TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/3 Ro 2019/08/0003

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
60/03 Kollektives Arbeitsrecht
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ABGB §1151
ArbVG §34 Abs1
ASVG §4 Abs1 Z14
ASVG §4 Abs2
ASVG §4 Abs4
ASVG §49
ASVG §539
ASVG §539a
VwGG §36 Abs1
VwGG §46 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des L M in S, vertreten durch König Ermacora Klotz & Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Erlerstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. Oktober 2018, Zl. G308 2176696-1/14E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Gebietskrankenkasse in Klagenfurt, vertreten durch Fink - Bernhart - Haslinglehner - Peck - Kaltenhauser, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 5; mitbeteiligte Parteien: 1. A GmbH in I, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG, 1040 Wien, Argentinierstraße 20/1/3,

2. Pensionsversicherungsanstalt in 1020 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65-67; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Die Kärntner Gebietskrankenkasse hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Der Wiedereinsetzungsantrag der belangten Behörde gegen die Versäumung der Frist zur Erstattung der Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 stellte die belangte Behörde fest, dass der Revisionswerber auf Grund seiner Beschäftigung bei der erstmitbeteiligten Partei als Vorspringer vom 12. bis 17. Jänner 2016 der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht

gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

2 Der Revisionswerber, ein ausgebildeter Skiflieger, sei auch nach seinem Ausscheiden aus dem Kader des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) "Mit-Trainierer" des Stützpunktkaders des ÖSV gewesen. Der Revisionswerber, der schon mehrmals als Vorspringer beim Skifliegen tätig gewesen sei, habe sein Interesse bekundet, an der vom 12. bis 17. Jänner 2016 dauernden Skiflug-Weltmeisterschaft auf der Kulm-Flugschanze am Kulmkogel in Bad Mitterndorf als Vorspringer teilzunehmen. Er sei für diese Veranstaltung nominiert und eingestellt worden. Die Vorspringer hätten die Aufgabe, auf die Beschaffenheit der Schanze zu achten und nach absolviertem Sprung die notwendigen Informationen über die Bedingungen per Funk weiterzugeben. Am 13. Jänner 2016 sei er im Zuge des Einfliegens der Flugschanze zu Sturz gekommen und habe eine nicht revidierbare Querschnittlähmung erlitten. Er habe von der erstmitbeteiligten Partei Verpflegung, Unterkunft sowie eine Aufwandsentschädigung in Höhe von EUR 100,-- täglich erhalten. Er habe über keine eigenen Betriebsmittel verfügt und keine Unternehmensstruktur aufgewiesen. Im Jahr 2016 sei die monatliche Geringfügigkeitsgrenze bei EUR 415,72 gelegen. Der Revisionswerber sei hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsortes den Weisungen der erstmitbeteiligten Partei unterlegen. Er sei an die Ordnungsvorschriften über das Skifliegen gebunden gewesen. Er sei in den Betrieb der erstmitbeteiligten Partei organisatorisch eingebunden gewesen. In einer Gesamtschau würden die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Tätigkeit überwiegen.

3 Die erstmitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass der Revisionswerber im genannten Zeitraum weder der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG noch der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei. (Aus der Begründung des Erkenntnisses geht hervor, dass das Verwaltungsgericht auch eine Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG verneint hat.)

5 Der Internationale Skiverband (FIS) sei als Dachverband von 117 Nationalen Skiverbänden für die Ausrichtung internationaler Wettbewerbe im Bereich des Wintersportes zuständig. Die 1100 in Österreich bestehenden Wintersportvereine seien den jeweiligen Landesskiverbänden ihrer Bundesländer zugeordnet, die wiederum dem ÖSV als Nationalem Skiverband angehörten. Die Tätigkeit des ÖSV sei nicht auf Gewinn gerichtet, sondern verfolge gemeinnützige Zwecke. Sein Hauptziel sei die Förderung des aktiven Wintersports.

6 Je nach gewähltem Austragungsort betraue die FIS die einzelnen Mitgliedsverbände mit der Durchführung internationaler Wettbewerbe, insbesondere mit der Durchführung von Weltmeisterschaften nach Maßgabe der (im Verwaltungsakt erliegenden) "Bestimmungen für die Durchführung von FIS Weltmeisterschaften - Version November 2017".

7 Diese Bestimmungen haben nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts folgenden Inhalt: Nach Punkt A ("Allgemeine Bestimmungen") 1.2 der genannten Bestimmungen "ernennt" der FIS Vorstand "die Nationalen Skiverbände respektive deren Organisatoren" für FIS Weltmeisterschaften in allen Disziplinen. Gemäß A.1.3 müssen sich die Kandidaten für die Organisation von FIS Weltmeisterschaften bereit erklären, den "FIS Reglementen für die Organisation von FIS Wettkämpfen" (der Internationalen Skiwettkampfordnung - IWO, im vorliegenden Fall insbesondere Band III Skispringen) zu entsprechen. Die Kandidaten für die Organisation müssen unmittelbar nach der Wahl einen (nicht in den Verwaltungsakten erliegenden) Vertrag unterschreiben, in dem alle Rechte und Pflichten des (lokalen) Organisationskomitees (LOK) enthalten sind.

8 Gemäß A.4.1 werden die Organisation und die Durchführung von FIS Weltmeisterschaften von der FIS "einem Nationalen Skiverband und einem Ort bzw. Organisationskomitee (LOK) übertragen". Gemäß A.4.4 wird dieses Organisationskomitee vom Nationalen Skiverband eingesetzt. Gemäß C.10.1 sind alle Wettkampfstrecken und Skisprungschanzen von FIS Renndirektoren (siehe unten) zu inspizieren und zu bestätigen. Nach C.10.1.2 ist durch das LOK (gemäß den betreffenden Internationalen Wettkampfregeln, siehe unten) eine ausreichende Anzahl an qualifizierten Vorläufern/Vorspringern zur Verfügung zu stellen. Nach C.10.5 muss das LOK den Weisungen und Empfehlungen insbesondere der FIS Renndirektoren nachkommen. Nach C.11. bestimmt der FIS Vorstand für die FIS Weltmeisterschaften "zusätzlich zu den FIS Professional Experts (Renndirektoren, etc)" weitere Funktionäre, zB den Technischen Delegierten und dessen Assistenten, sechs Sprungrichter, den Chef der Weitenmessung, drei Wettkampfausrüstungskontrolleure und einen Vertreter des Medizinischen Komitees der FIS. Nach C.11.5 muss das LOK die Reise- , Unterkunfts- und Verpflegungskosten sowie die Tagesentschädigung von CHF 100,-- für jeden Einsatztag sowie Reisetag für alle "FIS Technischen Offiziellen (Jurymitglieder, etc.)" bezahlen. Nach C.11.6 muss das LOK dem FIS Vorstand die Vorschläge für den Rennleiter und andere wichtige technische Funktionäre bei FIS Weltmeisterschaften zur Genehmigung zwei Jahre vor den Weltmeisterschaften unterbreiten. Nach E.17. übernehmen der organisierende Nationale Skiverband und sein LOK die Planung und die Durchführung der FIS Weltmeisterschaften auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko. Nach E.17.1 werden die Einzelheiten für die Aufteilung der Einkünfte (Erlöse aus dem Verkauf von Eintrittskarten, Fernseh-, Film- und Videorechten sowie Inseratplätzen) in einem Vertrag zwischen FIS, Nationalem Skiverband und Organisator geregelt. Der nicht der FIS zustehende Rest der Einnahmen steht gemäß E.17.2 den LOKs zu, um die Meisterschaften vorzubereiten und durchzuführen. Ein Gewinn aus den FIS Weltmeisterschaften ist durch den organisierenden Nationalen Skiverband für die Förderung des Skilaufes oder Snowboardens zu verwenden. Nach E. 24 unterzeichnen der jeweilige Nationale Skiverband und die offiziellen Vertreter des Austragungsortes mit der FIS einen (nicht in den Verwaltungsakten erliegenden) Vertrag, der alle Rechte und Pflichten des Organisators enthält (vgl. A.1.3).

9 Nach der verwiesenen (im Verwaltungsakt erliegenden) Internationalen Skiwettkampfordnung (IWO), Band III Skispringen, Art. 202.1.1, ist jeder Skiverband berechtigt, sich gemäß den veröffentlichten "Bestimmungen für die Durchführung von FIS Ski Weltmeisterschaften" für die Durchführung von FIS Ski Weltmeisterschaften zu bewerben. Für den Fall, dass der Nationale Skiverband einen Organisator für den Wettkampf (zB einen ihm angeschlossenen Skiklub) ernennt, hat dies gemäß Art. 202.1.3 IWO mit dem Formular "Anmeldeformular Nationaler Skiverband und Organisator" zu erfolgen. Gemäß Art. 205.6 ("Unterstützung der Wettkämpfer") IWO darf ein Wettkämpfer Entschädigungen bzw. Vergütungen für Reisen, Unterhalt, Taschengeld, Verdienstausfall und soziale Sicherheit erhalten.

10 Gemäß Art. 211.1.1 IWO ist Organisator eines FIS Wettkampfes diejenige Person oder Personengemeinschaft, die den Wettbewerb am Ort selbst unmittelbar vorbereitet und durchführt. Sofern nicht der Nationale Skiverband selbst als Organisator auftritt, ist er berechtigt, einen ihm angeschlossenen Verein zum Organisator zu ernennen.

11 Gemäß Art. 211.2 IWO besteht das Organisationskomitee aus Mitgliedern (physischen oder juristischen Personen), die vom Organisator und vom Internationalen Skiverband (FIS) entsendet werden. Gemäß Art. 212.4 und 212.5 IWO müssen alle Wettkämpfer und alle von einem Nationalen Skiverband gemeldeten bzw. entsandten Betreuer und Offiziellen über einen ausreichenden Unfallversicherungsschutz verfügen. Nach Art. 401.1 IWO besteht das Wettkampfkomitee aus mehreren festen Mitgliedern (Rennleiter, Schanzenchef usw). Für das Wettkampfkomitee können weitere Wettkampffunktionäre (zB Chef der Probespringer) ernannt werden, wenn dies für die Leitung eines Wettkampfes notwendig ist.

12 Gemäß Art. 401.2.1 IWO überwacht der Rennleiter sämtliche Funktionäre im sporttechnischen Bereich und leitet im Auftrag der Jury den sporttechnischen Ablauf. Der Chef der Probespringer ist gemäß Art. 401.2.4 dafür verantwortlich, dass unmittelbar vor Beginn des Trainings und des Wettkampfes und bei Veränderung der äußeren Bedingungen während des Wettkampfes durch Probespringer die Anlauflänge getestet sowie bei Schneefall die Spur freigehalten wird. Während des Wettkampfes erhält der Chef der Probespringer vom Rennleiter die Anweisung, wie viele Probespringer zu welchem Zeitpunkt zu springen haben. Es liegt in der Verantwortung des jeweiligen Nationalen Skiverbandes des Veranstalters, dass mindestens acht qualifizierte Vorspringer täglich zur Verfügung stehen. Diese sollten nicht Teilnehmer am Wettkampf selbst sein, sie müssen jedoch die Fähigkeit besitzen, von dem von der Jury festgelegten Startplatz für den Wettkampf zu starten. Die Jury ist weiters berechtigt, vom Wettkampf ausgeschiedene Springer als Vorspringer fungieren zu lassen.

13 Gemäß Art. 402.1.1 IWO besteht die Jury aus dem Technischen Delegierten und seinem Assistenten sowie dem Rennleiter. Sie ist dafür verantwortlich, dass Training und Wettkampf gemäß den IWO Bestimmungen organisiert und durchgeführt werden. Sie bestimmt zB die Anlauflänge und die zulässige Windgeschwindigkeit und entscheidet über Proteste.

14 Gemäß Art. 402.2.1 IWO besteht die Rennleitung bei Skiflugweltmeisterschaften aus dem (von der FIS nominierten) Renndirektor FIS und dessen Assistenten, dem (von der FIS nominierten) Technischen Delegierten und dessen Assistenten, dem Rennleiter (siehe oben) und dem Ausrüstungskontrolleur. Gemäß Art. 405.3 IWO haben die Veranstalter für die von der FIS nominierten Wettkampffunktionäre die Reise- und Aufenthaltskosten, insbesondere die Taggeldentschädigung in Höhe von CHF 100,-- zu tragen.

15 Gemäß Art. 401.2.1 IWO überwacht der Rennleiter sämtliche Funktionäre im sporttechnischen Bereich und leitet im Auftrag der Jury den sporttechnischen Ablauf.

16 Gemäß Art. 454.3 IWO muss der Veranstalter eines Skiflugwettkampfes dafür sorgen, dass mindestens zwölf qualifizierte Probeflieger (Vorspringer), die nicht am Wettkampf teilnehmen, täglich zur Verfügung stehen. Diese müssen durch ihren Nationalen Verband nach Art. 215 (der die Anmeldung von Wettkämpfern regelt) gemeldet sein. Alle müssen die Fähigkeit besitzen, von dem von der Jury für den Wettkampf festgelegten Startplatz zu starten. Alle Vorspringer müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Das Einfliegen der Schanze hat unter Aufsicht der Jury zu geschehen. Es gelten die gleichen Regeln wie für den Wettkampf inklusive Materialkontrolle.

17 Für die nach den Regeln des Art. 454 IWO durchzuführenden Skiflug-Wettkämpfe im Rahmen des Weltcup gilt das Reglement für den FIS Weltcup Skispringen (Herren), dessen Art. 6.2 die Bezahlung von Entschädigungen durch die Weltcup-Organisatoren an die Nationalen Skiverbände nach bestimmten Quoten für die Spesenvergütung (Aufenthalt, Taschengeld, Reisekostenzuschuss) vorsieht.

18 Der Nationale Skiverband - so das Verwaltungsgericht weiter - und sein LOK würden die Planung und die Durchführung der FIS-Weltmeisterschaften auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko übernehmen. Würden keine gesonderten Regelungen vereinbart, so würde die FIS 10 % des Verkaufserlöses aus Eintrittskarten, 40 % des Erlöses aus dem Verkauf der Fernseh- und Videorechte und 40 % des Erlöses aus dem Verkauf von festen und beweglichen Inseratplattformen innerhalb eines Wettkampfgebietes behalten. Die LOK würden nach Abzug dieser Anteile Anspruch auf den Rest der Einnahmen haben, um die Meisterschaften vorzubereiten und durchzuführen. Ein allfälliger Gewinn sei durch den Nationalen Skiverband für die Förderung des Skilaufs oder Snowboardens zu verwenden.

19 Der ÖSV sei Alleingesellschafter der Ski GmbH. Seit deren Ersteintragung am 27. September 1990 werde diese durch P S. sowie Dr. K L. jeweils gemeinsam als handelsrechtliche Geschäftsführer vertreten. Die Ski GmbH sei sowohl Alleingesellschafterin der Nordic GmbH als auch Alleingesellschafterin der erstmitbeteiligten Partei. Beide würden seit 1. Mai 1998 jeweils selbständig von P S. und Dr. K L. als Geschäftsführer vertreten. Die erstmitbeteiligte Partei habe die F. GmbH mit der Veranstaltungskoordination und Veranstaltungsorganisation in Bezug auf die Sicherheit der Schanze und die Umsetzung der Marketingkonzepte beauftragt.

20 Der ÖSV sei von der FIS mit der Durchführung der Skiflug-Weltmeisterschaften 2016 beauftragt worden. Diesen Auftrag habe der ÖSV vor Veranstaltungsbeginn durch die für den Schanzenbau zuständige Nordic GmbH durchführen lassen. Die Sportveranstaltung selbst - die vom 12. bis 17. Jänner 2016 auf der Kulm-Flugschanze in Bad Mitterndorf, Steiermark stattfindende Skiflug-Weltmeisterschaften 2016 - habe der ÖSV von der erstmitbeteiligten Partei durchführen lassen. Die erstmitbeteiligte Partei sei Veranstalterin des Wettkampfes und "übergeordnet für die Vorspringer zuständig" gewesen.

21 Nach dem FIS-Reglement sei jeder Veranstalter verpflichtet, eine entsprechende Anzahl von Vorspringern stellig zu machen, die von den Nationalen Verbänden entsprechend der IWO nominiert würden. Meist handle es sich bei Vorspringern um ehemalige Wettkampfspringer oder Springer aus Sprungkadern, die eine entsprechende Eignung mitbrächten. Das Wettkampfkomitee (die Jury) würde die Personen der Vorspringer letztlich festlegen. Der jeweilige Veranstalter habe auf die Auswahl der Vorspringer keinen Einfluss. Die Jury sei hauptsächlich für sicherheitsrelevante Fragen an der Schanze zuständig.

22 Für das Skifliegen gebe das FIS-Reglement eine Mindestanzahl von zwölf Vorspringern vor. Für die Skiflug-Weltmeisterschaften 2016 seien etwa 15 bis 20 Vorspringer engagiert gewesen, die vor Wettkampfbeginn etwa 80 bis 100 Flüge absolviert hätten. Die Vorspringer seien überwiegend, aber nicht ausschließlich vom ÖSV nominiert worden. Einige Vorspringer seien von anderen nationalen Verbänden entsandt worden. Komme ein Vorspringer - aus welchen Gründen immer - nicht zum Einsatz, werde aus dem Kreis der übrigen Vorspringer eine Ersatzperson ausgewählt.

23 In Österreich gebe es 25 bis 30 Skispringer, die nicht in einem Wettkampfkader stünden, jedoch als Vorspringer auch für das Skifliegen geeignet und qualifiziert seien. Es seien immer genügend Vorspringer bei einer Veranstaltung vorhanden, weil die Mannschaften immer mit sehr viel mehr Wettkampfspringern anreisen würden, als tatsächlich teilnehmen dürften. Die nicht startenden Wettkampfspringer dürften ebenfalls als Vorspringer tätig werden. In der Praxis bestehe nie ein Mangel an Vorspringern. Die Personen, die einen Einsatz als Vorspringer anstrebten, würden schon erhebliche Zeit vor der jeweiligen Veranstaltung an ihre Trainer, den ÖSV oder den Vorspringerchef herantreten und ihr Interesse an der Teilnahme bekunden. Außerdem würde der Vorspringerchef in Frage kommende Vorspringer seinerseits nach einem eventuellen Interesse an einer Teilnahme fragen. Für eine Teilnahme als Vorspringer seien neben der sportlichen Eignung zwingend eine unterzeichnete "Athletenerklärung" der FIS sowie eine gültige private Unfallversicherung bzw. eine ÖSV-Rennrisikoversicherung Voraussetzung. Die Prämie müsse vom Sportler selbst bezahlt werden. Mit der genannten

Athletenerklärung würden sich die Vorspringer jeweils zur Einhaltung des in der jeweiligen Disziplin geltenden FIS-Reglements verpflichten (Wettkampfregeln, Materialbestimmungen, Anti Doping-Bestimmungen, Werbebestimmungen).

24 Etwa 14 Tage vor der konkreten Veranstaltung würde der Vorspringerchef eine Liste der an einer Teilnahme interessierten Vorspringer erstellen. Nach einer Überprüfung ihrer Eignung werde die Nennliste der erstmitbeteiligten Partei übermittelt. Den Vorspringern werde entweder telefonisch oder per E-Mail etwa zehn Tage vor dem Beginn der Veranstaltung bekannt gegeben, dass sie (nach Bestimmung durch das Wettkampfkomitee) offiziell als Vorspringer engagiert würden und wann sie konkret anreisen müssten. Dem für die Veranstaltung zuständigen Rennleiter sei das Einfliegen der Schanze und die endgültige Entscheidung über die Personen der Vorspringer (gemeinsam mit dem Trainerkollegium) oblegen, ebenso die Entscheidung, wann der Vorspringerchef mit dem Vorspringen beginnen solle. Als Mitglied der Jury sei der Rennleiter unter anderem für die Entscheidung zuständig gewesen, ob die Schanze freigegeben werde, wann die Sprünge absolviert würden, wie viele Vorspringer springen müssten und ob ein Vorspringer nach einer Unterbrechung oder auf Verlangen eines Wettkampfspringers springen müsse. Der bei der gegenständlichen Veranstaltung verantwortliche Rennleiter sei Trainer, der Vorspringerchef ehemaliger Trainer des ÖSV.

25 Der am 14. März 1992 geborene Revisionswerber sei seit seinem 14. Lebensjahr immer wieder als Vorspringer im Einsatz gewesen. Er und seine gesetzlichen Vertreter hätten die im Verwaltungsakt erliegende "Athletenerklärung zur Eintragung beim Internationalen Skiverband (FIS)" am 21. Juli 2008 unterschrieben. Der Revisionswerber habe sich mit Unterzeichnung dieser Athletenerklärung, die auch für das Vorspringen eine Voraussetzung darstelle, freiwillig und selbständig zur Einhaltung des FIS-Reglements, das auch für Vorspringer gelte, verpflichtet.

26 Der Revisionswerber habe sich einige Jahre bis April 2014 im Wettkampfkader des ÖSV befunden und unter anderem dreimal die Junioren-Weltmeisterschaften im Skispringen für sich entscheiden können. Sein letztes Wettkampfspringen habe er am 30. Dezember 2015 beim Austriacup in Saalfelden absolviert. Zum Zeitpunkt der Skiflug-Weltmeisterschaft 2016 sei er nicht Mitglied des ÖSV-Wettkampfkaders gewesen. Er sei jedoch als Mitglied des "Stützpunktkaders" zum Mittrainieren berechtigt gewesen. Er habe über eine private Unfall- bzw. Rennrisikoversicherung verfügt. Bis zu seinem Unfall am 13. Jänner 2016 habe er seinen Lebensunterhalt als Skispringer-Profi aus Preisgeldern bei Wettkämpfen, aus Unterhaltszahlungen seines Vaters sowie aus geringfügigen Einkünften auf Grund einer Beschäftigung bei seinem Onkel bestritten. Darüber hinaus habe er bei seinen Einsätzen als Vorspringer Aufwandsentschädigungen lukriert. Dabei habe es sich nicht um seine Haupteinkunftsquelle gehandelt.

27 Der Revisionswerber habe sein Interesse an der Funktion eines Vorspringers für die gegenständliche Veranstaltung beim Vorspringerchef deponiert. Er sei vom ÖSV auf Grund seiner - dem Trainerstab und dem Rennleiter bekannten - Leistungen als Vorspringer entsprechend der IWO nominiert worden. Die Auswahl des Mitbeteiligten als Vorspringer sei durch den Vorspringerchef und den Stützpunkttrainer erfolgt. Die erstmitbeteiligte Partei habe auf die Auswahl der Vorspringer keinen Einfluss gehabt.

28 Das FIS-Reglement sehe die Funktion des Vorspringerchefs vor. Der Vorspringerchef erhalte seine Anweisungen vom jeweiligen Rennleiter und fungiere als Hauptansprechperson und Hauptorganisator der Vorspringer, insbesondere in zeitlicher Hinsicht und in Bezug auf das eigentliche Vorspringen. Vor dem Beginn der Veranstaltung erfolge eine mündliche Einweisung der Vorspringer durch den Rennleiter. Den Ablauf des Vorspringens würde jedoch der Vorspringerchef im Einvernehmen mit dem Rennleiter festlegen. Eine fachliche Betreuung der Vorspringer finde nicht statt. Die Betreuung beziehe sich auf organisatorische Belange. Bei Problemen würden sich die Vorspringer nicht nur an den Vorspringerchef, sondern auch an die Trainer und Funktionäre ihrer nationalen Verbände wenden können.

29 Zweck des Vorspringens sei es (vgl. Art. 401.2 IWO), über die Beschaffenheit der Schanze und die Wettkampfbedingungen Informationen für den Veranstalter zu gewinnen, um einen ordnungsgemäßen und regelkonformen Wettkampf in Übereinstimmung mit dem FIS-Reglement sicherzustellen. Beim Skifliegen würden die Vorspringer auf die Beschaffenheit des Schanzeneinstiegs, der Anlaufspur, des Schanzentisches, des Aufsprunges und des Auslaufes achten, die Bedingungen in Bezug auf die Flugkurve und die Sichtbarkeit des Aufsprungs erheben und zu etwaigen Problemen oder Verbesserungen Rückmeldungen erstatten. Vor dem Wettkampf würden sie auch die Anlaufspur einfahren. Dabei würden alle vorhandenen Vorspringer eingesetzt.

30 Die Vorspringer würden meist einen Tag vor dem Tag des Einfliegens der Schanze anreisen. Der Vorspringerchef teile die Einsatzzeit und die Reihenfolge der Vorspringer ein. Sie würden sich im Athletendorf wie Wettkampfspringer auf ihre Sprünge vorbereiten. Es erfolge ein nicht verpflichtendes gemeinsames Treffen im jeweiligen Hotel oder an der Schanze. Es sei auch möglich, dass die Vorspringer erst am Tag des Einfliegens etwa zwei Stunden (oder noch später) vor dessen Beginn anreisen.

31 Das Einfliegen würde grundsätzlich um 12.00 Uhr des Einflugtags beginnen. Zuvor besichtige der Vorspringerchef mit dem Rennleiter die Schanze. Danach werde die Schanze der FIS übergeben. Nach Überprüfung gebe die FIS dem Veranstalter (der erstmitbeteiligten Partei) das "OK" für den Beginn des Springens. Der Rennleiter leite dies an den Vorspringerchef weiter. Dieser treffe mit den Vorspringern etwa eineinhalb bis zwei Stunden vor Beginn des Einspringens an der Schanze ein. Der Vorspringerchef vergebe die Startnummern und lege damit die Reihenfolge des Einspringens fest. Es werde bei den Vorspringern auf eine ausgeglichene Anzahl an Sprüngen und auf Pausen geachtet. Ein Vorspringer sollte pro Tag nicht mehr als drei Sprünge absolvieren. Vor dem Sprung stelle die Jury eine Ampel auf grün. Der Vorspringerchef gebe dem Vorspringer das Freizeichen. Nach dem Sprung leite der Vorspringer vom Auslauf aus die notwendigen Informationen per Funk an die Verantwortlichen weiter. Nach jedem Sprung müsse der Vorspringer seine Ausrüstung überprüfen. Nur in Ausnahmefällen würden die Serviceleute des ÖSV dabei helfen.

32 Am Wettkampftag laufe das Springen für einen Vorspringer im Wesentlichen gleich ab wie für einen Wettkampfspringer. Beide Gruppen würden mit dem Shuttle etwa zwei Stunden vor Beginn des Wettkampfes zur Anlage fahren und sich und ihr Material vorbereiten. Nach Freigabe der Schanze würden die Vorspringer ihren ersten Durchgang zum Einfliegen der Schanze am Wettkampftag absolvieren. Nach dem Sprung würden sie unverzüglich in das Athletendorf bzw. das Starthaus zurückkehren, damit alle Vorspringer zur Verfügung stünden. Bei Schönwetter würden vor jedem Durchgang in der Regel drei Vorspringer springen. In jeder Wettkampfpause springe ein weiterer Vorspringer. Der Vorspringerchef teile jene Vorspringer ein, die sich während des Wettkampfs zu einem Sprung bereitzuhalten haben. Für ein Intervall von etwa zehn Wettkampfsprüngen (zehn bis zwanzig Minuten) würden sich fünf Vorspringer am Ablauf bereithalten, davon zwei sprungbereit mit geschlossenen Schuhen, um innerhalb von ein bis zwei Minuten einen Sprung absolvieren zu können. Die übrigen Vorspringer würden im Aufenthaltsraum warten. Komme ein Vorspringer während des Intervalls nicht zum Sprung, kehre er zum Aufwärmen in den Aufenthaltsraum zurück. Der Rennleiter teile dem Vorspringerchef während des Wettkampfes mit, wann wie viele Vorspringer benötigt würden. Deren Einteilung erfolge durch den Vorspringerchef. Würde der Rennleiter jedoch zum Beispiel die fünf besten Vorspringer anfordern, so würde der Vorspringerchef in Absprache mit seinen Kollegen die ihrer Ansicht nach besten und sichersten Springer unabhängig von ihren Startnummern stellig machen. Die Einsätze der Vorspringer würden sich je nach Bedarf täglich mehrmals wiederholen. In Bezug auf ihre Sicherheit würden Vorspringer wie Wettkampfspringer behandelt. Nach Beendigung des Wettkampfes hätten die Vorspringer keine weiteren Verpflichtungen. Sie kehrten in ihre Unterkunft zurück und hätten die Möglichkeit, an einer Nachbesprechung teilzunehmen und sich gemeinsam mit einem Trainer eine Aufzeichnung ihres Sprunges anzusehen oder sich mit Kollegen auszutauschen.

33 Am 12. und 13. Jänner 2016 (Dienstag und Mittwoch) hätten zwei Einflugtage stattgefunden. Am 14. Jänner habe die Qualifikation und vom 15. bis 17. Jänner der eigentliche Wettkampf stattfinden sollen. Die Dauer der Tätigkeit der Vorspringer am Einflugtag habe etwa vier Stunden (von 10.00 bis 14.00 Uhr) betragen. Das Einfliegen selbst habe etwa eine Stunde in Anspruch genommen. An den Wettkampftagen seien die Vorspringer für die Dauer des Wettkampfes "netto" etwa eineinhalb bis zwei Stunden beschäftigt. Auf Grund der verlängerten Warte- und Ruhezeiten an Wettkampftagen seien die Vorspringer bei der Veranstaltung von etwa 11.00 bis 15.00 oder 16.30 Uhr vor Ort.

34 Am 13. Jänner 2016, dem Unfalltag, seien die Vorspringer um 11.00 Uhr durch den Shuttlebus abgeholt und zum Veranstaltungsort gebracht worden. Jeder Vorspringer habe sich individuell und selbständig auf seinen Einsatz vorbereitet. Der Vorspringerchef habe die Startnummern organisiert und verteilt. Der Revisionswerber sei für die Kontrolle seiner Ausrüstung zuständig gewesen. Der Rennleiter habe die Vorspringer auf die Schanzen und Wetterbedingungen hingewiesen und sie auf ihre wichtige Aufgabe aufmerksam gemacht. Die Vorspringer hätten sich per Lift zum Aufenthaltsraum am Schanzenanlauf begeben und dort auf ihren für 12.30 Uhr geplanten Einsatz gewartet. Der Rennleiter habe den Vorspringerchef beauftragt, mit dem Vorspringen zu beginnen. Dies habe der Vorspringerchef vom Trainerturm aus über Funk an die Vorspringer weitergegeben. Ein zweiter Trainer habe sich beim Anlauf aufgehalten, ein weiterer im Kampfrichterturm. Alle drei Personen hätten gemeinsam die Vorspringer betreut. Der Revisionswerber habe seine Sprünge entsprechend der Reihenfolge seiner Startnummer absolviert.

35 Der Revisionswerber habe sich - sofern er seinen Einsatz als Vorspringer tatsächlich habe absolvieren wollen - zu den im Zeitplan festgelegten Zeiten an den dafür vorgesehenen Orten, teilweise sprungbereit, aufhalten müssen. Er sei an das FIS-Reglement sowie an die Vorgaben der Rennleitung und der Jury gebunden gewesen. Ihm seien in Bezug auf sein persönliches Verhalten, sein Training oder seine körperliche Fitness und in Bezug auf den Sprung selbst bzw. dessen Vorbereitung keine Vorgaben gemacht worden. Er sei in der Lage, sich selbständig und eigenverantwortlich körperlich auf seinen Einsatz vorzubereiten. Vorspringer seien nicht dazu verpflichtet, tatsächlich einen Sprung zu absolvieren. Dem Revisionswerber sei es - wie jedem anderen Vorspringer oder Wettkampfspringer auch - immer möglich gewesen, einen einzelnen Sprung oder mehrere Sprünge, aus welchen Gründen immer, sanktionslos abzulehnen. Es sei möglich oder komme durchaus vor, dass ein Vorspringer an einem Tag einen Sprung auslasse oder einen ganzen Tag lang keine, an den nächsten Tagen oder vor dem nächsten Wettkampfdurchgang aber doch wieder Sprünge absolviere. Sage ein und derselbe Vorspringer an mehreren Veranstaltungen hintereinander ohne Grund kurzfristig ein Vorspringen ab, so werde in naher Zukunft auf Grund mangelnder Verlässlichkeit womöglich eher einem anderen Kandidaten der Vorzug gegeben. Dies hänge von den Trainern und Verbänden ab. Könne infolge mehrerer Ablehnungen mit den vorhandenen, sprungbereiten Vorspringern nicht das Auslangen gefunden werden, so sei die Jury verpflichtet, Ersatz zu besorgen. Die Gruppe der Vorspringer sei üblicherweise so groß, dass es nicht zu solchen Problemen komme. Der Revisionswerber habe keinen beliebigen Vertreter bestellen können. Der Vorspringerchef habe aber auf allfällige Vertretungswünsche aus "dem vorhandenen Pool der Vorspringer" Rücksicht genommen, sofern der Betreffende über die gerade nötigen Fähigkeiten verfügt und nicht bereits drei Sprünge absolviert habe. Komme ein Vorspringer (gegen seinen Willen) nicht zum Zug, könne er beim Vorspringerchef oder beim Rennleiter nachfragen, weshalb der Sprung nicht genehmigt worden sei. Mache ein Vorspringer an einem Tag den Eindruck, nicht über die nötige körperliche oder geistige Fitness zu verfügen, sei es möglich, dass der Vorspringerchef oder der Rennleiter dem betreffenden Vorspringer für diesen Tag oder für diesen konkreten Sprung aus Sicherheitsgründen die Freigabe verweigere und stattdessen ein anderer Vorspringer zum Zug gelange. Es sei konsequenzlos möglich, dass ein Vorspringer (allenfalls nach Absolvierung eines Sprunges) nicht mehr an den Anlauf zurückkehre, sondern sich in ein Gastronomiezelt begebe oder die Veranstaltung ganz verlasse. Es sei jedoch vorrangiges Ziel eines jeden Sportlers, der sich zum Vorspringen melde, dieses - sei es zu Übungszwecken, zur Wahrnehmung seltener Gelegenheiten (wie etwa beim Skifliegen), wegen der Zugehörigkeit zu einem elitären Kreis, zur Verbesserung der eigenen sportlichen Leistung oder wegen des Zugewinns von Erfahrung - auch tatsächlich zu absolvieren.

36 Der Revisionswerber habe angegeben, sich im Falle der Bereitschaft mit geschlossenen Schuhen sprungbereit zu halten, weil er nicht riskieren wolle, dass er zu lange brauche und deswegen ein anderer springe. Für den Einzelnen sei die Chance zu fliegen wichtig gewesen. Man werde dafür bezahlt und habe auch noch die Chance, etwas zu tun, was man gerne tue. Aus Gründen des Respekts vor den anderen Vorspringern bleibe ein Vorspringer nicht unten, auch wenn er weiter hinten gereiht sei. Es bestehe nur selten die Möglichkeit zum Skiflug, weil die Schanzen aufgrund der Vorgaben der FIS nur bei Veranstaltungen (nur einmal im Jahr) geöffnet würden. Er sei Profisportler. Das Skifliegen sei lukrativ, man verdiene EUR 100,-- pro Tag. Es sei "etwas Spezielles", man habe nicht oft dazu die Möglichkeit. Die Skiflieger seien ein elitärer Kreis, zu dem man gerne gehören möchte. Man müsse sich allerdings an Vorgaben halten, sonst sei man das letzte Mal dabei. Man dürfe nicht fahrlässig agieren, sonst gefährde man sich selbst oder andere oder auch den Ablauf der gesamten Veranstaltung.

37 Die Sprungausrüstung sei im Eigentum des Revisionswerbers gestanden. Er habe die Ausrüstungsbestimmungen des FIS-Reglements einhalten müssen.

38 Das FIS-Reglement habe die erstmitbeteiligte Partei (als Veranstalterin) dazu verpflichtet, sowohl für die Wettkampfspringer als auch für Vorspringer die Unterkunft, die Verköstigung und ein Shuttle zwischen Hotel und Veranstaltungsort zu organisieren und auf eigene Kosten zur Verfügung zu stellen. Die Betreuung der Vorspringer bezüglich Anreise und Unterkunft sei ebenso wie für die Wettkampfspringer durch das Wettkampfbüro erfolgt. Die Vorspringer würden laut FIS-Reglement vom jeweiligen Veranstalter (der erstmitbeteiligten Partei) zwingend eine je nach Veranstaltung pro Tag vorgesehene Geldsumme, das sogenannte "Taschengeld", als Aufwandersatz erhalten. Die Vorspringer würden ein vom Vorspringerchef vorgefertigtes Formular zur Abführung von Abgaben an das Finanzamt unterschreiben. Der Vorspringerchef bestätige die Teilnahme als Vorspringer und leite die Formulare gesammelt dem Kassier des Organisationskomitees weiter. Die Vorspringer erhielten das Taschengeld bar ausgezahlt. Es werde keine Honorarnote oder Rechnung ausgestellt. Das pauschalierte "Taschengeld" beinhalte alle sonstigen Aufwendungen des Springers. Darüber hinaus würden alle Teilnehmer je nach Herkunftsstaat pauschalierte Reisekostenersätze nach dem FIS-Reglement erhalten.

39 Grundsätzlich erhalte jeder (Vor-)Springer, der zur Veranstaltung anreise, den pauschalierten Reisekostenersatz. Zudem erhalte ein Vorspringer ein pauschaliertes Taschengeld von EUR 100,-- pro Tag. Springe ein Vorspringer etwa nur vier Tage von sechs Veranstaltungstagen und müsse für zwei Tage ein Ersatz-Vorspringer einspringen (der nicht ohnehin bereits bei dieser Veranstaltung als Vorspringer tätig sei), so würde der erste Vorspringer EUR 400,-- an Taschengeld erhalten und der Ersatzspringer EUR 200,-- für die restlichen zwei Veranstaltungstage. Es werde jedoch unterschieden, ob es sich um eine vorübergehende Verhinderung (etwa an einem Tag bei weiterer Anwesenheit des Vorspringers am Veranstaltungsort) oder um einen den Einsatz als Vorspringer beendenden Umstand (Erkrankung/Unfall/Abreise aus anderen Gründen) handle. Im ersteren Fall werde von der Veranstalterin der gesamte Aufwandersatz für alle Veranstaltungstage ausgezahlt. Im letzteren Fall würden nur die tatsächlich geleisteten Tage sowie die Reisekostenersätze honoriert.

40 Nach dem Unfall am 13. Jänner 2016 seien dem Revisionswerber am 2. August 2016 vom ÖSV über die erstmitbeteiligte Partei nachträglich das im FIS-Reglement vorgesehene Taschengeld in Höhe von EUR 100,-- pro Tag für den Zeitraum 12. bis 17. Jänner 2016 (sechs Tage, insgesamt EUR 600,--) auf sein Konto überwiesen worden. Er habe die Aufwandsentschädigung daher auch für die vier Tage erhalten, an welchen er die Vorspringertätigkeit nicht mehr habe ausüben können.

41 In der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zur Eigenschaft der erstmitbeteiligten Partei als Dienstgeberin aus, die FIS habe dem ÖSV die Organisation und Durchführung der Weltmeisterschaft übertragen. Dieser habe die Aufgaben an die erstmitbeteiligte Partei als LOK delegiert. Die FIS sei die "eigentliche Veranstalterin" der Weltmeisterschaften geblieben und habe sich des Nationalen Verbandes und seines LOK lediglich zur "Organisation und Durchführung" bedient. Die FIS habe einen erheblichen Anteil der Einnahmen zurückbehalten und alle verbindlichen Regelungen vorgegeben, wie insbesondere den Einsatz, die Zahl, die Voraussetzungen der Vorspringer sowie die konkrete Höhe von Aufwands- und Reisekostenentschädigungen. Nach E.17. der "Bestimmungen für die Durchführung von FIS Weltmeisterschaften - Version November 2017" würden der organisierende Nationale Skiverband und sein LOK die Planung und die Durchführung der FIS Weltmeisterschaften auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko übernehmen. Dem Verwaltungsgericht lägen die vertraglichen Vereinbarungen weder zwischen der FIS, dem ÖSV und der erstmitbeteiligten Partei als LOK noch zwischen dem ÖSV und der erstmitbeteiligten Partei vor. Keine der Parteien, Beteiligten oder Zeugen hätten diesbezüglich genaue Auskünfte geben können. Es sei nicht eindeutig, dass "ausschließlich" die erstmitbeteiligte Partei als potenzielle Dienstgeberin in Frage komme. Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass die erstmitbeteiligte Partei (jedenfalls auch) Dienstgeberin des Revisionswerbers im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG sei, zumal dies nicht bestritten worden sei. Aus den genannten Gründen sei jedoch eine abschließende Beurteilung nicht möglich.

42 Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG - und damit für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis - sei die persönliche Arbeitspflicht. Diese fehle insbesondere dann, wenn einem Beschäftigten ein "sanktionsloses Ablehnungsrecht" zukomme, wenn er also die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen könne. Der Empfänger der Dienstleistungen könne unter solchen Umständen nicht darauf bauen und entsprechend disponieren, dass dieser Beschäftigte an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit für die Dienstleistungen vereinbarungsgemäß zur Verfügung stehen werde. Der Revisionswerber habe in seiner Eigenschaft als Vorspringer jederzeit und ohne Angabe von Gründen die Durchführung einzelner oder mehrerer Sprünge (auch noch im letzten Moment) sanktionslos ablehnen können. Von dieser Möglichkeit sei auch immer wieder - aus den unterschiedlichsten Gründen, auch bei "ungutem Gefühl" des Vorspringers etwa nach einem Sturz eines Kollegen - Gebrauch gemacht worden. Aus diesem Grund würden generell von den Veranstaltern erheblich mehr Vorspringer benannt, als das FIS-Reglement für die jeweilige Veranstaltung als Mindestanzahl vorschreibe, sodass auch bei Ablehnung oder Ausfall mehrerer Vorspringer keine Gefahr für die Durchführung der Veranstaltung bestünde. Für die gegenständliche Weltmeisterschaft sehe das FIS-Reglement zwölf Vorspringer vor. Die

erstmitbeteiligte Partei habe 15 bis 20 Vorspringer engagiert. Es würde praktisch nie ein Mangel an Vorspringern bestehen. Einerseits würden die wettkämpfenden Nationen immer mit mehr Kaderspringern zu solchen Veranstaltungen anreisen, als nach dem Reglement zur Teilnahme berechtigt seien. Dies erfolge, um kurzfristige Ausfälle zu kompensieren. Springer, die nicht am Wettkampf teilnehmen würden, dürften immer als Vorspringer teilnehmen, sofern Bedarf bestünde. Sie würden naturgemäß auch über die dafür nötigen Voraussetzungen verfügen und seien daher entsprechend leicht nachzubesetzen, falls die übrigen Vorspringer nicht ausreichen würden. Andererseits habe der Revisionswerber deutlich gemacht, dass ein Einsatz bzw. eine Teilnahme als Vorspringer überwiegend aus persönlichen Motiven erfolge, nämlich insbesondere als Wahrnehmung einer seltenen Möglichkeit zum Training, zur Verbesserung der Leistung sowie einer allfälligen Empfehlung für einen Wettkampfkader. Es liege zu einem großen Teil im Interesse des Vorspringers, den Sprung oder Flug tatsächlich zu absolvieren. Es habe nicht nur ein theoretisches sanktionsloses Ablehnungsrecht bestanden, sondern von diesem sei tatsächlich Gebrauch gemacht worden. Es sei tatsächlich gelebt worden. Es sei möglich gewesen, gar nicht anzureisen, es sei aber auch möglich gewesen, von drei Sprüngen an einem Tag alle, am nächsten keinen, am übernächsten wieder zwei und so weiter zu absolvieren. Die Vorspringer und damit auch der Revisionswerber hätten daher auch während des konkreten "Arbeitstages" ihre bereits übernommene "Tätigkeit" einfach einstellen können. Abgesehen davon, dass die Vorspringer grundsätzlich ihre Sprünge hätten absolvieren wollen, hätten weder die erstmitbeteiligte Partei noch der ÖSV oder die FIS ohne weiteres darauf bauen und entsprechend disponieren können, dass der jeweilige Vorspringer an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit einen Sprung absolviere und damit vereinbarungsgemäß zur Verfügung stehe. Dem Revisionswerber sei damit ein generelles, sanktionsloses, seine persönliche Arbeitspflicht ausschließendes Ablehnungsrecht zugekommen, sodass mangels persönlicher Arbeitspflicht auch keine persönliche Abhängigkeit vorgelegen sei. Schon deshalb sei ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG zu verneinen.

43 Der Revisionswerber habe nicht dem Wettkampfkader, sondern lediglich dem Stützpunktkader angehört. Er sei zum Mittrainieren bei ÖSV-Trainingsstützpunkten mit ÖSV-Trainern berechtigt, jedoch nicht verpflichtet gewesen. Der Umfang seines Trainings sei seiner eigenen Entscheidung oblegen. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, an Wettbewerben des ÖSV teilzunehmen. Auch wenn eine Weltmeisterschaft nach dem FIS-Reglement nicht ohne Vorspringer stattfinden könne, sei es überwiegend im persönlichen Interesse des Revisionswerbers gelegen, als Vorspringer für die Veranstaltung vom Verband nominiert zu werden. Es sei ihm nicht auf die Aufnahme einer regelmäßigen Beschäftigung oder die Erwirtschaftung eines Einkommens angekommen. Ihn habe keine Leistungsverpflichtung getroffen. Sei eine Person nicht zu einem Tätigwerden verpflichtet, sondern sei nur vereinbart, dass bei Leistungserbringung ein Entgelt gebühre, und sei auch weder ein Mindestumsatz noch eine Sanktion bei Nichttätigwerden vorgesehen, so liege kein Dienstverhältnis vor.

44 Da § 4 Abs. 4 ASVG eine Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen vorsehe, würde auch keine Pflichtversicherung des Revisionswerbers als freier Dienstnehmer bestehen.

45 Im Übrigen liege sowohl hinsichtlich des Arbeitsorts als auch hinsichtlich der Arbeitszeit ein sich aus der Natur der Sache ergebender Sachzwang vor, an welchen auch die Wettkampfspringer - als selbständig Erwerbstätige - gebunden gewesen seien. Diese Bindung sei nicht unterscheidungskräftig. Auch die Bindung an das FIS-Reglement sei nicht unterscheidungskräftig, weil daran auch die Veranstalter gebunden seien und sie nicht als Weisung eines Arbeitgebers bezüglich des Arbeitsverfahrens verstanden werden könnten. Der Revisionswerber sei bezüglich seines arbeitsbezogenen Verhaltens, insbesondere bezüglich der Sprungtätigkeit, keinerlei Weisungen oder Kontrollen unterworfen gewesen.

46 Art. 454.3 IWO gelte auch für Vorspringer. Daher habe auch der Revisionswerber eine kostenlose Unterkunft sowie Verpflegung und ein Shuttle zur Verfügung gestellt bekommen und Taschengeld erhalten. Da er gegenüber der erstmitbeteiligten Partei nicht zur Leistung verpflichtet gewesen sei, komme es auf die Einordnung dieser Zahlungen nicht mehr an.

47 Professionelle Einzelsportler würden in der Regel eine die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG begründende selbständige Tätigkeit als "neue Selbständige" ausüben. Bis auf den Umstand, dass der Vorspringer keine bestmögliche Leistung liefen müsse, würden keine Unterschiede der Tätigkeit als Vorspringer zu jener als Wettkampfspringer bestehen. Für beide Tätigkeiten würden dieselben Regelungen gelten. Der Revisionswerber habe seine Vorspringertätigkeit im Rahmen seiner professionellen Sportausübung als Einzelsportler ausgeübt. Ihm sei es frei gestanden, als Vorspringer an der Veranstaltung teilzunehmen. Es habe keine Leistungsverpflichtung gegenüber der erstmitbeteiligten Partei bestanden. Selbst bei Annahme einer solchen wäre es dem Revisionswerber auf Grund des sanktionslosen Ablehnungsrechtes immer noch möglich gewesen, derart über seine Arbeitskraft zu disponieren, dass keine persönliche Arbeitspflicht und damit keine persönliche Abhängigkeit vorlägen.

48 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an höchstgerichtlicher Judikatur fehle, die sich mit der sozialversicherungsrechtlichen Situation von Einzelsportlern in weit verzweigten Vereins- bzw. Verbandsstrukturen

auseinandersetze. Es fehle an einer Judikatur zur Abgrenzung von Breiten- und Berufssport und insbesondere zu den Auswirkungen sportimmanenter Vorgaben auf die sozialversicherungsrechtliche Betrachtungsweise der Sportausübung. Es sei in ähnlichen Fällen zu anderslautenden Entscheidungen durch das Bundesverwaltungsgericht gekommen.

49 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

50 Die erstmitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision beantragt.

51 Die belangte Behörde stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Abgabe der vom Verwaltungsgericht aufgetragenen Revisionsbeantwortung. Zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag holte sie die versäumte Prozesshandlung nach und erstattete eine Revisionsbeantwortung.

52 Auf verspätete Revisionsbeantwortungen, welche außerhalb der eingeräumten Frist dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurden, darf Bedacht genommen werden. Es besteht kein Hindernis, solche Revisionsbeantwortungen bei der Behandlung der Revision zu berücksichtigen (vgl. das zu § 36 Abs. 1 VwGG in der Fassung vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 ergangene Erkenntnis vom 28.1.2016, 2013/07/0087). Der Wiedereinsetzungsantrag war in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen (vgl. VwGH 10.9.2008, 2006/04/0185).

53 In seinen Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision schloss sich der Revisionswerber den Überlegungen des Verwaltungsgerichtes an und brachte zudem vor, es fehle auch an Rechtsprechung zur Frage, wie eine an einer konkreten Veranstaltung orientierte Tätigkeit eines Vorspringers (oder eines Vorläufers im Alpinen Skirennsport etc.), der einen vom Veranstalter vorgegebenen Aufgabenbereich wahrnehme und dafür ein Entgelt erhalte, sozialversicherungsrechtlich einzuordnen sei. Die erstmitbeteiligte Partei als Veranstalterin der Skiflugweltmeisterschaft sei wirtschaftlich zur Gänze vom monopolistisch organisierten Österreichischen Skiverband beherrscht. Es fehle Rechtsprechung dazu, wie dieser Umstand im Hinblick auf die Dienstgebereigenschaft der erstmitbeteiligten Partei zu werten sei. Auch fehle Rechtsprechung zur Frage, wie sich die sportimmanenten Vorgaben im hierarchisch organisierten Sportverbandswesen auf die Beurteilung der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit einzelner Sportler auswirke und welchen Einfluss sportrechtsspezifische Besonderheiten der Beschäftigungsverhältnisse in sozialrechtlicher Hinsicht zeigen. Das Verwaltungsgericht habe der Frage, "ob die Skifluganlage samt Schanzeninfrastruktur als relevantes Betriebsmittel zu qualifizieren ist", keine Bedeutung beigemessen.

54 In der Revisionsbegründung führte der Revisionswerber aus, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass seine Tätigkeit im Interesse der erstmitbeteiligten Partei erfolgt sei. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine Leistungspflicht des Revisionswerbers verneint. Ein sanktionsloses Ablehnungsrecht sei nicht gegeben gewesen. Das Verwaltungsgericht habe sich der Beurteilung wesentlicher Merkmale fremdbestimmter Tätigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG enthalten und überdies nicht geprüft oder im Spruch festgestellt, ob der Revisionswerber als freier Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG der Vollversicherungspflicht unterliege. Es könne nicht von einem jederzeitigen Ablehnungsrecht "nach Gutdünken" ausgegangen werden. Die Tätigkeit des Revisionswerbers habe sich nicht auf die Durchführung des Sprunges reduziert. Auch der Bereitschaftsdienst sei Bestandteil seiner Tätigkeit. Kein Dienstnehmer könne physisch dazu gezwungen werden, die vertraglichen Dienstleistungen tatsächlich zu erbringen. Gerade bei einer besonders gefahrenexponierten Tätigkeit wie dem Skifliegen sei diese Freiwilligkeitskomponente entsprechend ausgeprägt. Die erstmitbeteiligte Partei sei auf den Einsatz und die Tätigkeit des Vorspringers für die Durchführung der Veranstaltung angewiesen gewesen. Gerade die Verhältnisse bei der Skiflugweltmeisterschaft 2 016, bei welcher es immer wieder zu Schneefall gekommen sei, würden untermauern, dass die erstmitbeteiligte Partei nicht nur für die grundsätzliche Zulässigkeit der Veranstaltung nach FIS-Reglement, sondern auch für die erfolgreiche Durchführung derselben auf die Verlässlichkeit und Einsatzbereitschaft der Vorspringer angewiesen gewesen sei. Würden die in Bereitschaft stehenden Springer den Sprungbefehl grundlos und nach freiem Belieben verweigern, würde die Rennleitung vor dem Problem stehen, so schnell wie möglich wieder drei bis vier Vorspringer vom Aufwärmraum zu organisieren, was drei bis fünf Minuten in Anspruch nehmen würde. Das ließe sich mit den strengen Zeitvorgaben der Veranstaltung nicht vereinbaren. Alle Beteiligten seien sich dieser Umstände bewusst. Von einem sanktionslosen Ablehnungsrecht könne keine Rede sein. Würden sich Vorspringer grundlos weigern zu springen oder würden sie einfach wieder abreisen, so könnte das zu einer Absage der Großveranstaltung Skiflugweltmeisterschaft 2016 führen. Demgemäß habe der Vorspringerchef E W. bei seiner Befragung durch die belangte Behörde betont, dass die Verlässlichkeit des Revisionswerbers besonders wichtig sei. Der Rennleiter H H. habe betont, die Vorspringer würden eine Verpflichtung darin sehen, zu springen. Die Ablehnung eines Sprunges sei nur vorgekommen, wenn zum Beispiel mentale Gründe in der Krisensituation nach einem Sturz vorgelegen seien. Es sei kein Fall bekannt, in dem ein Springer in der Nähe des Startbalkens ohne triftigen Grund den Sprung verweigert hätte. Hätte der Revisionswerber einen Sprung ohne Grund verweigert, wäre er das letzte Mal als Vorspringer eingesetzt worden. Eine willkürliche Weigerung würde sich schnell und nachhaltig negativ auf die sportliche Zukunft des einzelnen Vorspringers auswirken. Im gegenständlichen Fall würde es sich auch nicht um die Organisation einfacher Aushilfsarbeiten durch einen präsenten "Pool" handeln. Einfache Aushilfsarbeiten seien mit der hoch qualifizierten Tätigkeit eines Skifliegers nicht vergleichbar. Es gebe weltweit nur fünf Schanzen, an denen derartige Veranstaltungen durchgeführt werden könnten, und nur sehr wenige Personen, die eine solche Tätigkeit verrichten könnten. Der Revisionswerber habe darüber hinaus auch als Werbeträger für die erstmitbeteiligte Partei fungiert. Er habe nicht nur am Sprunganzug, sondern auch am Vorspringertrikot zahlreiche Sponsoren des ÖSV sowie der Skiflugweltmeisterschaft 2016 präsentiert. Dem Revisionswerber sei ein minutengenauer Ablauf vorgegeben gewesen. Der Vorspringer habe im Hinblick auf den Zeitpunkt seines Einsatzes völlig fremdbestimmt agiert. Es möge sein, dass die Bindung an die FIS-Regeln eine sportspezifische Vorgabe sei, ohne die die Durchführung derartiger Veranstaltungen nicht möglich gewesen wäre. Das sei aber kein Argument gegen das Vorliegen eines Weisungsrechts. Vielmehr liege in den Organisations- und Verhaltensregeln eine Weisungshoheit der erstmitbeteiligten Partei bezüglich des Arbeitsverfahrens. Nicht die eigentliche Sportausübung sei im Vordergrund gestanden, sondern die Dienstleistung der Informationsgewinnung für die Durchführung des Wettkampfes. Der Revisionswerber habe eine hoch qualifizierte Tätigkeit ausgeübt, die nur wenige Menschen weltweit überhaupt erbringen könnten. Die Voraussetzungen im Hinblick auf das persönliche Verhalten würden die Erteilung konkreter Weisungen entbehrlich machen. Es habe eine Weisungshoheit kraft stiller Autorität der erstmitbeteiligten Partei bestanden. Die erstmitbeteiligte Partei habe hinreichende Kontrollmöglichkeiten sowie Sanktionsmöglichkeiten besessen. Der Revisionswerber habe für seine auf sechs Tage befristete Tätigkeit ein Entgelt von EUR 600,-- im Sinn des § 49 ASVG erhalten. Es habe sich nicht um eine Aufwandsentschädigung gehandelt. Im Übrigen würde die Gewährung von Kost und Logis sowie der Transport zur Wettkampfstätte ein Naturalentgelt im Sinn des § 49 ASVG darstellen.

55 Sollte keine Dienstnehmereigenschaft im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG vorliegen, so werde im Hinblick auf § 4 Abs. 4 ASVG vorgebracht, dass der Revisionswerber nicht über nennenswerte eigene Betriebsmittel verfügt habe. Die Sprunganlage sei von der erstmitbeteiligten Partei zur Verfügung gestellt worden. Die sonstige Ausrüstung sei dem Revisionswerber entweder direkt von der erstmitbeteiligten Partei (zum Beispiel das als Werbemedium dienende Trikot) oder vom ÖSV direkt (zum Beispiel die Skibindung) oder dessen Ausrüstungspartnern zur Verfügung gestellt worden. Eine Vollversicherungspflicht des Revisionswerbers würde sich jedenfalls aus § 4 Abs. 4 ASVG ergeben.

56 Der Revisionswerber beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Einvernahme bestimmter Zeugen und zur ergänzenden Einvernahme des Revisionswerbers.

57 Die Revision ist aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen und außerdem deswegen zulässig, weil das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der persönlichen Arbeitspflicht des Revisionswerbers von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Sie ist auch berechtigt.

58 Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird. Dienstnehmer im genannten Sinn sind auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Ob bei Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes - davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (zum Beispiel auf Grund eines freien Dienstvertrages iSd § 4 Abs. 1 Z 14 ASVG) - nur beschränkt ist. Die unterscheidungskräftigen Kriterien sind nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie zum Beispiel die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeit) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Nebenkriterien ebenso wie die Art des Entgelts und der Entgeltleistung (§ 49 ASVG), die an sich in der Regel wegen des gesonderten Tatbestandscharakters des Entgelts für die Dienstnehmereigenschaft nach § 4 Abs. 2 ASVG für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit nicht aussagekräftig sind, von maßgebender Bedeutung sein. Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung nach der Methodik des beweglichen Systems die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen (vgl. etwa VwGH 14.11.2018, Ra 2018/08/0172, 0173, mwN).

59 Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG und damit eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist stets die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vor. Persönliche Arbeitspflicht ist (unter anderem) dann nicht gegeben, wenn demjenigen, dessen Leistungserbringung zu beurteilen ist, eine generelle Vertretungsbefugnis bei Erbringung dieser Leistung eingeräumt ist oder wenn ein Beschäftigter die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann ("sanktionsloses Ablehnungsrecht", vgl. etwa VwGH 24.11.2016, Ra 2016/08/0011, mwN). Der Empfänger der Dienstleistungen kann unter solchen Umständen nicht darauf bauen und entsprechend disponieren, dass dieser Beschäftigte an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit für Dienstleistungen vereinbarungsgemäß zur Verfügung steht. Die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen, ihm angebotene Beschäftigungsmöglichkeiten auszuschlagen, berührt die persönliche Arbeitspflicht in keiner Weise, mag diese Befugnis auch als "sanktionsloses

Ablehnungsrecht" (in einem weiteren Sinn) bezeichnet werden. Zwischen der sanktionslosen Ablehnung der Erbringung einzelner Leistungen, etwa bei deren Abruf im Zuge einer Rahmenvereinbarung bei verpflichtender Tätigkeit im Fall der Zusage, und einem generellen sanktionslosen Ablehnungsrecht, das die persönliche Abhängigkeit ausschließt, ist ein deutlicher Unterschied zu machen (vgl. etwa VwGH 15.10.2015, 2013/08/0175; 14.10.2015, 2013/08/0226, mwN). Selbst eine ausdrücklich vereinbarte Befugnis des Beschäftigten, bereits zugesagte Arbeitseinsätze jederzeit nach Gutdünken sanktionslos ablehnen zu können, stünde im Verdacht, ein "Scheingeschäft" zu sein, wenn eine solche Vereinbarung mit den objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation nicht in Einklang zu bringen wäre (vgl. §§ 539 und 539a ASVG). Anders wäre ein Sachverhalt aber z. B. dann zu beurteilen, wenn der Dienstgeber einfache Aushilfsarbeiten derart organisiert, dass für deren Durchführung jederzeit mehrere abrufbare Arbeitskräfte zur Verfügung stehen ("präsenter Arbeitskräftepool"), und es ihm - nicht zuletzt wegen der Einfachheit der Arbeiten - gleichgültig ist, von welcher - gleichwertigen - Arbeitskraft aus dem potenziell zur Verfügung stehenden Kreis er die Arbeiten verrichten lässt. Steht dem Dienstgeber die Möglichkeit offen, im Falle der (jederzeit möglichen) Absage der von ihm in Aussicht genommenen Person aus dem "Pool" sofort die jeweils nächste Arbeitskraft abzurufen und stehen genügend Arbeitskräfte zur Verfügung, dann könnte der einzelne Teilnehmer am "Pool", mit dem dies vereinbart wurde oder dem dies bekannt ist, tatsächlich in Übereinstimmung mit dem Vereinbarten davon ausgehen, einzelne Arbeitsleistungen jederzeit nach Gutdünken sanktionslos ablehnen zu dürfen (vgl. VwGH 1.10.2015, Ro 2015/08/0020; 26.08.2014, 2012/08/0100).

60 Das Verwaltungsgericht erblickte in der Befugnis der Vorspringer, die Durchführung eines Skisprungs (auch noch im letzten Moment) abzulehnen, sodass die erstmitbeteiligte Partei nicht auf diesen habe bauen können, ein die persönliche Arbeitspflicht ausschließendes sanktionsloses Ablehnungsrecht. Dabei ließ es außer Acht, dass der Revisionswerber nicht die Ausübung seiner Tätigkeit als Vorspringer insgesamt (die insbesondere die Vorbereitung auf einen Sprung und das Bereithalten zu einem solchen umfasste), sondern nur die Durchführung des gefahrenträchtigen Sprungs selbst ablehnen konnte, was aus dem erforderlichen Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Vorspringer folgt. Der Vorspringerchef bzw. der Rennleiter hatten auch von sich aus dem betreffenden Vorspringer für einen Tag oder für einen Sprung die Freigabe zu verweigern, wenn er den Eindruck machte, nicht über die nötige körperliche oder geistige Fitness zu verfügen.

61 Das FIS-Reg

Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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