TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/22 W167 2209147-1

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Veröffentlicht am 22.03.2019
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Entscheidungsdatum

22.03.2019

Norm

ASVG §101
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W167 2209147-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), XXXX vom XXXX , mit dem der Antrag auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes bei Geldleistungen zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem bekämpften Bescheid wies die AUVA (belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers vom XXXX auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes bei Geldleistungen wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer rechtskräftig im sozialgerichtlichen Verfahren aus Anlass eines Arbeitsunfalls eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 Prozent der Vollrente für sechs Monate zuerkannt und das Mehrbegehren abgewiesen wurde. Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei mangels existenter bescheidmäßig zuerkannter Geldleistung somit nur beim Sozialgericht möglich.

2. Der Beschwerdeführer erhob anwaltlich vertreten rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin bestätigte er, dass ein rechtskräftig abgeschlossenes sozialgerichtliches Verfahren betreffend die Zuerkennung einer Versehrtenrente vorliege. Darüber hinaus führte er zusammengefasst aus, bei ihm liege eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenbegründetem Ausmaß von 100% vor. Die unfallkausale Gesundheitsschädigung sei in einem Zivilverfahren rechtskräftig bestätigt worden. Er führte näher begründet aus, dass die Voraussetzungen des § 101 ASVG im Beschwerdefall erfüllt seien und ein wesentlicher Sachverhaltsirrtum vorliege. Er verwies auf medizinischen Untersuchungen im Jänner 2018 auf Einladung der belangten Behörde. Eine Unzulässigkeit des Rechtsweges liege nicht vor.

3. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor. In ihrer Stellungnahme verwies die belangte Behörde insbesondere darauf, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens nur beim Sozialgericht nach den §§§ 529, 530 ZPO möglich und dass auf rechtskräftige Urteile der Sozialgerichte § 101 ASVG nicht anzuwenden sei.

4. Im Rahmen des Parteiengehörs führte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen des § 101 ASVG erfüllt seien. Aufgrund der Einladung des Beschwerdeführers zu fachärztlichen Untersuchungen im Jänner 2018, seien die nunmehrigen Ausführungen der belangten Behörde betreffend die Unzulässigkeit des Rechtsweges als obsolet zu betrachten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Bescheid vom XXXX lehnte die belangte Behörde die Gewährung einer Rente aus Anlass des Arbeitsunfalls des Beschwerdeführers vom XXXX ab.

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht. Im sozialgerichtlichen Verfahren wurde dem Beschwerdeführer rechtskräftig eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 Prozent der Vollrente für sechs Monate zuerkannt und das Mehrbegehren abgewiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt und dem Vorbringen des Beschwerdeführers.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Maßgebliche Bestimmung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG)

Rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes bei Geldleistungen

§ 101. Ergibt sich nachträglich, daß eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, so ist mit Wirkung vom Tage der Auswirkung des Irrtums oder Versehens der gesetzliche Zustand herzustellen.

3.2. Maßgebliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs

§ 101 ASVG ist somit nur anwendbar auf Bescheide eines Versicherungsträgers, nicht auch auf Leistungsfeststellungen, die zuletzt von einem Gericht ergangen sind, da mit der Erhebung der Klage beim Gericht der Bescheid des Versicherungsträgers im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft tritt und daher insoweit jede Entscheidungsbefugnis des Versicherungsträgers wegfällt. Gegen rechtskräftige Urteile der Gerichte kann Abhilfe nur im Wege der Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage nach Maßgabe der Vorschriften der Zivilprozessordnung gesucht werden. (VwGH 18.11.2009, 2008/08/0083)

Allerdings besteht auch dann, wenn keine bescheidmäßige (ursprüngliche) Erledigung des Versicherungsträgers über eine Leistung (mehr) vorhanden ist, keine Entscheidungsbefugnis des Versicherungsträgers gemäß § 101 ASVG. Wurde gegen eine solche (ursprüngliche) Leistungsentscheidung Klage erhoben, ist sie durch diese Klageerhebung weggefallen und stand die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung einem Antrag (hier: der mitbeteiligten Partei) auf (rückwirkende) Herstellung des gesetzlichen Zustandes jedenfalls entgegen. Die beschwerdeführende Partei hat dem Antrag des Mitbeteiligten im Hinblick darauf, dass in der Leistungssache betreffend die Zuerkennung einer Versehrtenrente mit gerichtlichen Urteilen rechtskräftig abgesprochen ist, daher im Ergebnis zu Recht nicht stattgegeben (vgl. auch das zu § 183 ASVG ergangene hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2009, Zl. 2006/08/0267) (VwGH 18.11.2009, 2008/08/0083)

3.3. Für den Beschwerdefall bedeutet das:

Wird bei Leistungssachen nach § 65 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 bis 8 ASGG rechtzeitig Klage erhoben, so tritt der Bescheid des Versicherungsträgers im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft (§ 71 Absatz 1 erster Satz ASGG). Ist in weiterer Folge eine gerichtliche Entscheidung ergangen, stehen ausschließlich die Rechtsbehelfe der Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage nach den §§ 529, 530 ZPO zur Verfügung (vergleiche ständige Rechtsprechung des VwGH sowie Atria in Sonntag [Hrsg], ASVG9 [2018] § 101 Rz 1 und 2, auch mit Hinweisen zu §§ 529 ff ZPO). Zudem steht eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung einem Antrag auf (rückwirkende) Herstellung des gesetzlichen Zustandes entgegen (siehe oben VwGH).

Im Beschwerdefall trat der Bescheid der belangten Behörde (1.1.), mit dem der Antrag auf Gewährung einer Rente aus Anlass eines Arbeitsunfalls abgelehnt wurde, nach Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht außer Kraft. Das sozialgerichtliche Verfahren wurde rechtskräftig abgeschlossen (1.2.). Aufgrund der gerichtlichen Entscheidung stehen ausschließlich die oben genannten Rechtsbehelfe der ZPO zur Verfügung. Zudem steht die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung einem Antrag gemäß § 101 ASVG entgegen. Auch eine Einladung des Beschwerdeführers zu fachärztlichen Untersuchungen vermag daran nichts zu ändern. Daher hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht zurückgewiesen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass betreffend die Kosten der Grundsatz der Selbsttragung gilt (§ 17 VwGVG iVm § 74 AVG).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die unter 3.2. genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Arbeits- und Sozialgericht, Rechtskraft der Entscheidung,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W167.2209147.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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