TE Lvwg Erkenntnis 2019/5/29 LVwG-2019/30/0385-2

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Entscheidungsdatum

29.05.2019

Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FPG §57
FPG §121 Abs1a 1.Satz
VStG §45 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde des nigerianischen Staatsangehörigen AA, geb am XX.XX.XXXX, vertreten durch BB Rechtsanwälte GmbH, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Y vom 21.01.2019, Zl ***, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG),

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer gem § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:

Dem Beschwerdeführer wurde von der Landespolizeidirektion Y als belangte Behörde angelastet, dass er am 04.11.2018 die gem § 57 FPG gegen den Beschwerdeführer erlassene Wohnsitzauflage vom 29.10.2018 missachtet habe, indem er nicht binnen drei Tagen Unterkunft in der ihm vorgeschriebenen Einrichtung genommen habe. Dem Beschwerdeführer wurde eine Verwaltungsübertretung nach § 121 Abs 1a 1. Satz iVm § 57 FPG vorgeworfen und gegen ihn gem § 121 Abs 1a 1. Satz FPG eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 100,00 bzw eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und neun Stunden zuzüglich Euro 10,00 Verfahrenskosten verhängt.

In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde Folgendes ausgeführt:

„Gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Y, zugestellt am 21.01.2019, erhebt der Beschwerdeführer wegen der Verletzung seiner Rechte in offener Frist

BESCHWERDE

und stellt durch den ausgewiesenen bevollmächtigten Vertreter den

ANTRAG

das Landesverwaltungsgericht Tirol möge den Bescheid ersatzlos beheben, gemäß § 24 VwGVG eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen, allenfalls das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 4 einstellen.

BEGRÜNDUNG:

1. SACHVERHALT

Dem Beschwerdeführer ist mittels Mandatsbescheids vom 29.10.2018 eine Wohnsitzauflage erteilt und insoweit aufgetragen worden, binnen 3 Tagen die Betreuungseinrichtung CC Adresse 2, X, aufzusuchen.

Der Beschwerdeführer ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen, sondern hat die Vorstellung gegen den Mandatsbescheid erhoben, weil dieser in die Rechte des Beschwerdeführers nach Art 8 EMRK eingreift.

Vornehmlich ist gegen die Anordnung ins Treffen geführt worden, dass zwischen dem Beschwerdeführer und dem Geschäftsführer der ausgewiesenen Rechtsvertreterin, Herrn

RA DD, eine Vater-Sohn-ähnliche Beziehung vorliegt und Letzterer die Adoption beabsichtigt, sobald die zuletzt durch das KindNamRÄG 2013 verschärften Bedingungen der Erwachsenenadoption erfüllt sind. Ein dreijähriger Zeitraum, über welchen Unterhaltsleistungen für das anzunehmende Kind nachzuweisen sind, wird in der seither ergangenen Judikatur als Richtschnur für die Annahme einer engen kindschaftsähnlichen Beziehung im Sinne von § 194 ABGB herangezogen; die Hausgemeinschaft mit dem Beschwerdeführer geht Anfang April 2019 in das vierte Jahr, sodass der Adoptionsantrag nicht vor 01.04.2019 einzubringen sein wird. Es fehlt außerdem noch eine Urkunde aus Uganda, welche mit dem Antrag vorzulegen ist.

Der Betroffene wird vollumfänglich von RA DD, bei dem er wohnt und an dessen Privatadresse er seit seinem Auszug aus dem betreuten Wohnheim

in der Adresse 3, Z, gemeldet ist, mit Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld versorgt, besucht die Schule, hat eine Lebensgefährtin und ist Mitglied im Fußballverein ASV W (Z). Er verfügt über einen ÖFB-Spielerpass. Sein gesamter Freundeskreis und seine Kirche, die er sonntäglich besucht, befinden sich in Z. Den Kirchenchor begleitet er mit dem Klavier; zudem nimmt er Unterricht an der E-Bassgitarre.

RA DD war dem Betroffenen zunächst als Pate des Vereins EE zugewiesen. Als solcher hat erden minderjährigen, unbegleiteten Flüchtling betreut, bevor er ihn nach seinem Auszug aus dem FF-Wohnheim in der Adresse 4 bei sich aufgenommen und sich ein familiäres Verhältnis entwickelt hat.

Der Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte datiert mit 19.03.2018. Der Beschwerdeführer ist aus tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar. An seiner Ausreise und der Beschaffung von Einreisezertifikate nach/von Uganda hat er mitgewirkt.

Unrichtigerweise wurde der Mandatsbescheid damit begründet, dass die Abschiebung nach „Nigeria/Uganda“ mit Bescheid für zulässig erklärt wurde; dies trifft jedoch nicht auf beide Länder, sondern nur auf Nigeria zu (vgl. den Bescheid vom 20.06.2016). Tatsächlich hat der Beschwerdeführer angegeben, nicht dorthin ausreisen zu wollen (es ist nicht sein Heimatland). Er hat anlässlich des Rückkehrberatungsgesprächs aber seine Bereitschaft bekundet, nach Uganda, wo er geboren wurde und lebte, auszureisen und hat ebenso im Verfahren zur Feststellung seiner Identität und Herkunft aus Uganda mitgewirkt.

Seiner Ausreiseverpflichtung würde er in jedem Fall (egal, ob nach Uganda oder Nigeria) nachkommen, wenn die dafür notwendigen Einreisezertifikate vorliegen. Seine Erklärung beim Rückkehrberatungsgespräch, auf den der Mandatsbescheid hauptsächlich abstellt, liegt schon längere Zeit zurück. Der Beschwerdeführer weiß nunmehr, dass er in Österreich alsbald keine Arbeit annehmen oder ein Studium beginnen darf. Diese Aussichtslosigkeit war ihm beim Rückkehrberatungsgespräch noch nicht bewusst. Der Abschiebung würde er sich nicht entziehen, bei Vorliegen von Einreisepapieren des Drittstaates auch freiwillig ausreisen. Die Wohnsitzauflage, als krassen Eingriff in seine Grundrechte, durfte daher nicht allein mit seiner vormaligen (schon zwei Jahre zurückliegenden) Erklärung zu begründet werden, zumal er tatsächlich ausreisewillig ist.

Das ändert aber nichts an seiner Herkunft aus Uganda, die er nach wie vor beweisen will (auch zum Zwecke eines Folgeantrages) und zu diesem Zweck entsprechende Dokumente erlangen möchte. Da es keine ugandische Botschaft in Österreich gibt, ist er diesbezüglich auf Kontakte in Uganda angewiesen. Der ugandische Konsul in Wien konnte dem Beschwerdeführer nicht weiterhelfen. Zutreffend wird im Mandatsbescheid daher festgehalten, dass der Betroffene Österreich aus eigenem Entschluss gar nicht verlassen kann.

Bei der Unterbringung in V handelt es sich schließlich um eine freiheitsbeschränkende Maßnahme (näher dazu unten).

Vor diesem Hintergrund war schon die Erteilung der Wohnsitzauflage selbst nicht rechtens. Vor allem aber war in der oben aufgezeigten (Lebens-)Situation des Beschwerdeführers dem Mandatsbescheid nicht Folge zu leisten; dies aus mannigfachen Gründen (siehe die Beschwerdegründe), die auch eine Bestrafung wegen der Nichtbeachtung des Mandatsbescheides ausschließen.

2. ZULÄSSIGKEIT UND RECHTZEITIGKEIT

Gemäß Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden.

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Beschwerdefrist nach Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Der Bescheid wurde am 21.01.2019 zugestellt. Die heute zur Post gegebene übermittelte Beschwerde ist daher fristgerecht erhoben.

3. BESCHWERDEPUNKT

Durch den angefochtenen Bescheid ist der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtbestrafung verletzt worden.

Aus diesem Grund wird derselbe seinem gesamten Umfange nach angefochten. Geltend gemacht wird der Beschwerdegrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit

4. BESCHWERDEGRÜNDE (INHALTLICHE RECHTSWIDRIGKEIT)

1. Rechtswidriger Mandatsbescheid

Gemäß § 57 Abs 6 FPG ist die Wohnsitzauflage mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen.

Diese Anordnung ist verfassungswidrig; eine freiheitsbeschränkende Maßnahme kann nicht ohne vorheriges Ermittlungsverfahren ergehen. Im Hinblick darauf ist auch die Bestrafung nach § 121 Abs 1a FPG nicht in Einklang mit den Freiheitsgarantien gemäß Art 5 EMRK, dem PersFrG oder Art 6 GRC zu bringen.

Nach Maßgabe der Erläuterungen des Gesetzgebers zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 liegt - undifferenziert in allen Fällen - „Gefahr in Verzug“ vor, wenn es um die Wohnsitzauflage geht. Es wäre demnach stets von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen wäre.

Grundsätzlich können Mandatsbescheide gemäß § 57 AVG - also Bescheide ohne vorausgegangenem Ermittlungsverfahren - u.a. erlassen werden, wenn es sich bei Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Diese Voraussetzung ist nur gegeben, wenn der Eintritt eines Schadens zu erwarten ist, falls die Behörde die Verfügung nicht sofort erlässt, sondern vorher ein Ermittlungsverfahren durchführen würde. Somit ist die „Unaufschiebbarkeit“ der Maßnahme im Verhältnis zur notwendigen Dauer des Ermittlungsverfahrens zu sehen.

Im besonderen Fall genießt der der Beschwerdeführer Schutz nach Art 8 EMRK. Diesen Rechten wurde im Rahmen eines Mandatsbescheides nicht zur Genüge Rechnung getragen.

Auch sind die Umstände der derzeitigen Unterbringung und Versorgung des Beschwerdeführers in Z nicht geprüft worden. Aufgrund seiner persönlichen Umstände (vollständige soziale Integration, Schulbesuch!) war die Befolgung des Mandatsbescheides, d.h. ein Umzug nach Tirol in die Betreuungseinrichtung in V, unzumutbar.

Bei derartigen Unterkünften handelt es sich um Betreuungseinrichtungen des Bundes gemäß § 6 Abs. 2a GVG-B 2005, in denen vor Ort verstärkt Rückkehrberatungen und Rückkehrvorbereitungen angeboten und durchgeführt werden. Es versteht sich von selbst, dass derartige Beratungen in Anbetracht der Unabschiebbarkeit des Beschwerdeführers sinn- und zwecklos sind.

Ein Taschengeld wird in der Betreuungseinrichtung nicht gewährt; die Versorgung erfolgt gemäß zitierter Bestimmung „im unbedingt erforderlichen Ausmaß“, wobei jedenfalls Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung geleistet wird. Der politische Bezirk, in welcher sich die Einrichtung befindet, darf nicht verlassen werden. Das Besuchsrecht für Dritte ist zudem maßgeblich eingeschränkt (vgl. § 6 Abs 2 und 3 der BEBV 2005).

Insgesamt sind die sozialen Kontakte in V auf ein Minimum, nämlich auf Personen in ähnlichen Situationen, beschränkt. Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist mangels Anbindung des Heims an ein Verkehrsnetz und in Ermangelung der Bereitstellung eines Taschengeldes ausgeschlossen. Wie man von V zur Betreuungseinrichtung in Adresse 2, X, gelangt, wird zumindest auf Googlemaps nicht erklärt.

An dieser Stelle sei (noch einmal) darauf hingewiesen, dass beim Beschwerdeführer auch die Voraussetzungen für eine Duldung vorliegen. Der entsprechende Antrag vom 20.03.2019 ist bislang unerledigt geblieben, wiewohl ihm von seinem Herkunftsland (Uganda) das Einreisezertifikat nicht ausgestellt wird. An dem Verfahren hat der Beschwerdeführer mitgewirkt.

Da er - aus tatsächlichen Gründen - auf unabsehbare Zeit nicht abgeschoben werden kann, wären auch die Unterbringung in V und der damit verbundene Freiheitsentzug theoretisch unbefristet! Auch dieser Umstand zwingt zur Annahme, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Wohnsitzauflage und folglich die strafbewehrte Anordnung der Wohnsitznahme in Tirol verfassungs- und grundrechtswidrig sind.

Dem Beschwerdeführer ist entweder eine Duldungskarte auszustellen oder ein Bleiberecht einzuräumen. Stattdessen sollen ihm seine Freiheitsrechte entzogen werden.

Das angefochtene Straferkenntnis wird - spätestens nach Befassung des Verfassungsgerichtshofes

-        aufzuheben sein, weil es (zumindest mittelbar) auf einer verfassungswidrigen Bestimmung, nämlich § 57 FPG beruht. Eine Bestrafung des Beschwerdeführers auf der Grundlage von § 121 Abs 1a FPG stellt folgerichtig ebenso eine Verletzung seiner verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte dar.

Beweis: Einvernahme des Beschwerdeführers; Einvernahme von RA DD als Zeugen; vorzulegende Urkunden (Zeugnisse des Beschwerdeführers, Sprachzertifikate etc.); Ortsaugenschein in V; Mandatsbescheid vom 29.10.2018; beizuschaffender Akt zu GZ ***; weitere Beweisanbote bleiben Vorbehalten.

2. Rechtfertigung / Entschuldbarkeit der Unterlassung

Grundrechte lassen sich auch auf der Rechtfertigungsebene (interpretativ) zur Geltung bringen.

Selbst aufgrund geltender Rechtslage ist der angefochtene Bescheid zu beheben, weil das Verhalten des Beschwerdeführers gerechtfertigt war oder zu entschuldigen ist. Die Nichtbefolgung des Mandatsbescheides vom 29.10.2018 erfolgte in Ausübung seiner Freiheitsrechte, aber auch zur Wahrung seines Familien- und Privatlebens (Art 8 EMRK). Die besonderen Umstände des Falles zeigen, dass die Weigerung zur Folgeleistung unerlässlich war, um einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine Rechte zu verhindern. Die Inanspruchnahme seiner Grundrechte bildet einen Rechtfertigungsgrund.

Die Bestimmungen des § 121 Abs 1a FPG iVm § 57 FPG dienen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit; beachtlich ist das Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen (stRsp des VwGH). Die hier relevante Strafbestimmung dient letztlich der Durchsetzung dieser staatlichen Interessen. Das strafrechtlich geschützte Rechtsgut ist durch die Unterlassung des Beschwerdeführers jedoch nur gering beeinträchtigt worden. Denn in Anbetracht der vollständigen Versorgung des Beschwerdeführers durch DD fallen Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht ins Gewicht. In der gegebenen Situation ist das hier inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers also entschuldbar; zumindest wäre ein Verschulden so gering, dass die Einstellung des Verfahrens nach § 45 Abs 1 Z 4 VStG geboten ist.

Zumindest auf Schuld- (wenn schon nicht auf) Rechtfertigungsebene muss zudem berücksichtigt werden, dass § 121 Abs 1a FPG in einem Spannungsverhältnis zu dem seit jeher anerkannten Grundsatz der Straffreiheit von Selbstbegünstigung steht (vgl. § 299, auch § 300 StGB). Prinzipiell ist daher der persönliche Freiheitsdrang geschützt, dass niemand gezwungen werden darf, an seiner eigenen Bestrafung oder Anhaltung mitzuwirken (Pilnacek/Swiderski in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 300 Rz 4). Geht man im gegenständlichen Fall zutreffender Weise davon aus, dass mit Mandatsbescheid ein Freiheitsentzug angeordnet wurde, ist dem Beschwerdeführer dessen Missachtung (vor allem im Hinblick auf sein geordnetes Privatleben) nicht vorzuwerfen. Auch eine Verwaltungsstrafe im Sinne des angefochtenen Bescheides kommt daher - mangels Verschuldens - nicht in Betracht.

Beweis: wie oben.

5. ANTRÄGE

Der Beschwerdeführer stellt daher nachstehende

ANTRAGE

Das Verwaltungsgericht möge

1. gemäß § 44 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen und sodann

2. den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben

3. in eventu das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 VStG einstellen.“

Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde Einsicht genommen. Weiters wurde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) – Regionaldirektion U eine Erhebung durchgeführt und der Verfahrensstand im Verfahren betreffend die Vorschreibung einer Wohnsitzauflage nach § 57 FPG wegen der gegen den Mandatsbescheid eingebrachten Vorstellung nachgefragt. Das BFA teilte mit E-Mail vom 23.05.2019 mit, dass nach der Erhebung der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 29.10.2018 kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde und der Bescheid gem § 57 Abs 3 AVG außer Kraft getreten ist. Nach einer weiteren telefonischen Nachfrage beim zuständigen Sachbearbeiter des BFA gab dieser ergänzend an, dass nach dem Außerkrafttreten des mit Vorstellung angefochtenen Mandatsbescheides auch kein Ermittlungsverfahren mehr eingeleitet wurde und auch kein Verfahren zur Erlassung einer Wohnsitzauflage gegen den Beschwerdeführer beim BFA mehr anhängig ist.

Aufgrund der Tatsache, dass das BFA gewillkürt kein Ermittlungsverfahren binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung eingeleitet hat, trat der dem Verfahren zugrunde liegende Mandatsbescheid gem § 57 Abs 3 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft. Ein Ermittlungsverfahren zur (neuerlichen) Anordnung einer Wohnsitzauflage wurde vom BFA gegen den Beschwerdeführer nicht mehr eingeleitet. Mit dem Außerkrafttreten des Mandatsbescheides ist somit rückwirkend die Anordnung einer Wohnsitzauflage, die dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liegt, außer Kraft getreten. Es ist somit auch die rechtliche Grundlage für das eingeleitete gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren und für die nach dem Außerkrafttreten der angeordneten Wohnsitzauflage erfolgte Bestrafung entzogen worden.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes war daher der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das gegenständliche Verwaltungs-strafverfahren einzustellen.

II.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dr. Rieser

(Richter)

Schlagworte

Wohnsitzauflage aufgehoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.30.0385.2

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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