TE Lvwg Erkenntnis 2020/4/16 LVwG-AV-233/001-2020

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Veröffentlicht am 16.04.2020
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Entscheidungsdatum

16.04.2020

Norm

StVO 1960 §35 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch HR Mag. Janak-Schlager als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A in ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 15.01.2020, ***, betreffend Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.   Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling (im Folgenden: belangte Behörde) vom 15.01.2020, ***, wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs 1 lit b StVO aufgetragen, die im Bereich der Grundstücke ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, KG ***, von ihm etablierten Wurfsteine von den derzeitigen Ablagestellen umgehend zu entfernen oder die Anordnung örtlich so zu verändern bzw. ein geeignetes Fahrzeugrückhaltesystem zu schaffen, damit diese die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht mehr gefährden.

Dem Bescheid liegt das verkehrstechnische Gutachten des Amtssachverständigen C (als Beilage 1) und die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 26.08.2019 (als Beilage 2) zugrunde und bilden einen integrierten Bestandteil des angefochtenen Bescheides.

In der Begründung ihrer Entscheidung legte die belangte Behörde dar, dass der Beschwerdeführer im Bereich der oben genannten Grundstücke, von welchen er Eigentümer bzw. Pächter sei, im Nahebereich der Landstraße *** Steinbrocken als Absicherungsmaßnahme abgelegt habe. Bei der Staatsanwaltschaft *** sei diesbezüglich eine anonyme Anzeige eingebracht worden. Das dortige Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden und der Akt zur allfälligen weiteren Veranlassung an die belangte Behörde weitergeleitet worden.

In weiterer Folge habe die belangte Behörde einen Amtssachverständigen vom Amt der NÖ Landesregierung, Gebietsbauamt *** beauftragt, ein verkehrstechnisches Gutachten zu erstellen, um zu beurteilen, ob die vom Beschwerdeführer aufgelegten Wurfsteine eine Verkehrsbeeinträchtigung iSd § 35 StVO darstellen.

Gemäß dem in weiterer Folge erstatteten Gutachten läge aufgrund der Anbringung der Wurfsteine aufgrund der anzuwendenden RVS (diese gäben den Stand der Technik wieder) eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs vor. Diese Steine seien daher zu entfernen oder es sei ein geeignetes Fahrzeugrückhaltesystem zu schaffen.

Weiters sei aufgrund des Gutachtens für die belangte Behörde schlüssig und nachvollziehbar, dass bei einer zulässigen Geschwindigkeit von 80 – 100 km/h ein Aufprall auf einen dieser Wurfsteine eine ernsthafte bis letale Gefahr für Fahrzeuginsassen darstellen würde.

Die Wurfsteine seien laut Gutachten bis zu einem Seitenabstand von 7,5 m zur Straße zu entfernen oder mit einem entsprechenden Fahrzeugrückhaltesystem auszustatten.

Den vom rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer erstatteten Stellungnahmen sei nicht zu folgen und seien diese nicht in der Lage dem verkehrstechnischen Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Das Gutachten entspreche aus Sicht der belangten Behörde dem Stand der Technik und sei in sich schlüssig und nachvollziehbar.

Gegen diesen Bescheid hat der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer ein Rechtsmittel ergriffen und die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides beantragt, in eventu die Rückverweisung des Verfahrens an die belangte Behörde, sowie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Begründend knüpft der Beschwerdeführer an sein bisheriges Vorbringen in seinen Stellungnahmen vom 19.08.2019 und vom 23.09.2019 an und führt in seiner Beschwerde zusammengefasst aus, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei, da er auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhe und das Verfahren mangelhaft sei. Die Bestimmung des § 35 StVO sei vom Gesetzgeber deshalb eingeführt worden, um den Straßenverkehr nicht abzulenken, wie dies beispielsweise durch Werbeeinrichtungen erfolge.

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers bestehe zu gegenständlicher Bestimmung keine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Ein auf einer privaten Liegenschaft neben der Straße aufgestellter Warenautomat stelle im Vergleich keine Rechtsgrundlage für § 35 StVO dar. Der Sinn der Gesetzesbestimmung sei eindeutig, dass Straßenbenützern nicht von Einrichtungen die freie Sicht genommen werden soll, diese nicht geblendet werden sollen oder durch Einrichtungen zur Regelung oder Sicherung des Verkehrs behindert werden sollen. Im gegenständlichen Fall sei dies jedoch nicht gegeben.

§ 35 StVO sei gegenständlich nicht einschlägig und könne das rechtswidrige Verhalten von rechtswidrig handelnden Verkehrsteilnehmern nicht ihm angelastet werden. Die belangte Behörde nehme hierzu auch keine Abwägung zwischen der Verkehrssicherung und der Sicherheit der auf seinem Grundstück arbeitenden Leute vor, welche durch abkommende Fahrzeuge gefährdet seien.

Die Verwaltung und insbesondere die belangte Behörde sei verpflichtet ähnliche Sachverhalte gleich zu behandeln und sei nicht einzusehen, warum an der gegenständlichen Stelle keine Leitschiene angebracht werde. Wenn gleiches aber gleich behandelt werde, so müsse auch die Behörde die Beseitigung jeglicher Alleebäume veranlassen.

Das Gutachten stütze sich auf die sogenannte RVS. Diese sei jedoch noch nicht erschienen und noch gar nicht in Geltung, weshalb es nicht nachvollziehbar sei, warum die belangte Behörde diese ihrem Bescheid zugrunde legt.

Ein vollständiger Schutz von Verkehrsteilnehmern könne nie erreicht werden. In rechtlicher Hinsicht könne dieser nicht dadurch erreicht werden, dass in sein Privateigentum derart eingegriffen werde und ein rechtswidriges Verhalten von abkommenden Verkehrsteilnehmern ihm aufgebürdet werde.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 17.02.2020 wurde der Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung über diese Beschwerde vorgelegt. Es wurde weder die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt noch wurde darauf explizit verzichtet.

Da die gegenständliche Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG nicht zurückzuweisen bzw. das Beschwerdeverfahren nicht einzustellen war, hatte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich darüber gemäß § 28 Abs 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Bezug habenden Akt der belangten Behörde.

Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Beweisverfahrens wird nachfolgender Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:

Der Beschwerdeführer hat im Bereich der Grundstücke ***, ***, ***, ***, ***, *** und *** in der Katastralgemeinde *** im Nahbereich der Landesstraße *** (kurz: ***) insgesamt sieben Wurfsteine bzw. Steinblöcke abgelegt.

Die ***, auch *** genannt, verläuft zwischen *** und ***, im gegenständlichen Bereich im unbeschränkten Freiland. Sie ist mit zwei Fahrstreifen ausgebaut. Es sind Mittel- und Randmarkierungen vorhanden. Die Fahrbahnoberfläche besteht aus Asphalt. Weiters ist die Straße mit Leitpflöcken ausgestattet. An der Gemeindegrenze zwischen *** und *** mündet von Osten ein staubfrei befestigter Güterweg ein. Die *** bildet im gegenständlichen Bereich in Längsrichtung die Gemeindegrenze zwischen *** sowie *** einerseits und *** andererseits.

Im Zuge der *** wird durch Gefahrenzeichen auf eine Fahrbahnkuppe hingewiesen. Am Kurvenaußenbogen sind Leitwinkel vorhanden. Für die Fahrtrichtung nach *** befinden sich die gegenständlichen Steinblöcke nach einer Kuppe und leichten Rechtskurve am Kurvenende auf der Außenseite der Kurve.

Insgesamt befinden sich sieben Steinblöcke in einem Abstand von etwa 40 m bis etwa 100 m nördlich der Einmündung des Güterweges an der Gemeindegrenze *** / ***. Die Steinblöcke haben eine Höhe von etwa 0,7 m bis etwa 1,2 m. Der Abstand vom Rand der staubfreien Befestigung der *** beträgt zwischen etwa 0,8 m bis etwa 1,6 m.

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

Bild 1 (aus dem verkehrstechnischen Gutachten): Blick in Richtung ***,

Steinreihe am rechten Fahrbahnrad endet etwa 40 m vor der Kuppe

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

Bild 2 (aus dem verkehrstechnischen Gutachten): Blick in Richtung ***,

ca. 30 m vor der Kuppe, Sehpunkt ca. 1 m über Fahrbahnniveau

Die Steinblöcke wurden direkt ins Gras gelegt und haben eine gräuliche Farbe. Sie sind mit keinen zusätzlichen Merkmalen, wie insbesondere Leuchtmarkierungen versehen bzw. beschaffen.

Das Ablegen der Steine durch den Beschwerdeführer erfolgte zum Schutz seiner Mitarbeiter, welche in den Weingärten an den soeben erwähnten Grundstücken Arbeiten verrichteten. Diese Absicherungsmaßnahme sollte die Mitarbeiter des Beschwerdeführers vor Kraftfahrzeugen, welche aufgrund vorschriftswidriger Fahrweise von der Fahrbahn abkommen, schützen.

Diese unstrittigen Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden unbedenklichen Verfahrensakt der belangten Behörde.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus Folgendes:

§ 35 StVO lautet auszugsweise:

(1)    Die Behörde hat, wenn es die Sicherheit des Straßenverkehrs erfordert, die Besitzer von Gegenständen, die auf der Straße oder auf Liegenschaften in der Umgebung der Straße angebracht sind und durch ihre Beschaffenheit oder Lage oder durch die Art ihrer Anbringung oder ihrer Anordnung geeignet sind, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen, durch Bescheid zu verpflichten,

         a) die Lage oder die Art der Anbringung oder die Anordnung des Gegenstandes so zu ändern, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht weiter beeinträchtigt wird, oder

         b) wenn eine in lit a bezeichnete Änderung nicht ausreicht, die Gegenstände zu beseitigen.

(2)    Eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch die in Abs 1 bezeichneten Gegenstände ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sie die Straßenbenützer blenden, die freie Sicht über den Verlauf der Straße oder Einrichtungen zur Regelung oder Sicherung des Verkehrs behindern oder mit solchen Einrichtungen, insbesondere mit Straßenverkehrszeichen oder mit Lichtzeichen (§ 38), verwechselt werden können oder die Wirkung solcher Einrichtungen herabmindern.

(…).

§ 35 StVO wurde in der Urfassung der Straßenverkehrsordnung 1960 mit der Intention geschaffen, um von außen kommende Einflüsse zu beseitigen, die Unfälle im Straßenverkehr herbeiführen können. Die Gesetzesmaterialien beziehen sich dabei insbesondere auf Lichtreklamen oder Laternen, aber auch auf Schaufenster, welche eine Verwechslung mit Lichtanlagen zur Regelung des Straßenverkehrs zur Folge haben können (RV 22. Blg IX GP).

Bei den in § 35 leg cit gemeinten Gegenständen ist es irrelevant, ob sich diese direkt auf der Straße oder auf Liegenschaften in der Umgebung der Straße (die auch im Privatbesitz stehen können) befinden und eine Beeinträchtigung hervorrufen (vgl. VwGH 12.01.1970, 0717/69).

Die Diktion der gegenständlichen Gesetzesbestimmung (Abs 2) zählt lediglich demonstrativ Gegenstände auf, welche eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs nach sich ziehen können. Wenn keine der im Gesetz beispielsweise angegebenen Gründe vorliegen, bedarf es einer Begründung seitens der Behörde, inwiefern die Beeinträchtigung des Straßenverkehrs den im Gesetz genannten Gründen entspricht (vgl. VwGH 02.03.1972, 0248/71).

Der Gesetzgeber will mit § 35 leg cit jedoch nicht alle Gegenstände die sich auf einer Liegenschaft in der Umgebung der Straße befinden automatisch als Beeinträchtigung qualifizieren, ansonsten hätte er dies sprachlich zum Ausdruck bringen müssen, wie etwa in § 89 Abs 1 StVO und § 89a Abs 2 StVO. Zusätzlich müssen solche Gegenstände als „angebracht“ iSd § 35 StVO gelten. Der VwGH hat hierzu ein zweistufiges Prüfschema entwickelt, um beurteilen zu können, ob eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs vorliegt (vgl. VwGH 25.5.1972, 1016/71).

Voraussetzung für den Ausspruch einer Verpflichtung gemäß § 35 Abs 1 lit a und/oder lit b StVO ist daher,

1.   dass auf der Straße oder auf Liegenschaften in der Umgebung der Straße ein Gegenstand angebracht ist, auf den sich die Verpflichtung bezieht, und

2.   dass dieser Gegenstand durch seine Beschaffenheit oder Lage oder durch die Art der Anbringung oder Anordnung geeignet ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen.

Vorangestellt wird, dass nicht der Grundeigentümer zu verpflichten ist, sondern der „Besitzer von Gegenständen“ (vgl. Abs 1 leg cit), welcher diese in die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigenden Weise angebracht hat (vgl. VwGH 11.7.2001, 98/03/0165). Anhand des festgestellten Sachverhalts ist es unstrittig, dass der Beschwerdeführer die Steinblöcke auf den gegenständlichen Grundstücken ablegte, zumal er dies auch in seiner ersten Stellungnahme zugestand und in weiterer Folge nie bestritt, dass er Besitzer dieser Steine ist. Daraus ergibt sich die Stellung des Beschwerdeführers als Besitzer iSd § 35 Abs 1 StVO zu den verfahrensgegenständlichen abgelegten Steinblöcken.

Anhand des oben ausgeführten Prüfschemas des VwGH ist somit im ersten Schritt zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer abgelegten Steinblöcke als „angebracht“ iSd § 35 StVO gelten.

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind z.B. weder Häuser, die die Sicht beeinträchtigen, auf Liegenschaften „angebracht“ noch etwa Menschenansammlungen, welche die Aufmerksamkeit der vorbeifahrenden Kraftfahrer ablenken.

Der VwGH hat hierzu in weiterer Folge insbesondere LKW-Anhänger (vgl. VwGH 25.5.1972, 1016/71) und Fahrzeuge, mögen diese betriebsfähig sein oder nicht (vgl. VwGH 17.5.1976, 2157/75), als nicht „angebracht“ qualifiziert.

In einem vergleichbaren Fall wurden beispielsweise Flussbausteine als angebracht beurteilt (UVS Steiermark 30.01.2009, 20.1-6/2008).

Gegenständlich sind die Steinblöcke aufgrund ihres Gewichts und ihrer äußeren Beschaffenheit kraftschlüssig mit dem Boden verbunden, weshalb sie als angebracht iSd § 35 Abs 1 StVO zu qualifizieren sind. Im Unterschied zu den oben genannten Ausnahmen des VwGH hinsichtlich LKW-Anhängern und Fahrzeugen, welche sich aufgrund ihrer Beschaffenheit ohne unverhältnismäßig großem Aufwand von der Stelle bewegen lassen, trifft dieser Umstand auf die gegenständlichen Steinblöcke nicht zu.

Die Steinblöcke stellen gegenständlich jedoch keine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs iSd § 35 StVO dar. Dies aus folgenden Gründen:

Der VwGH hat sich nach Inkrafttreten der Straßenverkehrsordnung 1960 betreffend § 35 StVO hauptsächlich mit Beeinträchtigungen durch Werbereklamen und Leuchtreklametafeln auseinandergesetzt.

Erstmals mit Erkenntnis vom 14.05.1982 (82/02/0031) hatte sich der VwGH (soweit ersichtlich) mit anderen Gegenständen, als mit Leuchtreklametafeln und diversen anderen Tafeln, zu befassen. Damals wurde ein Warenautomat, der auf einer Liegenschaft, die im Privateigentum stand, und neben der Straße aufgestellt war, als nicht geeignet befunden, Wirkungen der in Abs 2 leg cit beispielsweise umschriebenen Art zu erzeugen. Selbst der Umstand, dass der Warenautomat im Hinblick auf den Ort seiner Aufstellung insbesondere Kinder aus der dort nahe gelegenen Volksschule zu einem unaufmerksamen Betreten der Straße veranlassen könnte, vermochte keinen Entfernungsauftrag nach Abs 1 lit b leg cit zu rechtfertigen.

Mit Entscheidung vom 12.8.1994 (94/02/0155) erkannte der VwGH eine Eisenstange als Beeinträchtigung iSd § 35 leg cit. In diesem Fall war aufgrund des geringen Abstandes der auf dem Grundstücksteil des damaligen Beschwerdeführers angebrachten Eisensäule zum Fahrbahnrand (40 cm) und der gleichartigen Beschaffenheit der Oberfläche der Fahrbahn und des angrenzenden Terrains (Asphalt), sowie des Umstandes, dass die Fahrbahn eine leichte Krümmung aufweist, sodass ein geradeaus fahrendes, nur geringfügig von der Fahrbahn abkommendes Fahrzeug verhältnismäßig leicht mit der Säule (Durchmesser 15 cm, Höhe 225 cm) kollidieren konnte, von einer Gefährdung der Sicherheit der Verkehrs auszugehen.

Hierzu sprach der VwGH zwar aus, dass der Abstand des Gegenstandes zum Fahrbahnrand für das Ausmaß einer Gefährdung maßgebend ist. Allerdings führte der VwGH im Gegenzug keinen konkreten Mindestabstand ein, sondern stellt eine solche Beurteilung implizit auf den jeweiligen Einzelfall ab.

Gegenständlich befinden sich aufgrund des festgestellten Sachverhalts die Steinblöcke in einem Abstand von 0,8 m bis 1,6 m zum Fahrbahnrand. Somit ist der Abstand der Steinblöcke, im Vergleich zur Eisenstange (0,4 m) in der soeben ausgeführten Entscheidung des VwGH, doppelt bis vierfach so groß. Ein zu geringer Abstand der Steinblöcke zum Fahrbahnrand kann daher nicht erblickt werden.

Zusätzlich liegt gegenständlich keine gleichartige Beschaffenheit der Oberfläche der Fahrbahn (Asphalt) und der Oberfläche, auf welcher die Steinblöcke abgelegt sind (Wiese/Gras) vor, womit ein erkennbarer Kontrast vorliegt.

Im Erkenntnis des VwGH vom 12.8.1994 (94/02/0155) war die Beschaffenheit der Oberfläche der Straße und jener auf welcher sich die Eisensäule befand die gleiche und bestand aus Asphalt. Dadurch war lediglich ein verhältnismäßig geringer Auffälligkeitswert der Eisenstange gegeben. Ein solcher Umstand liegt im gegenständlichen Fall jedoch nicht vor, da sich die Oberfläche der Straße (Asphalt) zu jener auf welcher die Steinblöcke abgelegt sind (Wiese) deutlich voneinander unterscheiden und dadurch abheben, wodurch eben kein geringer Auffälligkeitswert vorliegt.

Die gegenständlichen Steinblöcke sind somit in Summe nicht dazu geeignet eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs iSd § 35 StVO zu verursachen. Das Liegen von Steinen in der Natur, insbesondere auf einer Wiese, ist ein häufig auftretendes natürliches Erscheinungsbild, ebenso wie eine mit Bäumen bepflanzte Allee, wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt.

Dass an gegenständlicher Örtlichkeit eine Fahrbahnkuppe sowie eine leichte Kurve vorhanden sind, vermag im Übrigen auch keine Beeinträchtigung der Steinblöcke iSd § 35 leg cit nach sich zu ziehen, zumal schon die vorhandenen Verkehrsschilder deutlich auf diese Gegebenheiten hinweisen, damit die Verkehrsteilnehmer ihre Geschwindigkeit und ihr Fahrverhalten an die entsprechenden Bedingungen anpassen.

Zu diesem Punkt (Fahrbahnkuppe und Kurve) findet die belangte Behörde auch keine zutreffende Begründung, die eine Beseitigung bzw. gelindere Mittel gemäß § 35 leg cit rechtfertigen würden. Die belangte Behörde begründet die Beeinträchtigung und die daraus resultierende Beseitigung der Steinblöcke insbesondere damit, dass von der Fahrbahn abkommende Fahrzeuge mit diesen kollidieren könnten, was ernsthafte bis letale Gefahren für Fahrzeuginsassen zur Folge hätte. Dabei stützt sich die belangte Behörde auf das verkehrstechnische Gutachten. Dieser Begründung kann jedoch nicht gefolgt werden.

Der VwGH hat hierzu deutlich judiziert, dass die Beseitigung eines Gegenstandes iSd § 35 leg cit nicht davon abhängig sein kann, dass sich Verkehrsteilnehmer vorschriftswidrig verhalten. Eine derartige Auslegung wäre bei dieser das Eigentumsrecht einschränkenden Bestimmung jedenfalls nicht zulässig (VwGH 28.2.1997, 95/02/0318).

Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, können ihm vorschriftswidrige Verhaltensweisen von Verkehrsteilnehmern nicht zu seinem Nachteil gereichen bzw. auf diesen überwälzt werden. Die Argumentation der belangten Behörde bzw. des verkehrstechnischen Gutachtens stützt sich jedoch genau auf diese Prämisse.

Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt, als sie diese von einer verfehlten Prämisse ausgehenden gutachterlichen Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legte.

Aufgrund dieses Verfahrensergebnisses war auf das Vorliegen etwaiger Verfahrensmängel nicht mehr einzugehen und war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen. Darüber hinaus stand der maßgebliche Sachverhalt fest und war aufgrund dessen lediglich die Beantwortung reiner Rechtsfragen Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, wofür es zusätzlich keiner mündlichen Verhandlung bedurfte.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Sicherheit; Verkehrsbeeinträchtigung; Steinblöcke;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.233.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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