktizieren der islamischen Religion populär (GIZ 2.2018).

Durch die Beschränkung der Glaubensfreiheit auf einzelne Religionen wird eine Unterscheidung zwischen "anerkannten" und "nicht-anerkannten" Religionen getroffen. die zu zahlreichen Formen der Diskriminierung im Alltag führt. Darunter leiden Angehörige kleinerer Glaubensgemeinschaften. So werden die in Ägypten lebenden Schiiten nicht als gleichwertige Religionsgemeinschaft anerkannt. Gleiches gilt für die etwa 2.000 Bahai. die ebenfalls keine staatliche Anerkennung genießen. 2015 wurden einzelne christliche Kirchen angegriffen und Eigentum von Kopten zerstört (AA 22.2.2019). Im August 2016 wurde ein lange erwartetes Gesetz über den Kirchenbau verabschiedet. das dem Bau von Kirchen allerdings nach wie vor administrative Hürden in den Weg legt (AA 24.6.2019a). Besonders in Oberägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene liegen. Traditionelle Vorstellungen von (Blut-)Rache und (kollektiver) Vergeltung sind in den ländlichen Gebieten Oberägyptens nach wie vor vorherrschend. Traditionelle Streitschlichtungsmechanismen spielen auch aufgrund der Abwesenheit funktionierender staatlicher Institutionen eine große Rolle. Dabei kommt es regelmäßig zu strukturellen Benachteiligungen der Christen. Die Konversion vom Christentum zum Islam ist einfach und wird vom Staat anerkannt, während die umgekehrte Konversion vom Islam zum Christentum zu massiven Problemen für die Betroffen führt. Zwar ist die Aufgabe des islamischen Glaubens nicht im geschriebenen Recht, wohl aber nach islamischem Recht verboten. Aufgrund innerislamischer Vorschriften gegen Apostasie haben Konvertiten in Ägypten mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Die Behörden weigern sich in solchen Fällen häufig, neue Personaldokumente auszustellen. Der Eintrag der Religionszugehörigkeit in Personaldokumenten bleibt auch für andere religiöse Minderheiten ein Einfallstor für Diskriminierung und Ungleichbehandlung (AA 22.2.2019).

Seit März 2009 ist es beispielsweise den Bahais erlaubt, nationale Ausweise und Pässe zu haben, in denen das Feld "Religion" offen bleibt, was jedoch zu vielfältigen Problemen im Alltag führt. Auch die Organisation innerhalb der sunnitischen Glaubensgemeinschaft mit dem Ministerium für religiöse Stiftungen an der Spitze und weitgehenden Durchgriffsrechten steht einer umfassenden Glaubensfreiheit im Weg. Um in den offiziellen Moscheen predigen zu können, müssen die Imame an der al-Azhar Universität ausgebildet worden sein. Das Ministerium gibt zudem die Themen und Schwerpunkte der Freitagspredigten vor. Das ägyptische Strafrecht sieht den Straftatbestand der Blasphemie und dafür bis zu fünf Jahre Haft vor. Es werden zum Teil lange Gefängnisstrafen wegen des Blasphemievorwurfs verhängt. Zudem wird in interreligiösen Auseinandersetzungen häufig der Vorwurf der Blasphemie gegen Angehörige religiöser Minderheiten vorgebracht, um diese unter Druck zu setzen und Gewalt gegen sie zu legitimieren. Christen und Angehörige anderer religiöser Minderheiten sind, vor allem in ländlichen Gebieten, immer wieder Gewaltakten und Einschüchterungen aus den Reihen der muslimischen Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt, wobei ein genügender Schutz durch die Sicherheitsbehörden nicht gewährleistet ist (AA 22.2.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtig (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 9.7.2019

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598 1551702084 auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2006365.html, Zugriff 18.7.2019

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2018): Ägypten - Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/, Zugriff 9.7.2019

Religiöse Gruppen/Kopten

Kopten, die etwa 10 % der ägyptischen Gesellschaft ausmachen und in ihrer Eigenwahrnehmung keine Minderheit darstellen, sind Opfer vielfacher Diskriminierungen, die oft auch in Gewalt münden. Insbesondere während der Welle der Gewalt im August 2013, die seit Mai 2016 wieder aufflammte, wurden koptische Kirchen attackiert und Christen ermordet. Die Sicherheitskräfte griffen kaum zu ihrem Schutz ein. Im August 2016 verabschiedete das ägyptische Parlament ein einerseits langes erwartetes, andererseits hoch umstrittenes Gesetz über den Bau von Kirchen in Ägypten. Obwohl die Führungspersönlichkeiten der drei großen christlichen Kirchen dem Gesetz zugestimmt haben, lassen vage Formulierungen darin Raum für Diskriminierung in der Praxis; dem Kirchenbau sind weiterhin gesetzliche Hürden in den Weg gelegt (AA 25.2.2019).

Kopten sehen sich vielfach als Opfer von Diskriminierungen, die des Öfteren auch in Gewalt münden (AA 24.6.2019a).

Es gab Vorfälle von Gewalttätigkeit und Selbstjustiz des Mobs, insbesondere sektiererische/ religiös motivierte Gewalt gegen koptisch-christliche Ägypter. Anfang Juli 2018 griff ein Mob von Muslimen die Häuser der Kopten im Dorf Minbal an, nachdem ein Kopte angeblich Inhalte über Social Media, die den Islam beleidigten, veröffentlicht hatte. Nach der Gewalttat verhaftete die Polizei mehr als 90 Muslime. Die Polizei verhaftete auch den Kopten, der angeblich den Social Media Post veröffentlicht haben soll. Alle Verhafteten wurden Ende des Monats freigelassen, mit Ausnahme eines Angeklagten, der beschuldigt wurde, den Angriff angestiftet zu haben (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 9.7.2019

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598 1551702084 auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 9.7.2019

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 13.3.2019).

Die Behörden verlangten sporadisch von Bürgern im Alter von 18 bis 40 Jahren, eine Erlaubnis des Innenministeriums, um in bestimmte Länder zu reisen, um so den Beitritt zu terroristischen Gruppen zu erschweren und die Flucht von Kriminellen zu verhindern (USDOS 13.3.2019).

Die Regierung verhängte zunehmend Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Weiters gibt es kein von der Regierung auferlegtes Exil, und die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 9.7.2019

Meldewesen

Für ägyptische Staatsangehörige besteht keine zentrale Meldepflicht. Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos (DBK 3.2014).

Quellen:

-

DBK - Deutsche Botschaft Kairo (03.2014): Rechtsverfolgung in Ägypten in Zivil- und Handelssachen, http://www.kairo.diplo.de/contentblob/4044670/Daten/4042325/rk_merkblatt_rechtsverfolgung.pdf, Zugriff 9.7.2019

Grundversorgung

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System (AA 22.2.2019). Im Rahmen des mit dem IWF verhandelten Reformprogramms versucht die Regierung, den notwendigen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4,2 % und 2018 bei 5,3 %. Subventionen für Benzin, Diesel und Elektrizität werden von der Regierung sukzessive reduziert. Bis Juni 2021 ist eine vollständige Eliminierung aller Energiesubventionen vorgesehen (AA 24.6.2019c).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 22.2.2019).

Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 22.2.2019).

Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen (AA 22.2.2019).

Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Subventionsabbau droht - trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 22.2.2019).

Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30-40 % des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund 2,5 Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28 % angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potenzielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund 4 % der Gesamtfläche des Landes aus (AA 24.6.2019c).

Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor (GIZ 9.2018c). Er bietet rund 50 % der

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten